Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe des Geschenks bei Gefährdung seines standesgemäßen Unterhaltes
Leitsatz (amtlich)
a) Für die Berechtigung der Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB ist es grundsätzlich unerheblich, wann und wodurch die eigene Bedürftigkeit des Beschenkten bzw. seines Erben entstanden ist.
b) Die Berufung auf die eigene Bedürftigkeit stellt allerdings eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Beschenkte bzw. sein Erbe Kenntnis von dem Notbedarf des Schenkers gehabt und gleichwohl die eigene Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat.
Normenkette
BGB § 529 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 14.07.1999; Aktenzeichen 13 U 200/96) |
LG Aachen (Entscheidung vom 13.08.1996; Aktenzeichen 10 O 378/95) |
Tenor
Die Revision gegen das am 14. Juli 1999 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist die Erbin ihres Ehemanns, des am 14. März 1993 verstorbenen L. M.. Dessen Mutter M. M. ist seit dem 10. März 1994 pflegebedürftig und in einem Pflegeheim untergebracht. Da ihre Renteneinkünfte zur Bestreitung der Heimkosten nicht ausreichen, übernahm der Kläger die Kostenträgerschaft hinsichtlich der nicht gedeckten Heimkosten aus Mitteln der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Nachdem die Beklagte und L. M. geheiratet hatten, übertrug Frau M. M. ihrem Sohn 1990 ein damals ihr gehörendes Hausgrundstück in E.. Zwischen den Parteien ist streitig, ob L. M. von seiner Mutter damals auch einen Geldbetrag als Schenkung erhalten hat. 1991 veräußerte L. M. das Hausgrundstück zu einem Kaufpreis von ca. 348.000,– DM; für ca. 265.000,– DM erwarb er für sich und die Beklagte zu je hälftigem Miteigentumsanteil ein Hausgrundstück in W.. Nachdem die Eheleute die Absicht gefaßt hatten, sich zu trennen, kaufte die Beklagte im Januar 1993 für sich eine Eigentumswohnung. Das Hausgrundstück in W. veräußerte sie im März 1993 nach dem Tode des Ehemanns.
Mit Bescheid vom 2. August 1994 leitete der Kläger den sich seiner Meinung nach aus § 528 Abs. 1 BGB ergebenden Rückforderungsanspruch der Frau M. M. gegen die Beklagte auf sich über. Da die Beklagte Zahlungen nicht leistete, hat er mittels Klage, die der Beklagten am 24. August 1995 zugestellt worden ist, Wertersatz für die Geschenke verlangt. Am 21. Mai 1996 veräußerte die Beklagte die Anfang 1993 erworbene Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 90.000,– DM und zog in eine Mietwohnung.
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht erhielt die Beklagte eine Witwenrente in Höhe von 890,53 DM monatlich. Durch eine Aushilfstätigkeit in einer Gaststätte verdiente sie monatlich 240,– DM netto hinzu. Außerdem erhielt sie einen monatlichen Mietkostenzuschuß in Höhe von 100,– DM. Für ihre Wohnung zahlte sie monatlich 500,– DM Miete. Hinzu kamen Aufwendungen in Höhe von etwa 80,– DM monatlich für Heizkosten. Für eine Lebensversicherung wendete die Beklagte monatlich 17,33 DM auf. Abgesehen von einem Guthaben in Höhe von ca. 400,– DM auf ihrem Girokonto verfügte sie über kein Vermögen.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 54.977,36 DM nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger seit dem 1. September 1995 alle Aufwendungen bis zur Höhe eines Betrages von 66.000,– DM zu ersetzen, die diesem aus der Heimunterbringung von Frau M. M. künftig entstehen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungs- und Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I. Bezugnehmend auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß Frau M. M. ihrem Sohn das Hausgrundstück in E. mit einem Wert von 86.000,– DM geschenkt hat; lediglich hinsichtlich der weiteren Feststellung des Landgerichts, L. M. habe von seiner Mutter ferner 35.000,– DM schenkweise erhalten, hat das Berufungsgericht Bedenken gehabt. Da es zu der behaupteten schenkweisen Hingabe des Geldbetrages eigene abschließende Feststellungen nicht getroffen hat, ist deshalb jedoch für die revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils davon auszugehen, daß Frau M. M. ihrem Sohn, den die Beklagte beerbt hat, 1990 Gegenstände im Gesamtwert von 121.000,– DM geschenkt hat.
