Leitsatz (amtlich)
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. Art. 24 Satz 1 EuGVVO a.F. wird durch eine rügelose Einlassung in der Klageerwiderung begründet (Fortführung von BGH, Urt. v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 35).
Normenkette
Brüssel I-VO (EuGVVO a.F.) Art. 24 S. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 17.12.2013; Aktenzeichen 5 U 2301/13) |
LG München I (Urteil vom 06.05.2013; Aktenzeichen 34 O 13014/12) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München vom 17.12.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem Filmfonds auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Am 5.12.2001 zeichnete der damals im Bezirk des LG München II wohnende Kläger auf Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten zu 1), der Fondsinitiatorin, eine Kommanditeinlage i.H.v. 160.000 EUR an dem Filmfonds "S." Fonds-Nr. . Die Beteiligung wurde i.H.v. 41,4 % über die Beklagte zu 2), eine in Dublin ansässige Gesellschaft irischen Rechts, finanziert.
Rz. 3
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte zu 2) sei ihm aufgrund Prospekthaftung im weiteren Sinne, aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung bei der Anbahnung der Anteilsfinanzierung und gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB neben der Beklagten zu 1) schadensersatzpflichtig. Er hat am 19.12.2010 einen Güteantrag an einen Mediator gerichtet, der am 5.5.2011 das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt hat. Nach Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz hat der Kläger am 28.6.2012 Klage gegen beide Beklagten beim LG München I eingereicht.
Rz. 4
Das LG hat die auf Zahlung und Feststellung gerichtete Klage gegen die Beklagte zu 2) durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist begründet.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Das LG habe die Klage zu Recht wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Da die Beklagte zu 2) eine eigenständige juristische Person mit Sitz in Irland sei, sei der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der bis zum 9.1.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: EuGVVO a.F.) eröffnet, deren Gerichtsstände denen des nationalen Rechts vorgingen.
Rz. 8
Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach der EuGVVO a.F. sei nicht gegeben.
Rz. 9
Im Zeitpunkt der Zeichnung der Fondsbeteiligung habe zwar ein Gerichtsstand gem. Art. 15 Nr. 1 Buchst. c, Art. 16 EuGVVO a.F. bestanden. Darunter fielen nicht nur vertragliche Ansprüche, sondern alle Klagen, die zu einem Verbrauchervertrag eine so enge Bindung aufwiesen, dass sie von ihm nicht getrennt werden könnten. Dazu gehörten auch konkurrierende nichtvertragliche, insb. deliktische Anspruchsgrundlagen. Der Finanzierungsvertrag zwischen den Parteien sei ein Verbrauchergeschäft i.S.d. Art. 15 EuGVVO a.F. Die Beklagte zu 2) habe ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland als damaligen Wohnsitzstaat des Klägers als Verbraucher ausgerichtet; im Rahmen dieser Tätigkeit sei der konkrete Vertrag geschlossen worden. Der Gerichtsstand in Deutschland gem. Art. 15, 16 EuGVVO a.F. sei aber durch den Umzug des Klägers in die Schweiz vor Einreichung der Klage weggefallen. Maßgeblich sei der Wohnsitz des Verbrauchers im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Antrag des Klägers auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei einem Anwaltsmediator rechtfertige keine andere Beurteilung, weil dieses Verfahren weder Rechtsprechungscharakter habe noch Voraussetzung für die Durchführung eines streitigen Gerichtsverfahrens sei.
Rz. 10
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich auch nicht aufgrund rügeloser Einlassung der Beklagten zu 2) gem. Art. 24 EuGVVO a.F. Die Beklagte zu 2) habe die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zwar nicht in der Klageerwiderung, aber noch rechtzeitig im Nachgang hierzu vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung selbst gerügt.
Rz. 11
Art. 5 und 6 EuGVVO a.F. begründeten keinen Gerichtsstand in Deutschland, weil sie hinter der abschließenden Regelung der Zuständigkeit für Verbrauchersachen in den Art. 15, 16 EuGVVO a.F. zurückträten.
Rz. 12
Aus den Vorschriften des am 30.10.2007 in Lugano geschlossenen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: LugÜ II) ergebe sich ebenfalls keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Voraussetzungen des Art. 15 Nr. 1 Buchst. c LugÜ II lägen nicht vor, weil der Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht die Folge einer Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten zu 2) auf die Schweiz als jetzigen Wohnsitzstaat des Verbrauchers, sondern das Ergebnis ihres Tätigwerdens in Deutschland sei. Zudem würde Art. 15 LugÜ II nur eine Zuständigkeit der Gerichte in der Schweiz begründen, da dort der Wohnsitz des Klägers sei. Art. 5 Nr. 3, Art. 6 LugÜ II seien nicht anwendbar, da es sich um eine Art. 15, 16 EuGVVO a.F. unterfallende Verbrauchersache handele. Der Umzug des Klägers in die Schweiz rechtfertige nicht die Anwendbarkeit der Art. 5 ff. EuGVVO aF/LugÜ II, die hinter die Spezialregelungen der Art. 15 ff. EuGVVO a.F. zurückzutreten hätten. Dem Verbraucherschutz werde ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Verbraucher in seinem neuen, von ihm selbst gewählten Wohnsitzstaat klagen könne.
