Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 25.09.2001) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. September 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von Verbindungsentgelt in Höhe von 16.654,67 DM nebst Zinsen für Telefongespräche, die nach Behauptung der Klägerin in der Zeit von Oktober 1994 bis Juli 1996 unter Benutzung zweier Telefonanschlüsse des Beklagten geführt wurden.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Über die Revision ist gemäß §§ 557 a.F., 331 ZPO durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff). Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die in den Rechnungen der Klägerin aufgeführten eminent hohen Telefongebühren beruhten darauf, daß nach Anwahl von überwiegend 0190-, vereinzelt auch 0180-Sondernummern Sextelefonate geführt worden seien. Eine Abgrenzung zu anderen Telefonaten habe die Klägerin nicht vorgenommen; eine solche lasse sich auch nicht aufgrund der zu den Akten gereichten Unterlagen durchführen.
Hinsichtlich der geführten Sextelefonate stehe der Klägerin ein Entgelt nicht zu, da sie sich in ihrer Eigenschaft als Netzbetreiber in vorwerfbarer Weise an der kommerziellen Ausnutzung eines sittenwidrigen Geschäfts beteiligt habe.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. Wie der erkennende Senat bereits durch das nach Erlaß der Berufungsentscheidung ergangene Urteil vom 22. November 2001 (III ZR 5/01 – NJW 2002, 361) ausgesprochen hat, werden Verbindungsentgelte auch dann geschuldet, wenn die in Rechnung gestellten 0190-Sondernummern zu dem Zweck angewählt worden sind, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche zu führen.
Das zwischen dem Betreiber eines Fest- oder Mobilfunknetzes und einem Anschlußnehmer bestehende Vertragsverhältnis ist nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter nicht deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil bereits bei Vertragsschluß objektiv die Möglichkeit bestand, unter Benutzung des Anschlusses Telefonsex zu betreiben. Der Telefondienstvertrag und die bei Durchführung dieses Vertrags erbrachten Leistungen des Netzbetreibers (Herstellen und Aufrechterhalten von Verbindungen) stellen unabhängig davon wertneutrale Hilfsgeschäfte dar, ob die (sittenwidrigen) Telefonsexleistungen unter Verwendung eines normalen Telefonanschlusses oder nach Anwahl einer 0190-Sondernummer erbracht werden. Das ergibt sich daraus, daß auch im letzteren Falle der Netzbetreiber für den Inhalt der angebotenen Sexdienstleistungen nicht verantwortlich ist (vgl. § 5 Abs. 1 und 3 des Teledienstegesetzes). Die Wertneutralität der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber erstreckt sich auf die getroffenen Preisabreden, auch wenn dabei – wie dies bei 0190-Sondernummern der Fall ist – die Verbindungsleistung und die weitere Dienstleistung zu deutlich höheren Gesamt- (einheitlichen, d.h. nicht weiter aufgeschlüsselten) Entgelten als Telefon- oder Sprachmehrwertdienste angeboten und in Anspruch genommen werden (eingehend hierzu Senatsurteil aaO S. 362 f).
II.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben.
Eine abschließende sachliche Entscheidung des Senats (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.) kommt nicht in Betracht. Der Beklagte hat in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, er habe die in den Einzelverbindungsnachweisen der Klägerin aufgeführten 0190-Sondernummer-Gespräche nicht geführt; er könne sich diese Aufstellung nur dadurch erklären, daß er Opfer betrügerischer Manipulationen geworden sei. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung mehrerer Zeugen die Klage mit der Begründung abgewiesen, der für die Klägerin streitende Beweis des ersten Anscheins, daß die durch automatische Gebührenzähler den Telefonanschlüssen des Beklagten zugeordneten Tarifeinheiten tatsächlich durch über diese Anschlüsse geführte Gespräche angefallen seien, sei durch die erhobenen Beweise erschüttert worden. Diese Beweiswürdigung des Landgerichts hat die Klägerin in der Berufungsbegründung angegriffen. Damit hat sich das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht befaßt. Das ist nachzuholen.
Unterschriften
Wurm, Streck, Schlick, Dörr, Galke
Fundstellen