Leitsatz (amtlich)
a) An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.
b) Allein die Bezahlung der Schlussrechnung ist keine Maßnahme, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung einrichtet.
c) Allein der Zeitraum zwischen der Erteilung und dem Ausgleich der Honorarrechnung des Architekten und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honorars auf der Grundlage der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure macht die Zahlung eines Differenzbetrages zwischen einem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure nicht unzumutbar (Bestätigung von BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, BauR 2009, 262 = NZBau 2009, 33).
Normenkette
BGB §§ 242, 631 Abs. 1; HOAI 1996/2002 § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.05.2013; Aktenzeichen 3 U 212/11) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 26.08.2011; Aktenzeichen 2-17 O 12/09) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 2.5.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger verlangt restliches Architektenhonorar.
Rz. 2
Mit schriftlichem Vertrag vom 14.3.2005 beauftragte der Beklagte den Kläger mit Architektenleistungen für den Abriss und den Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage. Unter der Überschrift "Zusätzliche Vereinbarungen" ist in § 12 des Vertrages bestimmt: "Es wird ein Pauschalhonorar für die Phasen 1. bis 9. von 60.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Abschlagsrechnungen werden in 10.000 EUR-Schritten zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart."
Rz. 3
Der Kläger stellte Abschlagsrechnungen am 9.5.2005 (10.000 EUR), am 27.9.2005 (10.000 EUR), am 10.6.2006 (5.000 EUR) sowie am 2.10.2006 (20.000 EUR), jeweils zzgl. Umsatzsteuer, die der Beklagte bezahlte. Am 30.12.2006 stellte der Kläger dem Beklagten die letzte "Abschlags Pauschale" i.H.v. 15.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung. Obwohl der Beklagte zunächst Beanstandungen, insb. zur Nichteinhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins und zu den damit verbundenen Kosten, erhoben hatte, zahlte er auch diesen Betrag in drei Teilbeträgen bis zum 12.3.2007 (Zahlung der letzten offenen 3.000 EUR). Auf der Quittung für diese Zahlung heißt es "Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar".
Rz. 4
Mit Schreiben vom 16.3.2008 übersandte der Kläger dem Beklagten eine "Teilschlussrechnung" über 58.871,03 EUR, wobei er einen "Nachlass gemäß Pauschalierung 12 %" und die vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen i.H.v. 60.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer berücksichtigte. Diesen Betrag hat er zunächst geltend gemacht. Während des erstinstanzlichen Rechtsstreits hat er am 9.2.2010 eine geänderte Kostenrechnung vorgelegt, die mit einem offenen Restbetrag von 62.346,33 EUR endet.
Rz. 5
Er hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn diesen Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von 34.317,03 EUR nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, der Kläger mit dem Ziel, weitere 25.780,52 EUR nebst Zinsen zu erhalten, der Beklagte mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Interesse, ausgeführt: Treffe die klägerische Behauptung zu, dass das vereinbarte Pauschalhonorar die Mindestsätze der maßgeblichen Honorarordnung 1991 nicht erreiche, greife die gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI ein mit der Folge, dass das gesetzlich geschuldete Mindesthonorar zu ermitteln sei. Die hierzu getroffenen Feststellungen des LG seien zwar nicht ausreichend und seine Berechnungen demzufolge rechtsfehlerhaft. Jedoch bedürfe es weder weitergehender Darlegungen des Klägers zu den Kostengrundlagen noch einer weitergehenden Beweiserhebung. Denn die Klage sei schon deshalb abweisungsreif, weil der Kläger an die am 30.12.2006 gestellte Rechnung gebunden sei. Hierbei handele es sich ungeachtet des Umstandes, dass sie als Abschlagsrechnung bezeichnet war, um eine Schlussrechnung, weil kein Zweifel bestehe, dass der Kläger mit ihr seine Leistung abschließend berechnen wollte. Mit dieser Rechnung habe der Kläger das vereinbarte Pauschalhonorar von 60.000 EUR unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Abschlagszahlungen endgültig und damit abschließend abgerechnet und die noch offenstehende Restsumme von 17.400 EUR (einschließlich Umsatzsteuer) zur Zahlung fällig gestellt.
Rz. 9
Ein Architekt sei zwar grundsätzlich berechtigt, auch nach einer erteilten Schlussrechnung eine weitergehende Forderung geltend zu machen. Hieran könne er aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert sein. Die Bindung des Architekten ergebe sich noch nicht aus der Erteilung einer Schlussrechnung allein, sie setze vielmehr eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen voraus. An eine Schlussrechnung sei ein Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet habe, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden könne. Zu Unrecht habe das LG angenommen, es sei nicht ersichtlich, welche tatsächlichen Dispositionen der Beklagte im Vertrauen darauf getroffen habe, an den Kläger keine weiteren Zahlungen mehr leisten zu müssen. Dabei habe das LG unberücksichtigt gelassen, dass tatsächliche Dispositionen, die der Auftraggeber im Vertrauen auf die Endgültigkeit der Honorarabrechnung des Architekten gemacht hat, keine notwendige Voraussetzung der Bindungswirkung darstellten, sondern nur ein Kriterium im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung seien. Die Unzumutbarkeit weiterer Zahlungen könne sich auch aus anderen Umständen ergeben. So liege es hier. Mit seiner Quittung vom 12.3.2007 habe der Kläger zu erkennen gegeben, dass sich der Beklagte darauf einrichten durfte, dass Nachforderungen nicht gestellt würden. Jedenfalls nach Ablauf eines Jahres seit vollständiger Bezahlung der Schlussrechnung vom 30.12.2006 und nach Erteilung einer Zahlungsquittung sei zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass dieser sich auf den abschließenden Charakter seiner Zahlung eingerichtet habe. Weitergehenden Vortrags des Beklagten dazu, in welchen anderweitigen Dispositionen sich sein Vertrauen, der Kläger werde keine Nachforderung stellen, manifestiert habe, bedürfe es bei dieser Sachlage nicht.