II.
Rz. 13
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Rz. 14
1. Gegen die von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urt. v. 11.5.2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rz. 19 ff.) Zulässigkeit des erstinstanzlichen Teilurteils bestehen allerdings keine Bedenken. Ein Streitgenosse, bezüglich dessen die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, kann durch Teilurteil aus dem Prozess entlassen werden (BGH, Urt. v. 24.2.2015 - VI ZR 279/14, juris Rz. 6 ff.).
Rz. 15
2. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15, 16 EuGVVO a.F. noch aus Art. 6 Nr. 1 EuGVVO a.F., rechtlicher Überprüfung standhält, bedarf keiner Entscheidung. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist jedenfalls, anders als das Berufungsgericht meint, kraft rügeloser Einlassung der Beklagten zu 2) vor dem LG München I begründet.
Rz. 16
a) Die Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung ist, da die Beklagte zu 2) ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der EU hat, nach Art. 24 Satz 1 EuGVVO a.F., nicht nach Art. 24 Satz 1 LugÜ II zu beurteilen (Art. 64 Nr. 1 LugÜ II; vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., EuGVVO, Einl. Rz. 101).
Rz. 17
b) Nach Art. 24 Satz 1 EuGVVO a.F. wird ein Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften der Verordnung zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte vor diesem Gericht auf das Verfahren einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen, und keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit begründet ist. Von einer Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn der Beklagte die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhebt, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.9.1988 [LugÜ I] BGH, Urt. v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 35 m.w.N.; vgl. zu der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 18 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 [im Folgenden: EuGVÜ]: EuGH, Slg. 1981, I-1671 Rz. 15 f., IPRax 2014, 64 Rz. 37, ZIP 2014, 1142 Rz. 36; BGH, Beschl. v. 18.9.2001 - IX ZB 75/99, WM 2001, 2121, 2123). Vor den deutschen Zivilgerichten ist danach im Gegensatz zu § 39 ZPO keine Einlassung zur Hauptsache erforderlich; zuständigkeitsbegründend ist bereits eine rügelose Einlassung in der Klageerwiderung (BGH, Urt. v. 31.5.2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rz. 35). Nach diesen Grundsätzen sind die deutschen Gerichte mit Eingang der Klageerwiderung der Beklagten zu 2) zuständig geworden. In dieser hat die Beklagte zu 2) umfassende und ausführliche Einwendungen in der Sache erhoben, ohne die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu beanstanden. Eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit gem. Art. 22 EuGVVO a.F. besteht nicht. Die erstmals im Schriftsatz vom 6.12.2012 erhobene Rüge vermochte die bereits begründete Zuständigkeit nicht zu beseitigen.
Rz. 18
c) Diesem Ergebnis steht das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des BGH vom 21.11.1996 (IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 ff.) nicht entgegen. Dort wird zwar ausgeführt, dass eine rügelose Einlassung nicht vorliegt, wenn der Beklagte bei seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, zumindest gleichzeitig mit der Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze, die internationale Unzuständigkeit rügt und zwar unabhängig davon, ob er diese Rüge bereits in der Klageerwiderung erhoben hat (BGH, a.a.O., S. 136). Diese Entscheidung betrifft jedoch ausdrücklich die Auslegung des § 39 ZPO bzw. dessen Verhältnis zu den §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3 ZPO und damit ausschließlich nationale Rechtsnormen. Die einschlägigen Vorschriften der EuGVVO a.F. bzw. des EuGVÜ fanden im damals zu entscheidenden Fall keine Anwendung, da der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hatte (BGH, a.a.O., S. 136).
Rz. 19
d) Auch die Rechtsprechung des BAG (BAG, RIW 2008, 726, 728), nach der erst ein rügeloses Einlassen im Kammertermin die internationale Zuständigkeit nach Art. 24 EuGVVO a.F. begründet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das BAG begründet seine Auffassung ausdrücklich mit den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, das im Vergleich zur Zivilprozessordnung wesentlich stärker vom Grundsatz der Mündlichkeit und vom Verhandlungsgrundsatz geprägt sei. Das Gericht bezieht seine Auffassung ausschließlich auf arbeitsgerichtliche Verfahren und nicht auf Zivilverfahren im Allgemeinen.
III.
Rz. 20
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 8139890 |
BB 2015, 1748 |
NJW 2015, 2667 |
EBE/BGH 2015 |
WM 2015, 1381 |
ZAP 2016, 356 |
ZIP 2015, 1511 |
IPRax 2015, 10 |
JZ 2015, 531 |
MDR 2015, 1150 |
RIW 2015, 618 |
BKR 2016, 82 |
Jura 2015, 1391 |
Mitt. 2015, 477 |