Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzogenes Dauerschuldverhältnis. Rücktritt. Vollständige Rückabwicklung möglich und sachgerecht
Leitsatz (amtlich)
Bei einem bereits vollzogenen Dauerschuldverhältnis kann ein Rücktritt auch dann in Betracht kommen, wenn eine vollständige Rückabwicklung unschwer möglich und nach der Interessenlage der Beteiligten sachgerecht ist.
Normenkette
BGB § 326
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 07.09.1999) |
LG Lübeck |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das am 7. September 1999 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben,
- als das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde der Sparkasse Mecklenburg Nordwest, Am Markt 15 in 23966 Wismar, dortiges Zeichen: 10-160, Avalkonto Nr. 70 0000 3663 über 238.350,– DM vom 1. Juni 1995 verurteilt hat,
- als das Berufungsgericht die Widerklage über das landgerichtliche Urteil hinaus wegen einer Forderung von mehr als 132.445,50 DM (Entwicklungskosten) abgewiesen,
- sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen hat,
- und soweit das Berufungsgericht die Klage in Höhe von mehr als 270,– DM abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem am 4./6. Juli 1994 geschlossenen Vertrag und über die Frage, wann das Vertragsverhältnis beendet worden ist.
In dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, einen Multiwarn-Photo-Ionisations-Detektor (PID) zu entwickeln, herzustellen und an die Beklagte zu liefern. Bei diesem Detektor handelt es sich um ein tragbares batteriegetriebenes Gerät zur Aufdeckung und Messung von Luftschadstoffen, organisch ionisierbarer Gase und Dämpfe.
In der Präambel des Vertrages erklärte die Klägerin, daß sie „das Know-how für die Entwicklung und die Produktion” eines PID besitze, die Beklagte, daß sie „das Wissen über die Anwendung und Märkte” besitze. In § 2 des Vertrages übernahm die Beklagte von den Entwicklungskosten für das Vertragsprodukt, die dort mit insgesamt 191.950,– DM angegeben werden, maximal einen Betrag von 115.170,– DM. 40 % der Entwicklungskosten sollten „voraussichtlich” im Rahmen des Programms „Auftragsforschung und -entwicklung West-Ost (AWO)” übernommen werden. Die Klägerin verpflichtete sich weiter, die Beklagte weltweit auf ausschließlicher Basis mit dem Vertragsprodukt zu beliefern. Die Parteien vereinbarten dazu eine Mindestabnahmemenge. Außerdem vereinbarten die Parteien, daß der von der Beklagten zu entrichtende Preis für die Basisversion des Geräts 2.100,– DM betragen sollte. Für die Bestellungen des Vertragsprodukts war Schriftform vorgesehen.
Die Beklagte zahlte in der Zeit vom 8. September 1994 bis 16. April 1996 in Teilbeträgen Entwicklungskosten in Höhe von insgesamt 132.445,50 DM; außerdem zahlte die Beklagte für von ihr bestellte Geräte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 274.102,50 DM und 409.823,83 DM, insgesamt 683.926,33 DM.
Ende des Jahres 1995 lieferte die Klägerin die ersten Geräte. An diesen beanstandete die Beklagte, daß die Meßergebnisse von der jeweiligen Luftfeuchtigkeit abhängig seien. Die Klägerin erklärte sich zur Behebung der Beanstandungen bereit, auf ihre Kosten Feuchte-Kalibratoren zu entwickeln, was die Beklagte auch akzeptierte. Nachdem die Klägerin entsprechende Maßnahmen durchgeführt hatte und bei der Beklagten mit einem Prototyp Probemessungen vorgenommen worden waren, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 10. April 1996 mit, daß aus ihrer, der Beklagten, Sicht die Entwicklungsphase abgeschlossen sei. Zugleich bestätigte sie, daß die Serienproduktion bei der Klägerin angelaufen sei, obwohl es in Zukunft noch kleinere Nacharbeiten geben werde.