II. Das Berufungsgericht hat ferner unter Bezugnahme auf die landgerichtliche Entscheidung angenommen, daß der für den der Klage zugrundeliegenden Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB außerdem noch notwendige Notbedarf der Schenkerin ebenfalls gegeben ist. Auch das ist der revisionsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen; die Revision hat die ihr günstige Feststellung nicht angegriffen; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
III. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem geltend gemachten Anspruch die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB entgegenstehe. Nach den Unterhaltsrichtsätzen der Düsseldorfer Tabelle Stand 1. Juli 1998 und auch Stand 1. Juli 1999 betrage der angemessene Eigenbedarf in der Regel mindestens monatlich 1.800,– DM bei einer darin enthaltenen Warmmiete von 800,– DM. Der Beklagten verblieben indessen nach Abzug der realen Miet-, Neben- und Heizkosten sowie des Beitrages für die Lebensversicherung monatlich lediglich 633,20 DM, tatsächlich also ohnehin schon weniger, als sie für ihren angemessenen Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle für sich beanspruchen dürfe. Demgegenüber sei ohne Belang, daß die Beklagte nach der Klagezustellung den beim Verkauf der Eigentumswohnung erlangten Erlös von 90.000,– DM verbraucht habe. Nach Wortlaut und Schutzzweck des § 529 Abs. 2 BGB sei es unerheblich, wann und wodurch – ob verschuldet oder unverschuldet – der „Notbedarf” entstanden sei. Die Vorschrift des § 529 Abs. 2 BGB beruhe von ihrer Entstehung her auf der Erwägung des Gesetzgebers, daß die Rechtsordnung kein Interesse daran haben könne, den einen in die Notlage zu stürzen, nur um den anderen der Notlage zu entreißen. Nur der Beschenkte habe nach § 529 Abs. 1 BGB das Privileg, gegenüber dem Herausgabeanspruch nach § 528 BGB einzuwenden, der andere habe seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.
Diese Ausführungen tragen der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend Rechnung.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, daß § 819 Abs. 1 BGB hier dazu führen müsse, daß sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht auf § 529 Abs. 2 BGB berufen könne.
Die Revision verkennt den rechtssystematischen Zusammenhang zwischen § 529 Abs. 2 BGB und den §§ 812 ff. BGB, auf die § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB verweist. Bei dieser Verweisung handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung (allgemeine Meinung, vgl. etwa MünchKomm./Kollhosser, BGB, 3. Aufl., § 528 Rdn. 5; Staudinger/Cremer, BGB, 13. Bearb., 1995, § 528 Rdn. 6; Soergel/Mühl/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 528 Rdn. 4); die bereicherungsrechtlichen Voraussetzungen bestimmen Art und Umfang des schenkungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs. § 529 Abs. 2 BGB gibt hingegen nach allgemeiner Meinung (vgl. z.B. Staudinger/Cremer, aaO, § 529 Rdn. 2; Soergel/Mühl/Teichmann, aaO, § 529 Rdn. 5; MünchKomm./Kollhosser, aaO, § 529 Rdn. 6), eine Einrede, die dem Beschenkten und nach dessen Tod seinem Erben zusteht, wenn dann in seiner Person die gesetzlichen Voraussetzungen bestehen. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß überhaupt ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit den §§ 812 ff. BGB besteht. Die Anwendung der §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB mag deshalb zwar dazu führen, daß der nach Kenntnis der Beklagten von der Überleitungsanzeige und nach Klageerhebung vorgenommene Verbrauch des Erlöses aus dem Verkauf der Eigentumswohnung dem Kläger nicht als Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 BGB entgegengehalten werden kann. Der Tatbestand des § 529 Abs. 2 BGB bleibt davon jedoch unberührt, weil er erst eingreift, wenn unter Heranziehung der §§ 812 ff. BGB vom Bestehen eines Rückforderungsanspruchs nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen ist.
