Leitsatz (amtlich)
Ein satzungsändernder Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, durch den das Erfordernis einer Unterschriftsbeglaubigung auf Kosten des betreffenden Aktionärs als Wirksamkeits- oder Nachweiserfordernis für die Übertragung von (nicht verbrieften) Namensaktien nachträglich eingeführt wird, ist gem. § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
Normenkette
AktG §§ 54, 67, 180, 241 Nr. 3
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 22.08.2002; Aktenzeichen 1 U 33/02) |
LG Aurich |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Oldenburg v. 22.8.2002 aufgehoben und das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Aurich v. 12.2.2002 abgeändert, soweit die Klage gegen den satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten v. 22.8.2001 zu § 4 S. 4 und 5 ihrer Satzung abgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der o.g. Hauptversammlungsbeschluss zu § 4 S. 4 und 5 der Satzung der Beklagten nichtig ist.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 16,5 % und die Beklagte 83,5 %, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers die Beklagte 87,2 %, von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten der Kläger 12,8 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Aktionär der Beklagten. Ihre Hauptversammlung beschloss am 22.8.2001 zu TOP 8 u.a. eine Satzungsänderung, wonach die bisherigen Inhaberaktien auf Namensaktien (Stückaktien) umgestellt wurden und § 4 der Satzung wie folgt neu gefasst wurde:
"Die Aktien lauten auf den Namen. Die Gesellschaft kann die Aktien ganz oder teilweise in Aktienurkunden zusammenfassen, die eine Mehrheit von Aktien verbriefen. Der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ist ausgeschlossen."
Für die nachfolgenden Sätze 4 und 5 des § 4 war nach dem gem. § 124 Abs. 1 AktG bekannt gemachten Beschlussvorschlag zu TOP 8c ursprünglich folgende Fassung vorgesehen:
"Soweit eine Einzelverbriefung der Aktie nicht vorgenommen wird, bedürfen rechtsgeschäftliche Verfügungen über Miteigentumsanteile an der Globalaktie zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Unterschriften der Vertragsparteien bedürfen der notariellen Beglaubigung."
Der die Hauptversammlung leitende Aufsichtsratsvorsitzende Dr. C. stellte die Satzungsänderung TOP 8c zunächst unter Ausklammerung der Sätze 4 und 5 des § 4 zur Abstimmung, welche die erforderliche Mehrheit ergab. Anschließend rief er den bisher ausgeklammerten Teil des TOP 8c zur Beschlussfassung auf und formulierte "in seiner Eigenschaft als Aktionär und nicht als Aufsichtsrat" einen geänderten Beschlussvorschlag, der Anregungen von Aktionären berücksichtige. Er lautete folgendermaßen:
"Soweit die rechtsgeschäftlichen Verfügungen nicht unter Vorlage von Personalausweisen vor dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder von diesem hierzu ermächtigten Personen vorgenommen werden, bedürfen die Unterschriften der Vertragsparteien der amtlichen Beglaubigung, der notariellen Beglaubigung oder der schriftlichen Bestätigung der Unterschriften durch ein Kreditinstitut. Notarkosten der Beglaubigung trägt für bis zu zwei Beglaubigungen je Stückaktie und Kalenderjahr die Gesellschaft."
Nachdem die Hauptversammlung diesem Vorschlag mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt und der Vorsitzende die Beschlussfassung festgestellt hatte, erklärte eine anwesende Vertreterin des Klägers gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift (§ 245 Nr. 1 AktG).
Mit seiner Klage hat der Kläger die beiden satzungsändernden Beschlüsse zu § 4 der Satzung insgesamt angefochten, weil der Alternativvorschlag nicht ordnungsgemäß angekündigt gewesen sei und das beschlossene Beglaubigungserfordernis mit Kostenbelastung der Aktionäre bei mehr als zwei Aktienübertragungen pro Jahr auf eine gegen § 180 AktG verstoßende Nebenverpflichtung hinauslaufe. Dieser Beschlussinhalt lasse sich von dem vorangegangenen Beschluss über die Satzungsänderung gem. § 4 S. 1 bis 3 nicht trennen. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der Senat hat die Revision des Klägers nur insoweit zugelassen, als die Klage sich gegen den zeitlich zweiten Hauptversammlungsbeschluss zu § 4 S. 4 und 5 der Satzung der Beklagten richtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet und führt zur Feststellung der Nichtigkeit des zweiten Hauptversammlungsbeschlusses v. 22.8.2001, betreffend § 4 S. 4 und 5 der geänderten Satzung der Beklagten.
