Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung auf Fristablauf durch Versicherung
Leitsatz (amtlich)
Ob der Versicherer ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG beruft, hat der Tatrichter auf Grund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Diese Entscheidung kann das Revisionsgericht nur darauf hin überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht.
Normenkette
VVG § 12 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Celle v. 18.12.2003 wird auf Kosten des Beklagten zu 2), der auch die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers trägt, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger erhebt gegen den Beklagten zu 2), einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Leistungsansprüche wegen des Diebstahls seiner Yacht "..........." (...................................).
Er hatte die 1998 zum Preise von 346.240 DM erworbene Yacht unter Vermittlung der E., der ehemaligen Beklagten zu 1), mit Vertrag v. 3.5.2000 beim Beklagten zu 2) mit einer Versicherungssumme von 295.000 DM bei einer Selbstbeteiligung von 2.000 DM kaskoversichert. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (AVB Wassersportfahrzeuge 1993) zu Grunde. Auf der ersten Seite des Versicherungsscheins sind oben rechts allein die frühere Beklagte zu 1) und darunter die Büroanschrift des betreuenden Versicherungsmaklers genannt. Im unteren Teil des Deckblatts befindet sich vor der Unterschrift des Versicherers der folgende Text:
"In Vollmacht des Versicherers
V.
E.
"
Am 27.3.2001 wurde die Yacht durch Personal des Sportboothafens (.........) B. B./Italien von einem Landliegeplatz im Hafengelände zu Wasser gelassen. Am darauf folgenden Tag sollte das Boot zu dem vom Kläger gemieteten Liegeplatz gebracht werden. Während die beiden Sicherheitsschlüssel für die Zugangstür zum Salon der Yacht außerhalb des Bootes verwahrt wurden, verblieben die Zündschlüssel (in jeweils zweifacher Ausfertigung) für die beiden Motoren in einer unverschlossenen, abgedeckten Ablage unterhalb des Fahrstandes an Bord. Ebenso blieben drei Bordnetzschlüssel für die drei Hauptschalter der elektrischen Anlage in den Schalterschlössern stecken.
In der Nacht v. 27. auf den 28.3.2001 wurde die Yacht von unbekannten Tätern entwendet. Der Kläger meldete den Schadensfall der Beklagten zu 1), die im Einverständnis und mit Vollmacht des Beklagten zu 2) zunächst auch die Verhandlungen über die Schadensregulierung führte. Der Kläger wurde dabei von dem Streithelfer anwaltlich vertreten. Auf dessen erste schriftliche Aufforderung zur Auszahlung der Versicherungssumme erwiderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben v. 23.7.2001, nach Rücksprache mit dem "führenden Versicherer", dem (namentlich genannten) Beklagten zu 2), müsse sie mitteilen, man könne der Zahlungsaufforderung derzeit nicht nachkommen. Auf die Zweite, ebenfalls an die Beklagte zu 1) gerichtete Zahlungsaufforderung des Streithelfers v. 25.10.2001 meldete sich Rechtsanwalt Dr. F. aus F.. Unter dem Betreff "V./Fr. "teilte er dem Streithelfer mit Schreiben v. 8.11.2001 mit, dass er "die Interessen des Kasko-Versicherers" anwaltlich wahrnehme, und kündigte eine weitere Rücksprache an.
Mit einem an Rechtsanwalt Dr. F. gerichteten Schreiben v. 20.11.2001 kündigte der Streithelfer die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte zu 1) an, die er sodann - eingehend am 29.11.2001 - bei Gericht einreichte. Die auf Feststellung der Leistungspflicht aus der Kaskoversicherung gerichtete Klage wurde der Beklagten zu 1) am 17.12.2001 zugestellt.
Mit Schreiben v. 21.12.2001 wandte sich Rechtsanwalt Dr. F. unter dem Betreff "V./Fr. "an den Streithelfer und teilte ihm unter Bezugnahme auf seine beiden vorangegangenen Schreiben mit, nach Rücksprache mit "dem Kaskoversicherer" lehne dieser den erhobenen Anspruch ab und werde keine Leistung erbringen, weil der Versicherungsfall auf grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen sei. Das Schreiben schließt mit den Worten:
"Wie Ihnen selbstverständlich bekannt ist, wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (§ 12 Abs. 3 VVG)."