2. Rechtlichen Bedenken begegnet es aber, daß das Berufungsgericht gemeint hat, für die Anwendung des § 529 Abs. 2 BGB könne es schlechthin keine Rolle spielen, ob es selbst verschuldet sei, daß das Geschenk oder sein Wert ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts nicht herausgegeben werden könne.
a) Dem Berufungsgericht kann allerdings darin gefolgt werden, daß es wie bei der Notbedarfseinrede des § 519 Abs. 1 BGB auch bei § 529 Abs. 2 BGB nach Wortlaut und Schutzzweck grundsätzlich unerheblich ist, wann und wodurch der Notbedarf entstanden ist (zu § 519 BGB: vgl. MünchKomm./Kollhosser, aaO, § 519 Rdn. 3; Staudinger/Cremer, aaO, § 519 Rdn. 3). Wie die Regelung des § 529 Abs. 1 BGB zeigt, hat der Gesetzgeber den Fall, daß nach vollzogener Schenkung die eigene Bedürftigkeit selbst herbeigeführt wird, durchaus bedacht, jedoch für den Anwendungsbereich des § 529 Abs. 2 BGB darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung zu treffen. Dies steht im Einklang damit, daß Übermaß und Verschwendung – obwohl ein solches Verhalten in früheren deutschen Rechtsordnungen sanktioniert werden konnte – nach dem BGB einen eigenen Grund für den Widerruf der Schenkung nicht bilden (vgl. Motive II, S. 305). Für die grundsätzliche Geltung des § 529 Abs. 2 BGB auch in Fällen selbstverschuldeter Bedürftigkeit spricht ferner, daß für die erst durch die Reichstagskommission eingefügte Norm maßgebend die Erwägung gewesen ist, daß die Rechtsordnung kein Interesse daran haben könne, den einen in die Notlage zu stürzen, nur um den anderen ihr zu entreißen (so Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., Anm. 2 zu § 529 BGB).
Der Grundsatz, daß die eigene Bedürftigkeit auch dann zur Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB berechtigen kann, wenn sie selbst – auch schuldhaft – herbeigeführt ist, wird entgegen der Auffassung der Revision auch nicht durch das seit Einführung des BGB geschaffene Sozialstaatssystem in Frage gestellt. Die von Teilen des Schrifttums vertretene Ansicht, daß das Interesse der Allgemeinheit im Zweifel für eine anspruchsgünstige Auslegung der §§ 528 f. BGB spreche (vgl. nur MünchKomm./Kollhosser, aaO, § 528 Rdn. 3 m.w.N.), verkennt, daß es in Fällen wie den vorliegenden auch zu Lasten der Allgemeinheit geht, wenn die Anwendung des § 529 Abs. 2 BGB ausgeschlossen wird; dann nämlich hat der verarmte Beschenkte bzw. sein verarmter Erbe statt des verarmten Schenkers dem Grunde nach einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.
b) Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht nicht in Betracht gezogen, daß gerade die Geltendmachung einer Einrede eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann (vgl. BGHZ 121, 179) und daß die insoweit zu berücksichtigenden Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebieten, bei besonderen, schwerwiegenden Gründen dem Beschenkten bzw. seinem Erben im Einzelfall die Berufung auf seine eigene Bedürftigkeit zu verwehren.
Unter Hinweis auf die Voraussetzungen, unter denen ein Unterhaltsberechtigter nach § 1579 Nr. 3 BGB oder § 1611 Abs. 1 BGB bei selbstverschuldeter Herbeiführung seiner Bedürftigkeit seinen Unterhaltsanspruch verliert, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Unterhaltsrechts dem Verpflichteten die Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit versagt, wenn ihm ein verantwortungsloses Verhalten vorzuwerfen ist (BGH, Urt. v. 12.05.1993 – XII ZR 24/92, NJW 1993, 1974, 1975). Dem Unterhaltsschuldner ist die Berufung auf die eigene Leistungsunfähigkeit dann verwehrt, wenn er diese durch unterhaltsbezogene Mutwilligkeit herbeigeführt hat, die nicht nur vorsätzliches oder absichtliches, sondern auch leichtfertiges Handeln umfaßt (BGH, Urt. v. 12.04.2000 – XII ZR 79/98, FamRZ 2000, 815, 817). Die Interessenlage, der diese Rechtsprechung gerecht werden will, ist derjenigen vergleichbar, die bei Verarmung von Schenker und Beschenktem bzw. seinem Erben besteht. Die zum Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze sind deshalb unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schenkungsrechts auch bei der Einrede des § 529 Abs. 2 BGB anzuwenden. Dem Beschenkten bzw. seinem Erben ist danach die Berufung auf seine eigene Bedürftigkeit zu versagen, wenn er diese, nachdem er Kenntnis davon hat, daß der Schenker bedürftig ist und deshalb ein Rückforderungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen ihn geltend gemacht wird, durch Mutwilligkeit herbeigeführt hat.
