Leitsatz (amtlich)
Zur Berücksichtigung der Dauer einer vorläufigen Amtsenthebung bei der Bemessung einer als Disziplinarmaßnahme gegen den Anwaltsnotar verhängten Entfernung aus dem Amt auf bestimmte Zeit.
Normenkette
BNotO § 97 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Notars wird das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Februar 2000 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Der Notar wird wegen schuldhaften Dienstvergehens bis zum 31. Dezember 2000 aus dem Amt des Notars entfernt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Notar darin entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Oberlandesgericht hat den Notar wegen mehrfacher Verletzung dienstlicher Pflichten eines teils vorsätzlich, teils fahrlässig begangenen – einheitlichen – Dienstvergehens für schuldig befunden und gegen ihn auf Entfernung aus dem Amt bis zum 31. Dezember 2001 erkannt. Hiergegen richtet sich die zulässige, ausreichend begründete Berufung des Notars (§ 105 BNotO i.V.m. §§ 80 ff. BDO), die rechtswirksam auf den Maßnahmeausspruch beschränkt ist (vgl. dazu Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., § 82 Rdn. 5 a). Der Notar erstrebt eine Verkürzung seiner Entfernung aus dem Amt auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2000. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Infolge der Berufungsbeschränkung sind der Schuldspruch und die diesem zugrundeliegenden Feststellungen des Urteils des Oberlandesgerichts in Rechtskraft erwachsen. Der Senat hatte daher von folgendem auszugehen:
1. Der Notar lernte 1990 oder 1991 einen Herrn H. kennen, von dem er wußte, daß er mehrfach wegen Betruges vorbestraft und zur damaligen Zeit Freigänger war. H. beauftragte den Notar Ende 1991, eine GmbH namens S. zu gründen. Zur Herstellung der Urkunde benutzte der Notar als Muster eine entsprechende Gründungsurkunde für die S. GmbH des ehemaligen Rechtsanwaltes G., dessen amtlich bestellter Vertreter er war. Diese lautete aber nicht auf den Namen „H.” als Gesellschafter, sondern auf den Namen Sch. und war offenbar dazu benutzt worden, die Eintragung des als Betrüger gerichtsbekannten H. beim Amtsgericht H. unter falschem Namen zu erreichen. Davon wußte der Notar nach seiner unwiderlegten Einlassung aber nichts. Er überklebte den Namen „Sch” mit einem 0,5 mal 2 Zentimeter großen Papierstreifen mit dem Namen H. und fertigte so Kopien zur Herstellung von neuen Urkunden, die er zur Eintragung der GmbH im Handelsregister des Amtsgerichts K. benutzte. Auch das mit dem Papierstreifen überklebte Muster gelangte – wohl aufgrund eines Büroversehens – in den Rechtsverkehr.
Die Herstellung der Urkunde mittels Überklebens mit einem Papierstreifen verstößt gegen die Regelungen der §§ 26, 27 DONot, da eine solche „Collage” keinesfalls in den Rechtsverkehr gelangen durfte. Auch wenn dies durch ein Büroversehen geschehen sein sollte, ist dem Notar insoweit der Vorwurf einer fahrlässigen Verletzung der Dienstordnung zu machen, denn die bewußte (und letztlich unnötige) Herstellung einer solchen Vorlage begründete und erhöhte die Gefahr eines Inverkehrbringens.