In dem vom Kläger zunächst gegen die Beklagte zu 1) geführten Rechtsstreit rügte diese mit Schriftsatz v. 25.6.2002 ihre fehlende Passivlegitimation. Mit Schriftsatz v. 16.7.2002 stellte der Streithelfer für den Kläger daraufhin den Antrag, dass die Klage sich im Weiteren gegen den Beklagten zu 2) richten solle. Dieser hält sich schon wegen Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG für leistungsfrei und ist weiter der Auffassung, die erhobene Klage auf Feststellung der Leistungspflicht sei unzulässig, weil der Kläger Leistungsklage hätte erheben können. Im Übrigen entfalle die Leistungspflicht auch deshalb, weil der Kläger sämtliche Motoren- und Netzschlüssel an Bord gelassen und damit den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 2) könne sich angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, sondern müsse sich die fristgemäße Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1) zurechnen lassen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte zu 2) weiterhin die Klagabweisung.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht führt aus:
1. Der Antrag auf Feststellung, der Beklagte zu 2) sei verpflichtet, dem Kläger den um den vereinbarten Selbstbehalt verminderten Schaden aus dem Diebstahl der Motoryacht v. 27./28.3.2001 zu ersetzen, sei zulässig. Das Feststellungsinteresse entfalle nicht dadurch, dass der Kläger - wie mit einem im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Antrag geschehen - auch Leistungsklage habe erheben können. Denn von dem Beklagten zu 2), einem großen Versicherungsunternehmen, könne erwartet werden, dass er seiner Verpflichtung zum Schadensersatz aus einem rechtskräftigen Feststellungsurteil freiwillig nachkomme, ohne dass es zusätzlich eines auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
2. Anders als das LG ist das Berufungsgericht weiter der Auffassung, der Beklagte zu 2) könne sich nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, denn das stelle sich hier als rechtsmissbräuchlich dar.
Die Besonderheit des Falles liege - anders als in dem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall (OLG Saarbrücken v. 10.1.1996 - 5 U 413/95-28, VersR 1997, 435) - darin, dass die Klage gegen die nicht passiv legitimierte Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der vom Beklagten zu 2) unter Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG erklärten Leistungsablehnung bereits erhoben gewesen sei. Dabei müsse sich der Beklagte zu 2) das Wissen der mit der Schadensregulierung beauftragten Beklagten zu 1) um die Klagerhebung zurechnen lassen. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße präge, sei der Beklagte zu 2) wegen des Wissens um die fehlerhafte Klagerhebung und angesichts der gesamten Umstände des Falles ggü. der Beklagten zu 1) verpflichtet gewesen, im Leistungsablehnungsschreiben ausdrücklich klarzustellen, dass nur er der zuständige Versicherer sei. Durch einen solchen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, den erforderlichen Parteiwechsel im bereits laufenden Rechtsstreit noch innerhalb der Sechsmonatsfrist herbeizuführen. Demgegenüber verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte zu 2), der sich zudem von demselben Prozessbevollmächtigten habe vertreten lassen wie die Beklagte zu 1), zunächst den Ablauf der Sechsmonatsfrist abgewartet habe, um sich sodann erstmals nach dem Parteiwechsel im laufenden Rechtsstreit darauf zu berufen.
Der Zweck des § 12 Abs. 3 VVG, eine Verzögerung der Klärung zweifelhafter Ansprüche im Interesse zeitnaher Sachaufklärung zu verhindern und dem Versicherer die Übersicht über den Stand seines Vermögens zu wahren, sei bereits erfüllt gewesen, als das Leistungsablehnungsschreiben v. 21.12.2001 abgefasst worden sei. Denn schon zu diesem Zeitpunkt sei für den Beklagten zu 2) ersichtlich gewesen, dass der Kläger seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen und sich mit der außergerichtlichen Ablehnung nicht zufrieden geben wolle.
Der Kläger sei in den dem Rechtsstreit vorangegangenen Regulierungsverhandlungen auch nicht mit solcher Deutlichkeit auf die Person des zuständigen Versicherers hingewiesen worden, dass er nicht schutzwürdig erscheine. Im Versicherungsschein sei mehrfach von einem "führenden Versicherer" die Rede, obwohl keine Mehrzahl von Versicherern am Vertrag beteiligt gewesen sei. Dass insb. die Beklagte zu 1) nicht Mitversicherer, sondern lediglich Versicherungsagentin oder -maklerin gewesen sei, komme im Versicherungsvertrag trotz des Hinweises, sie handle "in Vollmacht des Versicherers", nur schwer verständlich zum Ausdruck, zumal sie selbst mit dem Zusatz "Wassersport-Versicherungen" firmiere und in Ziff. 15 der Besonderen Bedingungen zur Wassersport-Kasko-Versicherung eine Halbierung der Selbstbeteiligung für den Fall in Aussicht gestellt werde, dass das Wasserfahrzeug fünf Jahre bei der Beklagten zu 1 schadensfrei versichert sei.