In der Zeit nach dem 10. April 1996 stellte die Beklagte an ausgelieferten Geräten Meßfehler fest, die von der Klägerin auch eingeräumt wurden. Die Beklagte forderte sie daraufhin auf, die im schriftlichen Vertrag vom 4./6. Juli 1994 angegebene Fehlermarge von +/– 30 % einzuhalten. Die Klägerin erwiderte, daß auf der Grundlage weiterer Meßreihen von maximalen Fehlern von – 80 % bis zu + 100 % ausgegangen werden müsse. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1996 bezeichnete die Beklagte diese Meßungenauigkeiten als nicht akzeptabel und setzte eine Frist zur Nachbesserung bis zum 12. März 1997. Sie verband dies mit der Androhung, die Annahme des Gerätes nach Fristablauf abzulehnen. Vorsorglich sprach sie die fristgerechte Kündigung des Vertrages zum 31. Dezember 1998 aus. Nachdem die von der Beklagten nochmals bis zum 26. März 1997 verlängerte Frist erfolglos verstrichen war, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 1997 den Vertrag für beendet.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst neben der Feststellung, daß ihr Vertrag mit der Beklagten nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet gewesen sei, die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde über 238.350,– DM verlangt. Diese hatte die Klägerin der Beklagten bei Vertragsschluß als Sicherheit für eine Vorauszahlung in Höhe von 238.350,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer für von der Klägerin später zu liefernde Geräte gestellt. Außerdem hat die Klägerin einen Betrag von 12.615,73 DM für fünf gemäß Rechnung vom 15. Mai 1997 gelieferte Geräte und für diverse Ersatzteile beansprucht.
Die Beklagte hat widerklagend die Erstattung der Entwicklungskosten und der Zahlungen verlangt, die sie für die von der Klägerin gelieferten Geräte erbracht hat, Zug um Zug gegen Rückgabe der gelieferten Geräte und der Bürgschaftsurkunde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung von 696.061,83 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe von 237 Multiwarn-PID-Geräten und der Bürgschaftsurkunde verurteilt. Das Landgericht hat die auf Zahlung gerichtete Widerklage in Höhe eines Betrages von 120.310,– DM abgewiesen, weil die Beklagte nur noch zur Rückgabe von 237 Geräten in der Lage sei. Für diejenigen Geräte, die sie nicht mehr zurückgeben könne, sei der vereinbarte Preis von der Schadenssumme abzusetzen, was für 53 Geräte 120.310,– DM ausmache.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert: Es hat die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt und die Klage im übrigen sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auch die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen, mit der diese die Feststellung begehrt hat, daß sich die Klägerin mit der Rückgabe der 237 Geräte sowie der Bürgschaftsurkunde in Annahmeverzug befinde und daß die Rückgabe der vorbezeichneten Geräte sowie der Bürgschaftsurkunde am Geschäftssitz der Beklagten vorzunehmen sei.
Mit der Revision – soweit der Senat sie angenommen hat – begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt hat, sowie auf die Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung der für die Lieferung der PID-Multiwarngeräte gezahlten Beträge, ferner verfolgt sie die mit der Anschlußberufung erstrebte Feststellung weiter.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels und verfolgt mit ihrer Anschlußrevision ihre Zahlungsklage, soweit diese 270,– DM übersteigt, sowie ihren Antrag weiter festzustellen, daß der Vertrag vom 4./6. Juli 1994 zwischen den Parteien über die Entwicklung, Herstellung und Lieferung eines von der Beklagten unter der Bezeichnung D. Multiwarn-PID auf den Markt gebrachten Photo-Ionisations-Detektors nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet gewesen sei.
Die Beklagte tritt der Anschlußrevision entgegen.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
I. Die Revision der Beklagten ist, soweit der Senat sie angenommen hat, begründet. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 1. April 1997 das Vertragsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund gekündigt habe. Es hat angenommen, der Beklagten stehe aus diesem Grunde weder ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, noch könne sie Rückabwicklung des Vertrages nach erfolgtem Rücktritt verlangen. Neben dem Recht der Kündigung bestehe ein Rücktrittsrecht nicht.
