Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung der Obliegenheit eines Unterhaltspflichtigen, zur Zahlung von Elternunterhalt den Stamm seines Vermögens einzusetzen, sind jedenfalls die insofern für den Deszendentenunterhalt entwickelten Grundsätze heranzuziehen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 08.10.2001; Aktenzeichen 8 UF 21/01) |
AG Bünde |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Senats für Familiensachen des OLG Hamm v. 8.10.2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend.
Die Mutter des Beklagten bezog nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls seit 1992 Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt. In der Zeit von November 1995 bis zum 21.7.1998 gewährte ihr die Klägerin Leistungen zwischen 447,24 DM und 1.127,27 DM monatlich, insgesamt 28.881,11 DM. Nach dem 21.7.1998 wurden die Sozialhilfeleistungen eingestellt.
Der Beklagte verfügte in der hier maßgeblichen Zeit über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von etwa 3.189 DM. Bis zum Jahr 1992 lebte er mit Christine F. in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Aus der Beziehung sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich die am 20.10.1985 (nicht: 1982) geborene Andrea Beate und der am 5.11.1986 geborene schwerbehinderte Christian. Für die beiden Kinder, die von ihrer Mutter betreut werden, leistet der Beklagte im Monatsdurchschnitt insgesamt ca. 800 DM an Unterhalt. Der Sohn Christian besucht eine Behindertenschule; die Fahrten zwischen Wohnung und Schule übernehmen der Beklagte und die Mutter des Kindes abwechselnd.
Im Jahre 1987 erwarb der Beklagte die Immobilien D...straße 68a und 70 in B. zum Kaufpreis von 144.700 DM und 147.190 DM. Bei dem Anwesen handelte es sich ursprünglich um ein Mehrfamilienhaus, das 1935/1936 errichtet und ungefähr im Jahr 1960 renoviert worden war. Zum Zweck der Veräußerung war das Hausgrundstück später in einzelne Wohneinheiten aufgeteilt worden. In der Wohneinheit D...straße 68a, die eine Wohnfläche von ca. 110 m2 hat, leben der Beklagte und die Kinder Andrea Beate und Christian F. In der Wohneinheit D...straße 70 befinden sich zwei Wohnungen mit einer Wohnfläche von jeweils ca. 63 m2 und ein Dachgeschossappartement. Eine der beiden Wohnungen bewohnt die ehemalige Lebensgefährtin des Beklagten; das Dachgeschossappartement wird von deren volljährigem Sohn genutzt. Weder Christine F., die den Angaben des Beklagten zufolge eine Witwenrente von ca. 1.000 DM monatlich bezieht, noch ihr Sohn, der Auszubildender ist, leisten Mietzahlungen an den Beklagten. Die weitere Wohnung ist für monatlich 500 DM (Warmmiete) vermietet.
Der Erwerb der Immobilien wurde durch jeweils zwei Darlehen finanziert. Hierauf zahlt der Beklagte lediglich Zinsen. Zur endfälligen Darlehenstilgung wurden von ihm Kapitallebensversicherungen abgeschlossen. Die Rückkaufswerte beliefen sich - bezüglich der für die Wohneinheit D...straße 70 abgeschlossenen Lebensversicherung - auf 13.197 DM zum 1.1.1996 bzw. auf 20.251 DM zum 1.1.1999.
Mit Schreiben v. 16.11.1995 forderte die Klägerin den Beklagten "erneut" auf, Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen, um prüfen zu können, ob er finanziell zu Unterhaltsleistungen für seine Mutter in der Lage sei. Eine vorläufige Zahlungsaufforderung erfolgte u.a. mit Schreiben v. 12.11.1996.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Unterhalt für seine Mutter für die Zeit v. 1.11.1995 bis zum 21.7.1998 in Höhe der in dem genannten Zeitraum gewährten Sozialhilfeleistungen von insgesamt 28.881,11 DM zzgl. Zinsen in Anspruch genommen. Sie hat geltend gemacht, der Beklagte sei verpflichtet, die nicht selbst genutzte Immobilie zu veräußern, um für den Unterhalt der Mutter aufkommen zu können. Die beiden Wohneinheiten hätten allein unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes einen Wert von 380.135,81 DM. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, für die von Christine F. und deren Sohn genutzten Wohnungen keine Miete zu erhalten. Hilfsweise hat die Klägerin ihre Klage darauf gestützt, dass der Beklagte auf Grund seines laufenden Einkommens leistungsfähig sei.
