Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis eines Aktionärs bei Beschlussmängelklage gegen Übertragungsbeschluss
Leitsatz (amtlich)
a) Der Aktionär, der sich mit der Beschlussmängelklage gegen einen Übertragungsbeschluss wendet, ist auch dann klagebefugt, wenn die Aktien vor der Zustellung der Klage durch Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister auf den Hauptaktionär übergegangen sind.
b) Ein Übertragungsverlangen ist nur wirksam, wenn dem Hauptaktionär Aktien i.H.v. 95 vom Hundert des Grundkapitals in dem Zeitpunkt gehören, in dem das Verlangen dem Vorstand der Gesellschaft zugeht.
Normenkette
AktG § 245 Nr. 1, § 327a Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger zu 2) und 6) wird das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Köln vom 27.8.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
In der Hauptversammlung der Beklagten, die damals noch eine Aktiengesellschaft war, vom 21.12.2007 wurde beschlossen, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin, die H. Holding GmbH, zu übertragen. Dagegen haben die Kläger Klagen erhoben, die zwischen dem 17. und 21.1.2008 beim LG Köln eingegangen sind und die dem Aufsichtsrat am 28.2.2008 sowie dem Vorstand am 3.3.2008 zugestellt wurden. Auf den Antrag der Beklagten vom 11.2.2008 wurde der Übertragungsbeschluss am 27.2.2008 in das Handelsregister eingetragen.
Rz. 2
Das LG hat den Übertragungsbeschluss auf die Klagen der Kläger zu 1) bis 3), 5) und 6) für nichtig erklärt und die Klage der Klägerin zu 4) mangels Nachweis der Aktionärsstellung abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht auch die Klagen der Kläger zu 1) bis 3), 5) und 6) abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger zu 2) und 6).
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision der Kläger zu 2) und 6) hat Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Rz. 4
I. Das Berufungsgericht (OLG Köln ZIP 2010, 584) hat ausgeführt, die Klagen seien bereits bei Zustellung unbegründet gewesen, weil die Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Aktionäre der Beklagten gewesen seien. Infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister seien ihre Aktien vor der Zustellung der Klagen auf die Hauptaktionärin übergegangen.
Rz. 5
II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Kläger zu 2) und 6) haben ihre Anfechtungsbefugnis durch die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht verloren. Der Aktionär, der sich mit der Beschlussmängelklage gegen einen Übertragungsbeschluss wendet, ist auch dann klagebefugt, wenn die Aktien vor der Zustellung der Klage durch Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister auf den Hauptaktionär übergegangen sind.
Rz. 6
1. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses verliert ein Minderheitsaktionär zwar grundsätzlich seine Befugnis, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu erheben. Er muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 261 ZPO) durch Zustellung einer Beschlussmängelklage (§ 253 Abs. 1 ZPO) noch Aktionär sein (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rz. 7; Hüffer in MünchKomm/AktG, 3. Aufl., § 245 Rz. 26; K. Schmidt in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 245 Rz. 17). Die Anfechtungsklage nach § 245 Nr. 1 bis 3 AktG kann ebenso wie die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG) nur von einem Aktionär erhoben werden. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verliert ein Minderheitsaktionär seine Stellung als Aktionär, weil die Aktien auf den Hauptaktionär übergehen (§ 327e Abs. 3 Satz 1 AktG).
Rz. 7
2. Durch den Übergang der Aktien verliert der Aktionär aber nicht die Befugnis, gegen den Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen (Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 245 Rz. 28; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 10; Heidel, AktG, 3. Aufl., § 245 Rz. 6; a.A. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rz. 7; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327 f Rz. 3; MünchKomm/AktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327e Rz. 14; Goette, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 469, 474). Um den Minderheitsaktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen, ist seine Mitgliedschaft in der beklagten Aktiengesellschaft, deren Erhaltung letztlich das Ziel der Klage ist, für diese Klage als fortbestehend anzusehen.