Schließlich habe auch der Rechtsanwalt des Beklagten zu 2) in der vorgerichtlichen Korrespondenz abgesehen von der Verwendung des Kurzrubrums "V./Fr. "nicht ausdrücklich klargestellt, dass allein der Beklagte zu 2) Versicherer sei.
3. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht nach § 61 VVG von der Leistung frei. Zwar liege es nahe, den - nach Auffassung des Berufungsgerichts vom Kläger persönlich zu verantwortenden - Verbleib von Motor- und Bordnetzschlüsseln an Bord der Yacht als grob fahrlässig anzusehen, doch habe der Beklagte zu 2) nicht nachgewiesen, dass die Yacht unter Zuhilfenahme der Schlüssel gestohlen worden sei. Es könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden, dass die Yacht mit Hilfe eines anderen Bootes auf See geschleppt worden sei.
Der Verbleib der Schlüssel an Bord stelle schließlich auch keine Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG dar, weil es an der Dauerhaftigkeit des veränderten Zustandes fehle.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in allen Punkten stand.
1. Der vom Kläger vorrangig verfolgte Feststellungsantrag ist hier zulässig, obwohl der Kläger sein Klageziel auch mit einer bezifferten Leistungsklage hätte verfolgen können, wie der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag zeigt. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage ggü. der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt (BGH, Urt. v. 4.12.1986 - III ZR 205/85, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 2; v. 5.2.1987 - III ZR 16/86, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4; v. 21.2.1996 - IV ZR 297/94, NJW-RR 1996, 641, unter I, jeweils m.w.N.). Das ist insb. dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urt. v. 28.9.1999 - VI ZR 195/98, MDR 1999, 1439 = VersR 1999, 1555, unter II 1b, cc; Urt. v. 17.6.1994 - V ZR 34/92, MDR 1994, 1111 = NJW-RR 1994, 1272, unter II 2b). Das hat der BGH bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank (BGH, Urt. v. 30.4.1991 - XI ZR 223/90, MDR 1991, 750 = NJW 1991, 1889, unter 1; v. 30.5.1995 - XI ZR 78/94, MDR 1995, 1024 = NJW 1995, 2219, unter A II 1; v. 30.5.1995 - XI ZR 78/94, BGHZ 130, 59 [63] = MDR 1995, 1024; v. 5.12.1995 - XI ZR 70/95, MDR 1996, 348 = NJW 1996, 918, unter II 1), eine Behörde (BGH, Urt. v. 9.6.1983 - III ZR 74/82, MDR 1984, 28 = NJW 1984, 1118, unter 3c) oder - wie hier - um ein großes Versicherungsunternehmen (BGH, Urt. v. 28.9.1999 - VI ZR 195/98, MDR 1999, 1439 = VersR 1999, 1555, unter II 1b, cc) handelt. Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, zeigt die Revision nicht auf.
2. Die Annahme des Tatrichters, der Beklagte zu 2) dürfe sich im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 242 Rz. 38, m.w.N.). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insb. die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (BGH v. 30.4.1993 - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308 [314] = MDR 1993, 974; v. 19.12.2000 - X ZR 150/98, BGHZ 146, 217 [223] = BGHReport 2001, 209; Urt. v. 6.12.1988 - XI ZR 19/88, MDR 1989, 448 = NJW-RR 1989, 818, unter 3; v. 13.3.1996 - VIII ZR 99/94, NJW-RR 1996, 949, unter II 3; v. 8.5.2003 - VII ZR 216/02, MDR 2003, 979 = BGHReport 2003, 845 = NJW 2003, 2448, unter III 2).
b) Solche Rechtsfehler deckt die Revision nicht auf.
Dass eine Berufung auf die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG dem Versicherer im Einzelfall nach § 242 BGB versagt sein kann, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BGH, Urt. v. 6.6.1966 - II ZR 66/64, VersR 1966, 723, unter V; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 Rz. 52, 59; ferner bei Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 12 Rz. 87).
