Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung Realkredit zu üblichen Bedingungen i.S.v. § 3 VerbrKrG auch bei Überschreitung oberer Streubreitengrenze der Effektivverzinsung
Leitsatz (amtlich)
Ein Realkredit kann im Einzelfall auch dann zu „üblichen Bedingungen” im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG gewährt sein, wenn der vereinbarte Zinssatz die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesene obere Streubreitengrenze der Effektivverzinsung überschreitet.
Normenkette
VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. November 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau gegen die Vollstreckung der beklagten Bank aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde. Er begehrt zudem die Feststellung, daß der Beklagten aus dem zur Finanzierung einer Eigentumswohnung abgeschlossenen Darlehensvertrag vom 17. April 1997 keine Ansprüche mehr zustehen sowie die Freigabe der als Sicherheit abgetretenen Lebensversicherung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger und seine Ehefrau erwarben zu Steuersparzwecken mit notariellem Kaufvertrag vom 13. März 1997 von der P. Immobilienvermittlungs GmbH eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 172.500 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte ihnen die Beklagte aufgrund einer Finanzierungsanfrage der G. vom 8. April 1997 ein Darlehen über 175.000 DM, das durch eine Grundschuld in derselben Höhe sowie durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung abgesichert und dessen Tilgung zunächst ausgesetzt war. Der effektive Jahreszins betrug 8,25% und war auf sieben Jahre festgeschrieben. Nach fristloser Kündigung des Darlehensvertrags wegen Verzugs betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde.
Der Kläger ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig. Er könne nach den Grundsätzen des sogenannten Einwendungsdurchgriffs (§ 9 Abs. 3 VerbrKrG) die Rückzahlung des Kredits verweigern. Die Verkäuferin sei ihm gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn über den Wert der Immobilie und die notwendigen monatlichen Eigenaufwendungen getäuscht habe. Für den entstandenen Schaden hafte auch die Beklagte, da Kaufvertrag und Darlehensvertrag verbundene Geschäfte im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG seien. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG lägen nicht vor. Das Darlehen sei nicht zu üblichen Bankbedingungen gewährt worden, da der effektive Jahreszins von 8,25% außerhalb der Streubreite vergleichbarer Kredite liege. Die Beklagte hafte darüber hinaus auch aus eigenem Aufklärungsverschulden.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger und seine Ehefrau über die unangemessene Höhe des Kaufpreises zu unterrichten. Auch ein Einwendungsdurchgriff scheide aus. Kauf- und Darlehensvertrag seien schon deshalb keine verbundenen Geschäfte, weil die Kreditanfrage an die Beklagte erst vier Wochen nach Kaufvertragsabschluß gestellt worden sei. Zudem schließe § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG eine Anwendung des § 9 VerbrKrG aus. Es handele sich um ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen, das entgegen der Auffassung des Klägers zu üblichen Bedingungen gewährt worden sei. Zwar überschreite der vereinbarte Effektivzins die von der Bundesbank für den maßgeblichen Zeitpunkt ermittelte Obergrenze der Streubreite der Zinssätze für fünfjährige Kredite um 1,8% und die für zehnjährige Kredite um 0,86%. Nicht jeder Kredit, der außerhalb der genannten Streubreite liege, sei aber allein deshalb von der Privilegierung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgenommen. Entscheidend sei, ob die konkret getroffene Kreditvereinbarung mit den Kreditverträgen vergleichbar sei, die der Zinsstatistik zugrunde lägen. Das sei hier nicht der Fall, da die Zinsstatistik der Bundesbank nur Realkredite berücksichtige, die unter Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Beleihungsgrenzen vergeben würden. Im Vergleich hierzu sei das Risiko bei der hier vorgesehenen Vollfinanzierung höher, zumal dann, wenn – wie nach der Behauptung des Klägers der Fall – der tatsächliche Wert der Immobilie hinter dem Kaufpreis zurückbleibe. Eine Risikoerhöhung für die Beklagte ergebe sich zusätzlich aus der vereinbarten Tilgungsaussetzung.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Rechtsfehlerfrei – und von der Revision daher zu Recht unbeanstandet – sind allerdings die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht ein Aufklärungsverschulden der Beklagten im Hinblick auf den nach Behauptung des Klägers überteuerten Kaufpreis verneint hat.
