Leitsatz (amtlich)
Es entspricht einem in der Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz, daß in einer aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marke ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes oder als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen oder ein Stammbestandteil einer Zeichenserie ist, im allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck der Marke zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in den anderen Bestandteilen der Kennzeichnung erblickt. Dies besagt indessen nicht, daß nicht aufgrund der erforderlichen Heranziehung aller Umstände die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall zu einem von diesen Erfahrungssätzen abweichenden Ergebnis führen kann.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 11. Februar 1999 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 ist die deutsche Tochtergesellschaft der Klägerin zu 2, einer schwedischen Aktiengesellschaft. Die Klägerinnen sowie die Beklagte produzieren und vertreiben Arzneimittel.
Die Klägerin zu 2 ist Inhaberin der Wortmarke „ASTRA” Nr. 2 042 965 (Klagemarke), eingetragen am 20. August 1993 unter anderem für „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege”.
Die Beklagte ist Inhaberin der Wortmarke „ESTRA-PUREN” Nr. 2 908 182, angemeldet am 13. Oktober 1994 und eingetragen am 22. Juni 1995 für „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege”. Mit Wirkung vom 25. August 1998 – nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils – ist das Warenverzeichnis der Marke der Beklagten im Wege der Teillöschung auf „Estradiolhaltige pharmazeutische Erzeugnisse” beschränkt worden.
Die Klägerin zu 1 firmierte seit 1995 als „Astra GmbH”, zuvor seit 1973 als „Astra Chemicals GmbH”. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat sie ihre Firma in „AstraZeneca GmbH” geändert. Unternehmensgegenstand war bisher die „Herstellung und der Vertrieb von chemischen, pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen aller Art sowie deren Ein- und Ausfuhr” und ist jetzt „Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von chemisch-pharmazeutischen Produkten, insbesondere unter den International registrierten Warenzeichen ‚Astra’, ‚Zeneca’ und ‚AstraZeneca’”. Die Klägerin zu 2, die bisher als „Astra AB” firmierte, hat im Laufe des Revisionsverfahrens ihre Firma in „AstraZeneca AB” geändert.
Die Beklagte, die seit 1996 unter der Firma „ISIS PUREN Arzneimittel GmbH” im Handelsregister eingetragen war, hat ihre Firma während des Revisionsverfahrens in „Alpharma-Isis GmbH & Co. KG” geändert. Unternehmensgegenstand ist unter anderem die „Herstellung und der Vertrieb pharmazeutischer Präparate und artverwandter Erzeugnisse, insbesondere der PUREN-Markenpräparate-Reihe”. Die Beklagte vertreibt eine Arzneimittelserie mit dem Stammbestandteil „PUREN”; die Serie umfaßt mehr als 200 Marken, von denen mehr als 50 benutzt werden.
Die Klägerinnen beanstanden die Verwendung der Bezeichnung „ESTRA-PUREN” als Verletzung ihrer Firmen- und Markenrechte. Sie haben die Beklagte auf Unterlassung, Einwilligung in die Löschung der Marke, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung in Anspruch genommen.
Sie haben vorgetragen, die Klägerin zu 2 sei das größte pharmazeutische Unternehmen Skandinaviens mit weltweiter Bekanntheit und Bedeutung. Das Firmenschlagwort und die Klagemarke „ASTRA” hätten einen außerordentlich hohen Bekanntheitsgrad, insbesondere bei den angesprochenen Fachkreisen. Dieser Bekanntheitsgrad habe schon vor dem 13. Oktober 1994 bestanden. „ASTRA” sei phantasievoll und im Arzneimittelbereich ohne beschreibende Anklänge, die Bezeichnung habe auch durch ihre weite Bekanntheit eine hohe Kennzeichnungskraft. Bei der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN” wirke „PUREN” wegen der Beschaffenheitsangabe „pur” (rein) beschreibend, maßgeblich für den Gesamteindruck sei mithin der Bestandteil „ESTRA” am Anfang der Bezeichnung. Zudem sei „PUREN” der vielfach benutzte Stammbestandteil und das Firmenschlagwort der Beklagten, auch deswegen werde der Gesamteindruck von „ESTRA” geprägt. Es bestehe Verwechslungsgefahr, zumindest eine solche im weiteren Sinne.
