Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. Dezember 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz für Verluste aus Waren- und Devisenterminoptionsgeschäften an US-amerikanischen Börsen in Anspruch.
Die Beklagte zu 1), deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vermittelt gewerbsmäßig Börsenterminoptionsgeschäfte. Nach telefonischer Werbung schloß der Kläger, ein schweizerischer Rentner, am 10. Februar 1998 mit der Beklagten zu 1) einen Betreuungs- und Beratungsvertrag zur Durchführung von Optionsgeschäften und unterzeichnete am 17. Februar 1998 eine Informationsschrift der Beklagten zu 1) gemäß § 53 Abs. 2 BörsG. Nachdem die Beklagte zu 1) dem Kläger eine Broschüre über Termin- und Optionsgeschäfte zur Verfügung gestellt hatte, übersandte er ihr mehrere Aufträge zum Kauf von Optionen, die die Beklagte zu 1) an den Broker, mit dem sie zusammenarbeitet, weiterleitete. Für den Abschluß dieser Geschäfte zahlte der Kläger an den Broker, der als Provisionen Aufschläge von ca. 81,82% auf die Börsenoptionsprämie berechnete, vom 18. Februar bis 3. März 1998 67.500 sfr. Die Optionsgeschäfte endeten insgesamt verlustreich. Am 28. April 1998 erhielt der Kläger eine Rückzahlung in Höhe von 6.153,92 US-Dollar.
Den Differenzbetrag von umgerechnet 70.833,41 DM nebst Zinsen verlangt er mit seiner Klage ersetzt. Er macht geltend, seine Einlagen seien nicht für Optionsgeschäfte verwandt, sondern veruntreut worden. Die Beklagten hätten ihn außerdem nicht ausreichend über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtet, in vollem Umfang und, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, wegen eines Teils des Zinsanspruches abgewiesen, und die Berufung der Beklagten zu 1) im übrigen zurückgewiesen. Die Revision, mit der der Kläger seinen abgewiesenen Klageantrag weiterverfolgt, hat der Senat nur insoweit angenommen, als sie die Klage gegen den Beklagten zu 2) betrifft.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Annahme ist die Revision des Klägers begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2) im wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte zu 2) schulde nicht gemäß §§ 823 Abs. 2, 830, 840 BGB i.V. mit §§ 263, 266 StGB Schadensersatz, weil nicht festgestellt sei, daß er von einer etwaigen Veruntreuung der Einlagen des Klägers oder von einer etwaigen Vorspiegelung falscher Tatsachen durch Telefonverkäufer der Beklagten zu 1) gewußt habe. Einer Verpflichtung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 89 BörsG stehe entgegen, daß der Kläger eine konkrete Kenntnis des Beklagten zu 2) von seiner – des Klägers – Unerfahrenheit in Börsenspekulationsgeschäften nicht behauptet habe. Ein Anspruch gemäß § 826 BGB bestehe nicht, weil die Beklagten ihre Verpflichtung zur unmißverständlichen schriftlichen Aufklärung über die Risiken der Geschäfte mit der Broschüre über Termin- und Optionsgeschäfte sowie der Informationsschrift gemäß § 53 Abs. 2 BörsG erfüllt hätten. Hierin werde auf das Risiko hoher Verluste, auch eines Totalverlustes, hingewiesen. Ferner komme durch die graphische Gestaltung der Broschüre in einer sofort ins Auge stechenden Weise zum Ausdruck, daß wegen des Aufschlages von 81,82% auf die Optionsprämie eine Gewinnchance kaum noch gegeben sei. Der potentielle Anleger werde unmißverständlich darauf hingewiesen, daß bei mehrmaligem Abschluß von Optionsgeschäften angesichts der Höhe der Optionsprämie praktisch keine Erfolgschance bestehe. Durch die Gestaltung der Broschüre werde auch einem flüchtigen Leser in auffälliger Form deutlich gemacht, daß die aufgrund des hohen Aufschlags auf die Optionsprämie geringe Chance, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem Optionsgeschäft abnehme.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu 2) gemäß §§ 823 Abs. 2, 830, 840 BGB i.V. mit §§ 263, 266 StGB, § 89 BörsG verneint hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden und werden von der Revision hingenommen.