Eine kreditgebende Bank ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur ausnahmsweise verpflichtet, etwa dann, wenn die Bank in bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (BGH, Urteil vom 18. April 1988 – II ZR 251/87, WM 1988, 895, 898; Senatsurteile vom 3. Dezember 1991 – XI ZR 300/90, WM 1992, 133, vom 17. Dezember 1991 – XI ZR 8/91, WM 1992, 216, 217, vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902, vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1246 und vom 12. November 2002 – XI ZR 25/00, ZIP 2003, 160, 161). Grundsätzlich nicht ausreichend ist allerdings ein Wissensvorsprung der Bank darüber, daß der vom Erwerber zu zahlende Kaufpreis in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert des zu erwerbenden Objekts steht (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 1987 – III ZR 235/86, WM 1987, 1426, 1428, vom 21. Januar 1988 – III ZR 179/86, WM 1988, 561, 563, vom 11. Februar 1999 – IX ZR 352/97, WM 1999, 678, 679 und Senatsurteile vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1246 sowie vom 12. November 2002 – XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 62). Eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Bank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muß (Senatsurteile vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247 m.w.Nachw. und vom 12. November 2002 – XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 62).
Das ist hier nicht der Fall. Nicht jedes, auch nicht jedes auffällige Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führt zur Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann von einem besonders groben Mißverhältnis, das eine Vermutung für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit begründet, vielmehr erst ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGHZ 146, 298, 302 ff. m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 12. November 2002 – XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 62). Ein solches Mißverhältnis bestand hier aber – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – schon nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers nicht. Danach stand einem Wert der Eigentumswohnung von 106.941,60 DM ein Kaufpreis von 172.500 DM gegenüber.
2. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, ein Einwendungsdurchgriff gemäß § 9 VerbrKrG scheide aus.
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, Kauf- und Darlehensvertrag seien schon deshalb keine verbundenen Geschäfte, weil der Kreditantrag erst vier Wochen nach Abschluß des Kaufvertrages gestellt worden sei, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist der zeitgleiche Abschluß von Kauf- und Darlehensvertrag ein Indiz für ein verbundenes Geschäft (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. 2001 § 9 VerbrKrG Rdn. 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aber auch die nachträgliche Verbindung von Kauf- und Darlehensvertrag die Anwendung des § 9 VerbrKrG rechtfertigen. Es kann sogar ausreichend sein, wenn zunächst ein Bargeschäft geschlossen und erst nachträglich eine Finanzierung über Kredit vereinbart wird, sofern nur – wie hier der Fall – die Lieferung der Kaufsache erst nach der Finanzierungszusage erfolgte (BGHZ 91, 9, 13 für einen Abzahlungskauf). Ausreichend kann es auch sein, daß – wie hier ebenfalls der Fall – die Fremdfinanzierung von vornherein vorgesehen ist (BGHZ 131, 66, 70).
b) Von Rechtsfehlern beeinflußt ist auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG schließe die Anwendung des § 9 VerbrKrG aus, da ein Realkredit zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt worden sei.
aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, es handele sich bei dem Kredit um ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, auch wenn – wie der Kläger behauptet – der Wert der Wohnung niedriger sein sollte als der Betrag der bestellten Grundschuld. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247 und vom 7. November 2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20, 21 f. sowie Beschluß vom 5. Februar 2002 – XI ZR 327/01, WM 2002, 588) setzt § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht voraus, daß der Kredit grundpfandrechtlich vollständig durch einen entsprechenden Wert des belasteten Grundstücks gesichert oder der Beleihungsrahmen gemäß §§ 11, 12 HypBG eingehalten ist. An der von den Parteien gewollten Abhängigkeit des Kredits von der Bestellung eines Grundpfandrechts ändert sich auch nichts, wenn sie die Stellung weiterer Sicherheiten – hier die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung – vereinbaren (Senatsbeschluß vom 5. Februar 2002 aaO S. 589). § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ist vielmehr nur dann nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des § 18 Satz 2 VerbrKrG vorliegen, etwa weil nur ein nicht wesentlicher Teil des Kredits grundpfandrechtlich abgesichert ist (Senatsbeschluß vom 5. Februar 2002 aaO). Das ist hier nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht der Fall, da die Grundschuld über 175.000 DM auf einer Eigentumswohnung lastet, deren Wert 106.941,60 DM beträgt. Hiergegen wendet sich auch die Revision nicht.
bb) Sie beanstandet aber mit Recht die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kredit sei zu „üblichen Bedingungen” im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG gewährt worden, obwohl der vereinbarte effektive Jahreszins die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank für den maßgeblichen Zeitraum ausgewiesenen Zinssätze für festverzinsliche Grundpfandkredite erheblich überschritt.