Die Klägerinnen haben beantragt,
- die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege mit der Bezeichnung „ESTRA-PUREN” zu versehen oder derart gekennzeichnete Waren in den Verkehr zu bringen oder feilzuhalten;
- die Beklagte zu verurteilen, in die Löschung ihrer beim Deutschen Patentamt eingetragenen Marke „ESTRA-PUREN” (Nr. 2 908 182) einzuwilligen;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesen durch Handlungen der im Antrag zu 1 gekennzeichneten Art entstanden ist und/oder noch entstehen wird;
- die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft über den Umfang der im Antrag zu 1 bezeichneten Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Vertriebszeiten und der Umsätze sowie unter Angabe der Werbung, einschließlich Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungsgebiet und Verbreitungszeit.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, bei der Kennzeichnung „ASTRA” könne allenfalls von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ausgegangen werden, diese werde durch identische oder ähnliche Drittmarken geschwächt. Der Bestandteil „PUREN” in der angegriffenen Kennzeichnung sei nicht beschreibend, sondern für sich unterscheidungskräftig und eine umfangreich benutzte Stammarke. Auch deswegen sei eine Verkürzung auf „ESTRA” ausgeschlossen. Viele „PUREN”-Marken hätten einen beschreibenden Wortanfang, das gelte auch für „ESTRA-PUREN”, die Marke weise auf den Wirkstoff „Estradiol” hin.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Klageanträge zu 3 und 4 jeweils ganz und bezüglich der Klageanträge zu 1 und 2 jeweils teilweise – im Umfang der Teillöschung des Warenverzeichnisses der Marke „ESTRA-PUREN” – in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerinnen haben nur noch die Klageanträge zu 1 und 2, ersteren bezogen auf „Estradiolhaltige pharmazeutische Erzeugnisse” weiterverfolgt.
Die Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen – mit Ausnahme des Kostenantrags zu den in der Hauptsache erledigten Klageanträgen – ihr im Berufungsverfahren aufrechterhaltenes Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für nicht begründet erachtet und dazu ausgeführt:
Eine Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke „ASTRA” und der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN” sei unter Würdigung des Gesamteindrucks der einander gegenüberstehenden Kennzeichen und bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der gegebenen Warenidentität, zu verneinen.
Für die eingetragenen Waren sei die Klagemarke ein reines Phantasiewort und deshalb unterscheidungskräftig; es weise von Hause aus zumindest normale Unterscheidungskraft auf. Diese sei infolge intensiver Benutzung noch gesteigert, so daß von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen sei. Auch wenn bei Arzneimitteln die Marken der jeweiligen Präparate eher im Vordergrund stünden, nehme die Klagemarke über die Benutzung des gleichlautenden Firmenschlagwortes als Kennzeichnung an dem Markterfolg und der Bedeutung der jeweiligen Arzneimittel teil. Deshalb sei auch für die Klagemarke in Deutschland von einer erhöhten Verkehrsgeltung jedenfalls in Fachkreisen und insoweit auch von einer starken Kennzeichnungskraft auszugehen. Diese Umstände gäben auch gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß „ASTRA” eine bekannte Marke im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei, wie die Klägerinnen unter Beweisantritt behauptet hätten. Das werde bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr als gegeben unterstellt. Eine Verwechslungsgefahr sei jedoch auch bei Zugrundelegung starker Kennzeichnungskraft von „ASTRA” nicht gegeben.
Der Gesamteindruck der angegriffenen Bezeichnung werde dadurch geprägt, daß es sich um ein aus zwei Bestandteilen zusammengesetztes Wort von insgesamt vier Silben handele; der Bindestrich habe dabei eine Klammerwirkung. Keiner der Einzelbestandteile wirke innerhalb der Gesamtbezeichnung beschreibend, auch „PUREN” sei nicht offenkundig beschreibend, weil es für den unbefangenen Verkehr ein zweisilbiges Wort sei. Dem breiten Publikum, auf das abzustellen sei, sage auch „ESTRA” nichts. Deshalb sei von der Gleichwertigkeit beider Wortbestandteile in ihrer prägenden Wirkung auszugehen.