II.
Rz. 10
Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 11
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das vereinbarte Pauschalhonorar die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (1991) unterschreitet und die Honorarvereinbarung deshalb unwirksam ist. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist indes die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung 1996/2002 anzuwenden. Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass das vereinbarte Pauschalhonorar die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in dieser Fassung unterschreitet.
Rz. 12
2. Unter dieser Voraussetzung hat der Kläger gem. § 631 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf das sich gem. § 4 Abs. 4 HOAI aus der Honorarordnung ergebende Honorar. Das gilt auch dann, wenn er eine Schlussrechnung erteilt hat, in der die Forderung nicht vollständig ausgewiesen ist. In einer solchen Schlussrechnung liegt grundsätzlich kein Verzicht auf die weitergehende Forderung; diese wird durch die Schlussrechnung auch nicht in anderer Weise verkürzt (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, BauR 2009, 262 Rz. 8 = NZBau 2009, 33; v. 22.4.2010 - VII ZR 48/07, BauR 2010, 1249 Rz. 36 = NZBau 2010, 443, jeweils m.w.N.).
Rz. 13
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht noch angenommen, dass es sich bei der Rechnung vom 30.12.2006 ungeachtet des von ihm gesehenen Umstandes, dass sie als Abschlagsrechnung bezeichnet war, um eine Schlussrechnung handelt. Denn das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände festgestellt, dass kein Zweifel bestand, dass der Kläger mit dieser Rechnung seine Leistungen abschließend berechnen wollte, weil er hiermit die noch offenstehende Restsumme von 17.400 EUR einschließlich Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der vorherigen Zahlungen des Beklagten aus der vereinbarten Pauschalpreisabrede geltend gemacht hat. Auch die vom Kläger dem Beklagten erteilte Zahlungsquittung mit dem handschriftlichen Vermerk "Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar" lässt erkennen, dass beide Parteien dies nicht anders verstanden haben.
Rz. 14
4. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht jedoch den Kläger nach Treu und Glauben, § 242 BGB, für gehindert, etwaige weitergehende Ansprüche, die über den vereinbarten, in Rechnung gestellten und gezahlten Pauschalpreis hinausgehen, durchzusetzen.
Rz. 15
a) Im Ansatz noch richtig erkennt das Berufungsgericht, dass ein Architekt dann an eine Schlussrechnung gebunden ist, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., Rz. 9; v. 22.4.2010 - VII ZR 48/07, a.a.O., Rz. 36, jeweils m.w.N.). Richtig ist ebenfalls, dass dies auch dann gilt, wenn der Architekt die Differenz zwischen einem ihm nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure preisrechtlich zustehenden und dem vertraglich vereinbarten Honorar nachfordert (BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 16
b) Mit rechtsfehlerhaften Erwägungen nimmt das Berufungsgericht an, dass diese Voraussetzungen gegeben sind.
Rz. 17
Das Berufungsgericht meint, jedenfalls nach Ablauf eines Jahres seit der vollständigen Bezahlung der Schlussrechnung vom 31.12.2006 und nach Erteilung der Zahlungsquittung sei davon auszugehen, dass sich der Beklagte auf den abschließenden Charakter seiner Zahlung eingerichtet habe, ohne dass es weitergehenden Vortrags des Beklagten dazu bedürfe, in welchen anderweitigen Dispositionen sich sein Vertrauen, der Kläger werde keine Nachforderungen stellen, manifestiert habe.
Rz. 18
Diese Auffassung trifft nicht zu. Der Auftraggeber eines Architekten muss sich vielmehr durch vorgenommene oder unterlassene Maßnahmen darauf eingerichtet haben, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden; allein die Zahlung auf die Schlussrechnung stellt keine solche Maßnahme dar (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., Rz. 12). Auch gibt es keine allgemeine Lebenserfahrung, dass ein Auftraggeber sich nach einem bestimmten Zeitraum darauf eingerichtet habe, nichts mehr zu zahlen (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., Rz. 18). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei um eine notwendige Voraussetzung, um es nach Treu und Glauben für ausgeschlossen zu erachten, einen bestehenden Anspruch des Architekten noch durchzusetzen.
Rz. 19
Auch die sodann abschließend zu prüfende Unzumutbarkeit weiterer Zahlungen kann sich nicht allein auf einen Zeitablauf gründen. Vielmehr muss sich gerade die durch eine Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Auftraggeber als nicht mehr zumutbar erweisen, weil sie eine besondere Härte für ihn bedeutet (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., Rz. 12). Allein der Zeitraum zwischen der Erteilung und dem Ausgleich der Honorarrechnung des Architekten und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honorars auf der Grundlage der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure macht die Zahlung eines Differenzbetrages zwischen einem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure nicht unzumutbar. Auch hier ist vielmehr zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Vertrauen vorgenommen oder unterlassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2008 - VII ZR 105/07, a.a.O., Rz. 18).
III.
Rz. 20
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr die notwendigen Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Pauschalpreisabrede unwirksam ist und ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger weitere Honorarforderungen, die sich nach den Maßstäben der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (1996/2002) berechnen, hat.
Fundstellen