2. Hingegen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2) sei dem Kläger auch nicht gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, rechtsfehlerhaft.
a) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluß schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen. Dazu gehört neben der Bekanntgabe der Höhe der Optionsprämie auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren Einfluß auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muß darauf hingewiesen werden, daß die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Ferner ist darzulegen, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag auf die Prämie erhoben wird, und daß ein solcher Aufschlag die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen (vgl. BGHZ 105, 108, 110; 124, 151, 154 f.; BGH, Urteile vom 11. Januar 1988 – II ZR 134/87, WM 1988, 291, 293 und vom 6. Juni 1991 – III ZR 116/90, WM 1991, 1410, 1411; Senat, Urteile vom 13. Oktober 1992 – XI ZR 30/92, WM 1992, 1935, 1936, vom 1. Februar 1994 – XI ZR 125/93, WM 1994, 453, 454 und vom 2. Februar 1999 – XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541). In diesem Zusammenhang ist unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß höhere Aufschläge, etwa solche von 81,82%, vor allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Die Aussagekraft dieses Hinweises, der schriftlich und in auch für flüchtige Leser auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen noch auf andere Weise beeinträchtigt werden (Senat BGHZ 124, 151, 155 f.).
bb) Für diese Aufklärung hat der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH Sorge zu tragen. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluß veranlaßt oder bewußt nicht verhindert, mißbraucht seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Optionserwerbern gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (Senat BGHZ 124, 151, 162; Senat, Urteil vom 17. Mai 1994 – XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747 m.w.Nachw.).
b) Diese objektiven Haftungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
aa) Die Broschüre, die die Beklagte zu 1) dem Kläger übersandt hat, genügt den Anforderungen an die Aufklärung von Anlegern nicht. Sie enthält zwar auf S. 9 den drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis, daß wegen des verlangten Aufschlages von ca. 81,82% auf die Börsenoptionsprämie eine Gewinnchance kaum noch gegeben ist, und daß Kunden, die mehrere verschiedene Optionsgeschäfte abschließen, im Ergebnis praktisch chancenlos sind, weil mit jedem Optionsgeschäft die ohnehin geringe Chance, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, abnimmt. Dieser Hinweis wird aber durch den weiteren, uneinheitlichen Inhalt der Broschüre, der den Leser fehlerhaft informiert, systematisch ermüdet und von den wesentlichen Informationen ablenkt, entwertet.
Im Vorwort der Broschüre wird der Erwerber mehrerer Optionen nicht – wie von der Beklagten zu 1) geschuldet – als praktisch chancenlos gekennzeichnet, sondern eine, wenn auch äußerst geringe, Gewinnchance behauptet. Der sehr kleingedruckte und teilweise nur schwer verständliche Text der drei folgenden Seiten, der Organisation und Aufgaben der Börse sowie Grundfragen des Termin- und Optionsgeschäfts, des Kundenkontos, der Preisanalyse und der Börsenspekulation behandelt, bezeichnet die Gewinnerzielung eines Spekulanten als fraglich. Diese Ausführungen verschleiern dem Erwerber mehrerer verschiedener Optionen seine praktische Chancenlosigkeit, ermüden ihn und verringern seine Bereitschaft, die folgenden – zudem ungeordneten und unzureichenden – Hinweise auf Verlustrisiken und den praktischen Ausschluß jeder Gewinnchance überhaupt noch zur Kenntnis zu nehmen.