Diese Annahme des Berufungsgerichts rügt die Revision zu Recht, soweit es um die Vergütung für Geräte geht, die die Klägerin der Beklagten geliefert hat. Zwar tritt bei einem Dauerschuldverhältnis, als das das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ausgelegt hat, auch nach der hier noch maßgeblichen, bis Ende 2001 geltenden Rechtslage in der Regel die Kündigung an die Stelle des Rücktritts, wenn der Vertrag bereits vollzogen ist (BGHZ 50, 312, 315; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof aber nur für den Regelfall aufgestellt, weil die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses im allgemeinen kein Interesse haben, wegen einer nachträglich eingetretenen Störung auch die bereits erbrachten Leistungsteile rückgängig zu machen. Besteht ausnahmsweise ein derartiges Interesse, kann auch bei einem Dauerschuldverhältnis ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Das gleiche kann dann gelten, wenn – etwa bei Störungen bereits der ersten Lieferungen – eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages unschwer möglich und nach der Interessenlage auch sachgerecht ist. Schließlich kommt ein Vorgehen nach § 326 AGB a.F. auch hinsichtlich der jeweiligen einzelnen Teillieferung in Betracht, wenn insoweit Leistungsstörungen eingetreten sind.
Ein solcher Sachverhalt kann hier auch dann vorliegen, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Entwicklungskosten, die die Beklagte übernommen hatte, nach der Art der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung von einer Rückforderung ausgeschlossen sein sollten. Ein Ausschluß des Rücktrittsrechts auch hinsichtlich der gelieferten Geräte läßt sich daraus nicht ohne weiteres herleiten. Waren diese mangelhaft, so folgt allein aus dem Umstand, daß die Parteien ein auf die Entwicklung solcher Vorrichtungen und deren Vertrieb gerichtetes Dauerschuldverhältnis vereinbart hatten, nicht, daß der Beklagten die in einem solchen Fall bestehenden allgemeinen Rechte, insbesondere die aus den §§ 325 f. a.F., 633 f. BGB, verwehrt bleiben sollten.
Nach Abschluß der Entwicklungsphase schuldete die Klägerin die Lieferung von Geräten, die den vertraglichen Vorgaben entsprachen. Von diesem Risiko war sie nicht deswegen entlastet, weil sie sich der Beklagten gegenüber verpflichtet hatte, ein solches Gerät zu entwickeln. Die Geräte, die die Klägerin geliefert hat, genügten nach Darstellung der Beklagten nicht den vertraglichen Anforderungen. Demgemäß ist, da das Berufungsgericht zu diesem Vortrag Feststellungen nicht getroffen hat, im Revisionsverfahren von deren Mangelhaftigkeit auszugehen. Insoweit hat das Berufungsgericht auch nicht erörtert, ob die Beklagte mit Blick hierauf ein Interesse an der Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungsteile hat, sondern hat weitere Ansprüche neben dem Kündigungsrecht von vornherein ausgeschlossen.
Bei der mithin zu klärenden Frage, ob die von der Klägerin gelieferten Geräte den vertraglichen Anforderungen genügten oder mangelhaft waren, kommt dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 besondere Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hat – allerdings ausgehend von der fehlerhaften Annahme, neben dem Kündigungsrecht kämen weitere Ansprüche der Beklagten nicht in Betracht – dem Schreiben zwar entnommen, daß damit die Entwicklungsphase abgeschlossen gewesen sei. Es hat dem aber keine Bedeutung beigemessen, weil auch nach Beginn der Serienproduktion beide Parteien verpflichtet gewesen seien, an der Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Es hat insbesondere nicht geprüft, ob sich mit dieser Erklärung der Beklagten die Leistungspflicht der Klägerin auf das Ergebnis ihrer Entwicklungsarbeit beschränken sollte und welche Anforderungen an dieses Gerät im Einzelnen zu stellen sind. Dazu bedarf es einer Auslegung dieser Erklärung, die dem Senat verschlossen ist. Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages – wie ihn das Berufungsgericht verstanden hat – war es Sache der Beklagten zu bestimmen, wann und unter welchen Voraussetzungen die Entwicklung des Geräts abgeschlossen war und die Serienproduktion aufgenommen werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, daß die Klägerin der vom Berufungsgericht festgestellten Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 10. April 1996 hat entnehmen können, daß sich die Leistungspflicht auf Geräte nach Maßgabe der nunmehr vorliegenden von der Klägerin nachgebesserten Prototypen beschränken sollten, deren Produktion also Gegenstand der nunmehr einsetzenden Herstellungspflichten war.