Der Beklagte hält eine Verwertung der Immobilien für unzumutbar, da er sie sowohl für seinen eigenen Wohnbedarf als auch zur Gewährung von Unterhalt an seine ehemalige Lebensgefährtin und die gemeinsamen Kinder benötige. Um die Versorgung der Kinder sicherzustellen, sei es zudem erforderlich, dass Christine F. in räumlicher Nähe wohne, damit Christian von den Eltern abwechselnd zur Behindertenschule gebracht werden könne. Der Beklagte hat außerdem die Auffassung vertreten, im Fall der Veräußerung einer der beiden Immobilien verbleibe kein nennenswerter Überschuss; da ein erheblicher Reparaturstau bestehe, sei der Wert der Immobilien nicht gestiegen.
Das AG hat die Klage - unter Aufhebung eines antragsgemäß erlassenen Versäumnisurteils - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Versäumnisurteil aufrechterhalten, soweit der Beklagte darin verurteilt worden war, an die Klägerin 7.425 DM zzgl. Zinsen zu zahlen. Die weiter gehende Berufung ist zurückgewiesen worden. Mit der dagegen gerichteten - zugelassenen Revision - erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Versäumnisurteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das OLG hat angenommen, die Mutter des Beklagten sei in Höhe der geleisteten Sozialhilfe unterhaltsbedürftig gewesen, weil sie insoweit die Kosten ihrer allgemeinen Lebenshaltung aus ihrem Einkommen nicht habe aufbringen können. Dass weiteres Vermögen der Mutter zur Verfügung gestanden habe, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das OLG hat den Beklagten mit Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse allerdings nur in eingeschränktem Umfang für leistungsfähig gehalten. Eine Obliegenheit zur Verwertung des Vermögens hat es verneint. Insofern hat es zur Begründung ausgeführt: Eine Verwertung des Hauses D...straße 70 sei unwirtschaftlich, weil der Beklagte bei wirtschaftlich sinnvoller Vermietung innerhalb von nur etwa vier Jahren den Gewinn erwirtschaften könne, den er auch mit einer Veräußerung erzielen könnte. Die für diesen Komplex erzielbaren Mieteinnahmen beliefen sich auf ca. 1.350 DM monatlich, nämlich jeweils 500 DM für die vermietete und die von Christine F. genutzte Wohnung und 350 DM für das Dachgeschossappartement. Da für diese Immobilie nur Kosten von monatlich 506,29 DM (Zinsen: Zunächst 459 DM, Grundsteuer und Wohngebäudeversicherung: 47,29 DM) angefallen seien, habe der Überschuss monatlich 843,71 DM und pro Jahr rund 10.124 DM betragen. Ausgehend von der Überlegung der Klägerin, den Wert der Immobilie durch Hochrechnung des Kaufpreises mittels des Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte zu ermitteln, ergebe sich - unter Berücksichtigung eines 10 %-igen Abschlags wegen der Vermietung einer Wohnung und unter Einbeziehung des Rückkaufswerts der Lebensversicherung - ein aus einer Veräußerung zu erwartender Überschuss von rund 39.500 DM. Selbst wenn mit dem weiteren Vortrag der Klägerin davon ausgegangen werde, dass die Wohneinheit D...straße 70 im Jahr 1998 einen Wert von 200.000 DM gehabt habe, errechne sich nach Vornahme eines Abschlags wegen der Vermietung und unter Einbeziehung des Rückkaufswerts der Lebensversicherung nur ein zu erwartender Überschuss von 47.746 DM. Auch in diesem Fall sei eine Verwertung wirtschaftlich nicht sinnvoll, denn ein entsprechender Gewinn könne schon innerhalb von etwa fünf Jahren durch eine Vermietung