Leitsatz (amtlich)
a) Macht die durch den Ausbau einer Bundeswasserstraße notwendig gewordene Verlegung einer Straßenbrücke auch die Änderung einer an dieser Brücke angebrachten Trinkwasserleitung erforderlich, so kann das diese Leitung betreibende Versorgungsunternehmen von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes nicht die Übernahme der durch die Umverlegung der Trinkwasserleitung entstandenen Kosten verlangen. Dies ist auch dann nicht anders, wenn sich der Träger der Straßenbaulast in einem mit dem Versorgungsunternehmen abgeschlossenen Gestattungsvertrag seinerseits dazu verpflichtet hat, diese Kosten zu tragen.
b) Gründet das Recht eines Versorgungsunternehmens, öffentliche Straßenflächen für Versorgungsleitungen in Anspruch zu nehmen, allein auf einer straßenrechtlichen Sondernutzungsgenehmigung nach dem Recht der DDR, so hat das Versorgungsunternehmen die straßenbaubedingten Leitungsverlegungskosten auch dann zu tragen, wenn die Änderung der Straße mit Rücksicht auf das Verkehrsvorhaben eines anderen Planungsträgers (sog. Drittveranlassung) erfolgt (Fortführung von BGHZ 144, 29).
Normenkette
WaStrG § 41 Abs. 1, 6; FStrG § 8; DDR: StraßenVO § 13 F: 22. August 1974
Verfahrensgang
LG Magdeburg |
OLG Naumburg |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im Zuge des nach der Wiedervereinigung geplanten Ausbaus des Mittellandkanals mußte die im Gebiet der Gemeinde B. gelegene Straßenbrücke Nr. 468 entfernt und um 7 m versetzt neu errichtet werden. Dies machte wiederum die Verlegung einer an der Straßenbrücke befestigten Trinkwasserleitung notwendig, die inzwischen von dem beklagten Trinkwasserversorgungsunternehmen betrieben wurde.
Durch Bescheid des Wasserstraßenamts M. vom 11. August 1986 war dem Rat der Gemeinde B. gemäß § 17 des Wassergesetzes – WasserG – vom 2. Juli 1982 (DDR-GBl. I S. 467) die wasserrechtliche Zustimmung erteilt worden, an der den Mittellandkanal kreuzenden Straßenbrücke B. eine Trinkwasserleitung zu befestigen. Die Zustimmung konnte nach Nummer 8 der Nebenbestimmungen zu dem Bescheid vom Wasserstraßenamt geändert oder aufgehoben werden; in diesem Falle war die Anlage vom Betreiber oder Benutzer zu beseitigen und die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustands herbeizuführen. Mit Bescheid vom 4. Mai 1995 widerrief das Wasser- und Schiffahrtsamt U. gegenüber der Beklagten die wasserrechtliche Zustimmung und gab der Beklagten zugleich auf, die Anlage an der Brücke Nr. 468 bis spätestens 31. Januar 1996 zu beseitigen. Gleichzeitig wurde der Beklagten mitgeteilt, daß ihr ein Anspruch auf Entschädigung nicht zustehe. Mit weiterem Schreiben, ebenfalls vom 4. Mai 1995, teilte das Wasser- und Schiffahrtsamt der Beklagten mit, daß die als Leihverhältnis zu qualifizierende „unentgeltliche Gestattung für die Benutzung der Brücke” zum 31. Januar 1996 gekündigt werde.
Die von der Beklagten gegen den Widerruf der wasserrechtlichen Zustimmung eingelegten Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Die Anfechtungsklage der Beklagten wurde, soweit nicht die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten (betreffend die im Ausgangsbescheid enthaltene Aussage, wonach der Beklagten ein Anspruch auf Entschädigung nicht zustehe), durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Verwaltungsgerichts M. vom 12. August 1997 abgewiesen.
Am 16. Dezember 1996/12. Februar 1997 schlossen die klagende Bundesrepublik und die Beklagte einen „Vorfinanzierungsvertrag”. Darin verpflichtete sich die Beklagte, die Leitungsänderung durchzuführen, während sich die Klägerin dazu verpflichtete, die entstandenen Kosten einstweilen vorzulegen. Die Klärung der Kostentragungspflicht sollte auf dem Rechtsweg erfolgen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung des von ihr entsprechend dem Vorfinanzierungsvertrag aufgewendeten Betrags von 240.000 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte kann von der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Übernahme der durch die Umverlegung der Trinkwasserleitung entstandenen Kosten verlangen.