2. H. verlegte sich in der Folgezeit auf Geschäfte, bei denen er potenten Geldanlegern versprach, gegen hohe Rendite mit sogenannten Bankgarantien zu handeln. Unter Fachleuten ist umstritten, ob es einen entsprechenden Handel überhaupt gibt oder ob er anderen als Banken offen steht. Jedenfalls ist er ein typisches Betätigungsfeld für Anlagebetrügereien. H. sammelte über die von ihm gegründete Firma „C. und C. Inc.” von Anlegern hohe Geldbeträge ein, angeblich, um eine für den vermeintlichen Handel erforderliche Mindesteinlage (10 Mio. US-Dollar) zu erreichen. Tatsächlich tätigte H. aber keinen An- und Verkauf von Bankgarantien, sondern verwandte die eingesammelten Gelder teilweise zu eigenen Zwecken. Im Sommer 1993 erklärte sich der Notar bereit, bei diesen Geschäften des H. als Treuhänder mitzuwirken. Dies sollte in der Weise geschehen, daß er eine Treuhandvereinbarung mit dem jeweiligen Anleger schloß, wonach er auf einem schweizerischen Anderkonto eingehende Gelder zunächst „poolen” und bei Erreichen der erforderlichen Mindesteinlage auf ein anderes Konto transferieren sollte, von wo die C. und C. Inc. im Rahmen einer „eingeschränkten Verwaltungsvollmacht” die Gelder für den Ankauf vermeintlich werthaltiger „Bank-Debenture-Instruments” verwenden durfte. Der „Investitionsvertrag” zwischen den Anlegern und der C. und C. Inc. enthielt entsprechende Regelungen. In ihm ist ausdrücklich erwähnt und näher erläutert, daß und wie „das Notariat” als Treuhänder fungieren sollte, unter anderem, daß „das Notariat” ein Konto „in Deutschland oder der Schweiz” benennen werde. In der im Treuhandvertrag wie im Investitionsvertrag genannten „eingeschränkten Verwaltungsvollmacht” ist unter anderem geregelt, daß sich diese Vollmacht auf alle Transaktionen im Zusammenhang mit den bei der Bank geführten Konten des Notars beziehe und sich auf den An- und Verkauf von werthaltigen Bankschuldverschreibungen beschränke, daß alle Maßnahmen des Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber voll umfänglich bindend seien und daß die Rechtsbeziehungen des Kunden schweizerischem Recht unterlägen. Entgegen der Regelung im Investitionsvertrag hatte der Notar allerdings keine Möglichkeit, sich das Kreditinstitut auszusuchen, schon gar nicht in Deutschland. Vielmehr überreichte H. ihm vorbereitete Kontoeröffnungsunterlagen für ein Konto bei der G.-Bank in Z.. Bei dieser Bank handelte es sich um ein erst kurz zuvor wieder eröffnetes Institut ohne Schalterverkehr und mit wenigen Mitarbeitern. Der Notar erkannte zwar nicht die betrügerischen Absichten des H. – er ist noch heute davon überzeugt, daß H. jedenfalls bei diesen Geschäften nicht betrügen wollte – und beabsichtigte nicht, den Anlegern Schaden zuzufügen. Aber um die näheren Einzelheiten und Hintergründe der Geschäfte, in die er eingespannt werden sollte, kümmerte er sich auch nicht. Er ging davon aus, daß H. wie jeder Straftäter eine Chance zur Resozialisierung haben müsse, und vertraute darauf, daß H. redlich sei. Er erklärte sich bereit, in dem von H. vorgegebenen Rahmen als Treuhänder mitzuwirken, ohne die ihm fremden Geschäfte mit Bankgarantien einer näheren Überprüfung zu unterziehen. Er überprüfte auch nicht die ihm angesonnene Treuhandtätigkeit auf ihre rechtliche Zulässigkeit. Er erklärte seine Bereitschaft zur Übernahme der Treuhand, obwohl ihm bewußt war, daß aufgrund der eingeschränkten Verwaltungsvollmacht entgegen Sinn und Zweck einer Treuhand ein Dritter ungehinderten Zugriff auf die verwalteten Gelder hatte. Er überprüfte nicht, was es mit der ihm völlig unbekannten G.-Bank auf sich hatte; Erkundigungen nahm er insoweit nicht vor. Obwohl ihm § 12 Abs. 2 DONot bekannt war, sah er hierin keinen Hinderungsgrund für die Eröffnung eines Notar-anderkontos im Ausland. Er handelte allerdings – wie er sich unwiderlegt eingelassen hat – nicht aus Gewinnstreben, sondern, weil er die Aufgabe in rechtlicher Hinsicht „reizvoll” fand, weil er sich im Rahmen seiner notariellen Tätigkeit noch nicht in dieser Weise betätigt hatte und er dieses Betätigungsfeld auch einmal kennenlernen wollte. Der Notar unterzeichnete die Kontoeröffnungsunterlagen und gab sie H. zurück, der sie der G.