erzielt werden. Abgesehen davon könne ein Verkauf der nicht selbst genutzten Wohneinheit von dem Beklagten aber auch deshalb nicht verlangt werden, weil er auf die hieraus erzielbaren Mieteinnahmen auf Dauer angewiesen sei, um seine Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt sicherzustellen. Sein insofern maßgebliches unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen belaufe sich ohne die erzielbaren Mieteinnahmen auf monatlich 2.679,97 DM (monatliches Nettoeinkommen: 3.189 DM ./. berufsbedingte Fahrtkosten: 431,20 DM + auf den Beklagten - ohne die Kinder - entfallenden Wohnvorteil: 700 DM ./. Zinsen für die Wohneinheit Nr. 68a: 737,50 DM ./. Grundsteuer und Wohngebäudeversicherung: 40,33 DM). Nach Abzug des geleisteten Kindesunterhalts von 800 DM und des behinderungsbedingten Mehrbedarfs des Sohnes von 192,50 DM (anteilige Fahrtkosten zur Behindertenschule) verblieben dem Beklagten unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von 1.500 DM monatlich nur 187,47 DM. Bereits die Anhebung des Selbstbehalts auf 1.640 DM zum 1.7.2001 werde ihn ohne die möglichen Mieteinnahmen an den Rand seiner Leistungsfähigkeit ggü. den - im Verhältnis zu seiner Mutter vorrangig unterhaltsberechtigten - Kindern bringen. Hinsichtlich des Sohnes sei auf Grund der vorliegenden geistigen Behinderung auch nicht damit zu rechnen, dass er sich in absehbarer Zeit selbst werde versorgen können.
Diese Beurteilung ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. a) Die aus § 1601 BGB folgende Unterhaltspflicht des Beklagten ggü. seiner Mutter steht dem Grunde nach nicht im Streit. Die Höhe des den Unterhaltsanspruch u.a. bestimmenden Bedarfs der Mutter hat das OLG im Umfang der von der Klägerin gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt angenommen. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wird von der Revision als ihr günstig auch nicht angegriffen (vgl. zum Unterhaltsbedarf eines noch einen eigenen Haushalt führenden Elternteils ggü. seinem unterhaltspflichtigen Kind BGH, Urt. v. 19.2.2003 - XII ZR 67/00, MDR 2003, 875 = BGHReport 2003, 735 = FamRZ 2003, 860 [861]).
b) Bezüglich der Leistungsfähigkeit des Beklagten steht die Revision auf dem Standpunkt, dass es ihm obliege, die Immobilie D...straße 70 zu verwerten, da er aus seinem laufenden Einkommen den Unterhaltsbedarf der Mutter nicht abdecken könne. Das Berufungsgericht habe die Anforderungen, unter denen eine Verwertung des Vermögensstammes zu erwarten sei, verkannt. Eine Verwertung scheide erst dann aus, wenn sie grob unbillig sei. Davon könne nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.
Damit vermag die Revision nicht durchzudringen.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einzusetzen. Eine allgemeine Billigkeitsgrenze, wie sie insoweit etwa für den Unterhalt geschiedener Ehegatten gilt, sieht das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts nicht vor. Deshalb ist allein auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewährleisten. Außerstande zur Unterhaltsgewährung ist jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfügt (BGH, Urt. v. 23.10.1985 - IVb ZR 52/84, MDR 1986, 215 = FamRZ 1986, 58 [50]; v. 2.11.1988 - IVb ZR 7/88, MDR 1989, 240 = FamRZ 1989, 170 [171]; v. 5.11.1997 - XII ZR 20/96, MDR 1998, 225 = FamRZ 1998, 367 [369]; v. 7.11.1979 - IV ZR 96/78, BGHZ 75, 272 [278] = MDR 1980, 210).