1. Durch die Befestigung der Trinkwasserleitung an der den Mittellandkanal kreuzenden Straßenbrücke wurde zunächst und vor allem öffentlicher Straßenraum in Anspruch genommen. Dabei ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellen, daß die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverordnung vom 22. August 1974 (DDR-GBl. I S. 515) zur Erlangung eines Straßennutzungsrechts erforderliche Zustimmung erteilt worden und aufgrund dessen ein – wie auch immer näher zu qualifizierendes – Nutzungsverhältnis zwischen dem Leitungsinhaber und (ursprünglich) dem Rechtsträger oder Eigentümer der öffentlichen Straße sowie (später) der Straßenbaubehörde bzw. dem Träger der Straßenbaulast (vgl. § 8 FStrG sowie §§ 18, 23, 51 Abs. 8 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – StrG LSA – vom 6. Juli 1993, GVBl. LSA S. 334) zustande gekommen war.
Dieses straßenrechtliche Sondernutzungs- oder Mitbenutzungsrecht der Beklagten konnte, wie der Revision zuzugeben ist, der Widerruf der dem Rechtsvorgänger der Beklagten nach § 17 Abs. 2 WasserG-DDR erteilten wasserrechtlichen Zustimmung nicht in Wegfall bringen; auch ging insoweit die vom Wasser- und Schiffahrtsamt erklärte Kündigung eines Leihverhältnisses ins Leere, weil es allein in der Macht des Trägers der Straßenbaulast gestanden hätte, das Recht zur Straßennutzung zu beenden.
2. Bezogen auf ein zwischen der Beklagten und dem Träger der Straßenbaulast bestehendes Nutzungsverhältnis handelt es sich bei den im Zusammenhang mit der Verlegung der Wasserleitung entstandenen Kosten um drittveranlaßte Folgekosten. Von einer Drittveranlassung wird dann gesprochen, wenn Veränderungen an der von einer Versorgungsleitung benutzten Straße durch Maßnahmen Dritter – hier: Ausbau des Mittellandkanals durch die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes – ausgelöst werden.
Der Umstand, daß die Verlegung der Leitung auf in der Sphäre der Klägerin liegende Gründe zurückzuführen ist, ist für die Frage der Pflicht zur Tragung der Folgekosten ohne besondere Aussagekraft. Das Veranlassungsprinzip ist als allgemeine Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung nicht anerkannt. Es gilt nur, soweit es in der jeweiligen gesetzlichen Regelung konkret zum Ausdruck gebracht ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 123, 166, 168; 125, 293, 296 f; 138, 266, 270).
Eine Folgekostennorm, der das Veranlassungsprinzip zugrunde liegt, ist § 41 Abs. 1 WaStrG, der nach dem Einigungsvertrag auf alle nach dem 3. Oktober 1990 begonnenen Aus- oder Neubaumaßnahmen von im Beitrittsgebiet gelegenen Bundeswasserstraßen anwendbar ist. Entgegen der Auffassung der Revision kann jedoch die Beklagte aus dieser Bestimmung nichts für sie Günstiges herleiten.
§§ 40, 41 WaStrG enthalten Regelungen für den Fall, daß eine auszubauende oder neu zu bauende Bundeswasserstraße andere Verkehrswege, zu denen insbesondere auch öffentliche Straßen, Wege und Plätze gehören (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 WaStrG), überschneidet. Dabei bestimmt § 40 Abs. 1 WaStrG, daß der andere Beteiligte den für die Kreuzungsanlage benötigten Grund und Boden oder sonstigen Raum zur Verfügung zu stellen hat (Friesecke, WaStrG, 4. Aufl., § 40 Rn. 10), während nach § 41 Abs. 1 WaStrG der Bund die Kosten der Herstellung der neuen oder der Veränderung der bestehenden Kreuzungsanlage zu tragen hat, soweit sie zur Erhaltung des bestehenden Zustands des kreuzenden Verkehrswegs erforderlich sind (vgl. Friesecke aaO § 41 Rn. 2 und 7). Dabei liegt die Änderung einer bestehenden Kreuzung auch dann vor, wenn dies technisch dadurch erfolgt, daß – wie hier – die vorhandene Kreuzungsanlage (Brücke) völlig beseitigt und durch eine neue Anlage ersetzt wird (Friesecke aaO § 41 Rn. 7 m.Nachw.).