Sollte die Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 10. April 1996 aus der Sicht der Klägerin als Empfängerin des Schreibens nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen sein, daß damit der Vertragsgegenstand auf den Prototyp des Geräts konkretisiert wurde, mit dem bei der Beklagten zuvor Probemessungen durchgeführt worden waren, so waren die im Anschluß an das Schreiben gelieferten Geräte mangelhaft, wenn sie von diesen Anforderungen abwichen. Bei der für eine Beurteilung erforderlichen weiteren Auslegung des Schreibens wird das Berufungsgericht die Begleitumstände und die Interessenlage zu berücksichtigen haben. Die Beurteilung der Mangelhaftigkeit oder Mangelfreiheit hängt maßgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang die Klägerin der Äußerung der Beklagten entnehmen konnte, diese sei mit dem Erreichten zufrieden, oder davon ausgehen mußte, daß die Beklagte mit ihrer Erklärung die Vorstellung bestimmter Eigenschaften, insbesondere im Hinblick auf die Meßtoleranzen verband. Dafür, daß sie auch aus der Sicht der Klägerin insoweit die Einhaltung enger Toleranzen erwartete, könnte sprechen, daß diese nicht nur den Anlaß für die vorausgegangenen Nachbesserungen der Klägerin gebildet hatten, sondern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in den der Erklärung der Beklagten vorausgegangenen Versuchen, Fehler nur noch in engen Grenzen aufgetreten waren. Bei diesem Verständnis der Zustimmung der Beklagten hätte die Übereinstimmung der Serienmodelle mit dem Muster allein zur Feststellung der Mangelfreiheit nicht genügt. Auch für diese Bewertung reichen die bisher getroffenen Feststellungen nicht aus. Das Berufungsgericht hat es für maßgeblich gehalten, daß das Risiko, das der Entwicklung eines neuen Produktes angehaftet habe, die Ungewißheit, ob im Ergebnis wirklich ein vermarktungsfähiges Gerät würde hergestellt werden können, sinngemäß von beiden Parteien gemeinsam zu tragen gewesen sei; denn bei einem Scheitern der Entwicklung habe die Klägerin auf die gewinnträchtige und auf Dauer angelegte Produktion verkaufsfähiger Geräte verzichten müssen, andererseits habe die Beklagte auf deren gewinnträchtige Vermarktung verzichten müssen. Hätte die Beklagte von der Klägerin bei Vertragsschluß die alleinige Übernahme des Risikos eines Scheiterns der Entwicklung verlangt, hätte die Klägerin die gesamten Investitionen für das gescheiterte Entwicklungsprogramm zu tragen. Eine solche einseitige Risikoverlagerung sei dem Vertrag nicht zu entnehmen.
Wenn jedoch, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben vom 10. April 1996 beendet worden ist, dann mag es zwar sein, daß beide Parteien verpflichtet waren, weiter an der Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Diese Interessenlage steht aber einem Verständnis des Schreibens in dem Sinne, daß damit der Vertragsgegenstand bereits konkretisiert war und die Klägerin von nun an verpflichtet war, diesen Vorgaben entsprechende Geräte zu liefern, nicht entgegen. Sie mutet der Klägerin auch nicht das gesamte vertragliche Risiko zu. War, wovon das Berufungsgericht bisher ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 beendet, so ging es nicht mehr um das Risiko für ein Scheitern der Entwicklung, sondern um die Lieferung der nunmehr vertraglich geschuldeten Geräte. Das Berufungsgericht wird daher in tatrichterlicher Würdigung festzustellen haben, welche Bedeutung dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 zukommt, und gegebenenfalls unter Heranziehung dieses Schreibens festzustellen zu haben, welchen vertraglichen Vorgaben die von der Klägerin gelieferten Geräte zu entsprechen hatten.