Einschränkungen der Obliegenheit zum Einsatz auch des Vermögensstammes ergeben sich allein daraus, dass nach dem Gesetz auch die sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden braucht. Daraus folgt, dass eine Verwertung des Vermögensstammes nicht verlangt werden kann, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung weiterer Unterhaltsansprüche oder anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts benötigt. Allgemein braucht der Unterhaltsschuldner den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, wenn dies für ihn mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre; denn auch das wäre mit der nach dem Gesetz gebotenen Berücksichtigung der ansonsten zu erfüllenden Verbindlichkeiten nicht zu vereinbaren und müsste letztlich den eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf des Verpflichteten in Mitleidenschaft ziehen (BGH, Urt. v. 23.10.1985 - IVb ZR 52/84, MDR 1986, 215 = FamRZ 1986, 58 [50] m.N.).
Diese für Fallgestaltungen aus dem Bereich des Deszendentenunterhalts entwickelten Grundsätze müssen jedenfalls auch dann herangezogen werden, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Elternunterhalt zu beurteilen ist. Denn in dem rechtlich schwächer ausgestalteten Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen unterhaltsberechtigten Eltern und ihren unterhaltspflichtigen Kindern können keine strengeren Maßstäbe gelten. Ob mit Rücksicht hierauf eine großzügigere Beurteilung geboten ist (vgl. hierzu Büttner, NDV 1999, 292; Günther, Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht, § 12 Rz. 55 f.; Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 614), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten sei eine Veräußerung der von der Klägerin insofern allein in Betracht gezogenen Immobilie D...straße 70 nicht zuzumuten, ist bereits unter Heranziehung der vorgenannten Grundsätze gerechtfertigt.
(1) Dabei kann dahinstehen, ob der Beurteilung, eine Veräußerung sei unwirtschaftlich, weil der hieraus zu erwartende Überschuss bereits innerhalb von vier oder allenfalls fünf Jahren auch durch eine Vermietung erwirtschaftet werden könne, zu folgen ist. Zwar mag grundsätzlich davon auszugehen sein, dass Vermögen, das angemessene Erträge abwirft, nicht zu verwerten ist (vgl. Schibel, NJW 1998, 3449 [3452]). Der vom Berufungsgericht angesetzte Überschuss aus einer dem Beklagten angesonnenen Vermietung ist indessen nicht widerspruchsfrei ermittelt worden, sodass der daraus gezogenen Schlussfolgerung schon deshalb nicht beigetreten werden kann. Das Berufungsgericht hat in seine Berechnung u.a. eine monatliche Zinsbelastung von 459 DM eingestellt, obwohl der Beklagte ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils geltend gemacht hatte, die für diese Immobilie anfallenden Kosten beliefen sich auf monatlich insgesamt 968 DM, wovon auf die für die Lebensversicherung zu zahlende Prämie monatlich 189 DM und auf Grundsteuer und Wohngebäudeversicherung monatlich 47,29 DM entfielen. Danach wären weitere Zinsen angefallen, ohne dass das Berufungsgericht Feststellungen hierzu getroffen hat. Wird die behauptete zusätzliche Zinsbelastung von zunächst 391 DM und ab Mai 1997 von 382,37 DM - jeweils monatlich - zusätzlich berücksichtigt, verbleibt aber nur ein Überschuss von monatlich 452,71 DM bzw. von 461,34 DM. Dabei ist die Zahlung der Lebensversicherungsprämie noch nicht einmal berücksichtigt. Unter diesen Umständen entbehrt die angestellte Überlegung jedoch einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.