Dem Zusammenhang der Urteilsgründe des Berufungsurteils kann sicher entnommen werden, dass das Berufungsgericht es dem Beklagten zu 2) nicht allein deshalb verwehrt hat, sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG zu berufen, weil die Leistungsablehnung hier zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem die Beklagte zu 2) bereits zurechenbare Kenntnis davon hatte, dass der Kläger irrtümlich Klage gegen die Beklagte zu 1) eingereicht hatte, obwohl diese nicht Versicherer war. Vielmehr hat der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung des § 12 Abs. 3 VVG erkennbar nicht nur auf den zeitlichen Ablauf, sondern auch auf die Gestaltung des Versicherungsscheins, den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1), die im Rahmen der Schadensregulierung geführte Korrespondenz und das Prozessverhalten der Beteiligten abgestellt. Dass daneben wesentliche Gesichtspunkte übersehen oder von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen worden wäre, wird von der Revision nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
c) Die Revision bemüht sich unter Hinweis auf mehrere tatrichterliche Entscheidungen anderer OLG lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Das Berufungsurteil steht insb. nicht in Divergenz zur Entscheidung des OLG Saarbrücken v. 10.1.1996 (OLG Saarbrücken v. 10.1.1996 - 5 U 413/95-28, VersR 1997, 435). Zwar hatte das OLG es dort abgelehnt, dem Versicherer die Geltendmachung der Leistungsfreiheit nach § 12 Abs. 3 VVG zu versagen und zur Begründung ausgeführt, es reiche zur Wahrung der Frist nicht aus, wenn der Versicherer irgendwie davon Kenntnis erhalte, dass der Versicherungsnehmer einen anderen Versicherer verklagt habe. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass es sich auch dort um eine von den besonderen Umständen des Falles getragene Einzelfallentscheidung handelt, die einer Verallgemeinerung nicht fähig ist.
d) So liegt der Fall auch hier. Soweit sich das Berufungsgericht mit der Zulassung der Revision eine allgemeine Klärung der Frage erwartet hat, ob den Versicherer nach bereits erfolgter Klage des Versicherungsnehmers gegen einen falschen Versicherer im Rahmen des § 12 Abs. 3 VVG stets eine gesonderte Hinweispflicht treffe, verkennt diese Fragestellung die revisionsrechtlichen Grenzen der Überprüfung einer nach § 242 BGB getroffenen Einzelfallentscheidung. Ein Zulassungsgrund i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO war deshalb hier nicht gegeben.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2) habe den ihm im Rahmen des § 61 VVG obliegenden Nachweis dafür, dass die an Bord befindlichen Schlüssel für die Motoren und das elektrische Bordnetz mitursächlich für den Diebstahl geworden sind (BGH, Urt. v. 14.7.1986 - IVa ZR 22/85, MDR 1987, 34 = VersR 1986, 962, unter II), nicht geführt. Die Gegenrüge, mit welcher der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, er selbst - und nicht das mit der Verlegung der Yacht beauftragte Hafenpersonal (das keine Repräsentantenstellung eingenommen habe) - sei dafür verantwortlich, dass Schlüssel an Bord geblieben seien, kann deshalb auf sich beruhen.
Soweit die Revision geltend macht, es sei hier schon nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass das Belassen der genannten Schlüssel an Bord mitursächlich für den Diebstahl geworden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Voraussetzung für jede Anwendung eines Anscheinsbeweises ist, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, und keine Umstände gegeben sind, welche es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, dass das Geschehen im konkreten Fall anders abgelaufen ist als von einer Anscheinsregel als typisch vorausgesetzt (BGH, Urt. v. 3.7.1990 - VI ZR 239/89, MDR 1991, 235 = NJW 1991, 230, unter II 2, 3). An beidem fehlt es hier. Der Diebstahl einer großen Motoryacht zählt nicht zu denjenigen Lebensvorgängen, die nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., vor § 284 Rz. 29). Hinzu kommt, dass vorliegend gewichtige Umstände dafür sprechen, dass das Boot des Klägers zumindest nicht mit eigener Motorkraft das im Winter versandete Hafenbecken verlassen konnte und stattdessen aus dem Hafen geschleppt werden musste, weil es im Motorbetrieb zu großen Tiefgang hatte. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe diesen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten, trifft das nicht zu. Dazu, ob die Yacht später auf See mit eigener Motorkraft Fahrt aufnahm oder weiterhin geschleppt wurde, ist nichts bekannt. Auch hierzu scheidet ein Anscheinsbeweis wegen der Besonderheiten des Einzelfalles aus.
4. Auch eine Leistungsfreiheit der Beklagten zu 2) wegen Gefahrerhöhung (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG) hat das Berufungsgericht mit rechtlich zutreffender Begründung abgelehnt. Soweit die Revision geltend macht, die vom Berufungsgericht vermisste Dauerhaftigkeit des Zustandes erhöhter Gefahrverwirklichung ergebe sich daraus, dass die Motor- und Netzschlüssel ständig, d.h. nicht nur am Tage vor dem Diebstahl, sondern auch während der Winterliegezeit der Yacht an Land und auch bereits davor an Bord verwahrt worden seien, findet dies in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 1332589 |
BGHR 2005, 828 |
NJW-RR 2005, 619 |
MDR 2005, 926 |
ZfS 2005, 344 |
r+s 2005, 188 |
TranspR 2005, 170 |