Da der Beschenkte bzw. sein Erbe die das Geschenk betreffende Rechtsposition aus einer verbindlichen vertraglichen Zusage des Schenkers herleitet, wird im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB die danach erforderliche hinreichende Kenntnis von der Bedürftigkeit des Schenkers regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt angenommen werden können, zu dem der Beschenkte bzw. sein Erbe von Umständen erfahren hat, aus denen er die Bedürftigkeit des Schenkers erkennen kann, und er durch eindeutige Leistungsaufforderung auf die ihm deshalb drohende Inanspruchnahme auf Rückgabe des Geschenks oder Wertersatz hingewiesen bzw. ihm eine entsprechende Klage zugestellt ist. Die ferner erforderliche Mutwilligkeit hingegen ist gegeben, wenn der Beschenkte bzw. sein Erbe die Möglichkeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit als Folge des eigenen Verhaltens erkennt, im Bewußtsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge gleichwohl handelt und sich dabei unter grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchten muß, oder in Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegen den Schenker über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Fähigkeit, seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, hinwegsetzt (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.2000, aaO).
Die Feststellung dieser Voraussetzungen erfordert vom Tatrichter eine genaue Bewertung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Nicht jede Verwertung des Vermögens im Rahmen der Lebensführung, die nach dem Zeitpunkt geschieht, zu dem der Beschenkte bzw. sein Erbe von seiner drohenden Inanspruchnahme hinreichende Kenntnis hat, rechtfertigt es unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, diesem die Berufung auf die eigene Bedürftigkeit zu verwehren. Von grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchtet, oder von Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit kann erst dann gesprochen werden, wenn wesentlich mehr ausgegeben wird, als die im Einzelfall vorliegenden Verhältnisse unter Beachtung auch eines alters- oder krankheitsbedingten Mehrbedarfs angemessen erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1983 – IVb ZR 38/82, FamRZ 1984, 364, 368 zu § 1579 Abs. 1 Nr. 3 a.F.). Wer sein Vermögen verbraucht, weil er über kein ausreichendes Einkommen verfügt und deshalb auch aus der Vermögenssubstanz seinen Lebensunterhalt bestreiten muß, handelt nicht mutwillig. Darüber hinaus wird es aber auch zu billigen sein, wenn aus dem Vermögen Ausgaben bestritten werden, die unterhaltsrechtlich als Sonderbedarf (§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) anzusehen sind und die nicht aus den laufenden Einkünften beglichen werden können. Dagegen wird ein mutwilliges Herbeiführen der eigenen Bedürftigkeit naheliegen, wenn das Vermögen zur Bestreitung von Luxusausgaben, z.B. für teuere Hobbies, Reisen, Kleidung usw. (vgl. dazu Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 4 Rdn. 686), verbraucht wird. Das gleiche gilt, wenn das Vermögen angegriffen wird, obwohl der Lebensunterhalt einschließlich eines etwaigen Mehr- oder Sonderbedarfs ohne weiteres aus den laufenden Einkünften hätte bestritten werden können und die Bedürftigkeit des Beschenkten eintritt, weil gleichwohl das ursprünglich vorhandene Vermögen verbraucht wird und deshalb Einkünfte aus dem Vermögen ausbleiben. Insoweit wird der Tatrichter in solchen Fällen regelmäßig im einzelnen bewerten müssen, ob es sich um eine anerkennenswerte Verwertung des Vermögens handelt oder nicht.
Im zu entscheidenden Fall hat es das Berufungsgericht zu Unrecht unterlassen, das Verhalten der Beklagten (Verkauf der Eigentumswohnung nach Klageerhebung und anschließender Verbrauch des erlösten Geldes) unter Heranziehung dieser Maßstäbe zu würdigen. Insbesondere hätte das Berufungsgericht die in der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung im Schriftsatz vom 30. Oktober 1997 enthaltenen Ausgaben unter Beachtung dieser Grundsätze im Hinblick auf ihre Berücksichtigungswürdigkeit einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen. Bei den dort angeführten Beträgen von 3.000,– DM für „Lotto, Glücksspiele”, 5.000,– DM für „Urlaub (Taschengeld)” oder 5.000,– DM für „Freizeit”, aber auch bei anderen Positionen, kommt in Betracht, daß es sich um unter den ansonsten gegebenen Umständen nicht zu billigende Luxusausgaben handelte.