(2) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, eine Verwertung der Immobilie könne nicht verlangt werden, weil der Beklagte auf die hieraus erzielbaren Mieteinnahmen angewiesen sei, um seine Leistungsfähigkeit zur Zahlung von - dem Elternunterhalt im Rang vorgehendem - Kindesunterhalt dauerhaft sicherzustellen, begegnet allerdings keinen Bedenken zum Nachteil der Klägerin. Die Berechnung des Berufungsgerichts, nach der dem Beklagten nach Abzug des an seine ehemalige Lebensgefährtin gezahlten Kindesunterhalts von monatlich 800 DM zzgl. des behinderungsbedingten Mehrbedarfs des Sohnes sowie seines eigenen Selbstbehalts von 1.500 DM monatlich etwa 187 DM verbleiben, lässt zwar außer Acht, dass der Beklagte durch die Gewährung von Wohnraum für die in seiner Wohnung lebenden Kinder weiter gehende Unterhaltsleistungen erbringt. Deshalb ist es gerechtfertigt, anstelle des vom Berufungsgericht angesetzten Wohnwertes von 700 DM den für die Wohnung insgesamt festgestellten Wohnwert von 1.000 DM als Einkommen zu berücksichtigen. Andererseits sind die (diesen Betrag übersteigenden) Gesamtbelastungen, nämlich neben den zu entrichtenden Darlehenszinsen und der Grundsteuer sowie der Wohngebäudeversicherung auch die Prämienzahlung auf die zur Tilgung abgeschlossenen Lebensversicherungen, jedenfalls bis zur Höhe des Wohnwertes in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2003 - XII ZR 289/01, MDR 2003, 749 = BGHReport 2003, 492 = FamRZ 2003, 445 [446 f.]). Von dem sich dann ergebenden Einkommen von 2.757,80 DM (3.189 DM ./. Fahrtkosten: 431,20 DM + Wohnwert: 1.000 DM ./. Belastungen: 1.000 DM) sind die Unterhaltsleistungen für die Kinder von insgesamt 1.292,50 DM (800 DM + anteiliger Wohnwert: 300 DM + behinderungsbedingter Mehrbedarf in Form von Fahrtkosten: 192,50 DM) abzuziehen, so dass dem Beklagten nur monatlich 1.465,30 DM verbleiben. Daraus wird ersichtlich, dass er auf zusätzliche Einkünfte aus einer Vermietung des Anwesens D...straße 70 angewiesen ist, um die gem. § 1609 Abs. 1 BGB vorrangigen Ansprüche seiner Kinder erfüllen zu können. Die Notwendigkeit, über zusätzliche Mittel verfügen zu können, wird im Übrigen noch deutlicher, wenn der zum 1.7.2001 auf monatlich 1.640 DM gestiegene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen in die Beurteilung einbezogen wird (vgl. Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.7.2001). Unter Berücksichtigung der bestehenden Unterhaltsverpflichtung des Beklagten ggü. seinen Kindern kann von ihm deshalb eine Verwertung des Vermögensstammes nicht verlangt werden. Denn es zeichnet sich, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, auch nicht ab, dass der Beklagte hinsichtlich dieser Unterhaltspflicht - aus der Sicht des hier maßgeblichen Zeitraums der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt - in absehbarer Zeit eine Entlastung erfahren wird. Der behinderte Sohn wird voraussichtlich langfristig unterhaltsberechtigt sein. Die Mutter des Kindes wird jedenfalls aufgrund ihrer Renteneinkünfte von monatlich rund 1.000 DM nicht in der Lage sein, zum Barunterhalt beizutragen.
Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, dass hinsichtlich des zu leistenden Kindesunterhalts zu hohe Beträge berücksichtigt worden wären. Bei einem um die berufsbedingten Aufwendungen bereinigten Einkommen des Beklagten von ca. 2.757 DM wäre nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.7.1998) bereits ab November 1998 sogar monatlicher Kindesunterhalt von jeweils 608 DM (Gruppe 4 nach Höherstufung um eine Einkommensgruppe, gemäß Anm. 1, 3. Altersstufe für beide Kinder) zu zahlen. Mit Rücksicht darauf bedarf es keiner Entscheidung, ob auch die den behinderten Sohn betreuende Christine F., die der Beklagte durch die mietfreie Wohnungsgewährung tatsächlich unterstützt, ihm ggü. gem. § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB unterhaltsberechtigt ist (vgl. BVerfG v. 13.2.2003 - 1 BvR 1597/99, FamRZ 2003, 662 [663 f.] zur Anwendbarkeit der Bestimmung i.d.F. des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes v. 21.8.1995; BGBl. S. 1050 - auf Fälle, in denen die nach dem früheren Recht vorgesehene Einjahresfrist abgelaufen war; BGH, Urt. v. 17.12.1997 - XII ZR 38/96, MDR 1998, 287 = FamRZ 1997, 426 [427]).