Indes war und ist die hier in Rede stehende Wasserleitung nicht Teil des Verkehrswegs. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revision ohne Belang, ob die Wasserleitung mit dem Brückenbauwerk fest verbunden war und damit in den Kategorien des DDR-Zivilrechts als wesentlicher Bestandteil hätte angesehen werden müssen (vgl. §§ 295 Abs. 1, 467 Abs. 2 und 3 ZGB). Der Begriff der öffentlichen Straße wurde im Straßenrecht der DDR, nicht anders als dies im Straßenrecht der Bundesrepublik geregelt ist, eigens definiert (vgl. Bönninger/Knobloch, Das Recht der öffentlichen Straße, 1978, S. 31 ff). Danach ist eine im Straßenkörper verlegte Versorgungsleitung kein Teil der öffentlichen Straße; sie ist insbesondere auch nicht Nebenanlage im Sinne des Straßenrechts (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 FStrG; § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrG LSA; § 6 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Straßenverordnung vom 22. August 1974, DDR-GBl. I S. 522), da sie in keinem Zusammenhang zu den Aufgaben der Straßenbauverwaltung steht (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2000 – III ZR 313/98 – WM 2000, 725, 728); sie fällt daher für sich genommen auch nicht unter den Kreuzungsanlagenbegriff des Wasserstraßengesetzes (Friesecke aaO § 40 Rn. 2 u. 6). Des weiteren zählt die Beklagte nicht zu den Kreuzungsbeteiligten, deren Rechtsbeziehungen durch die §§ 40 ff WaStrG näher ausgestaltet werden. Zu diesen gehören, wie sich § 41 Abs. 1 und 2 WaStrG entnehmen läßt und auch in anderen vergleichbaren „Kreuzungsnormen” so bestimmt ist (vgl. § 1 Abs. 6 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes – EKrG; §§ 12 ff FStrG), nur die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes und die Träger der anderen Verkehrswege, nicht aber Versorgungsunternehmen, deren Leitungen sich in oder auf dem Verkehrsweg befinden (Friesecke aaO § 40 Rn. 4; zu § 1 Abs. 6 EKrG Senatsurteil BGHZ 123, 256, 263 f; Marschall/Schweinsberg, EKrG, 5. Aufl., § 1 Rn. 7.1 S. 70).
Zwar folgt daraus, daß weder die Wasserleitung Teil des Verkehrswegs noch die Beklagte als Betreiberin oder Eigentümerin dieser Leitung Kreuzungsbeteiligter ist, noch nicht zwangsläufig, daß die Kosten der durch den Ausbau des Mittellandkanals notwendig gewordenen Leitungsverlegung „kreuzungsrechtlich” ohne Belang wären. Insoweit ist zu beachten, daß nach § 41 Abs. 6 Satz 1 WaStrG zu den nach Maßgabe der Absätze 1 bis 5 zu verteilenden Kosten (Kostenmasse) der Kreuzungsanlage nicht nur die bei der eigentlichen Herstellung und Änderung des Kreuzungsbauwerks anfallenden, sondern auch die mit der Änderung oder Beseitigung des öffentlichen Verkehrswegs ursächlich verbundenen (weiteren) Kosten gehören (Friesecke aaO § 41 Rn. 29). Daher könnte der betreffende Träger der Straßenbaulast die Kosten der Leitungsverlegung vom Bund erstattet verlangen, wenn und soweit er diese Kosten selbst aufbringen müßte, sei es, weil er selbst Eigentümer der betroffenen Leitungen ist, sei es, weil er aufgrund bestehender Gestattungsverträge Versorgungsunternehmen gegenüber – wie die Beklagte geltend gemacht hat – zur Kostenübernahme verpflichtet ist. Dies ändert aber nichts daran, daß sich die Beklagte auf die Kostenerstattungsbestimmung gegenüber der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes nicht berufen kann. § 41 Abs. 6 WaStrG bezweckt, was die Revision verkennt, allein die finanzielle Entlastung des Trägers der Straßenbaulast, nicht aber eine Entlastung Dritter, die nicht zu den Kreuzungsbeteiligten gehören, mögen sie auch zu diesen in vertraglichen Beziehungen stehen (Senatsurteil BGHZ 123, 256, 262 ff zu § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Ersten Eisenbahnkreuzungsverordnung vom 2. September 1964, BGBl. I S. 711; vgl. auch Friesecke aaO § 41 Rn. 29 f).
3. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Beklagte – unabhängig von den Wirkungen des Widerrufs der wasserrechtlichen Zustimmung – vor Abschluß des Vorfinanzierungsvertrags eine Rechtsposition innegehabt hätte, aufgrund deren die Klägerin die Verlegung der Leitung, wenn sich die Beklagte damit nicht einverstanden erklärt hätte, nur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzen können.
a) Wie ausgeführt war nach dem Recht der DDR zur Begründung des Rechts, öffentlichen Straßenraum für Versorgungsleitungen in Anspruch zu nehmen (wie hier: Wasserleitung), die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungsgenehmigung erforderlich (§ 13 Abs. 1 StraßenVO 1974). Nach der Rechtsprechung des Senats hat ein Versorgungsunternehmen, dessen Rechtsposition allein auf einer solchen Sondernutzungsgenehmigung beruht, nach dem Rechtsgedanken des § 8 Abs. 2 a, 8 und 10 FStrG die Kosten zu tragen, die dadurch entstehen, daß durch einen nach der Wiedervereinigung erfolgten Autobahnausbau eine die Fahrbahn kreuzende Versorgungsleitung verlegt werden muß (Senatsurteile BGHZ 144, 29, 45 ff: Ferngasleitung; BGHZ 138, 266, 274 ff: Trinkwasserleitung). Dies hat darüber hinaus auch dann zu gelten, wenn – wie hier – die Änderung des Verkehrswegs, der für die Zwecke des Versorgungsunternehmens in Anspruch genommen wird, durch den Ausbau eines anderen Verkehrswegs notwendig geworden ist (Drittveranlassung).
aa) Nach dem Rechtsverständnis der DDR gehörten zu den Maßnahmen der Erweiterung an bestehenden öffentlichen Straßen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 StraßenVO 1974, bei denen die Sondernutzer die erforderlichen Folgemaßnahmen an ihren Anlagen auf eigene Kosten durchzuführen hatten, auch die Anpassung der mitbenutzten Straße an die durch die Neueinrichtung oder die Änderung eines anderen Verkehrswegs geschaffenen Verhältnisse (vgl. Bönninger/Knobloch, aaO S. 54; in diesem Sinne auch Kempfer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl. [Voraufl.], Kap. 27 Rn. 99.2). Zwar wäre nach der Rechts- und Verwaltungspraxis der DDR die Folge- bzw. Folgekostenbestimmung des § 13 Abs. 3 StraßenVO 1974 bei einer derart bedeutsamen Maßnahme wie der des Ausbaus des Mittellandkanals wegen des Vorrangs der Folgeinvestitionsverordnung vom 13. Juli 1978 (DDR-GBl. I S. 247) bzw. (später) der Investitionsverordnung vom 30. November 1988 (DDR-GBl. I S. 287) nicht zum Zuge gekommen. Dies hat aber bei der rechtlichen Beurteilung deshalb außer Betracht zu bleiben, weil die Investitionsverordnung noch vor Herstellung der deutschen Einheit außer Kraft gesetzt worden war (vgl. eingehend hierzu Senatsurteil BGHZ 144, 29, 41 ff).
bb) Der Gedanke, daß derjenige, der aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbefugnis öffentliche Straßen unentgeltlich für seine Zwecke nutzen darf, eine im öffentlichen Verkehrsinteresse liegende Änderung des Verkehrswegs mit Rücksicht auf seine Anlagen nicht verhindern kann, sondern vielmehr die gebotenen (Folge-)Änderungen seiner Anlage auf eigene Kosten zu bewirken hat, liegt auch § 53 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und dessen Vorgängerbestimmung, § 3 Abs. 1 des Telegraphenwegegesetzes (TWG), zugrunde. Dabei kommt es bei der Frage, ob der Träger der Straßenbaulast eine Änderung des von der Telekommunikationslinie benutzten Verkehrswegs i.S.d. § 53 Abs. 1 3. Alt. TKG bzw. § 3 Abs. 1 TWG „beabsichtigt”, nicht auf die „eigene” Absicht des Baulastträgers an. Die Bestimmung ist auch dann einschlägig, wenn die Änderung des Verkehrswegs mit Rücksicht auf das von einem anderen Planungsträger wahrgenommene Verkehrsinteresse – hier: Ausbau einer Bundeswasserstraße – erfolgt, dem der Träger der Straßenbaulast unabhängig davon, ob er ebenfalls diese Lösung bevorzugt oder von einer Änderung ganz abgesehen hätte, so zu entsprechen hat, als hätte er die Änderung selbst veranlaßt (BVerwGE 109, 192, 199 ff).
b) Die Rechtslage hat sich zugunsten der Beklagten auch nicht dadurch verändert, daß mit Inkrafttreten des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt am 10. Juli 1993 das an der Straßenbrücke bestehende öffentlich-rechtliche Sondernutzungsrecht in eine sonstige (privatrechtliche) Nutzung im Sinne des § 23 StrG LSA übergeleitet worden ist (vgl. § 51 Abs. 8 Satz 1 StrG LSA).