Zwischen beiden Bezeichnungen bestehe weder klanglich noch schriftbildlich eine Verwechslungsgefahr. Der Erfahrungssatz, daß der Verkehr den Wortanfängen erfahrungsgemäß stärkere Beachtung schenke als nachfolgenden Wortteilen, spiele nur bei sonst allenfalls geringfügigen Abweichungen der kollidierenden Zeichen eine ausschlaggebende Rolle. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die angegriffene Bezeichnung auf „ESTRA” verkürzt werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht für diejenigen Verkehrskreise, die „PUREN” als Bestandteil der Arzneimittel-Serie der Beklagten erkennten. Es liege fern, daß für diese der Bestandteil „PUREN” innerhalb der angegriffenen Bezeichnung an seinem prägenden Gewicht verlieren könne und der Bestandteil „ESTRA” den Gesamteindruck präge. Zudem sei auch der Teil der Verkehrskreise mit zu berücksichtigen, der „ESTRA” als sprechende Anlehnung an „Estradiol” verstehe. Hierzu gehörten insbesondere die Fachkreise (Arzt und Apotheker).
Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht aus dem Firmenschlagwort „ASTRA” der Klägerinnen begründet. Auch insoweit fehle es an einer Verwechslungsgefahr.
Es bestünden des weiteren keine Anhaltspunkte, daß mit der angegriffenen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Klagemarke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerinnen ausgenutzt oder beeinträchtigt werde.
Der Löschungsanspruch sei aus den gleichen Gründen nicht gegeben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Klageantrag zu 1 (Unterlassungsantrag):
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einer Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke „ASTRA” und der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN” im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr in diesem Sinne ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht – wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH, Urt. v. 11.11.1997 – Rs. C-251/95, Slg. 1997, I-6191 = GRUR 1998, 387, 389 f. Tz. 22 f. – Sabèl/PUMA; Urt. v. 29.9.1998 – Rs. C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. – Canon; BGH, Urt. v. 14.10.1999 – I ZR 90/97, GRUR 2000, 605, 606 = WRP 2000, 525 – comtes/ComTel; Urt. v. 13.1.2000 – I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 – ATTACHÉ/TISSERAND; Urt. v. 6.7.2000 – I ZR 21/98, GRUR 2001, 158, 159 f. = WRP 2001, 41 – Drei-Streifen-Kennzeichnung; Urt. v. 16.11.2000 – I ZR 34/98, GRUR 2001, 507, 508 = WRP 2001, 694 – EVIAN/REVIAN).
Für das Revisionsverfahren ist von einer überdurchschnittlichen (starken) Kennzeichnungskraft der Klagemarke auszugehen, weil das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerinnen als richtig unterstellt hat, daß die Klagemarke eine bekannte Marke im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sei.
Zutreffend – von der Revisionserwiderung auch durch Gegenrügen nicht in Frage gestellt – ist das Berufungsgericht ausdrücklich von Warenidentität im Streitfall ausgegangen.
Bei Zugrundelegung einer starken Kennzeichnungskraft der Klagemarke und Warenidentität würde daher nach den vorgenannten Grundsätzen bereits ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Marken ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Daran fehlt es im Streitfall jedoch.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist das Berufungsgericht zutreffend von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz ausgegangen, daß auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – I ZR 111/95, GRUR 1998, 815, 816 = WRP 1998, 755 – Nitrangin; Urt. v. 21.9.2000 – I ZR 143/98, GRUR 2001, 164, 165 = WRP 2001, 165 – Wintergarten, m.w.N.). Die Beurteilung des Gesamteindrucks liegt dabei im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Im Revisionsverfahren kann sie lediglich darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff zutreffend erfaßt und bei seiner Würdigung nicht gegen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen hat. Diesen Anforderungen entspricht das Berufungsurteil.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Gesamteindruck des jüngeren Zeichens unabhängig von der konkreten Kollisionslage allein anhand der Gestaltung der Marke selbst zu beurteilen ist (BGH, Beschl. v. 8.7.1999 – I ZB 49/96, GRUR 2000, 233, 235 = WRP 2000, 173 – RAUSCH/ELFI RAUCH; BGH GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten).