3. a) Zu der für gegeben erachteten eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten hat das Berufungsgericht ausgeführt: Dem Beklagten seien neben seinem Erwerbseinkommen und der tatsächlich bezogenen Miete von 500 DM fiktive Mieteinnahmen aus einer Vermietung der beiden weiteren Wohnungen von insgesamt 850 DM zuzurechnen. Die Mutter des Beklagten brauche es nicht hinzunehmen, dass er seiner ehemaligen Lebensgefährtin und deren Sohn kostenlos Wohnung gewähre, obwohl er beiden ggü. nicht unterhaltspflichtig sei. Für den Beklagten selbst sei wiederum ein Wohnwert von 700 DM zu veranschlagen. Abzusetzen seien neben den berufsbedingten Fahrtkosten des Beklagten die für die beiden Immobilien zu zahlenden Darlehenszinsen von 737,50 DM und 440 DM sowie die anfallende Grundsteuer und Versicherung. Nach Abzug der Unterhaltsleistungen für die beiden Kinder von insgesamt 992,50 DM (einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs) verbleibe ein Einkommen von 2.550,17 DM. Unter Berücksichtigung des dem Beklagten im Verhältnis zu seiner Mutter zuzubilligenden Selbstbehalts von 2.250 DM stünden für deren Unterhalt an sich rund 300 DM monatlich zur Verfügung. Von diesem Betrag habe der Beklagte aber nur 75 %, mithin monatlich 225 DM, einzusetzen und damit insgesamt 7.425 DM (33 Monate x 225 DM) aufzubringen. Zwar werde wegen der besonderen Situation der Unterhaltspflichtigen bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt grundsätzlich davon ausgegangen, dass lediglich 50 % des freien Einkommens für den Elternunterhalt eingesetzt werden müssten. Im vorliegenden Fall erscheine es indessen im Hinblick auf den relativ geringen monatlich aufzubringenden Betrag und den Umstand, dass die Inanspruchnahme einen abgeschlossenen, nicht übermäßig langen Zeitraum betreffe, geboten, den Beklagten in einem etwas weiter gehenden Umfang für unterhaltspflichtig zu halten.
b) Die Revision greift die Erwägungen und Berechnungen, die zu einem für den Elternunterhalt verbleibenden Einkommen von monatlich 300 DM führen, nicht an. Sie vertritt jedoch die Auffassung, von dem Beklagten sei zu verlangen, dass er den Betrag von 300 DM in voller Höhe für den Unterhalt seiner Mutter einsetze. Damit vermag sie nicht durchzudringen. Die Unterhaltsbemessung ist nicht zum Nachteil der Klägerin zu beanstanden.
aa) Wie der Senat inzwischen entschieden hat, kann der dem Unterhaltspflichtigen gem. § 1603 Abs. 1 BGB gewährleistete angemessene Eigenbedarf nicht losgelöst von der im Einzelfall vorliegenden Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang des Verpflichteten entspricht, bestimmt und deshalb nicht durchgehend mit einem festen Betrag angesetzt werden. Vielmehr ist er auf Grund der konkreten Umstände und unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse, die bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt als einem rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteten Anspruch vorliegen, zu ermitteln. Ob und unter welchen Voraussetzungen die in den meisten Tabellen und Leitlinien als Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen angegebenen Mindestbeträge zu erhöhen sind, unterliegt letztlich der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters. Der Senat hat es grundsätzlich gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen - etwa hälftigen - Anteil des Betrages abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt (BGH, Urt. v. 19.3.2003 - XII ZR 123/00, MDR 2003, 1183 = BGHReport 2003, 954 = FamRZ 2003, 1179 [1182]). Dass das OLG diesen Weg der Bedarfsbestimmung gewählt hat und dabei unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles sogar zu einem einsetzbaren Anteil von 75 % des verbleibenden Einkommens gelangt ist, kann deshalb nicht als zum Nachteil der Klägerin rechtsfehlerhaft angesehen werden.
