Leitsatz (amtlich)
Zur Rückforderung von Wahlleistungsentgelten, die ein Krankenversicherer an den seinen Versicherungsnehmer behandelnden liquidationsberechtigten Krankenhausarzt gezahlt hat, wenn die zwischen dem Krankenhausträger und dem Patienten/Versicherungsnehmer geschlossene Wahlleistungsvereinbarung wegen Nichteinhaltung der Schriftform nichtig ist.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 814; BPflV § 22 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Chefarzt einer Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie. In dieser Klinik befand sich von Juli bis September 1995 H. P., der bei der Klägerin eine Krankheitskostenversicherung unterhielt, in stationärer Behandlung. Die formularmäßige Wahlleistungsvereinbarung, in der als gesondert berechenbare Wahlleistungen die ärztlichen Leistungen aller an der Behandlung beteiligten und liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses und die Unterbringung in einem Zweibettzimmer angekreuzt sind, trägt nur die Unterschrift von H. P.
Der Beklagte stellte im Januar 1996 für seine ärztlichen Leistungen insgesamt 44.049,28 DM in Rechnung. Die Klägerin überwies dem Beklagten unter Abzug einzelner Rechnungsposten 30.236,74 DM.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung dieses Betrags. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Zahlung der 30.236,74 DM ohne Rechtsgrund erfolgte.
a) Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750) sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren. Demgemäß ist nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Form grundsätzlich nur gewahrt, wenn alle die Wahlleistungen betreffenden Erklärungen in derselben Urkunde niedergelegt und von beiden Parteien unterzeichnet sind. Trägt das Wahlleistungsformular – wie hier – nur die Unterschrift des Patienten und nicht (auch) die Unterschrift eines Vertreters des Krankenhauses, so ist die Wahlleistungsvereinbarung gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig (Senatsurteil BGHZ 138, 91, 92 f).
b) Fehlt es an einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung, so steht dem behandelnden liquidationsberechtigten Krankenhausarzt wegen § 139 BGB auch dann kein (besonderer) Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Gebührenordnung für Ärzte zu, wenn zwischen ihm und dem Patienten mündlich ein Arztzusatzvertrag geschlossen worden sein sollte (Senatsurteil aaO S. 95 ff). Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht nicht. Die erbrachten ärztlichen Leistungen sind in einem solchen Falle nur als Leistung des Krankenhauses im Rahmen des – wirksamen – Krankenhausbehandlungsvertrags zwischen dem Träger des Krankenhauses und dem Patienten anzusehen. Dies ist unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 22 BPflV auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn sich feststellen ließe, daß der Patient aufgrund der vermeintlich geschlossenen Wahlleistungsabrede in den Genuß einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden ärztlichen Versorgung gekommen wäre, die er in diesem Umfang als bloßer Regelleistungspatient nicht erhalten hätte (Senatsurteil aaO S. 99).
c) Somit bestand wegen der Nichtigkeit der Wahlleistungsvereinbarung weder ein Vergütungsanspruch des Beklagten gegen den von ihm behandelten Patienten noch ein Erstattungsanspruch des Patienten gegen die Klägerin aus dem bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrag (s. hierzu BGH, Urteil vom 14. Januar 1998 – IV ZR 61/97 – NJW 1998, 1790, 1791 f.).
2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Zwischen ihr und der Erbin des mittlerweile verstorbenen Versicherungsnehmers ist entgegen der Auffassung der Revision ein wirksamer Abtretungsvertrag über etwaige dem Patienten gegenüber dem rechnungstellenden beklagten Arzt zustehende Rückforderungsansprüche zustande gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1999 – VIII ZR 370/97 – NJW 1999, 2179 f). Es kann daher offenbleiben, ob der Klägerin ungeachtet dessen, daß mit ihrer Zahlung (auch) eine (vermeintliche) Verbindlichkeit des Patienten gegenüber dem behandelnden Arzt aus § 612 Abs. 2 BGB getilgt werden sollte, ein Kondiktionsanspruch nicht aus fremdem, sondern aus eigenem Recht zusteht, sei es, weil für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von einer Drittzahlung des Krankenversicherers nach § 267 BGB auszugehen ist (wie die Rechtsprechung für den Fall der Zahlung des Haftpflichtversicherers an den Gläubiger des bei ihm versicherten Haftpflichtschuldners annimmt, vgl. BGHZ 113, 62, 68 ff; BGH, Urteil vom 29. Februar 2000 – VI ZR 47/99 – NJW 2000, 1718, 1719), sei es, weil unter dem Gesichtspunkt des „Doppelmangels in der Bereicherungskette” ausnahmsweise ein Durchgriff der Klägerin gegen den Beklagten zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2001 – VI ZR 36/00 – NJW 2001, 2880, 2881).