Der Gesamteindruck einer aus mehreren Bestandteilen bestehenden Marke ist der Eindruck, den die Marke bei dem Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren hervorruft (BGHZ 139, 340, 344, 350 – Lions; BGH, Beschl. v. 25.3.1999 – I ZB 32/96, GRUR 1999, 735, 736 = WRP 1999, 855 – MONOFLAM/POLYFLAM). Dabei entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, daß eine Marke in der Regel vom Verkehr in ihrer Gesamtheit in der Gestalt wahrgenommen wird, in der sie ihm entgegentritt, ohne daß eine analysierende Betrachtungsweise Platz greift (BGH GRUR 2000, 233, 235 – RAUSCH/ELFI RAUCH). Des weiteren ist, weil es sich bei den vorliegend zugrundezulegenden Waren nicht ausschließlich um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, in diesem Zusammenhang – auch hiervon ist das Berufungsgericht zutreffend und unbeanstandet ausgegangen – nicht allein auf das Verkehrsverständnis der verschreibenden Ärzte und Apotheker, sondern auch auf die Auffassung der Patienten abzustellen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Gesamteindruck der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN” werde dadurch geprägt, daß es sich um ein aus zwei Bestandteilen zusammengesetztes Wort von insgesamt vier Silben handele. Die Bezeichnung enthalte für das breite Publikum keinen Bestandteil mit beschreibendem Charakter, so daß von der Gleichwertigkeit beider Wortbestandteile in ihrer prägenden Wirkung auszugehen sei. Deshalb bestehe für den Verkehr kein Anlaß, die Gesamtbezeichnung in irgendeiner Weise aufzuspalten. Auch diese Beurteilung kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
Das Berufungsgericht hat dem Bestandteil „PUREN” keinen beschreibenden Inhalt zugeschrieben, weil es sich bei diesem Wort für den Verkehr bei unbefangener Betrachtung um ein zweisilbiges Wort ohne Sinngehalt handele, bei dem eine mögliche Erinnerung an „pur” im Sinne von „rein” keine Rolle spiele. Hiergegen wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht erkennbar.
Die Revision beanstandet aber, daß das Berufungsgericht eine den Gesamteindruck prägende Wirkung des Bestandteils „ESTRA” nicht daraus abgeleitet hat, daß es sich bei dem Bestandteil „PUREN” um das Firmenschlagwort der Beklagten handele und dieses deshalb als eigentliche Produktbezeichnung gegenüber dem anderen Bestandteil zurücktrete. Die Rüge greift nicht durch, und zwar unabhängig von der Tatsache, daß die Beklagte im Verlauf des Revisionsverfahrens umfirmiert hat und den Bestandteil „PUREN”, was für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag von Bedeutung ist, seither nicht mehr in ihrem Namen führt.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes oder für den Verkehr als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen ist, im allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in derartigen Fällen in dem oder den anderen Bestandteilen zeichenmäßiger Kennzeichnung erblickt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.6.1998 – I ZR 15/96, GRUR 1998, 942 = WRP 1998, 990 – ALKA-SELTZER; BGH GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten, m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat einen entsprechenden Erfahrungssatz ebenso für einen Stammbestandteil einer Zeichenserie ausgesprochen, um den es sich nach dem unstreitigen Sachverhalt bei dem Bestandteil „PUREN” ebenfalls handelt (BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – I ZB 6/94, GRUR 1996, 977 = WRP 1997, 571 – DRANO/P3-drano; Beschl. v. 2.4.1998 – I ZB 25/96, GRUR 1998, 927, 929 = WRP 1998, 872 – COMPO-SANA). Diese Erfahrungssätze besagen allerdings nicht, daß nicht aufgrund der erforderlichen Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls die tatrichterliche Würdigung zu einem von diesem Erfahrungssatz abweichenden Ergebnis führen kann (BGH, Beschl. v. 18.4.1996 – I ZB 3/94, GRUR 1996, 774, 775 – falke-run/LE RUN). So liegt es im Streitfall, in dem es das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als fernliegend angesehen hat, daß der Bestandteil „PUREN” für den Teil des Verkehrs, der diesen als Unternehmensbezeichnung oder als Stammbestandteil einer Zeichenserie kennt, an prägendem Gewicht für den Gesamteindruck der Bezeichnung „ESTRA-PUREN” verlieren könnte.
Das Berufungsgericht hat seine Auffassung daraus hergeleitet, daß der Bestandteil „PUREN” durch einen Bindestrich mit dem weiteren Bestandteil „ESTRA” verbunden sei und an zweiter Stelle in der Gesamtbezeichnung stehe. Damit wird für das allgemeine Publikum eine Klammerwirkung erzeugt, zumal diese Verkehrskreise die beiden Bestandteile nicht beschreibend verstehen. Es hat darüber hinaus berücksichtigt, daß es für die Fachkreise (Ärzte und Apotheker) naheliege, bei einem estradiolhaltigen Präparat den Bestandteil „ESTRA” als sprechende Anlehnung an die Wirkstoffangabe „Estradiol” zu verstehen und deshalb den Bestandteil „PUREN” als (mitprägenden) Stammbestandteil einer Zeichenserie um so mehr zu erkennen. Das kann nicht als erfahrungswidrig angesehen werden, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gerade die Verwendung beschreibender Wörter neben einem Stammbestandteil den Verkehr veranlaßt, sich bezüglich der Produktherkunft gerade in erster Linie an dem Stammbestandteil zu orientieren (BGH GRUR 1998, 927, 929 – COMPO-SANA). Aus diesen Gründen kommt auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, auf die die Revision sich ergänzend beruft, nicht in Betracht. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens scheidet ohnehin aus, weil es vorliegend nicht um Übereinstimmungen im Stammbestandteil „PUREN” geht.