bb) Bei der vom Berufungsgericht angestellten Berechnung ist im Übrigen unberücksichtigt geblieben, dass der Beklagte seinem Vorbringen zufolge weitere Darlehenszinsen für das Anwesen D...straße 70 aufzubringen hat. Darüber hinaus sind hinsichtlich der Aufwendungen für den von dem Beklagten selbst genutzten Komplex D...straße 68a die in Form der Zahlung von Lebensversicherungsprämien zu erbringenden Tilgungsleistungen außer Ansatz geblieben. Wie der Senat inzwischen ebenfalls entschieden hat, wird der Wohnvorteil eines Familienheims aber nicht nur durch die Aufwendungen, die für die allgemeinen Grundstückskosten und -lasten, Darlehenszinsen und sonstige verbrauchsunabhängige Kosten entstehen, gemindert. Vielmehr sind auch zu erbringende Tilgungsleistungen als abzugsfähig anzuerkennen, wenn und soweit sich die Verbindlichkeiten und die hieraus resultierenden Annuitäten in einer im Verhältnis zu den vorhandenen Einkünften angemessenen Höhe halten und bereits zu einer Zeit eingegangen wurden, als der Unterhaltspflichtige noch nicht damit zu rechnen brauchte, für den Unterhalt eines Elternteils aufkommen zu müssen (BGH, Urt. v. 19.3.2003 - XII ZR 123/00, MDR 2003, 1183 = BGHReport 2003, 954 = FamRZ 2003, 1179 [1181 f.]). Das ist hier der Fall, da der Beklagte die Immobilie bereits 1987, mithin rund 10 Jahre vor der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt, erworben hat und die Gesamtbelastungen von monatlich rund 1.100 DM gemessen an seinem Einkommen nicht unverhältnismäßig erscheinen. Bereits nach dem deshalb gebotenen Abzug der Lebensversicherungsprämien von insgesamt ca. 327 DM verbleibt indessen kein für den Elternunterhalt einsetzbares Einkommen mehr. Eine Mehrforderung der Klägerin kommt somit auch aus diesem Grund nicht in Betracht. Das gilt auch für die Zeit vor dem 1.1.1996, selbst wenn der angemessene Selbstbehalt des Beklagten insoweit noch nicht mit 2.250 DM, sondern nur mit 2.000 DM (1.600 DM + 25 %; vgl. hierzu Senatsurteil v. 17.12.2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 373) angesetzt würde. Denn unter Berücksichtigung dieses Selbstbehalts verblieben ihm ca. 223 DM (2.550,17 DM ./. 327 DM ./. 2.000 DM). Monatliche Unterhaltszahlungen von 225 DM sind auf Grund des insoweit rechtskräftigen Berufungsurteils aber bereits zu erbringen.
4. Auf die Frage, ob das Schreiben der Klägerin v. 16.11.1995 nach § 91 Abs. 3 BSHG i.d.F. v. 23.6.1993 (BGBl., 944) die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Beklagten für die Zeit ab 1.11.1995 eröffnet, kommt es danach nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 1170162 |
NJW 2004, 2306 |
BGHR 2004, 1224 |
FamRZ 2004, 1184 |
FuR 2004, 510 |
ZAP 2004, 975 |
FPR 2004, 522 |
MDR 2004, 1000 |
ZfF 2004, 253 |
FamRB 2004, 317 |
ZFE 2004, 280 |
FK 2005, 1 |
JWO-FamR 2004, 227 |