Leitsatz (amtlich)
Dem Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers und der Überleitung dieses Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe im Hinblick auf die von diesem dem Schenker geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt steht es nicht entgegen, dass das Geschenk, wenn es beim Schenker verblieben wäre, zu dessen Schonvermögen gehört hätte.
Normenkette
BGB § 528
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das am 12.12.2002 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Celle wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist der Sohn und Alleinerbe der am 25.3.1998 verstorbenen L. S. (im Folgenden: Erblasserin). Der Kläger verlangt als Träger der Sozialhilfe aus übergeleitetem Recht vom Beklagten die Zahlung von 7.365,67 EUR (14.406, DM).
Mit notariellem Vertrag v. 31.3.1992 übertrug die Erblasserin dem Beklagten "im Wege vorweggenommer Erbfolge" das Eigentum an der 1.389 qm großen Hof- und Gebäudefläche B. ... straße in Z.. Auf diesem Grundstück war im Jahre 1960 ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 85 qm errichtet worden, das die Erblasserin und der Beklagte gemeinsam bewohnten.
Für die Zeit v. 14.7.1993 bis 31.3.1995 gewährte der Kläger der Erblasserin Hilfe zur häuslichen Pflege i.H.v. insgesamt 14.406 DM. Der Kläger leitete mit Bescheid v. 14.9.1998 Rückgewähransprüche der Erblasserin gegen den Beklagten aus § 528 BGB gem. § 90 BSHG auf sich über. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Beklagten beim VGH blieb ohne Erfolg.
Der Beklagte macht gegenüber der Klageforderung im Wesentlichen geltend, das ihm übertragene Grundstück habe zum Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG seiner Mutter gehört. Nach dieser Vorschrift sei der Erblasserin eine entgeltliche Veräußerung nicht zumutbar gewesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet gehalten und ausgeführt, die Erblasserin habe dem Beklagten das Eigentum an dem Grundstück geschenkt. Die Erblasserin sei nach Vollziehung der Schenkung, nämlich in der Zeit v. 14.7.1993 bis zum 31.3.1995, unstreitig außer Stande gewesen, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten, und habe deswegen vom Kläger Sozialhilfe erhalten. Der Rückforderungsanspruch der Erblasserin gegen den Beklagten sei auf Zahlung regelmäßig wiederkehrender Unterhaltsbeiträge gerichtet gewesen, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft gewesen sei. Den Rückforderungsanspruch der Erblasserin habe der Kläger wirksam auf sich übergeleitet. Der Zahlungsanspruch des Klägers könne nicht mit dem Argument verneint werden, dass die Sozialhilfeleistung an den Schenker nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG nicht von der Verwertung des geschenkten Gegenstandes hätte abhängig gemacht werden dürfen. Diese Vorschrift betreffe nicht das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem, sondern allein das Verhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Schenker. Die Vorschrift betreffe daher die Frage, ob der Träger der Sozialhilfe einen Anspruch des Schenkers auf Rückübertragung eines Grundstückes auf sich überleiten könne. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Überleitung sei aber nicht von den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu prüfen, die insoweit an die Entscheidung des VGH gebunden seien.
II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger Ansprüche aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG zustehen.
1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Erblasserin dem Beklagten das Grundstück im Wege der Schenkung zugewendet hat, lässt dies einen Rechtsfehler nicht erkennen; davon geht auch die Revision aus.
2. Es entspricht weiter ständiger Rechtsprechung, dass der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem. §§ 528 Abs. 1 S. 1, 812 BGB in dem Umfang besteht, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Schenkers erforderlich ist, so dass er bei einem nicht teilbaren Geschenk wie ein Grundstück von vornherein auf die wiederkehrende Zahlung eines der jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils gerichtet ist, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist (BGH v. 29.3.1985 - V ZR 107/84, BGHZ 94, 141 [144] = MDR 1985, 747; v. 20.12.1985 - V ZR 66/85, BGHZ 96, 380 [382] = MDR 1986, 485; v. 11.3.1994 - V ZR 188/92, BGHZ 125, 283 [284] = MDR 1995, 28; BGHZ 155, 57). Auch hiervon geht die Revision aus.
3. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, dass die Erblasserin nicht außer Stande gewesen sei, ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten, weil ihr Unterhalt auf Grund der ihr gewährten Sozialhilfe sichergestellt gewesen sei. Die Frage, ob ein Schenker nach Vollziehung der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, ist nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts zu entscheiden, auf deren Begrifflichkeit § 528 Abs. 1 S. 1 BGB Bezug nimmt (BGH, Urt. v. 5.11.2002 - X ZR 140/01, MDR 2003, 633 = BGHReport 2003, 196 = NJW 2003, 1384 [1386]). Der Unterhaltsberechtigte ist danach außer Stande, sich selbst zu unterhalten, wenn er seinen Bedarf weder aus Einkommen noch aus der Verwertung von Vermögen decken kann (BGH, Urt. v. 5.11.2002 - X ZR 140/01, MDR 2003, 633 = BGHReport 2003, 196 = NJW 2003, 1384 [1386] m.w.N.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Erblasserin in der Zeit, für die ihr der Kläger Sozialhilfe gewährt hat, hierzu außer Stande und damit unterhaltsbedürftig nach den Vorgaben des Unterhaltsrechts.
4. Die Frage, ob die Erblasserin in demselben Maße hilfsbedürftig gewesen wäre, wenn sie das Hausgrundstück nicht auf den Beklagten übertragen hätte, ist nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Schenkers kommt es allein auf dessen Einkommens- und Vermögenslage im Zeitpunkt der Bewilligung der Sozialhilfe an, wenn ein Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht den Anspruch des Schenkers aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Beschenkten geltend macht. Deshalb kann sich der Beschenkte in diesen Fällen gegenüber der Inanspruchnahme aus dem übergeleiteten Anspruch auch nicht damit verteidigen, dass der Schenker nach Beantragung und Gewährung von Sozialhilfe wieder über Einkommen oder Vermögen verfügt hat (BGHZ 155, 57 [59]).
5. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Überleitung eines Rückforderungsanspruchs wegen Notbedarfs des Schenkers nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB unbeachtlich ist, ob das geschenkte Grundstück im Eigentum des Schenkers Schonvermögen gewesen wäre (BGH v. 11.3.1994 - V ZR 188/92, BGHZ 125, 283 [287] = MDR 1995, 28). Die Überleitungsanzeige nach § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG bewirkt, dass der Sozialhilfeträger hinsichtlich der übergeleiteten Ansprüche in die Gläubigerposition des Schenkers eintritt. Der Rückgewähranspruch aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist aber nicht durch Regelungen beschränkt, die denjenigen des Bundessozialhilfegesetzes vergleichbar wären (BVerwG v. 25.6.1992 - 5 C 37/88, BVerwGE 90, 245 [249] = MDR 1994, 108; Kollhosser in MünchKomm, 3. Aufl. 1995, § 528 BGB Rz. 18; Brähler-Boyan/Mann, NJW 1995, 1866 [1869]).
6. Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, dass ein Rückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann zu bejahen sei, wenn die Bedürftigkeit des Schenkers Folge der Schenkung sei. "Nach" i.S.v. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB beinhaltet eine zeitliche Abgrenzung zur Erfüllungsverweigerungseinrede des § 519 Abs. 1 BGB. Sie bedeutet nicht, dass die Bedürftigkeit Folge der Schenkung sein muss. Eine Beschränkung des Rückforderungsrechtes dergestalt, dass die Bedürftigkeit gerade durch die Schenkung verursacht worden sein muss, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (Staudinger/Cremer, 1995, § 528 BGB Rz. 2, 3; RGRK/Mezger, 12. Aufl., § 528 BGB Rz. 3). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH (BGH v. 17.1.1996 - IV ZR 184/94, MDR 1996, 348 = NJW 1996, 287 f.). Nach dieser Entscheidung steht die Anwendbarkeit des § 528 Abs. 1 S. 1 BGB nicht dadurch in Frage, dass die Schenkerin schon vor Übertragung des Schenkungsgegenstandes Sozialhilfeleistungen erhalten hat, die Bedürftigkeit mithin schon vor dem Vollzug der Schenkung vorlag. Diese Entscheidung verdeutlicht damit im Gegenteil, dass es auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Schenkung und dem Eintritt der Bedürftigkeit nicht ankommt.
7. Das Ergebnis ist nach dem vom Senat zu beurteilenden Sachverhalt auch nicht unbillig. Es beruht darauf, dass das Schenkungsrecht einerseits und das Sozialhilferecht andererseits in sich geschlossene Rechtssysteme mit unterschiedlich ausgestalteten und an unterschiedlichen Maßstäben ausgerichteten Billigkeitsregelungen bilden. Das Schenkungsrecht bietet in § 529 Abs. 2 BGB eine solche Regelung. Danach ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflicht gefährdet wird. Hierfür sind jedoch im vorliegenden Fall Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Fundstellen
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NWB 2005, 317 |
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KommJur 2005, 78 |
NJW-Spezial 2005, 110 |
RdW 2005, 180 |
ZErb 2005, 123 |
ZNotP 2005, 101 |
BtMan 2006, 45 |
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FuBW 2005, 563 |
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JWO-FamR 2004, 410 |
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