3. Vergeblich beruft sich die Revision darauf, ein Bereicherungsanspruch scheitere an § 814 BGB, wonach das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war.
Dieser Kondiktionsausschluß greift nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst ein, wenn der Leistende nicht nur die Tatumstände kennt, aus denen sich ergibt, daß er nicht verpflichtet ist, sondern auch weiß, daß er nach der Rechtslage nichts schuldet (vgl. nur BGHZ 113, 62, 70; BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 – IV ZR 35/96 – NJW 1997, 2381, 2382 m.w.N.). Zweifel daran, daß diese Voraussetzungen vorliegen, gehen zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Leistungsempfängers (Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 814 Rn. 11). Gemessen daran hat das Berufungsgericht zu Recht den Einwand aus § 814 BGB nicht durchgreifen lassen.
Ob im Rahmen des § 814 BGB dann, wenn – wie hier – ein behandelter Patient bei der Begleichung einer Arztrechnung seinen Krankenversicherer einschaltet, (allein) auf das Wissen des Versicherungsnehmers oder (auch) auf das Wissen des Krankenversicherers abzustellen ist – sei es, weil er als der Leistende im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB anzusehen ist, sei es, weil dem Versicherungsnehmer das Wissen des Versicherers zuzurechnen ist –, kann dahinstehen.
Daß der Versicherungsnehmer der Klägerin selbst wußte, daß die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam ist, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, (auch) die Klägerin selbst habe nicht die erforderliche Kenntnis der Nichtschuld gehabt, ist rechtsfehlerfrei getroffen worden.
Der Umstand, daß die Klägerin gegenüber dem Beklagten eine Reihe von Beanstandungen hinsichtlich einzelner berechneter „GOÄ-Ziffern” erhoben hat, macht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, deutlich, daß die Klägerin ihre Einstandspflicht dem Grunde nach nicht in Zweifel gezogen hat. In diesem Zusammenhang konnte, entgegen der Auffassung der Revision, das Berufungsgericht offenlassen, ob den Behandlungsunterlagen, die die Klägerin bei der Beklagten im Rahmen der Prüfung ihrer Einstandspflicht angefordert hatte, die Wahlleistungsvereinbarung beigefügt war. Bejahendenfalls bedeutete dies noch nicht, daß der zuständige Sachbearbeiter der Klägerin die Vereinbarung in Augenschein genommen, das Fehlen der Unterschrift eines Vertreters des Krankenhauses bemerkt und hieraus die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat.
4. Dem Berufungsgericht ist weiter darin zuzustimmen, daß auch im übrigen die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch die Klägerin nicht treuwidrig ist. Vergeblich macht die Revision geltend, der Beklagte habe aufgrund des mit der Klägerin geführten Schriftwechsels darauf vertrauen dürfen, daß „die Angelegenheit abschließend geregelt” sei. Ein dahingehendes Vertrauen konnte allenfalls bezüglich der Rechnungshöhe entstanden sein mit der Folge, daß die Klägerin möglicherweise eine Rückzahlung nicht mehr mit der Begründung verlangen könnte, sie habe einzelne Gebührenpositionen zu Unrecht als „GOÄ-mäßig” erachtet und bezahlt. Ein schützenswertes Vertrauen des Beklagten darauf, er könne die empfangenen Zahlungen auch für den Fall behalten, daß im nachhinein die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung entdeckt wird, ist nicht anzuerkennen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Fundstellen
Haufe-Index 884932 |
NJW 2002, 3772 |
BGHR 2003, 199 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ArztR 2003, 128 |
MDR 2003, 77 |
MedR 2003, 170 |
VersR 2002, 1545 |