Die Verlustrisiken werden auf den folgenden Seiten der Broschüre zwar angesprochen, aber gedanklich nur ungeordnet und inhaltlich teilweise unzutreffend dargestellt. Die Risikohinweise auf S. 5 der Broschüre erfolgen unter der vom Kern der geschuldeten Aufklärung ablenkenden Überschrift „Provisionen” und bestehen im wesentlichen aus der Wiedergabe der Entscheidungsgründe eines oberlandesgerichtlichen Urteils von 1988. Diese Information ist unzureichend, weil sie der bereits zitierten, zeitlich nachfolgenden Rechtsprechung des Senats zu Inhalt und Umfang der Aufklärungspflichten nicht Rechnung trägt, und weil die Entscheidungsgründe gerichtlicher Urteile grundsätzlich nicht der Festlegung des Textes dienen, mit dem unerfahrene Optionsinteressenten ausreichend aufgeklärt werden könnten (BGHZ 124, 151, 155).
Nach dieser ungenügenden Aufklärung wird der Leser erneut durch mehrseitige, kleingedruckte und schwer verständliche theoretische Abhandlungen über andere Spekulationsgeschäfte systematisch abgelenkt und ermüdet. Erst auf S. 8 der Broschüre folgen weitere Hinweise auf Verlustrisiken, die erneut nur unzulänglich beschrieben werden. Die Hinweise stehen unter der verharmlosenden Überschrift: „Optionskosten, wirtschaftliche Bedeutung dieser Kosten” und werden mit dem Satz: „Die Rechtsprechung in der Bundesrepublik fordert …” eingeleitet. Dadurch wird dem unerfahrenen Anleger die Erkenntnis, daß die Hinweise nicht lediglich formalen Anforderungen der Rechtsprechung Genüge tun, sondern reale Gefahren beschreiben, denen sich der Anleger aussetzt, unnötig erschwert. Diese Wirkung wird noch dadurch verstärkt, daß auf S. 12 der Broschüre unter der ähnlich irreführenden Überschrift „Risikohinweis nach der deutschen Rechtsprechung” Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aus den Jahren 1981 und 1984 auszugsweise wiedergegeben werden, ohne daß erwähnt wird, daß die Anforderungen an die Aufklärung der Anleger seitdem durch die bereits zitierte Rechtsprechung des Senats erheblich verschärft worden sind.
Dieser Kontext entwertet den auf S. 9 der Broschüre gegebenen Hinweis auf die praktische Chancenlosigkeit der Anleger insgesamt so weitgehend, daß der Hinweis nicht als ausreichende Aufklärung angesehen werden kann. Hinzu kommt noch, daß der Broker, mit dem die Beklagte zu 1) zusammenarbeitet, in seinen Vertragsbedingungen unter Ziffer 3 c nur – völlig unzureichend – darauf hinweist, daß seine Gebühren die Chancen des Anlegers, seine Einzahlungen zurückzuverdienen und Gewinne zu erzielen, „vermindert”. In den Auftragsbestätigungen, die der Broker dem Kläger erteilt hat, wird ein Gewinn des Anlegers – ebenso unzureichend – nur als äußerst zweifelhaft bezweifelt.
bb) Der Beklagte zu 2), der als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) für die sachgerechte Aufklärung der Anleger Sorge zu tragen hatte, hat den Abschluß der Optionsgeschäfte ohne diese Aufklärung zumindest nicht verhindert. Daß der Kläger bei gehöriger Aufklärung die verlustreichen Optionsgeschäfte nicht abgeschlossen hätte, wird vermutet (Senat BGHZ 124, 151, 163; Senat, Urteil vom 17. Mai 1994 – XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747).
III.
Das Berufungsurteil war daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird Feststellungen zum Vorsatz des Beklagten zu 2) gemäß § 826 BGB zu treffen haben. Dabei wird außer den schwerwiegenden Aufklärungsmängeln zu berücksichtigen sein, daß ein etwaiger Irrtum über die Reichweite der Aufklärungspflicht vorsätzliches Handeln nicht ohne weiteres ausschließt (Senat BGHZ 124, 151, 163; Senat, Urteil vom 17. Mai 1994 – XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747).
Unterschriften
Nobbe, van Gelder, Müller, Joeres, Wassermann
Fundstellen
EWiR 2002, 199 |
WM 2001, 2313 |
WuB 2002, 259 |
ZIP 2001, 2274 |
BKR 2002, 36 |
ZBB 2001, 490 |
NJOZ 2002, 765 |