I. Das Berufungsgericht meint, der Beschluss sei weder aus formellen noch aus materiellen Gründen anfechtbar. Ob er sich, was anzunehmen sei, noch im Rahmen der bekannt gemachten Tagesordnung ("Beschlussfassung über die Form der Aktien und die Änderung der Satzung") gehalten habe und daher nicht gegen § 124 Abs. 4 AktG verstoße, sei im Ergebnis ebenso "irrelevant" wie die Frage, ob der Aufsichtsratsvorsitzende und Versammlungsleiter die Gegenantragsbefugnis eines Aktionärs (§ 126 AktG) für sich habe in Anspruch nehmen können. Denn diese etwaigen Mängel seien jedenfalls für das Beschlussergebnis nicht ursächlich geworden, weil die beschlossene Fassung des § 4 S. 4 und 5 der Satzung die Aktionäre besser stelle als die ursprünglich angekündigte, wonach die Beklagte keinerlei Beglaubigungskosten zu übernehmen gehabt hätte. Inhaltlich verstoße die Neuregelung mangels Auferlegung von Leistungspflichten zu Gunsten der Beklagten auch weder gegen das "Belastungsverbot" des § 180 Abs. 1 AktG, noch werde durch die Kostenregelung die freie Übertragbarkeit der Aktien in einer ins Gewicht fallenden Weise erschwert (§ 180 Abs. 2 AktG).
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Durchgreifende Bedenken bestehen bereits gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, eine Anfechtung des Beschlusses (§§ 243, 246 AktG) wegen der nach Auffassung des Klägers gegebenen Verfahrensmängel scheitere jedenfalls an deren fehlender Kausalität für das Beschlussergebnis. Nach der neueren Rechtsprechung des Senates (BGH v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164 f.] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199; v. 25.11.2002 - II ZR 49/01, BGHZ 153, 32 [36 f.] = GmbHR 2003, 408 = AG 2003, 319 = BGHReport 2003, 327) kommt es insoweit nicht auf Kausalitätserwägungen, sondern auf die Relevanz des Verfahrensverstoßes für die Informations- und sonstigen mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre, insb. auch der in der Abstimmung unterlegenen Minderheitsaktionäre, an. Eine solche Relevanz ist bei Bekanntmachungsmängeln i.S.v. § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG regelmäßig zu bejahen (BGH v. 25.11.2002 - II ZR 49/01, BGHZ 153, 32 [36 f.] = GmbHR 2003, 408 = AG 2003, 319 = BGHReport 2003, 327; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 243 Rz. 15).
Im Ergebnis kommt es allerdings auf die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel nicht an, weil der angefochtene Beschluss ohnehin schon seines Inhalts wegen nichtig ist (vgl. unten 2). Einer entsprechenden Entscheidung steht nicht entgegen, dass der Kläger primär Anfechtungs- und nur hilfsweise Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG) erhoben hat. Denn beide Klageanträge verfolgen dasselbe materielle Ziel und stehen zueinander nicht in einem Eventualverhältnis (BGH v. 17.2.1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364 [366] = GmbHR 1997, 655 = AG 1997, 326 = MDR 1997, 665). Unerheblich ist dabei auch, dass die Hauptversammlung der Beklagten den Beschluss inzwischen unstreitig durch Beschl. v. 22.8.2002 bestätigt und der Kläger diesen anscheinend nicht angefochten hat. Denn abgesehen davon, dass der inhaltliche Nichtigkeitsgrund dem Bestätigungsbeschluss in gleicher Weise anhaftet, kann ein Bestätigungsbeschluß gem. § 244 AktG nur die Anfechtbarkeit (BGH, Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 194/01, BGHReport 2004, 531 = MDR 2004, 403 = AG 2004, 204 = ZIP 2004, 310), nicht aber die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses beseitigen.
2. Der Inhalt des Beschlusses verstößt gegen Grundprinzipien des Aktienrechts und ist daher gem. § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
a) Das deutsche Aktienrecht ist von dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit des Mitgliedschaftsrechts beherrscht (Lutter in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl., § 68 Rz. 23; Bayer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 68 Rz. 34 jeweils m.w.N.). Handelt es sich - wie hier - um Namensaktien, so können diese nach dem Gesetz durch formlose Abtretungsvereinbarung gem. §§ 398, 413 BGB übertragen werden. Die dingliche Wirksamkeit der Abtretung kann - jedenfalls außerhalb der Voraussetzungen einer möglichen Vinkulierung gem. §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG - nicht an eine bestimmte Form gebunden werden, weil darin eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit der Aktien läge, die im Grundsatz nur durch eine Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG eingeschränkt werden kann. Diese wiederum bedürfte gem. § 180 Abs. 2 AktG im Fall nachträglicher Einführung durch Satzungsänderung der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 68 Rz. 13). Die Verweigerung der Zustimmung auch nur eines von ihnen führt zur Nichtigkeit der Satzungsänderung (RGZ 121, 238 [244]; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 180 Rz. 9). Ohne die Erfüllung dieser Erfordernisse kann der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktien zumindest nicht mit dinglicher Wirkung entsprechend §§ 399 letzte Alt., 413 BGB beschränkt und deshalb auch nicht an eine bestimmte Form - als Minus gegenüber einer Vinkulierung - gebunden werden. Die gem. § 68 Abs. 1 AktG zulässige Übertragung durch Indossament ist nur fakultativ vorgesehen (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 68 Rz. 3) und kommt hier mangels Verbriefung der einzelnen Aktien ohnehin nicht in Betracht.