-Bank zuleitete. In der Folgezeit schlossen mehrere Anleger Verträge mit der C. und C. Inc., unterzeichneten die Treuhandvereinbarung mit dem Notar und zahlten Gelder auf das von ihm eröffnete Konto ein, und zwar bis Ende September/Anfang Oktober 1993 insgesamt etwa 1,1 Mio. DM. Sie taten dies im Vertrauen darauf, daß ein von einem deutschen Notar eingerichtetes Treuhandkonto eine hinreichende Sicherheit darstelle. Die G.-Bank übersandte dem Notar regelmäßig Kontoabrechnungsunterlagen, die dieser aber größtenteils nicht verstand. Insbesondere war es ihm häufig nicht möglich, die Buchungen einzelnen Anlegern zuzuordnen. Von den übersandten Kontoauszügen wies einer ein – mit den eigentlich vereinbarten Geschäften in keinerlei Zusammenhang stehendes – Devisengeschäft über den An- und Verkauf von US-Dollar im Gegenwert von über 400.000,– DM aus. Auch dies konnte der Notar nicht zuordnen. Es veranlaßte ihn aber nicht zu weiteren Nachforschungen und zunächst auch nicht zu nachhaltigen Zweifeln hinsichtlich der Sicherheit der ihm anvertrauten Gelder vor unberechtigtem Zugriff Dritter, vielmehr behandelte er diesen Vorgang als Fehlbuchung. Die aus seiner Sicht unbefriedigende Handhabung der Angelegenheit durch die G.-Bank führte schließlich aber doch zu wachsenden Bedenken. Er sah sich nunmehr auch veranlaßt, sich bei der Notarkammer über die Zulässigkeit eines derartigen Treuhandkontos zu erkundigen. Er erhielt die Auskunft, daß ein Treuhandkonto im Ausland nicht geführt werden dürfe. Darauf schrieb er die Anleger, die mit ihm einen Treuhandvertrag abgeschlossen hatten, an und teilte ihnen mit, daß er sich nicht in der Lage sehe, das Treuhandkonto in seiner Eigenschaft als Notar zu führen. Er bot ihnen an, die Einlagen künftig als Rechtsanwalt zu verwalten oder sie zurückzuzahlen. Alle Anleger bestanden auf Rückzahlung, die auch erfolgte. Irgendwelche Gewinne wurden nicht ausgezahlt. H. hatte auf die vom Notar „verwalteten” Gelder – möglicherweise mit Ausnahme des Devisengeschäfts, dessen Verursacher unklar blieb, das aber auch keinen nennenswerten finanziellen Schaden verursachte – nicht zugegriffen.
Indem der Notar sich an den Geschäften des H. beteiligte, hat er vorsätzlich in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten aus §§ 14 Abs. 1 und 2 BNotO und fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 12 Abs. 2 DONot verstoßen. Der Notar hat sein Amt im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, gewissenhaft, unabhängig und unparteiisch zu führen (§ 14 Abs. 1) und jegliche Amtstätigkeit zu versagen, die mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre (§ 14 Abs. 2). Wenn der Notar nicht sicher weiß, ob die Handlung unredlichen Zielen dient, sich dies aber nach den konkreten Umständen des Falles als möglich darstellt oder gar aufdrängt, muß er nachfragen; erhält er keine zufriedenstellende Antwort, muß er die Tätigkeit verweigern. An Geschäften, die er in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite nicht ansatzweise durchschaut, darf er nicht mitwirken, ohne zuvor die tatsächlichen und rechtlichen Fragen sorgfältig geprüft zu haben. Wenn er nicht wußte, was „Bankgarantiehandel” bedeutet und was „Bank-Debenture-Instruments” sind, mußte er sich kundig machen, bevor er sich zur Mitwirkung bereit erklärte. Wenn er nicht übersehen konnte, wie die von ihm übernommene Treuhandtätigkeit sich in der praktischen Abwicklung und im Detail darstellte, mußte er nachfragen und im Zweifel seine Tätigkeit versagen. Er war gehalten, sich über die rechtliche Zulässigkeit, ein Notar-Anderkonto im Ausland zu führen, zu erkundigen, bevor er die Kontoeröffnungsunterlagen, die ihm ein Dritter präsentierte, unterschrieb. Er mußte ferner Erkundigungen über die ihm völlig unbekannte G.-Bank einholen. Er hatte um so mehr Anlaß, seine Dienste für Herrn H. kritisch und sorgfältig zu prüfen, als er wußte, daß H. ein wegen Betrügereien erheblich Vorbestrafter war. Die von ihm entfaltete Treuhandtätigkeit mußte er schlicht versagen, weil sie keine wirkliche Treuhandtätigkeit war, sondern nur der Anschein von treuhänderischer Funktion geweckt wurde; denn tatsächlich bestimmten andere als der Treuhänder darüber, wann und inwieweit auf das Geld zugegriffen wurde. Bevor überhaupt klar war, ob er die Tätigkeit in seiner Eigenschaft als Notar entfalten durfte, mußte er unterbinden, daß in den Verträgen der C. und C. Inc. mehrfach der Hinweis auf ihn als Notar erfolgte. Er durfte schließlich ein Notar-Anderkonto nicht im Ausland eröffnen (§ 12 Abs. 2 DONot).