Soweit sich die Revision besonders auf den Charakter des Bestandteils „PUREN” als Firmenschlagwort der Beklagten stützt und daraus herleiten will, daß der Verkehr diesen gegenüber dem weiteren Bestandteil „ESTRA” für den Gesamteindruck vernachlässigen werde, übersieht sie, daß das Berufungsgericht von den entsprechenden Erwägungen ausgegangen ist. Bei der gegebenen Sachlage ist die Annahme, der Verkehr werde sich selbst bei einer aus einem beschreibenden Bestandteil und einer Unternehmenskennzeichnung gebildeten Bezeichnung der vorliegenden Art jedenfalls auch an letzterer orientieren, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß eine Verkürzung der Bezeichnung der Beklagten auf den Bestandteil „ESTRA” nicht zugrunde gelegt werden könne, weil es sich im Streitfall um das Warengebiet der pharmazeutischen Erzeugnisse handele, auf dem angesichts der Bedeutung der Arzneimittel für die Gesundheit des Patienten eine Verkehrsübung zur Markenverkürzung unüblich sei. Mit ihrer Meinung, eine Verkürzung liege außerordentlich nahe, weil die Bezeichnung aus Produkt- und Firmenkennzeichen gebildet sei, kann die Revision nicht gehört werden; sie setzt insoweit lediglich ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Tatrichters.
Ist das Berufungsgericht danach rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Gesamteindruck der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN” durch ihre beiden Bestandteile gleichermaßen geprägt werde, kann die Verneinung einer Verwechslungsgefahr wegen fehlender Markenähnlichkeit nicht beanstandet werden. Die von der Revision weiter erhobenen Rügen, das Berufungsgericht habe den anerkannten Erfahrungssätzen, wonach der Anfang eines Wortzeichens von größerer Bedeutung als die nachfolgenden Bestandteile sei und es sei grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen als auf die Unterschiede einander gegenüber stehender Marken abzustellen, keine Bedeutung beigemessen, gehen demgegenüber ins Leere, denn die angegriffene Bezeichnung besteht aus zwei Bestandteilen, die gemeinsam den Gesamteindruck bestimmen, so daß die gegebenen Übereinstimmungen in nur einem Bestandteil für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichen.
b) Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch auch aus den Unternehmenskennzeichen „Astra” der Klägerinnen nach § 15 Abs. 2 MarkenG wegen des Fehlens einer Verwechslungsgefahr für nicht begründet erachtet. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand. Hierzu kann auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen werden. Auch insoweit fehlt es aus den dort angeführten Gründen schon an einer hinreichenden Ähnlichkeit der Klagekennzeichen und der angegriffenen Bezeichnung „ESTRA-PUREN”. Deshalb bedarf es keiner Erörterung der Frage, welchen Einfluß die Umfirmierungen der Klägerinnen in „AstraZeneca GmbH” bzw. „AstraZeneca AB” und damit die Änderung der geltend gemachten Schutzrechte nach § 15 MarkenG im Verlauf des Revisionsverfahrens auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch hat (vgl. zur Teillöschung einer Marke im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens: BGH, Beschl. v. 13.3.1997 – I ZB 4/95, GRUR 1997, 634 = WRP 1997, 758 – Turbo II).
2. Klageantrag zu 2 (Löschungsantrag):
Aus den vorstehend zum Unterlassungsantrag angeführten Gründen kann auch der geltend gemachte Löschungsanspruch nicht durchgreifen. Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 1, § 51 Abs. 1 MarkenG entsprechen denjenigen für den Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.12.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2002, 336 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 610 |
GRUR 2002, 342 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2002, 961 |
WRP 2002, 326 |
IIC 2003, 101 |
MarkenR 2002, 49 |
Mitt. 2002, 287 |