(1) Zutreffend ist allerdings entgegen der Auffassung der Revision der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß der vereinbarte effektive Jahreszins nicht allein über die Frage der Üblichkeit der Bedingungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entscheidet.
Für die Frage, ob ein grundpfandrechtlich abgesicherter Kredit zu den üblichen Bedingungen gewährt worden ist, kommt es entscheidend auf die Zinshöhe und die sonstigen Kreditkonditionen an (Senatsurteile vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247 und vom 7. November 2000 – XI ZR 27/00, WM 2001, 20, 21 f.; Senatsbeschluß vom 5. Februar 2002 – XI ZR 327/01, WM 2002, 588). Dabei stellen die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssätze einen Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit dar (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1999 – XI ZR 316/98, WM 1999, 1555). Allerdings ist nicht jeder Kredit, der einen außerhalb – insbesondere auch oberhalb – der dort ausgewiesenen Streubreite liegenden effektiven Jahreszins vorsieht, schon deswegen von der Privilegierung ausgenommen (OLG Köln WM 2000, 2139, 2145; LG Stuttgart WM 2000, 1103, 1105). Die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, die auf einer statistischen Stichprobenerhebung beruhen, erfassen nämlich nicht sämtliche Grundpfandkredite, sondern nur unter Einhaltung der Beleihungsgrenzen gewährte erstrangig gesicherte Realkredite für Wohngrundstücke zu Festzinsen mit einer Laufzeit von zwei, fünf und zehn Jahren bei einer Tilgung von 1% p.a.. Erfüllt ein Darlehensvertrag diese Kriterien nicht, kommt den in den Monatsberichten ausgewiesenen effektiven Jahreszinsen nur begrenzte Aussagekraft zu. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich ein gegenüber den von der Bundesbank erfaßten Krediten erhöhtes Risiko des Kreditgebers – etwa durch Überschreiten der gesetzlich vorgesehenen Beleihungsgrenze (Senatsurteil vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1247) – in einem erhöhten Zinssatz niederschlagen (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2000 – XI ZR 237/99, WM 2000, 1580, 1581; OLG Köln aaO; LG Stuttgart aaO; Kessal-Wulf aaO § 3 VerbrKrG Rdn. 34; Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis Rdn. 72; Bruchner in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 81 Rdn. 59).
(2) Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, das von der Beklagten gewährte Darlehen unterscheide sich von den der Monatsstatistik der Deutschen Bundesbank zugrundeliegenden Grundpfandkrediten insbesondere deshalb, weil die Beleihungsgrenze von 60% des Grundstückswerts gemäß §§ 11, 12 HypBG nicht eingehalten, sondern der Kaufpreis der Eigentumswohnung zu 100% fremdfinanziert worden sei. Zutreffend stellt das Berufungsgericht ferner fest, daß – anders als bei den in der Zinsstatistik der Bundesbank berücksichtigten Grundpfandkrediten – keine regelmäßige Tilgung vereinbart war, sondern die Rückzahlung des Darlehens erst bei Vertragsende aus einer zeitgleich mit dem Kredit abgeschlossenen Lebensversicherung erfolgen sollte.
(3) Von Rechtsfehlern beeinflußt ist hingegen die im Anschluß hieran getroffene Feststellung des Berufungsgerichts, angesichts dieser Abweichungen erweise sich der vereinbarte effektive Jahreszins von 8,25% trotz Überschreitens der in der Monatsstatistik ausgewiesenen oberen Streubreitengrenze der Zinssätze als marktüblich. Die Feststellung beruht auf einem Verstoß gegen das Gebot der §§ 286 Abs. 1, 523 ZPO a.F., sich mit dem Streitstoff umfassend auseinanderzusetzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären (BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 – VIII ZR 202/90, NJW 1992, 1768, 1769; Senatsurteil vom 29. Januar 2002 – XI ZR 86/01, WM 2002, 557).