b) Im vorliegenden Fall war das in der ursprünglichen Beschlussvorlage vorgesehene Formerfordernis ersichtlich als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Aktienübertragung vorgesehen. Ob Entsprechendes auch für die auf Vorschlag des Versammlungsleiters beschlossene Fassung gilt oder damit nur noch ein Nachweiserfordernis für die Eintragung des Rechtsübergangs ins Aktienregister gem. § 67 Abs. 3 AktG gemeint ist, kann dahinstehen. Denn auch im letzteren Fall wäre schon die Formvorschrift, erst recht aber die Kostenbelastung der Aktionäre nichtig.
aa) Eine bestimmte Nachweisform schreibt § 67 Abs. 3 AktG nicht vor. Ausreichend ist jedenfalls eine schriftliche Abtretungserklärung (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 67 Rz. 18). Eine Unterschriftsbeglaubigung ist auch bei der Übertragung verbriefter Namensaktien durch Indossament nicht vorgesehen; gem. § 68 Abs. 3 AktG ist die Gesellschaft zu einer Prüfung der Unterschriften nicht verpflichtet. Dies schließt eine Berechtigung und in Zweifelsfällen - z.B. bei Verdacht einer Unterschriftsfälschung - auch eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Überprüfung der Unterschriften bzw. des Rechtsübergangs nicht aus (Bayer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 67 Rz. 89, § 68 Rz. 28 m.w.N.), wozu sie auch im eigenen Interesse der Klarheit über die ihr gegenüber berechtigten und verpflichteten Mitglieder gehalten sein kann, weil die Wirkung der Eintragung im Aktienregister gem. § 67 Abs. 2 AktG jedenfalls nach h.M. im Fall einer Unterschriftsfälschung nicht eingreifen soll (Bayer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 67 Rz. 74; zweifelnd Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 67 Rz. 15). Die allgemeinen Eintragungsvoraussetzungen nach §§ 67 Abs. 3, 68 Abs. 1, 3 AktG können aber durch die Satzung nicht generalisierend verändert oder verschärft werden (Lutter in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl., § 68 Rz. 57). Es besteht kein Grund, für den Nachweis der Übertragung nicht verbriefter Namensaktien generell eine Unterschriftsbeglaubigung zu verlangen. Das gilt umso mehr, als die Neufassung der §§ 67, 68 AktG durch Art. 1 NaStraG (v. 18.1.2001, BGBl. I, 123 ff.) auf die elektronische Abwicklung des Effektengeschäfts abgestimmt ist (Bayer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 67 Rz. 2, 6; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 67 Rz. 18) und insoweit nicht mehr als eine "automatisierte Plausibilitätsprüfung" der Mitteilung gem. § 67 Abs. 3 AktG in Betracht kommt (RegBegr. BT-Drucks. 14/4051, 11; Noack, DB 1999, 1306 [1308]).
bb) Wird sonach schon durch die alternativen Formerfordernisse gemäß der streitigen Satzungsregelung die freie Übertragbarkeit der Aktien beeinträchtigt, so gilt das erst recht für die damit zusätzlich verbundene Kostenbelastung der Aktionäre bei mehr als zwei Übertragungen pro Jahr. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dies mit der möglicherweise zulässigen Belastung eines Aktionärs mit Kosten einer von ihm gewünschten Einzelverbriefung bei Vorhandensein einer Globalurkunde (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 10 Rz. 11) nicht vergleichbar. Denn dort erwachsen die Kosten auf Grund einer allein von dem Aktionär verlangten und in seinem Interesse vorgenommenen Maßnahme, während die in der geänderten Satzung aufgestellten Form- bzw. Beglaubigungserfordernisse zumindest primär den Interessen der Gesellschaft dienen. Soweit sie zu einer Überprüfung der Übertragungsvorgänge berechtigt und verpflichtet ist (vgl. oben aa), handelt es sich um eine eigene Angelegenheit der Beklagten, welche sie sich nicht durch die aufgestellten Formerfordernisse auf Kosten der Aktionäre erleichtern kann. Deren Kostenbelastung läuft - abgesehen von der damit verbundenen Beeinträchtigung der freien Übertragbarkeit der Aktien - auf eine nachträgliche Verpflichtung zu einer Zusatzleistung hinaus, welche mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 180 Abs. 1, 2 AktG gegen § 54 Abs. 1 AktG verstößt und deshalb auch unter diesem Aspekt zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses der Beklagten führt.
III. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und die Nichtigkeit des streitbefangenen Hauptversammlungsbeschlusses festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 1248745 |
BGHZ 2005, 253 |
BB 2004, 2482 |
DB 2004, 2415 |
DStR 2004, 1970 |
WPg 2004, 1385 |
NJW 2004, 3561 |
BGHR 2004, 1627 |
EBE/BGH 2004, 3 |
DNotI-Report 2004, 203 |
EWiR 2005, 49 |
NZG 2004, 1109 |
StuB 2005, 143 |
WM 2004, 2164 |
WuB 2005, 99 |
ZIP 2004, 2093 |
AG 2004, 673 |
DNotZ 2005, 138 |
MDR 2005, 158 |
NJW-Spezial 2004, 365 |
ZNotP 2004, 480 |
LMK 2004, 224 |
UM 2005, 68 |