Damit kann die Verurteilung der Beklagten zur unbedingten Herausgabe der Bürgschaftsurkunde keinen Bestand haben, denn der Beklagten steht für den Fall eines berechtigten Rücktritts von dem Liefervertrag ein Zurückbehaltungsrecht an der Bürgschaftsurkunde im Hinblick auf die dann bestehenden Rückgewähransprüche gegen die Klägerin zu. Kommt aber ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Betracht, so ist auch ihre auf Zahlung gerichtete Widerklage insoweit begründet, als es um die Zahlungen auf von der Klägerin gelieferten PID-Geräte geht. Hinreichende Feststellungen zu seiner Wertung, nach der auch das Risiko, für fehlerhafte Geräte eine Vergütung entrichten zu müssen, allein der Beklagten oblag, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Allerdings ist, was die Höhe der von der Beklagten erbrachten Zahlungen anlangt, ein Fehler, möglicherweise ein Rechenfehler unterlaufen. Die Zahlungen der Beklagten auf die PID-Geräte belaufen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf 274.102,50 DM und 409.823,83 DM (zusammen 683.926,33 DM). Hiervon ist der durch das landgerichtliche Urteil rechtskräftig abgewiesene Betrag von 120.310,– DM abzuziehen, so daß 563.616,33 DM verbleiben.
2. Auch soweit das Berufungsgericht die mit der Anschlußberufung gestellten Anträge abgewiesen hat, ist die Revision begründet. Kommt ein Rücktrittsrecht oder Schadensersatzanspruch in Betracht, so trägt die Annahme des Berufungsgerichts nicht, die Beklagte habe nicht die Pflicht, die Geräte an die Klägerin zurückzugeben.
II. Die unselbständige Anschlußrevision der Klägerin ist zulässig.
1. Die unselbständige Anschlußrevision ist allerdings akzessorischer Natur (BGHZ 36, 162, 166; BGH, Urt. v. 26.10.1993 – VI ZR 155/92, NJW 1994, 801, 803). Sie muß sich deshalb grundsätzlich auf einen der Überprüfung durch die Hauptrevision zugänglichen Gegenstand der angefochtenen Entscheidung beziehen (BGH, Urt. v. 28.4.1987 – VI ZR 1 u. 43/86, WM 1987, 834) oder jedenfalls in einem inneren Zusammenhang damit stehen. Eine unselbständige Anschlußrevision ist daher unzulässig, wenn sie einen anderen Lebenssachverhalt betrifft als denjenigen der Revision und mit dem von dieser erfaßten Streitgegenstand auch nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH Urt. v. 21.6.2001 – IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156). Soweit jedoch ein unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision besteht, ist die Zulässigkeit bejaht worden (vgl. z. B. BGH Urt. v. 28. 2. 1991 – I ZR 94/89, GRUR 1991, 680, 681; BGHZ 138, 55, 57; BGH Urt. v. 30. 4. 2001 – II ZR 322/99, WM 2001, 1113, 1115; BGH Urt. v. 15. 4. 1986 – KVR 1/85, GRUR 1986, 747,749; BGH Urt. v. 21.6.2001, aaO mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Streit der Parteien geht um die Frage der Beendigung ihrer vertraglichen Beziehungen durch die Kündigung der Beklagten und die an diese Kündigung sich knüpfenden Rechtsfolgen. Der Revision und der Anschlußrevision liegt daher derselbe Lebenssachverhalt zugrunde, und die wechselseitigen Anträge stehen in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang.
2. Hinsichtlich des von der Klägerin verfolgten Feststellungsantrags bleibt die Anschlußrevision jedoch ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den insoweit gestellten Antrag, festzustellen, daß der Vertrag vom 4./6. Juli 1994 nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet worden ist, dahin ausgelegt, daß es der Klägerin auf die Feststellung ankomme, der Vertrag sei nicht als Folge der Schreiben der Beklagten vom 10. Dezember 1996 und 1. April 1997 beendet worden, sondern habe zumindest noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden, also bis zum 31. Dezember 1998.