3. In den Jahren 1993 und 1994 stand der Notar in geschäftlicher Verbindung zu einem Herrn K., der unter anderem im Immobilienhandel tätig war. Der Notar selbst gibt an, daß von den gesamten Umsätzen seines Notariats etwa 12 % auf Beurkundungsgeschäfte des K. entfielen. Im Jahr 1994 erteilte K. einer Angestellten des Notars, Frau Kl., Generalvollmacht. Außerdem mietete K. Ende 1993 von dem Notar Räumlichkeiten auf der Etage an, auf der dieser seine Kanzlei unterhielt. Unter anderem stand ihm der Flur zur gemeinsamen Mitbenutzung offen. Hier befand sich zumindest zeitweise auch das Faxgerät des Notars. In mindestens einem Fall ist es dazu gekommen, daß K. das Faxgerät mit der für den Empfänger ersichtlichen Kennung des Notars als Absender für eigene geschäftliche Korrespondenz benutzte. Der Notar hatte sich bis dahin nicht veranlaßt gesehen, Notariat und Geschäftsräume des K. so strikt voneinander zu trennen, daß ein Zugriff auf Einrichtungen des Notariats, insbesondere das Faxgerät, ausgeschlossen war. Nach dem Vorfall mit dem Faxgerät hat der Notar nach seiner unwiderlegten Darstellung K. zur Rede gestellt und eine weitere Benutzung des Faxgerätes unterbunden.
Das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen gegen die eigenmächtige und unbefugte Benutzung von Büroeinrichtungen des Notariats, nämlich eines Faxgerätes, das die Kennung des Notariats trug, durch einen Dritten, stellt eine weitere fahrlässige Amtspflichtverletzung dar. Zur Verpflichtung des Notars nach § 14 Abs. 1 BNotO, das Amt unabhängig, unparteiisch und in einer Weise auszuüben, daß Achtung und Vertrauen der Bevölkerung in die Amtsführung eines Notars gewahrt werden, gehört auch, jeden Anschein zu vermeiden, Dritte könnten nach Belieben im Notariat schalten und walten. Gerade weil der Notar durch die räumliche Nähe, die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, die geschäftlichen Verbindungen und die personellen Verflechtungen (über die Mitarbeiterin Kl.) mit K. in besonders enger Verbindung stand, war er gehalten, die Geschäftsbereiche besonders sorgfältig zu trennen. Die Gefahr, daß K. auf ein im Flur befindliches Telefaxgerät bei Bedarf zugreifen würde, lag auf der Hand. Das Gerät hatte im Flur nichts zu suchen und hätte von vornherein in den Räumlichkeiten des Notariats untergebracht werden müssen, die für K. nicht zugänglich waren.
4. In dem Zeitraum 1993 bis 1994 beurkundete der Notar mehrere Kaufverträge, an denen K. auf Käufer- oder Verkäuferseite beteiligt war. Allen diesen Verträgen ist gemeinsam, daß zunächst ein Vertrag mit einem höheren Kaufpreis und unmittelbar darauffolgend ein inhaltsgleicher Vertrag mit einem deutlich niedrigeren Kaufpreis beurkundet wurde, ohne daß den Urkunden ein hinreichend plausibler Grund für diese Vorgehensweise zu entnehmen wäre. In einigen Fällen steht fest, daß die Verträge mit der höheren Kaufpreissumme Bankinstituten im Zusammenhang mit der Gewährung von Krediten vorgelegen haben. Im einzelnen handelt es sich um folgende Beurkundungen:
a) Am 3. März 1993 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen der MBV M. und V. GmbH als Verkäuferin und K. als Käufer zu einem Kaufpreis von 2.521.785,– DM (UR-Nr. 44/93) und am selben Tag einen Kaufvertrag über dasselbe Grundstück zu einem Kaufpreis von 1.840.000,– DM (UR-Nr. 46/93). Am 6. März 1993 trat K. vom ursprünglichen Vertrag zurück.
b) Ebenfalls am 3. März 1993 beurkundete der Notar zwischen denselben Beteiligten einen Vertrag über ein weiteres Grundstück zu einem Kaufpreis von 3.396.925,– DM (UR-Nr. 45/93) und sodann einen Vertrag zu einem Kaufpreis von 2.648.450,– DM (UR-Nr. 47/93). Auch hier trat K. am 6. März 1993 vom Ursprungsvertrag zurück.
c) Am 7. Juni 1993 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen einem Herrn H. als Verkäufer und einem Herrn O. sowie K. als Käufer zu einem Kaufpreis von 1.050.000,– DM (UR-Nr. 122/93). Am selben Tag beurkundete er einen Vertrag über dasselbe Grundstück zu einem Kaufpreis von 650.000,– DM (UR-Nr. 123/93). Die Käufer traten vom ursprünglichen Vertrag am 8. Juni 1993 zurück.
d) Am 10. Januar 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen den Verkäufern Sch. und Ha. und dem Käufer K. (UR-Nr. 2/94), wobei der Kaufpreis 650.000,– DM betrug, in einer weiteren, am selben Tag aufgenommenen Vertragsurkunde aber auf 380.000,– DM reduziert wurde (UR-Nr. 5/94). Am 22. April 1994 beurkundete der Notar unter UR-Nr. 94/94 die Bewilligung einer Grundschuldbestellung in Höhe von 510.000,– DM für die Bank für V. und H. AG in D., die am 5. Oktober 1994 in das Grundbuch eingetragen wurde. Bereits am 19. April 1994 hatte die Bank 480.000,– DM an den Notar überwiesen, die dieser auch auszahlte.
e) Am 15. Januar 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen der Firma B & S als Verkäufer und K. als Käufer mit einem Kaufpreis von 1.680.000,– DM (UR-Nr. 13/94), der mit beurkundetem Vertrag vom gleichen Tag unter UR-Nr. 16/94 auf 1,1 Mio. DM reduziert wurde. Mit Schreiben vom 10. Mai 1994 teilte die B. H. – und F. Bank dem Notar mit, daß ihr die Ansprüche aus dem Kaufvertrag abgetreten worden seien. Beigefügt war eine Kopie der Abtretungserklärung, in der der Kaufpreis mit 1,68 Mio. DM angegeben war. Der Notar bestätigte der Bank den Erhalt der Abtretungserklärung, wies aber nicht darauf hin, daß der Kaufpreis tatsächlich auf 1,1 Mio. DM reduziert worden war.
f) Am 7. Dezember 1994 beurkundete der Notar einen Grundstückskaufvertrag zwischen den Verkäufern M. und K. und Frau P. als Käuferin zu einem Kaufpreis von zunächst 870.000,– DM (UR-Nr. 377/94), der mit Vertrag vom 22. Dezember 1994 (UR-Nr. 404/94) auf 750.000,– DM herabgesetzt wurde, und zwar, wie es in der Urkunde heißt, „wegen Renovierung”. Am 30. März 1995 beurkundete der Notar insoweit die Bestellung einer Grundschuld zugunsten der Bank für V. und H. AG über 870.000,– DM.
Ob auch in den Fällen a bis c und f die Vertragsurkunden mit den höheren Kaufpreisen Banken zum Zwecke der Kreditgewährung vorgelegt wurden, ist nicht feststellbar. Ebenso kann nicht festgestellt werden, daß einem Kreditinstitut durch die Vorlage von Verträgen mit nicht der Realität entsprechenden Kaufpreisen ein Vermögensschaden entstanden ist. Außer im Fall f enthalten die Vertragsurkunden keine Begründung für die Reduzierung des ursprünglichen Kaufpreises.
Die Doppelbeurkundungen von Kaufverträgen stellen schuldhafte Amtspflichtverletzungen von ganz erheblichem Gewicht dar, weil der Notar es unterlassen hat, sich sorgfältig über die Hintergründe dieser Verträge zu vergewissern und notfalls die Beurkundung abzulehnen. Wie beim Komplex H. gilt auch hier, daß der Notar seine Amtstätigkeit zu versagen hat, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Ziele verfolgt werden (§ 14 Abs. 2 BNotO). Das gilt vor allem, wenn der Verdacht besteht, daß seine Tätigkeit zur Begehung von Straftaten dienen könnte. Der Grundsatz, daß der Notar im Zweifel den Angaben der Beteiligten vertrauen darf, gilt um so weniger, je gewichtiger die Hinweise auf unredliches Verhalten sind und je größer die mögliche Unredlichkeit des verfolgten Zwecks ist. Bei den Verträgen des K. mußte es sich dem Notar aufdrängen, daß unredliche, möglicherweise strafwürdige Zwecke verfolgt wurden. Die kurzfristige Änderung eines gerade erst abgeschlossenen Kaufvertrages durch deutliche Reduzierung des Kaufpreises ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Daß sich ein beurkundeter Preis als Irrtum herausstellt, oder gar, daß sich innerhalb weniger Stunden entscheidende Änderungen der Sachlage ergeben, ist als Vorgang auffällig und fordert Erklärungen geradezu heraus. Es ist völlig unvertretbar, daß ein Notar in solchen Fällen die Kaufpreisänderung kommentarlos hinnimmt und sich für deren Gründe nicht interessiert, weil die Preisvereinbarung Sache der Vertragsparteien sei, die ihn – den Notar – nichts angehe. Eine zumindest mögliche Schädigung Dritter, speziell der finanzierenden Banken, liegt auf der Hand. Ferner hat der Notar dafür zu sorgen, daß der Vertrag mit dem nicht (mehr) gewollten höheren Kaufpreis nicht in den Rechtsverkehr gelangt, indem er davon keine Ausfertigungen herausgibt bzw. den Vertragspartnern schon erteilte Ausfertigungen zurückfordert. Ein vernünftiger, „harmloser” Grund, einen Vertrag, der nicht mehr gelten soll, im Rechtsverkehr zu belassen (beziehungsweise ihn überhaupt erst in den Rechtsverkehr zu bringen), ist kaum vorstellbar. Wohl aber gibt es Gründe, mit einer derartigen Vertragsurkunde unredliche Zwecke zu verfolgen, insbesondere den, einen tatsächlich nicht gegebenen Wert des Grundstücks vorzutäuschen, um höhere Kredite zu erlangen. Kreditbetrügereien dieser Art müssen einem Notar nicht nur aus der Fachliteratur, sondern auch aus der Tagespresse bekannt sein. Erst recht mußte sich dem Notar hier die Unredlichkeit der Vorgehensweise aufdrängen, als er merkte, daß es sich nicht um einen einmaligen Vorfall handelte, sondern daß dieses Vorgehen System hatte und durch K. immer wieder praktiziert wurde. Vollends alarmierend hätte die Erkenntnis sein müssen, daß K. tatsächlich die nicht (mehr) gültigen Verträge finanzierenden Banken vorlegte und ihnen im Zusammenhang damit Sicherheiten vorspiegelte, die weit über dem letztendlich gültigen Kaufpreis lagen. Auch war der Notar verpflichtet, die Banken, die sich an ihn wandten, darüber zu unterrichten, daß es sich um nicht mehr gültige Verträge handelte. Dies gilt namentlich für die B. H. – und F. Bank, die ihm die Abtretung einer in der angegebenen Höhe nicht existierenden Kaufpreisforderung mitgeteilt hatte. Wenn der Notar angesichts all dieser Umstände beteuert, er habe sich bei all dem nichts Böses gedacht und sei davon ausgegangen, das alles habe so seine Richtigkeit, es sei ihm nicht in den Sinn gekommen, hier nachzufragen, so fällt es nicht leicht, ihm das zu glauben. Auch wenn ihm insoweit eine gewisse Weltfremdheit zugute gehalten werden kann, so ist dem Notar aber jedenfalls im Hinblick auf die Verletzung der Pflichten aus § 14 Abs. 2 BNotO besonders grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er hat die Augen verschlossen vor Bedenken, die sich ihm förmlich hätten aufdrängen müssen, er hat Naheliegendes nicht getan. Die von einem Notar zu fordernde Sorgfalt hat er damit in besonders schwerwiegender Weise verletzt.
5. Im Jahr 1991 erteilte ein Herr Peter M. dem Notar in seiner Funktion als Rechtsanwalt das Mandat zur Wahrnehmung seiner Rechte in einem Zwangsversteigerungsverfahren mit dem Ziel, die Versteigerung des Hauses von Herrn M. zu verhindern. Weil M. wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse keine Chance hatte, selbst ein entsprechendes Darlehen zu erhalten, schlossen er und der Notar unter dem 15. Januar 1991 einen Vertrag, wonach der Notar oder ein von ihm beauftragter Dritter „bei Finanzierungszusage durch eine Bank” versuchen sollte, die erstrangige und das Zwangsversteigerungsverfahren betreibende Gläubigerin abzulösen. Von den Kosten des vom Notar aufzunehmenden Darlehens, dessen Volumen die Parteien mit 190.000,– DM veranschlagten, sollte Herr M. den Notar im Innenverhältnis freistellen, außerdem sollte er ihm für seine Tätigkeit ein Honorar in Höhe von 9.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer zahlen. Der Notar unternahm auch Anstrengungen, das Darlehen zu erhalten, wobei er nicht als Notar auftrat. Letztlich konnte die Zwangsversteigerung aber nicht abgewendet werden, so daß sich die Kreditaufnahme durch den Notar erledigte.
Der Notar hat insoweit fahrlässig gegen § 14 Abs. 4 BNotO verstoßen. Die Vereinbarung mit Herrn M. vom 15. Januar 1991 war auf die Vermittlung eines Kredites gerichtet. Daß er selbst als „Strohmann” fungieren wollte und wirtschaftlich M. der eigentliche Kreditnehmer sein sollte (der allerdings nicht mehr kreditwürdig war und keine Chance hatte, einen Kredit zu erhalten), ändert an dieser Beurteilung nichts. Das Verbot des § 14 Abs. 4 BNotO, wonach es dem Notar verboten ist, unter anderem Darlehen zu vermitteln, gilt uneingeschränkt; es gilt auch für Anwaltsnotare, und zwar gerade auch im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit (vgl. Schippel, BNotO, 7. Aufl. 2000, § 14 Rdn. 63 m.w.N.). Da die Einlassung des Notars, den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 4 BNotO verkannt zu haben, nicht widerlegt werden kann, ist auch hier von einer nur fahrlässigen Pflichtverletzung auszugehen. Daß der Notar diese Pflichtverletzung nicht in seiner Eigenschaft als Notar begangen hat, hindert die Einbeziehung in die disziplinarrechtliche Ahndung nicht (§ 110 Abs. 1 BNotO; Sandkühler in Arnd/Lerch/Sandkühler, BNotO, 4. Aufl., § 110 Rdn. 18).
III.
Aufgrund der Berufungshauptverhandlung hat der Senat, gestützt auf die glaubhaften Angaben des Notars, zu dessen persönlichen Verhältnissen und beruflichem Werdegang, dem Ablauf der disziplinaren Vorermittlungen und des Disziplinarverfahrens in vorliegender Sache sowie hinsichtlich des Strafverfahrens wegen Betruges bzw. Untreue in Zusammenhang mit den Anlagegeschäften des H., in dem der Notar freigesprochen wurde, im wesentlichen dieselben Feststellungen wie das Oberlandesgericht getroffen. Auf die entsprechende Darstellung unter Nrn. I und II des angefochtenen Urteils wird daher Bezug genommen. Ergänzend ist klarzustellen, daß der Notar bereits während der Dauer seiner Inhaftierung seit 6. September 1995 wie auch während der Zeit der seit 10. November 1995 angeordneten Haftverschonung gemäß § 54 Abs. 4 Nr. 1 BNotO kraft Gesetzes vorläufig seines Amtes enthoben war; daran schloß sich die vorläufige Amtsenthebung im Disziplinarverfahren seit dem 12. April 1996 an.
IV.
