Entscheidungsstichwort (Thema)
Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten. Zum ausschließlichen Gebrauch durch Wohnungseigentümer bestimmter Balkon
Leitsatz (amtlich)
Eine in der Teilungserklärung getroffene Regelung, wonach Balkone, die zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind, auf dessen Kosten instandzusetzen und instandzuhalten sind, ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass hiervon Kosten ausgenommen sind, die die im Gemeinschaftseigentum stehenden Balkonteile betreffen.
Normenkette
WEG § 5 Abs. 4 S. 1, § 10 Abs. 2 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 13.12.2011; Aktenzeichen 2 S 31/11) |
AG Idar-Oberstein (Entscheidung vom 09.05.2011; Aktenzeichen 300 C 10/10 WEG) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Koblenz vom 13.12.2011 wird auf Kosten des Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft. Einige der Eigentumswohnungen verfügen über Balkone. In der Teilungserklärung heißt es in § 5.2.:
"Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), sind von ihm auf seine Kosten instandzusetzen und instandzuhalten."
Rz. 2
Auf der Eigentümerversammlung vom 10.3.2010 beschlossen die Wohnungseigentümer zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 4, dass "die Kosten der Rechnung der Fa. M. vom 23.11.2009" anteilsmäßig auf sämtliche Eigentümer umgelegt, und zu TOP 8, dass die (anstehenden) Kosten für die Sanierung der Balkone der Beklagten zu 1) und 2) von der Gemeinschaft übernommen werden. Die Rechnung der Fa. M. betrifft eine sog. Ursachenanalyse, in der von einer schadhaften Balkon- und Fugenabdichtung sowie von einem größtenteils losen und starke Rissbildungen aufweisenden Fliesenbelag die Rede ist.
Rz. 3
Die gegen die Beschlüsse zu TOP 4 und 8 erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Mit der zugelassenen Revision möchte der Beklagte zu 1) die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die gefassten Beschlüsse entsprächen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil sie gegen § 5.2. der Teilungserklärung verstießen. Die Regelung sei nächstliegend dahin auszulegen, dass Eigentümer von Wohnungen, die mit einem Balkon ausgestattet seien, für sämtliche diesbezüglich entstehenden Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten aufkommen müssten. Der Wortlaut enthalte keine Einschränkung und biete keine Anhaltspunkte für eine irgendwie geartete - im Übrigen auch nur zu Abgrenzungsschwierigkeiten führende - Unterscheidung. Damit seien die Kosten für die Isolierung und die Abdichtungsanschlüsse von den betroffenen Wohnungseigentümern zu tragen. Sie dürften nicht auf sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft umgelegt werden.
II.
Rz. 5
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Rz. 6
1. Das Berufungsgericht beanstandet die angefochtenen Beschlüsse zu Recht. Diese verstoßen gegen § 5.2. der Teilungserklärung.
Rz. 7
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei der Auslegung einer Teilungserklärung maßgebend auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen ist, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegend ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. nur BGH, Beschl. v. 7.10.2004 - V ZB 22/04, NJW 2004, 3413 m.w.N.; ebenso für Beschlüsse BGH, Beschl. v. 10.9.1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291 f.; vgl. auch Urt. v. 18.6.2010 - V ZR 193/09, NJW 2010, 2801 Rz. 1).
Rz. 8
b) Die auf dieser Grundlage vorgenommene, ausführlich und überzeugend begründete Auslegung macht sich der Senat zu Eigen. Insbesondere hebt das Berufungsgericht zu Recht hervor, dass die Überbürdung der gesamten Kostenlast schon nach der sprachlichen Fassung von § 5.2. der Teilungserklärung daran anknüpft, dass der Balkon zum "ausschließlichen Gebrauch" durch den jeweiligen Wohnungseigentümer bestimmt ist, die übrigen Wohnungseigentümer mithin von der Nutzung ausgeschlossen sind.
Rz. 9
Entgegen der Auffassung der Revision, die sich auf zu "vergleichbaren Fällen" ergangene Rechtsprechung (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 515 f., OLG Schleswig, ZMR 2006, 963 f.) beruft, ist der Teilungserklärung auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck, wie er sich bei nächstliegendem Verständnis einem unbefangenen Betrachter erschließt, keine Einschränkung zu entnehmen. Danach ist nicht ersichtlich, dass die das Gemeinschaftseigentum betreffenden Sanierungskosten nicht von dem jeweiligen Wohnungseigentümer getragen werden sollen (gegen eine solche Einschränkung auch BayObLG, ZMR 1999, 56, 58 f.; OLG Braunschweig, ZMR 2006, 395, 396). Es ist zwar richtig, dass den Eintritt von Feuchtigkeit verhindernde Maßnahmen auch der Erhaltung des gesamten Gebäudes zugutekommen (können). Nur knüpft die Regelung hieran nicht an. In Übereinstimmung mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut, dem insb. keine Differenzierung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum zu entnehmen ist, besteht der Sinn der Regelung vielmehr darin, dass die übrigen - von der Nutzung der Balkone ausgeschlossenen - Wohnungseigentümer deshalb von der Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung aller Balkonteile befreit sein sollten, weil diese Lasten bei einer Bauweise ohne Balkone nicht angefallen wären. Eine solche Regelung zu treffen, liegt im privatautonomen Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer bzw. des teilenden Eigentümers. Das Wohnungseigentumsrecht lässt den Wohnungseigentümern weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander ordnen wollen (BGH, Urt. v. 13.10.2006 - V ZR 289/05, WM 2006, 2374, 2376 m.w.N.).
Rz. 10
2. Ob der in dem Verstoß gegen § 5.2 der Teilungserklärung liegende Rechtsfehler nur zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führt oder zu deren Nichtigkeit wegen fehlender Beschlusskompetenz zur erstmaligen Begründung einer Kostenlast der Gemeinschaft (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 225/11, NJW 2012, 2578, 2579), bedarf hier keiner Klärung, weil der Rechtsfehler innerhalb der Ausschlussfristen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG geltend gemacht worden ist (dazu und zur Frage der Tenorierung BGH, Urt. v. 2.10.2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 314 ff.; vgl. auch Urt. v. 20.5.2011 - V ZR 175/10, NJW-RR 2011, 1232).
III.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3515221 |
NJW 2012, 6 |
NJW 2013, 681 |
BauR 2013, 514 |
EBE/BGH 2012 |
MittBayNot 2013, 128 |
NZM 2013, 88 |
ZAP 2013, 66 |
ZMR 2013, 290 |
ZfIR 2013, 77 |
JZ 2013, 98 |
MDR 2013, 22 |
NJ 2013, 209 |
WuM 2013, 57 |
ZWE 2013, 29 |
GuT 2012, 28 |
Info M 2012, 491 |
MietRB 2013, 13 |
NJW-Spezial 2013, 98 |
BBB 2013, 61 |
IWR 2013, 66 |