Diese Auslegung rügt die Anschlußrevision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es der Klägerin bei ihrem Feststellungsantrag um die Klärung der Frage ging, ob der Vertrag von der Beklagten wirksam vorzeitig beendet worden war. Dies kommt in der Klageschrift unmißverständlich zum Ausdruck. Am 26. März 1997 endete die von der Beklagten gesetzte (nochmals verlängerte) Frist zur Nachbesserung. Dadurch wurde der Vertrag nicht ohne weiteres beendet, vielmehr konnte die Beklagte sich nach Ablauf der Frist entscheiden, welche rechtlichen Konsequenzen sie aus der unterlassenen Nachbesserung ziehen wollte. Dies ist mit Schreiben der Beklagten vom 1. April geschehen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin konnte sich, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, folglich nur darauf beziehen, daß mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 BGB a.F. der Beklagten ein daraus abgeleitetes Recht zur fristlosen Kündigung nicht zustand. Ein anders geartetes Interesse, insbesondere an der Feststellung der Fortdauer des Vertrages in der Zeit vor dem 1. April 1997, legt auch die Revision nicht dar.
Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag für unbegründet gehalten, weil der Vertrag durch die fristlose Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden sei. Es hat angenommen, es sei für die Beklagte unzumutbar gewesen, weiter zuzuwarten, nachdem es binnen einer gesetzten Frist von einem Vierteljahr der Klägerin nicht gelungen war, die von ihr eingeräumte große Fehlermarge auf ein solches Maß zu reduzieren, daß das Gerät mit Aussicht auf Erfolg vermarktungsfähig erschienen sei. Das Berufungsgericht hat dazu die vertragliche Vereinbarung ausgelegt und ausgeführt, für den Fall, daß das Vertragsprodukt nicht allen spezifizierten Anforderungen entsprochen habe, finde sich lediglich in § 4.3 des Vertrages die Möglichkeit, daß die Klägerin bei der Beklagten die Tolerierung beantragen könne. Diese Regelung sei jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt gewesen und habe sich nicht auf eine ganze Serie von Geräten erstrecken sollen. Gleichwohl habe die Klägerin in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift von der Beklagten die Tolerierung der von ihr entwickelten Geräte mit den genannten Meßfehlern von – 80 % bis zu + 100 % beantragt. Dies habe die Beklagte abgelehnt. Der Vertrag enthalte keine Regelung bezüglich der Rechtsfolgen im Falle einer solchen Ablehnung. Diese Regelungslücke sei jedoch dahingehend zu schließen, daß bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet sei.
Diese rechtlich mögliche Auslegung des Vortrags der Parteien durch das Berufungsgericht hat die Anschlußrevision nicht in revisionsrechtlich beachtlicher Weise angegriffen. Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung nicht darauf gegründet, daß die Beklagte die Fortsetzung des Vertrages für unzumutbar gehalten hat. Es hat vielmehr den Vertrag der Parteien ergänzend dahin ausgelegt, daß der Beklagten, nachdem sie die Tolerierung von Meßfehlern in der von der Klägerin beantragten Größenordnung zurückgewiesen hatte, im Hinblick darauf jedenfalls ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde eröffnet war.
3. Den mit der Anschlußrevision weiter verfolgten Zahlungsantrag hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zwar beruhe das Zahlungsverlangen der Klägerin auf Warenlieferungen, die lange vor dem 1. April 1997 erfolgt seien, die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen seien jedoch im Rahmen des Gesamtvertrages zu sehen. Das gesamte Vertragsverhältnis habe seine Beendigung durch die Kündigung vom 1. April 1997 dergestalt erfahren, daß gegenseitige Erfüllungsgeschäfte nicht mehr vorzunehmen gewesen seien.
Dies rügt die Anschlußrevision mit Erfolg. Sind die Lieferungen lange vor dem 1. April 1997 erfolgt, dann schuldet die Beklagte grundsätzlich die vereinbarte Vergütung, falls nicht auch insoweit Ansprüche auf Schadensersatz oder ein wirksamer Rücktritt der Beklagten in Betracht kommen. Auch dazu hat das Berufungsgericht aber Feststellungen nicht getroffen.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Keukenschrijver, Mühlens, RiBGH Dr. Meier-Beck ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Melullis
Fundstellen
Haufe-Index 728822 |
DB 2002, 1154 |
NJW 2002, 1870 |
BGHR 2002, 649 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1234 |
ZAP 2002, 741 |
ZIP 2002, 1455 |
MDR 2002, 998 |
LL 2002, 580 |