Die festgestellten, von dem Notar teils vorsätzlich, teils fahrlässig begangenen Dienstpflichtverletzungen sind als einheitliches Dienstvergehen zu ahnden (§ 95 BNotO). Der Senat hält es – insoweit in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht – für geboten, den Notar für eine bestimmte Zeit aus dem Amt zu entfernen (§ 97 Abs. 3 BNotO). Die Pflichtverletzungen hinsichtlich der Tatkomplexe H. und K. wiegen schwer. Der Notar hat sich in besonders leichtfertiger Weise für die Belange zwielichtiger Geschäftemacher einspannen lassen, er hat die Vermögensinteressen Dritter gefährdet, deren Wahrung ihm – wie im Komplex H. hinsichtlich der Anleger – teilweise selbst oblag; dabei hat er in erheblichem Maße das Vertrauen der Betroffenen und der Öffentlichkeit in die Integrität des Berufsstandes der Notare enttäuscht. Daß es durch seine Handlungen und Unterlassungen nicht zu finanziellen Schäden von erheblichem Ausmaß gekommen ist, beruht nach Einschätzung des Senats vor allem auf Glück und Zufall. Auch wenn der Notar sich hier aufgrund einer kaum mehr nachvollziehbaren Weise geradezu blauäugig und weltfremd gezeigt hat und dadurch zum Instrument zwielichtiger Dritter geworden ist, reichen – wie auch der Notar selbst nicht verkennt – Verweis und Geldbuße nicht aus, um seine erheblichen Verfehlungen zu ahnden. Die aus dem Gesamtverhalten abzuleitenden persönlichen Mängel des Notars überschreiten die Grenze, die die Justizverwaltung im Rahmen ihrer Aufgabe, eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten (§ 4 BNotO), hinnehmen kann, in einem solchen Maße, daß eine – wenn auch vorübergehende – Entfernung des Notars aus dem Amt notwendig ist.
Den konkreten Zeitraum der Maßnahme hat der Senat unter Berücksichtigung aller in der Berufungshauptverhandlung zutage getretenen für und gegen den Notar sprechenden Umstände kürzer bemessen, als dies das Oberlandesgericht getan hat. Trotz der aufgezeigten Schwere der Verfehlungen des Notars konnte zu seinen Gunsten nicht unberücksichtigt bleiben, daß er sich im Verlaufe der Ermittlungen und in der Hauptverhandlung einsichtig gezeigt und sein Fehlverhalten in vollem Umfang eingeräumt hat. Der Notar hat insbesondere durch die erlittene Untersuchungshaft, die Presseveröffentlichungen über ihn und den wirtschaftlichen Niedergang seiner Anwaltskanzlei erfahren müssen, wie sensibel die Öffentlichkeit auf Verfehlungen reagiert, die zumindest in der Nähe krimineller Machenschaften anzusiedeln sind. Auch hat er – jedenfalls im Falle H. – zumindest nachträglich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit seines Handelns bekommen, ist von sich aus an die Anleger herangetreten und hat ihnen ermöglicht, ihre Gelder noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände geht der Senat davon aus, daß der Notar zwischenzeitlich die grundlegenden Anforderungen an sein Amt, insbesondere an die notarielle Treuhandtätigkeit, erkannt hat und sich künftig ernsthaft bemühen wird, ihnen mit der gebotenen hohen Sorgfalt gerecht zu werden. Zugunsten des Notars konnte vor allem nicht unberücksichtigt bleiben, daß er durch die lange Dauer der Vorermittlungen und des förmlichen Disziplinarverfahrens bereits erheblich belastet worden ist. Dabei konnten insbesondere die Auswirkungen der seit dem 12. April 1996 andauernden vorläufigen Amtsenthebung im förmlichen Disziplinarverfahren bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht außer Betracht gelassen werden. Darüber hinaus hat der Senat zugunsten des Angeklagten ins Gewicht fallen lassen, daß gegen ihn weitergehend gemäß § 54 Abs. 4 Nr. 1 BNotO kraft Gesetzes die Wirkungen der vorläufigen Amtsenthebung aufgrund der Anordnung der Untersuchungshaft im Strafverfahren seit dem 6. September 1995 nicht nur während der Dauer der Inhaftierung bis zum 10. November 1995, sondern auch in der anschließenden Zeit der Haftverschonung eingetreten sind; tatsächlich war er also nicht erst aufgrund der vorläufigen Amtsenthebung im Disziplinarverfahren im April 1996, sondern bereits seit seiner Inhaftierung ununterbrochen bis heute nicht mehr als Notar tätig.
Angesichts dieser Gesamtumstände hält der Senat – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – eine Befristung der Maßnahme der Entfernung aus dem Amt bis zum 31. Dezember 2000 für ausreichend.
V.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 109 BNotO, 113, 114, 115 Abs. 4 BDO.
Unterschriften
Rinne, Tropf, Kurzwelly, Grantz, Lintz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.11.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512436 |
BGHR 2001, 100 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 1354 |
Nachschlagewerk BGH |
ZNotP 2001, 117 |
www.judicialis.de 2000 |