Sofern – entgegen dem Gebot des § 51 Abs. 8 Satz 2 StrG LSA – zwischen dem Träger der Straßenbaulast und der Beklagten anläßlich der Verlegung der Straßenbrücke nicht ausdrücklich ein Nutzungsvertrag abgeschlossen worden sein sollte, kann dieses Nutzungsverhältnis, da die Beklagte kein Entgelt zu entrichten hat, nur als Leihe oder der Leihe ähnlich anzusehen sein.
Zwar spricht mit Blick auf Art. 19 des Einigungsvertrags einiges dafür, daß dieses Verhältnis, sofern die Zustimmung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 StraßenVO 1974 unwiderruflich erteilt worden sein sollte, nicht nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit hätte beendet werden können. Jedoch hätte der Träger der Straßenbaulast, wenn sich die Beklagte mit der Verlegung der Wasserleitung auf ihre Kosten nicht einverstanden erklärt hätte, dieses Nutzungsverhältnis jedenfalls nach § 605 Nr. 1 BGB kündigen können (vgl. Senatsurteil BGHZ 125, 293, 300 f). Denn es kann nicht angenommen werden, daß der Landesgesetzgeber dem Nutzungsbefugten durch die bloße Umgestaltung des Nutzungsrechts von einer öffentlich-rechtlichen Sondernutzung in eine privatrechtliche (unentgeltliche) Nutzungsform eine bessere Rechtsposition hinsichtlich der Folge- und Folgekostenpflicht einräumen wollte, als er sie vorher inne gehabt hatte.
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen, ob das Nutzungsrecht der Beklagten – wie von ihr vorgetragen – durch den am 1./23. November 1994 mit dem O.-Kreis abgeschlossenen Rahmenvertrag zur „Regelung der Mitbenutzerverhältnisse von Kreisstraßen in der Baulast des Landkreises” auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden ist.
Denn selbst wenn die Brücke in der Straßenbaulast des Kreises H. und später des O.-Kreises als Rechtsnachfolger des Kreises H. – so die Auffassung der Beklagten – und nicht – wie die Klägerin gemeint hat – in der der Gemeinde B. gestanden hätte, und weiterhin die Auslegung der Beklagten zutreffend wäre, wonach ihr aufgrund dieses Rahmenvertrags im Falle einer drittveranlaßten Leitungsänderung ein Anspruch auf Zahlung der vollen Verlegungskosten zusteht, so hätte sie doch keine Rechtsposition inne gehabt, die ihr zur Realisierung des Ausbauvorhabens der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes auf dem Enteignungswege hätte entzogen werden müssen. Denn auch nach Meinung der Beklagten wäre sie in jedem Falle vertraglich verpflichtet gewesen, die Leitung umzuverlegen. Wenn ihr im Gegenzuge ein vertraglicher Kostenerstattungsanspruch gegen den Träger der Straßenbaulast eingeräumt wurde, so kann und mag sie diesen Anspruch gegen ihren Vertragspartner geltend machen (vgl. auch Senatsurteil vom 3. Oktober 1985 – III ZR 103/84 – NVwZ 1986, 689, 691).
d) Steht einem Versorgungsunternehmen hinsichtlich der in oder auf öffentlichem Straßengrund befindlichen Leitungen im Falle der Änderung oder Verlegung der Straße keine enteignungsrechtlich geschützte Rechtsposition zu, so gilt hinsichtlich der Frage der Folgekostenpflicht auch dann nichts anderes, wenn infolge der Leitungsänderung im Straßengrund auch Veränderungen der Leitung außerhalb im seitlich anschließenden Gelände notwendig werden. Denn auch insoweit handelt es sich nur um eine tatsächliche Auswirkung der Verpflichtung, die Wasserleitung im Kreuzungsbereich – ohne Kostenerstattungsanspruch – den geänderten Straßenverhältnissen anzupassen. Darauf, ob das Versorgungsunternehmen hinsichtlich dieser außerhalb des Straßengrunds befindlichen Leitungsteile eine – für sich genommen – nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition inne hatte, kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht an (BGH, Urteil vom 5. November 1982 – V ZR 119/81 – NVwZ 1983, 632; Bauer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 27 Rn. 33.1).
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 613409 |
BGHZ |
BGHZ, 129 |
NJW 2001, 3057 |
BGHR 2001, 723 |
BGHR |
BauR 2001, 1706 |
NVwZ 2001, 1323 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1954 |
DÖV 2002, 83 |
NJ 2001, 487 |
VersR 2001, 1568 |
ZfBR 2001, 571 |
DVBl. 2001, 1668 |
UPR 2001, 399 |
ZfW 2002, 172 |