Zwar zwingt nicht jedes geringfügige Überschreiten der in der amtlichen Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen oberen Streubreitengrenze der Zinssätze zu einer ins einzelne gehenden Sachaufklärung über die Marktüblichkeit einer konkreten Kreditvereinbarung. Bei bloß geringfügigen Abweichungen können die in den Monatsberichten ausgewiesenen Zinssätze vielmehr mit Rücksicht darauf, daß sie allein auf einer statistischen Stichprobenerhebung beruhen, noch als ausreichender Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit des konkreten vereinbarten effektiven Jahreszinses dienen. Anders ist es, wenn der vereinbarte Zins die in der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssätze erheblich überschreitet und diese deshalb keinen ausreichenden Beleg für die Marktüblichkeit des vereinbarten Zinses bieten. In einem solchen Fall bedarf es zur Frage der Marktüblichkeit der vereinbarten Bedingungen einer Prüfung im Einzelfall, ggf. unter Heranziehung geeigneter Beweismittel.
So ist es hier. Der vereinbarte Effektivzins von 8,25% weicht so erheblich von den in den Monatsberichten ausgewiesenen Zinssätzen ab, daß ohne die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht zu klären ist, ob die vereinbarten Kreditbedingungen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des gewährten Darlehens zum fraglichen Zeitpunkt üblich waren.
Zweifel an der Üblichkeit folgen bereits aus dem Maß, in dem der vereinbarte effektive Jahreszins die von der Bundesbank ermittelten Zinssätze überschreitet. Als die Beklagte im April 1997 den Kredit zu einem auf sieben Jahre festgeschriebenen effektiven Zins von 8,25% gewährte, betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für festverzinsliche Grundpfandkredite für Wohngrundstücke mit einer Laufzeit von fünf Jahren 5,92% bei einer Streubreite von 5,49% bis 6,43% und mit einer Laufzeit von zehn Jahren 6,96% bei einer Streubreite von 6,48% bis 7,39% (Monatsberichte Januar 1998 der Deutschen Bundesbank, S. 45). Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, überschreitet der vereinbarte effektive Jahreszins von 8,25% damit die von der Bundesbank ermittelte Zinsobergrenze für Kredite mit fünfjähriger Laufzeit um rund 1,8 Punkte und für solche mit zehnjähriger Laufzeit um 0,86 Punkte. Interpoliert auf die im Darlehensvertrag vorgesehene siebenjährige Zinsfestschreibung lag der vereinbarte effektive Jahreszins damit deutlich mehr als 1 Punkt über dem obersten Wert der für diesen Zeitraum maßgeblichen Streubreite. Ob dieser Zinsaufschlag – wie die Beklagte behauptet – lediglich der angemessene Ausgleich für ein gegenüber den von der Zinsstatistik erfaßten Verträgen erhöhtes Risiko ist und die Darlehensbedingungen daher trotz des Zuschlags als üblich zu bezeichnen sind, kann ohne weitere Sachaufklärung nicht festgestellt werden.
Das gilt in besonderem Maße vor dem Hintergrund, daß im Zeitpunkt der Darlehensgewährung ausweislich der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank nicht dinglich gesicherte Kontokorrentkredite unter 200.000 DM bereits zu einem Zinssatz von 7,90% zu erhalten waren (Monatsberichte Januar 1998 der Deutschen Bundesbank, S. 45). Da Grundpfandkredite erfahrungsgemäß in der Regel niedriger verzinslich sind als Personalkredite (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1999 – XI ZR 316/98, WM 1999, 1555), bedarf die Frage, ob der hier für einen immerhin teilweise dinglich gesicherten Realkredit vereinbarte – höhere – Zins von 8,25% damals gleichwohl noch üblich war, jedenfalls weiterer Sachaufklärung. Die Beklagte hat für die streitige Frage, ob ihr erhöhtes Risiko mit dem Zinsaufschlag angemessen berücksichtigt ist, Sachverständigengutachten angeboten. Dieses Gutachten hätte das Berufungsgericht einholen müssen.
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Nobbe, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen
Haufe-Index 929676 |
BB 2003, 1144 |
DB 2003, 1321 |
NJW 2003, 2093 |
BGHR 2003, 749 |
BGHR |
EWiR 2003, 997 |
NZM 2003, 533 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 916 |
WuB 2003, 685 |
ZAP 2003, 798 |
ZIP 2003, 894 |
ZfIR 2003, 813 |
MDR 2003, 820 |
BKR 2003, 421 |
BTR 2003, 189 |
ZBB 2003, 222 |