IV. Gleichwohl stellt sich die angefochtene Entscheidung als richtig dar. Sie wird getragen von den hilfsweisen Erwägungen des Berufungsgerichts, daß die Beklagte auch dann, wenn man ihr – in Anbetracht der vorstehend erörterten, sich möglicherweise aus § 242 BGB ergebenden Einrede – als noch vorhandenen Vermögenswert den Erlös von 90.000,– DM zurechnete, zu Recht die Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB geltend gemacht habe.
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB entsprächen völlig denjenigen des § 519 Abs. 1 BGB. Danach gelte auch hier, daß die bloße Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts ausreiche; eine Beeinträchtigung müsse nicht bereits eingetreten sein. Es reiche die begründete Besorgnis, daß die Mittel des Beschenkten künftig nicht ausreichen werden. Diese Besorgnis sei hier gegeben angesichts eines bereits bestehenden Fehlbetrages von monatlich 366,80 DM. Selbst wenn die Beklagte bis zur Vollendung ihres 60. Lebensjahres noch monatlich 240,– DM zu ihrer Witwenrente werde hinzuverdienen können, errechne sich bis zu diesem Zeitpunkt bei zugrunde gelegten 36 Monaten ein Gesamtfehlbetrag von 13.204,80 DM. Bei Wegfall des zusätzlichen Einkommens aus der Aushilfstätigkeit erhöhe sich der Fehlbetrag zum angemessenen Eigenbedarf auf 606,80 DM. Ausgehend von einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Beklagten von dann noch ca. 20 Jahren errechne sich ein Mindestfehlbetrag von 145.632,– DM. Das zeige, daß der Beklagten zur Sicherung ihres angemessenen Unterhalts für die zu erwartende Dauer ihres restlichen Lebens ein Mindestbetrag von insgesamt rund 159.000,– DM zusätzlich zu ihrem laufenden Einkommen in ihrem Vermögen verbleiben müßte. Ein Ausgleich der streitgegenständlichen Klageforderung würde somit selbst unter der Prämisse eines bei der Beklagten noch vorhandenen Vermögenswertes von 90.000,– DM eine aktuelle Gefährdung ihres zukünftigen angemessenen Lebensunterhalts herbeiführen.
Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB nicht zur Voraussetzung hat, daß der Berechtigte bei ihrer Geltendmachung schon außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder ihm obliegende Unterhaltspflichten zu erfüllen. Das Gesetz stellt auf eine Gefährdung ab. Die Einrede besteht deshalb bereits dann, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ernstlich damit zu rechnen ist, daß der Beschenkte bei Erfüllung des Rückforderungsanspruchs in Zukunft nicht mehr genügend Mittel für seinen angemessenen Unterhalt und die Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten hat (MünchKomm./Kollhosser, aaO, § 529 Rdn. 4, § 519 Rdn. 2).
2. Das Berufungsgericht hat bei der Bestimmung des danach maßgeblichen zukünftigen Unterhaltsbedarfs sich auch zu Recht an den Unterhaltsrichtsätzen der Düsseldorfer Tabelle orientiert. Denn das Gesetz knüpft mit der in § 529 Abs. 2 BGB enthaltenen Bezugnahme auf den Unterhalt des Beschenkten bzw. die ihm obliegenden Unterhaltspflichten an die Begrifflichkeiten des Unterhaltsrechts an, weshalb die jeweils einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe auch im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB heranzuziehen sind (Sen.Urt. v. 11.07.2000 – X ZR 126/98, NJW 2000, 3488 ff.).
