Leitsatz (amtlich)
Der Besteller verliert sein Leistungsverweigerungsrecht ggü. einer Abschlagsforderung des Unternehmers nicht, wenn er die nach § 648a BGB geforderte Sicherheit nicht stellt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 183/02, BGHZ 157, 335 = MDR 2004, 627 = BGHReport 2004, 650).
Normenkette
BGB § 648a a.F.
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 26.03.2002; Aktenzeichen 10 U 138/01) |
LG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 26.3.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Mai 1994 mit Bauarbeiten zum Pauschalpreis von 1.900.000 DM netto; die VOB/B war vereinbart. Nach Ausführung der Arbeiten erstellte die Klägerin im März 1997 ihre Schlussrechnung. Zu einer Abnahme kam es wegen Mängeln nicht.
Die Klägerin hat restlichen Werklohn, hilfsweise Abschlagszahlung i.H.v. 993.565,24 DM geltend gemacht. Sie hat im April 2001 in dieser Höhe Sicherheit gem. § 648a BGB gefordert, die der Beklagte nicht geleistet hat. Das LG hat die Werklohnklage mangels Abnahme als nicht fällig abgewiesen; es hat nach Beweisaufnahme eine Abschlagsforderung i.H.v. 703.055,23 DM errechnet und der Klägerin nach Abzug von Mängelbeseitigungskosten 455.955,23 DM zugesprochen. Die Berufung des Beklagten, der ein Leistungsverweigerungsrecht wegen höherer Mängelbeseitigungskosten und wegen weiterer Mängel geltend macht, ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Klärung der Frage, ob sich der Beklagte wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Klägerin gem. § 648a BGB seinerseits noch auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln berufen könne, die Revision zugelassen. Der Beklagte verfolgt mit seiner Revision sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe ein fälliger Anspruch auf Abschlag in der vom LG ausgeurteilten Höhe zu, weil der Beklagte keine Sicherheit geleistet habe und damit sein Zurückbehaltungsrecht entfallen sei. Eine Gegenforderung aus der Haftung wegen des Gefälles der Tiefgarage bestehe nicht.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend das Verlangen der Klägerin nach Sicherheit gem. § 648a BGB durch Bezugnahme auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil für wirksam erachtet.
Die Revision rügt zu Unrecht, die Klägerin habe nicht wirksam Sicherheit verlangt, da sie ihr Verlangen erst Jahre nach Beginn des Rechtsstreits, Feststellung diverser Mängel und ihrer Erklärung, zur Vornahme der erforderlichen Mangelbeseitigung nicht bereit zu sein, gestellt habe. Die Klägerin hat die Nachbesserung nicht grundsätzlich verweigert, sondern sich auf ihr Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf die nicht erbrachte Sicherheit gem. § 648a BGB berufen. Die Revision zeigt keinen Vortrag der Parteien auf, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte.
2. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne ihre Abschlagsforderung ohne Rücksicht auf Mängel geltend machen, weil der Beklagte keine Sicherheit gestellt habe. Diese Auffassung lässt sich mit § 648a BGB nicht vereinbaren.
a) Der BGH hat in mehreren Entscheidungen, die nach Verkündung des Berufungsurteils ergangen sind, ausgeführt, der Gesetzgeber habe dem Unternehmer keinen Anspruch auf Sicherheit verschafft (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 183/02, BGHZ 157, 335 = MDR 2004, 627 = BGHReport 2004, 650 = BauR 2004, 826 = ZfBR 2004, 365 = NZBau 2004, 259; Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 267/02, BauR 2004, 834 = NZBau 2004, 264; Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 68/03, BauR 2004, 830 = NZBau 2004, 261). Vielmehr hat der Gesetzgeber ihm lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die Leistung zu verweigern, wenn die zu Recht beanspruchte Sicherheit nicht gestellt wird. Außerdem hat der Unternehmer das Recht, dem Besteller zur Nachholung der Sicherheitsleistung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu bestimmen, dass er den Vertrag kündige, wenn die Sicherheit nicht bis zum Ablauf der Frist gestellt werde, § 648a Abs. 5 S. 1, § 643 S. 1 BGB. Nach Ablauf dieser Frist gilt der Vertrag als aufgehoben, § 643 S. 2 BGB. Damit hat der Gesetzgeber dem Unternehmer eine Möglichkeit verschafft, sich von dem Vertrag mit der Wirkung zu lösen, dass er die bis zur Aufhebung des Vertrages noch nicht erbrachten Leistungen nicht mehr erbringen muss. Auf diese Weise erhält der Unternehmer auch die Berechtigung, die Werkleistung abschließend abzurechnen. So wird der Schwebezustand aufgelöst, der dadurch entsteht, dass der Unternehmer einerseits die weitere Leistung mangels Sicherheit nicht erbringen muss, andererseits dann aber auch die Voraussetzungen für die Abnahme des Werkes und damit die Fälligkeit der Schlussvergütung nicht schafft. Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass der Unternehmer die Vertragsaufhebung wählt, die Rechtsfolgen dahin geregelt, dass dem Unternehmer nur der Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 645 Abs. 1 BGB zusteht und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach Maßgabe des § 648a Abs. 5 BGB.
