Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücktritt vom Tierkauf. Anforderung an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung. Aufforderung Kaufgegenstand auszutauschen. „Kissing Spines”-Erkrankung eines gekauften Pferdes
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 323 Abs. 1 BGB (Aufforderung, den Kaufgegenstand auszutauschen, mit der Ankündigung, anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen; Fortführung von BGH, Urt. v. 12.8.2009 - VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153).
Normenkette
BGB § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 S. 1, § 323 Abs. 1, § 437 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 23.05.2014; Aktenzeichen I-19 U 93/13) |
LG Dortmund (Entscheidung vom 25.06.2013; Aktenzeichen 6 O 339/12) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG Hamm vom 23.5.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 3.5.2011 für 15.000 EUR einen Fuchswallach der Rasse Quarter Horse. Mit Anwaltsschreiben vom 2.8.2012 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer unheilbaren "Kissing Spines"-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei.
Rz. 2
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von bezifferten Aufwendungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren mängelbedingten Aufwendungen zu erstatten. Ferner verlangt sie die Feststellung des Annahmeverzuges sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Rz. 3
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Die Klägerin begehre Rückgewähr des Kaufpreises, Aufwendungsersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Es fehle allerdings an einer erfolglosen Aufforderung zur Nacherfüllung gem. §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB.
Rz. 7
Es könne dahingestellt bleiben, ob das Pferd bereits bei Übergabe am 3.5.2011 an einem "Kissing Spines"-Syndrom gelitten habe. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt ein Nacherfüllungsverlangen an die Beklagte gerichtet, welches den Vorgaben der §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB genüge. Zwar möge der Lebensgefährte der Klägerin, der von ihr als Zeuge benannte S. H., am 19.6.2012 anlässlich eines Aufenthaltes auf dem Gestüt der Beklagten von deren Vater den Austausch des Pferdes verlangt haben. Eine Frist zur Nacherfüllung, welche erfolglos hätte verstreichen können, habe der Zeuge in diesem Zusammenhang selbst nach den Behauptungen der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7.4.2014 jedoch nicht gesetzt.
Rz. 8
Grundsätzlich sei auch beim Tierkauf vor der Rücktrittserklärung eine Fristsetzung zur Nachbesserung oder zur Nachlieferung erforderlich. Ausnahmen seien nur unter besonderen Umständen zuzulassen. Weder habe die Klägerin insoweit jedoch vorgetragen, dass etwa aus Gründen des Tierschutzes eine unverzügliche Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe notwendig gewesen sei, noch lasse sich erkennen, dass die Lieferung eines anderen - gesunden - Pferdes wegen einer bereits entstandenen Bindung an das streitgegenständliche Tier nicht in Betracht gekommen wäre. Aus den Ausführungen der Klägerin ergebe sich, dass ihre Kaufentscheidung schwerpunktmäßig auf objektiven Gesichtspunkten - der Eignung für die Turnierrichtung "Pleasure", einer Disziplin des Westernreitens - beruht habe. Gerade in einem solchen Fall, in welchem in erster Linie objektive Qualitätsanforderungen ausschlaggebend gewesen seien, komme eine Ersatzlieferung ernsthaft in Betracht. Dass der Beklagten eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzpferdes nicht möglich gewesen wäre, werde substantiiert von der Klägerin nicht behauptet.
Rz. 9
Die Klägerin trage zwar vor, der Vater der Beklagten habe seit Bekanntwerden des "Kissing Spines"-Verdachts sämtliche Anschuldigungen und Pflichten von sich gewiesen und auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt, weil dieses ohnehin "nichts bringe"; hierdurch sei das Vertrauen der Klägerin in das Unternehmen der Beklagten gebrochen worden. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten lasse sich aus dieser unpräzisen Darstellung jedoch nicht herleiten. Dies gelte auch für die umgangssprachliche Formulierung des Vaters der Beklagten in dem behaupteten Gespräch mit dem Lebensgefährten der Klägerin am 19.6.2012, wonach man sich vor Gericht wiedersehe. Derartige Äußerungen ließen nicht darauf schließen, dass die Beklagte eine Nachlieferung auch dann abgelehnt hätte, wenn sie hierzu von der Klägerin ernsthaft unter Gewährung einer angemessenen Frist aufgefordert worden wäre. Insbesondere habe die behauptete Antwort des Vaters der Beklagten am 19.6.2012 in ihrem unverbindlichen Stil dem von Herrn H. unmittelbar zuvor angeschlagenen derben Ton entsprochen. Unter diesen Umständen sei eine wirksame Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb der Zweijahresfrist ab dem 3.5.2011, während der ein Anspruch der Klägerin auf Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 BGB bestanden habe, nicht erfolgt.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, die Klägerin habe der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung i.S.d. §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB gesetzt, kann die Klage nicht abgewiesen werden.
Rz. 11
1. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht. Weder lässt sich dem Begriff der Fristsetzung entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist, noch erfordert es der Zweck der Fristsetzung gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 oder nach §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH, Urt. v. 12.8.2009 - VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153 Rz. 10 f., zu § 281 BGB).
Rz. 12
2. Daran gemessen hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, das durch den Zeugen H. unter Beweis gestellte, im Revisionsverfahren zugrunde zu legende Vorbringen der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7.4.2014 nicht hinreichend erfasst, der Zeuge habe dem Vater der Beklagten am 19.6.2012 nicht nur gesagt, das Tier sei ihm zu gefährlich und er fürchte um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin, sondern habe auch wörtlich oder wortähnlich erklärt: "Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor."
Rz. 13
Diese Äußerung trägt den Anforderungen an eine Fristsetzung gem. §§ 281 Abs. 1 Satz 1, 323 Abs. 1 BGB Rechnung. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen besorgen, dass es eine ordnungsgemäße Nacherfüllungsaufforderung von der Nennung eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins abhängig machen will. Dessen bedarf es jedoch nicht. Bereits in dem Verlangen, das Pferd "auszutauschen", verbunden mit der die Ernsthaftigkeit der Erklärung verdeutlichenden Warnung, andernfalls rechtliche Schritte zu ergreifen, liegt bei verständiger Würdigung unmissverständlich die Aufforderung, umgehend Abhilfe durch Übergabe eines gesunden Pferdes zu schaffen.
Rz. 14
3. Das Berufungsurteil stellt sich auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Vergeblich beruft sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin Unternehmerin sei und für diesen Fall unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages ein Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht hat bereits keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin Unternehmerin ist.
Rz. 15
Zudem sind auch im Fall der Unternehmereigenschaft der Klägerin gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 des Kaufvertrages u.a. Ansprüche vom Ausschluss der Sachmängelhaftung ausgenommen, bei denen "die haftungsbegründenden Umstände ... durch eine fahrlässige Pflichtverletzung von J. [Beklagte] ... verursacht" wurden. Insoweit kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Verschaffung eines von Sachmängeln freien Tieres (§§ 434 Abs. 1, 90a BGB) nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2014 - VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rz. 23 f. m.w.N.). Eine solche Verpflichtung der Beklagten haben die Parteien gem. § 5 Abs. 5 des Kaufvertrages ausdrücklich vereinbart. Danach sind die Parteien "sich einig, dass eine Nachbesserung durch Lieferung eines vergleichbaren Pferdes erfolgen kann", so dass diese Art der Nacherfüllung durch § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages nicht ausgeschlossen ist.
III.
Rz. 16
Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen