Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch eines Aktionärs im Zusammenhang mit dem Dieselskandal: Förderung einer Verletzung der Pflicht zur Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft durch den Lieferanten der Motorsteuerungssoftware
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, §§ 826, 830 Abs. 2; StGB § 27 Abs. 1; HGB § 331 Nr. 1; AktG § 400 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. März 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Ab dem Jahr 2008 produzierte die V. AG eine neue Baureihe von TDI-Dieselmotoren in Serie. In den damit ausgestatteten Fahrzeugen war eine Software verbaut, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. Die Beklagte lieferte der V. AG die Software. Durch eine entsprechende Programmierung der Software schaltete das Steuerungssystem auf dem Prüfstand in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen gegenüber dem Normalbetrieb geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte (im Folgenden auch: Abschalteinrichtung).
Rz. 2
Der Kläger erwarb im Dezember 2014 Vorzugsaktien der P. SE für 9.906,31 € einschließlich Erwerbsnebenkosten. Die Gesellschaft hält Aktien der V. AG. Am 3. September 2015 räumte die V. AG gegenüber US-amerikanischen Behörden ein, die Abschalteinrichtung in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben. Am 22. und 23. September 2015 informierte die V. AG durch Ad-Hoc-Meldungen den Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software.
Rz. 3
Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz seiner Erwerbsaufwendungen Zug um Zug gegen Übertragung der Aktien. Er legt der Beklagten zur Last, durch die Softwarelieferung Beihilfe zur nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts durch die V. AG und die P. SE über die Verwendung der Abschalteinrichtung geleistet und ihn dadurch geschädigt zu haben.
Rz. 4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Dem Kläger stünden gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche wegen Beihilfe zu einer Schutzgesetzverletzung oder sittenwidrigen Schädigung durch die V. AG oder die P. SE zu. Insoweit könne offenbleiben, ob die Gesellschaften ein beihilfefähiges Kapitalmarktdelikt begangen hätten. Die Beklagte habe durch die Lieferung der Motorsteuerungssoftware schon objektiv keine Hilfe zur Begehung eines solchen Delikts geleistet. Der Kläger laste der V. AG und der P. SE die unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaften im Sinne von § 331 Nr. 1 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG an; die Organe der V. AG und der P. SE hätten es gesetz- und sittenwidrig unterlassen, den Kapitalmarkt über die Verwendung der von der Beklagten zugelieferten Motorsteuerungssoftware in ihren Dieselfahrzeugen zu unterrichten. Dieses Verhalten habe die Beklagte durch die im Vorfeld erfolgte Softwarelieferung jedoch nicht gefördert. Der im Vorbereitungsstadium zu datierenden Softwarelieferung fehle der erforderliche "deliktische Sinnbezug" zu einem späteren Kapitalmarktdelikt zum Nachteil der Aktionäre. Von einem solchen Sinnbezug könne dann nicht ausgegangen werden, wenn das vom Gehilfen geförderte Tun des Haupttäters nicht allein auf die Begehung einer strafbaren Handlung abziele und der Beitrag des Gehilfen auch ohne das strafbare Handeln des Täters für diesen sinnvoll bleibe, der Gehilfe mithin zwar den Täter, nicht aber unmittelbar dessen strafbares Tun durch seinen Beitrag unterstütze.
Rz. 8
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Lieferung der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte erfüllt den objektiven Tatbestand der Beihilfe nicht.
Rz. 9
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die V. AG oder die P. SE durch die nicht rechtzeitige Unterrichtung über die Verwendung der Motorsteuerungssoftware eine unerlaubte Handlung begangen hat (§§ 31, 823 Abs. 2, § 826 BGB). Von der Begehung einer solchen Handlung durch beide Gesellschaften ist daher nach dem Sachvortrag des Klägers revisionsrechtlich auszugehen. Jedenfalls bei den strafbewehrten Verboten der unrichtigen Darstellung nach § 331 Nr. 1 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG handelt es sich um Gesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, die auch das Vertrauen potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre der Gesellschaft in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben über die Geschäftsverhältnisse schützen. Dies hat der Bundesgerichtshof für § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bereits entschieden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 402/02, ZIP 2004, 1593, 1594 mwN, insoweit in BGHZ 160, 149 nicht abgedruckt). Wegen der formellen Subsidiarität jener Vorschrift zu § 331 Nr. 1 HGB kann für diese nichts Anderes gelten. Da eine unrichtige Darstellung der eigenen Geschäftsverhältnisse der P. SE nach § 331 Nr. 1 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 SEAG revisionsrechtlich zu unterstellen ist, ist hier nicht zu entscheiden, ob der Kläger als ihr Aktionär auch vor einer Gesetzesverletzung nur durch die V. AG mittelbar geschützt wäre.
Rz. 10
2. Zu diesem - revisionsrechtlich zu unterstellenden - deliktischen Verhalten der V. AG und der P. SE hat die Beklagte jedoch nicht schon durch die Lieferung der Motorsteuerungssoftware Hilfe geleistet. Sie ist nicht als Gehilfin für den vom Kläger beklagten Schaden verantwortlich (§ 830 Abs. 2 BGB).
Rz. 11
a) Die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Begehung einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen (BGH, Urteil vom14. Januar 1953 - VI ZR 9/52, BGHZ 8, 288, 292; Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, ZIP 2004, 1699, 1702; Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 46). Nach § 27 Abs. 1 StGB ist Gehilfe, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Als Hilfeleistung im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; nicht erforderlich ist, dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird (BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384 Rn. 40; Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 Rn. 15; Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 217/12, GmbHR 2013, 1321 Rn. 7). Für den Gehilfen muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 102; Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, NJW 2004, 3423, 3425; Urteil vom 11. September 2012 - VI ZR 92/11, ZIP 2012, 2302 Rn. 24; Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, BGHZ 221, 229 Rn. 46). Gleichgültig ist, in welchem Zeitpunkt der Ausführung der Gehilfe fördernd tätig wird. Beihilfe kann schon zu bloßen Vorbereitungshandlungen geleistet werden und sogar schon vor der Entschließung des Täters einsetzen (RGSt 28, 287 f.; BGH, Urteil vom 24. April 1952 - 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 345 f.; Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; Urteil vom 19. Dezember 2017 - 1 StR 56/17, NStZ 2018, 328). Die Haupttat muss aber zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert worden sein (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344; Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Beschluss vom 17. Mai 2018 - 1 StR 108/18, NStZ 2019, 461 Rn. 7).
Rz. 12
b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zur unrichtigen oder nicht rechtzeitigen Unterrichtung potentieller Anleger und gegenwärtiger Aktionäre durch die V. AG und die P. SE keine Hilfe geleistet.
Rz. 13
aa) Die Lieferung der Motorsteuerungssoftware lässt sich nach natürlichem Sprachgebrauch unter keinem denkbaren Wortverständnis als Erleichterung oder Förderung der der V. AG und der P. SE angelasteten Kapitalmarktdelikte begreifen.
Rz. 14
(1) Die Softwarelieferung kann überhaupt erst die Pflicht der V. AG und der P. SE mitbegründet haben, den Kapitalmarkt über die spätere Verwendung der Software in den Dieselfahrzeugen zu informieren. Durch eine Handlung, die eine Handlungspflicht eines Anderen erst begründet, wird aber regelmäßig - und so auch hier - nicht zugleich ihre Verletzung gefördert. Denn andernfalls erschöpfte sich die Förderung der Pflichtverletzung darin, dass die Pflicht nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass ihre Verletzung entfiele. Dadurch würde das für die Beihilfe konstitutive Merkmal der Erleichterung oder Förderung einer fremden Haupttat seines strafbarkeitsbegründenden Sinns entleert.
Rz. 15
(2) Eine Ausnahme mag bei einer Garantenstellung des Gehilfen (§ 13 StGB) anzunehmen sein, die ihn verpflichtet, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs wenigstens zu erschweren (vgl. RGSt 71, 176, 178; 73, 52, 54; BGH, Urteil vom 27. Oktober 1953 - 5 StR 723/52, NJW 1953, 1838). Eine derartige Garantenstellung hatte die Beklagte hinsichtlich der potentiellen Anleger und Aktionäre der V. AG oder der P. SE aber nicht und wird von der Revision auch nicht beansprucht. Sie ergab sich insbesondere nicht aus Ingerenz. Auch die Ingerenz ist nach dem Schutzzweck der die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens begründenden Norm begrenzt. Dies führt dazu, dass nicht jedes pflichtwidrige und zusätzlich gefahrverursachende Verhalten zu einer Garantenpflicht führt, sondern dass stets auf die Umstände des Einzelfalls hinsichtlich der Pflichtverletzung sowie des später eintretenden Erfolgs und ihres Verhältnisses zueinander abzustellen ist. Maßgeblich ist, ob die Pflichtwidrigkeit gerade in einer Verletzung eines solchen Gebots besteht, das dem Schutz des Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, BGHR AO § 371 Abs. 2 Nr. 2 Tatentdeckung 5 Rn. 78 mwN). Fehlt es daran, kommt Ingerenz nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, BGHR AO § 371 Abs. 2 Nr. 2 Tatentdeckung 5 Rn. 77 ff., 81). Auch wenn mit der Revision, wie sie in anderem Zusammenhang geltend macht, die Pflichtwidrigkeit der Softwarelieferung hinsichtlich der Käufer der Dieselfahrzeuge der V. AG unterstellt wird, ergibt sich daraus noch nicht deren Pflichtwidrigkeit hinsichtlich der potentiellen Anleger und Aktionäre der V. AG oder der P. SE. Während es bei den Endkunden um individuellen Vermögensschutz geht, geht es hier um den Schutz des Kollektivvertrauens der Kapitalanleger.
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(3) Aufgrund des Gleichlaufs von § 830 Abs. 2 BGB und § 27 StGB markiert der mögliche Wortsinn des Begriffs der Hilfeleistung indes auch im Deliktsrecht die Grenze dessen, was unter ihn gefasst werden kann. Denn die Auslegung einer strafbegründenden Vorschrift über ihren möglichen Wortsinn hinaus ist auch dann unzulässig, wenn es um die Auslegung einer Bestimmung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches geht (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB; BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 161).
Rz. 17
bb) Davon abgesehen ist ein die Grenzen des möglichen Wortsinns auslotendes oder sogar überdehnendes Verständnis des Begriffs der Hilfeleistung auch nicht aus Gründen des Rechtsgüterschutzes geboten. Der Schutz der potentiellen Anleger und Aktionäre der V. AG und der P. SE vor der unrichtigen Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft wird nicht schon durch die Softwarelieferung, sondern erst durch die nicht rechtzeitige Unterrichtung über ihre Verwendung zur Abgassteuerung der Dieselmotoren beeinträchtigt. Auch insoweit gilt wiederum, dass die Beklagte mit der Lieferung der Software das durch das deliktische Verhalten der V. AG und der P. SE beeinträchtigte Rechtsgut, also den Informationsbedarf ihrer potentiellen Anleger und Aktionäre erst mit geschaffen hat. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der strafrechtliche Vorwurf nicht daran anknüpfen kann, dass der Täter das geschützte Rechtsgut überhaupt erst hat entstehen lassen (BGH, Urteil vom 4. April 1979 - 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 375). Dementsprechend liegt etwa in einer Angestelltenbestechung nicht zugleich Beihilfe zur Hinterziehung der auf die Schmiergeldzahlung fälligen Steuern (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - 5 StR 489/02, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 24) oder in der Mitwirkung beim Umsatz in Kenntnis der diesem nachfolgenden Umsatzsteuerhinterziehung durch den Steuerpflichtigen grundsätzlich keine Beihilfe zu dem Steuervergehen (BGH, Urteil vom 13. April 1988 - 3 StR 33/88, BGHR § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3).
Rz. 18
cc) Der Bewertung der Lieferung der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte als bezogen auf die unrichtige Darstellung objektiv tatbestandslos steht nicht entgegen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits im Stadium der Tatvorbereitung strafbare Hilfe geleistet werden kann. Denn auch eine solche Hilfeleistung muss sich entweder schon auf Vorbereitungshandlungen des Täters beziehen (etwa BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 mwN) oder bei nachfolgendem Tatentschluss des Täters zumindest "die dann stattfindende Ausführung der Tat erleichtern" (RGSt 28, 288 f.; etwa BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 115). Die Verwendung der Software durch die V. AG ist aber keine Vorbereitung der nicht rechtzeitigen Information potentieller Anleger oder gegenwärtiger Aktionäre darüber und die unrichtige Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse wird durch die Lieferung der Motorsteuerungssoftware auch nicht erleichtert.
Rz. 19
dd) Im Streitfall ist zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger der V. AG und der P. SE mit der nicht rechtzeitigen Unterrichtung des Kapitalmarkts über die Verwendung der Motorsteuerungssoftware in tatsächlicher Hinsicht ein Unterlassen vorwirft. Zwar ist Beihilfe auch zu einem Unterlassen möglich (RGSt 51, 39, 41; 77, 268, 269; BGH, Urteil vom 6. Mai 1960 - 2 StR 65/60, BGHSt 14, 280, 282; Urteil vom 23. September 1997 - 1 StR 430/97, NStZ 1998, 83, 84). Der Beihilfe an einem Unterlassen macht sich aber nur schuldig, wer den Entschluss des zum Handeln Verpflichteten durch Rat oder Tat fördert oder festigt, also das Unterlassen des zum Handeln Verpflichteten vorsätzlich unterstützt, dagegen nicht, wer in anderer Weise den Erfolg zu verhindern trachtet, den die Gebotsnorm, ohne tatbestandlich auf ihn abzustellen, erreichen will (BGH, Urteil vom 6. Mai 1960 - 2 StR 65/60, BGHSt 14, 280, 282; BayObLG, NJW 1990, 1861). Eine derartige Förderung oder Festigung des Tatentschlusses der Organe der V. AG oder der P. SE durch die Beklagte macht der Kläger nicht geltend.
Rz. 20
ee) Soweit der Kläger der Beklagten Beihilfe zu einer sittenwidrigen Schädigung durch die V. AG und der P. SE anlastet, läge überdies eine bloß mittelbare Schädigung vor. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 7. Mai 2019 - VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; Urteil vom 13. April 2021 - VI ZR 276/20, MDR 2021, 743 Rn. 7). Auf eine derartige Eingrenzung der Haftung kann, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, nicht verzichtet werden. Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden, insbesondere auch hinsichtlich der Schädigung bestimmter Personen, als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt. Die Ersatzpflicht beschränkt sich in einem solchen Fall auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen (BGH, Urteil vom 11. November 1985 - II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 236 f.). Als Zulieferin traf die Beklagte hinsichtlich der potentiellen Anleger und Aktionäre der V. AG oder der P. SE aber keine besondere Unterlassungspflicht, deren Verletzung das Sittenwidrigkeitsverdikt tragen könnte (vgl. auch Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearb. 2018, § 826 Rn. 37, 117b). Dies verkennt die Revision, indem sie auf einen Beitrag der Beklagten zur sittenwidrigen Schädigung der Erwerber der Dieselfahrzeuge durch die V. AG abstellt. Dass die Beklagte, wie die Revision meint, auch eine Schädigung der potentiellen Anleger und der Aktionäre für möglich hielt, genügt nicht, um sie als sittenwidrig zu bewerten.
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RiBGH Wöstmann ist durch Krankheit an der Unterschrift gehindert |
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von Selle |
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C. Fischer |
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Fundstellen
Haufe-Index 15061411 |
NZG 2022, 137 |