Hat die bis zur Aufhebung des Vertrages erbrachte Leistung Mängel, so ist jedenfalls dann § 645 Abs. 1 BGB anzuwenden, wenn diese Mängel bereits gerügt waren und der Unternehmer die Beseitigung der Mängel von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat. Denn der Unternehmer hat dann zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit ist, die Mängelbeseitigung ohne Sicherheitsleistung vorzunehmen. Das bedeutet, dass der Vergütungsanspruch um den infolge des Mangels entstandenen Minderwert zu kürzen ist. Sofern die Mängelbeseitigung möglich ist und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden kann, ist die Vergütung regelmäßig um die Kosten zu kürzen, die notwendig sind, den Mangel beseitigen zu lassen, sonst um den Minderwert des Bauwerks (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 183/02, BGHZ 157, 335 = MDR 2004, 627 = BGHReport 2004, 650).
b) Wählt ein Unternehmer die Möglichkeit der Vertragsaufhebung nicht, kann er zwar eine fällige Abschlagszahlung verlangen. Der Besteller kann sich jedoch dieser Forderung ggü. auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln berufen, auch wenn er eine Sicherheit nach § 648a BGB nicht geleistet hat. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH kann der Besteller gegenüber einer Abschlagsforderung ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln geltend machen, dessen Bemessung sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet (BGH, Urt. v. 21.12.1978 - VII ZR 269/77, BGHZ 73, 140 [143]; Urt. v. 9.7.1981 - VII ZR 40/80, MDR 1982, 133 = BauR 1981, 577 = ZfBR 1981, 265; Urt. v. 25.10.1990 - VII ZR 201/89, MDR 1991, 430 = BauR 1991, 81 = ZfBR 1991, 67). Dabei kann ggf. berücksichtigt werden, dass der Besteller keine Sicherheit stellt.
Wählt dagegen der Unternehmer die Vertragsaufhebung und hat er seine Leistung nicht mangelfrei erbracht, so ist sein Vergütungsanspruch um den infolge des Mangels entstandenen Minderwert zu kürzen.
3. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsurteil keinen Bestand, soweit das Berufungsgericht der Klägerin den ausgeurteilten Betrag ungeachtet der Mängelrügen des Beklagten zugesprochen hat.
a) Das Berufungsgericht muss den Parteien Gelegenheit geben, sich auf die dargestellte, im Rechtsstreit bisher nicht erwogene Rechtslage einzustellen. Es wird unabhängig von dem weiteren Verhalten der Parteien auch zu klären haben, ob die behaupteten Mängel vorliegen und die vom LG festgestellten Mangelbeseitigungskosten zutreffen. Stellt sich in der neuen Verhandlung heraus, dass das LG die Mängelbeseitigungskosten zutreffend ermittelt hat und weitere Mängel nicht vorliegen, so kann die Klägerin den ausgeurteilten Betrag verlangen. Ihr Sicherheitsbegehren ist dann ohnehin irrelevant, weil keine weiteren Leistungen zu erbringen sind.
b) Anderenfalls ist nach dem jetzigen Sachstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin noch keine Nachfrist gesetzt hat. Sie kann die noch offene Abschlagsforderung geltend machen. Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten ist zu berücksichtigen. Nach dem in der Revision zu unterstellenden Sachverhalt erreichen bereits die einfachen Mängelbeseitigungskosten den noch offenen Werklohn. Danach hätte eine Verurteilung zur Zahlung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung zu erfolgen.
Das Berufungsgericht wird zu klären haben, ob die Mängelbeseitigungskosten hinsichtlich der anerkannten Mängel zutreffend berechnet worden sind. Soweit sich ein höherer Betrag ergibt, steht dem Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Die Höhe dieses Leistungsverweigerungsrechts kann im Hinblick darauf, dass bereits ein rechtskräftig entschiedener Abzug für die Mängel vom Werklohn stattgefunden hat, nicht über die Kosten der Mängelbeseitigung für die betreffenden Mängel hinausgehen.
Das Berufungsgericht wird weiter zu klären haben, inwieweit die behaupteten zusätzlichen Mängel bestehen und in welcher Höhe sie ein Leistungsverweigerungsrecht begründen.
Beharrt die Klägerin auf einer vorherigen Absicherung ihrer Forderung, so kann sie nur den sich aus § 645 Abs. 1 BGB ergebenden, geminderten Vergütungsanspruch geltend machen. Eine Nachfrist ist entbehrlich, wenn der Beklagte, wie bisher, die Sicherheitsleistung verweigert. Die Klägerin kann dann erklären, dass sie im Hinblick auf die verweigerte Sicherheitsleistung die Mängelbeseitigung ablehne, so dass der Erfüllungsanspruch des Beklagten untergeht.
c) Das Berufungsgericht wird seine Feststellungen, eine Haftung der Klägerin wegen des zu geringen Gefälles der Tiefgarage bestehe nicht, verdeutlichen müssen. Sofern es lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten ausschließen will, gelten die vorstehenden Hinweise entsprechend. Soweit es einen aufrechenbaren Gegenspruch für möglich, aber nicht für begründet erachtet, fehlen jedwede Feststellungen zur Anspruchsgrundlage. Die Begründung, die Klägerin treffe wegen der Anordnung des Architekten kein Verschulden, trägt nicht. Die Anordnung des Architekten befreit sie nicht von ihrer Pflicht, auf Bedenken hinzuweisen (§ 4 Nr. 3 VOB/B).
Fundstellen
Haufe-Index 1308329 |
DB 2005, 552 |
BGHR 2005, 486 |
DWW 2005, 159 |
EBE/BGH 2005, 2 |
NJW-RR 2005, 457 |
IBR 2005, 146 |
ZAP 2005, 444 |
ZAP 2005, 496 |
ZfIR 2005, 369 |
MDR 2005, 565 |
ZfBR 2005, 261 |
BTR 2005, 80 |
BauSV 2005, 56 |
BrBp 2005, 331 |
NJW-Spezial 2005, 215 |
NZBau 2005, 221 |
BBB 2005, 48 |
BauRB 2005, 97 |
JbBauR 2006, 375 |