Bei der Anwendung der Unterhaltsrichtsätze der Düsseldorfer Tabelle hat das Berufungsgericht den Selbstbehalt, den es mit mindestens 1.800,– DM angenommen hat, auch keinesfalls zu hoch angesetzt. Da die Beklagte sich wegen ihrer Bedürftigkeit auf § 529 Abs. 2 BGB beruft und zwischen ihr und Frau M. M. mangels Abstammung in gerader Linie keine Unterhaltsverpflichtung besteht, ist ihr jedenfalls so viel zu belassen, wie sie auch gegenüber ihren eigenen Eltern beanspruchen könnte (vgl. Sen.Urt. v. 11.07.2000, aaO). Das sind einschließlich 800,– DM Warmmiete monatlich 2.250,– DM. Unter Zugrundelegung der sonstigen Berechnung des Berufungsgerichts, nach welcher der Beklagten zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts Nettoeinkünfte in Höhe von 633,20 DM monatlich verbleiben, bestand daher zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz sogar ein Fehlbetrag in Höhe von monatlich 816,80 DM. Angesichts dieser Höhe ist es unschädlich, daß das Berufungsgericht es unterlassen hat, in seine Berechnung des Bedarfs der Beklagten einzubeziehen, daß die Beklagte aus den erlösten 90.000,– DM bzw. – bei Verbrauch von Teilbeträgen – aus dem noch unverbrauchten Rest Zinserträge hätte erzielen können.
3. Die aus dem zutreffenden Ausgangspunkt und dem mithin gegebenen Unterhaltsbedarf der Beklagten abgeleitete Folgerung des Berufungsgerichts, auch bei Annahme der Existenz eines Vermögenswertes von 90.000,– DM seien die Voraussetzungen des § 529 Abs. 2 BGB gegeben, begegnet schließlich ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Vermögen dient, zusammen mit Einkünften, der lebenslangen Unterhaltssicherung. Muß der Unterhalt ganz oder – wie hier angesichts des bereits bestehenden monatlichen Fehlbetrages – teilweise aus dem Vermögen bestritten werden, muß auf dieses zurückgegriffen werden. Die Verwertung hat so zu erfolgen, daß bei Berücksichtigung der überschaubaren wirtschaftlichen Entwicklung der Unterhaltsbedarf während der voraussichtlichen Lebensdauer gedeckt werden kann (Wendl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rdn. 322; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.06.1984 – IVb ZR 20/83, FamRZ 1985, 354, 356). Bei der Bestimmung des Vermögens, das zur Sicherung des eigenen Unterhaltsbedarfs zu schonen ist, ist deshalb die voraussichtliche Lebensdauer des Verpflichteten zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 02.11.1988 – IVb ZR 7/88, NJW 1989, 524, 525). Da sie im vorhinein nicht festgestellt werden kann, bietet die durchschnittliche Lebenserwartung des sich auf § 529 Abs. 2 BGB Berufenden eine verläßliche Entscheidungsgrundlage. Die durchschnittliche Lebenserwartung wiederum kann unter Heranziehung gebräuchlicher Sterbetafeln ermittelt werden.
All diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht Rechnung getragen. Auch die Revision zeigt nicht auf, daß sie verkannt oder bei ihrer Anwendung entscheidungserhebliche Rechtsfehler gemacht worden seien. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte einen 90.000,– DM übersteigenden Betrag benötigt, um nach der bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bestehenden Einkommenslage ihren künftigen Lebensunterhalt bestreiten zu können, rechtfertigt nach allem die Klageabweisung. Anders als in Fällen, in denen Vermögenswerte allein für die künftige Altersversorgung dienen sollen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 887, 888), bestand hier bereits eine aktuelle wirtschaftliche Notlage der Beklagten. Nur bei einem Rückgriff auf den Verkaufserlös hätte die Beklagte sicherstellen können, daß ihr ausreichende Geldmittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehen.
4. An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn man zusätzlich das vom Kläger behauptete Geldgeschenk berücksichtigen wollte. Nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsurteils könnte es sich dabei höchstens um einen Betrag von 35.000,– DM handeln. Zusammen mit dem bereits erörterten Betrag würde sich dann eine Summe von 125.000,– DM ergeben, die immer noch unter dem liegt, was zur Sicherung des Unterhaltsbedarfs der Beklagten erforderlich ist.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.12.2000 durch Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2001, 864 |
NJW 2001, 1207 |
BGHR 2001, 186 |
FamRZ 2001, 286 |
FuR 2001, 171 |
FuR 2001, 505 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 582 |
ZAP 2001, 727 |
ErbBstg 2001, 100 |
JuS 2001, 708 |
MDR 2001, 742 |
ZNotP 2001, 166 |