Rz. 8
a) Eine solche Auslegung von §§ 245 Nr. 1 bis 3, 249 Abs. 1 AktG ist erforderlich, um der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung zu verschaffen (BVerfG ZIP 2010, 571 Rz. 25). Es wäre widersprüchlich, dem Minderheitsaktionär einerseits das mitgliedschaftliche Recht einzuräumen, geltend zu machen, dass die Grundlage für die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär fehlt, weil der Übertragungsbeschluss nichtig oder auf Anfechtungsklage hin für nichtig zu erklären ist (vgl. § 327 f Satz 1 AktG), und ihm andererseits entgegenzuhalten, dass der - unterstellt - nichtige Beschluss vollzogen, er aus der Gesellschaft ausgeschieden und zur Geltendmachung von Mitgliedsrechten nicht mehr befugt sei. Aus diesem Grund hat der Senat auch die Anfechtungsbefugnis des Minderheitsgesellschafters einer GmbH gegen seine Ausschließung und die Einziehung seines Geschäftsanteils durch einen Gesellschafterbeschluss bejaht, selbst wenn beides nach der Satzung sofort wirksam wird (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1977 - II ZR 11/76, NJW 1977, 2316).
Rz. 9
b) Mit dem Rechtsschutz gegen den Übertragungsbeschluss kann die Mitgliedschaft erhalten werden. Durch die Übertragung der Aktien ist das mit der Anfechtungsklage verfolgte Ziel nicht unerreichbar und der Erhalt der Mitgliedschaft nicht auf Dauer unmöglich geworden. Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit die Feststellung der Nichtigkeit (§ 241 Nr. 1 bis 4 AktG) oder die Nichtigerklärung des Übertragungsbeschlusses (§ 241 Nr. 5 AktG) zu einem automatischen Rückfall der Aktien auf die Minderheitsaktionäre und von selbst zum Wiederaufleben der mitgliedschaftlichen Rechte führen. Auch wenn mit Rücksicht auf den Schutz von Dritten im Hinblick auf die im Handelsregister verlautbarte Rechtslage ein automatischer Rückfall ausscheidet, haben die Minderheitsaktionäre bei einem Erfolg ihrer Klagen einen Anspruch auf Wiedereinräumung ihrer Mitgliedschaftsrechte und Rückübertragung der Aktien durch den Hauptaktionär (Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 372e Rz. 8; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 33; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 11; Fleischer in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 327 f Rz. 23; a.A. Goette, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 469, 483; Paschos/Johannsen-Roth, NZG 2006, 327 [331]; K. Schmidt, AG 2004, 299 [303]). Wie sich im Umkehrschluss aus §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 11 AktG ergibt, lassen Mängel des Übertragungsbeschlusses außerhalb eines Freigabeverfahrens seine Durchführung nicht unberührt und steht die Eintragung der Beseitigung ihrer u.a. in der Übertragung liegenden Wirkungen nicht entgegen (Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327e Rz. 8; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 33; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 11).
Rz. 10
c) Das Rechtsschutzinteresse für eine Anfechtungsklage ist auch nicht entfallen, wenn infolge des Formwechsels der Aktiengesellschaft die Rückübertragung der Aktien mittlerweile unmöglich geworden sein sollte. Wie sich im Umkehrschluss aus § 319 Abs. 6 Satz 10 und 11 AktG ergibt, genügt es für den Fortbestand des rechtlichen Interesses an der Anfechtung des Übertragungsbeschlusses, dass der Erfolg der Klage Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein kann. Ein Erfolg der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage bildet entsprechend §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 8 AktG (i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2004, BGBl. I, 542, jetzt § 319 Abs. 6 Satz 10 AktG) die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch jedenfalls gegen die Beklagte. Die Gesellschaft hat klagenden Minderheitsaktionären den Schaden zu ersetzen, der aus der Eintragung entstanden ist, wenn sich die Beschlussmängelklage nach einer Eintragung aufgrund eines Beschlusses im Freigabeverfahren als begründet erweist (§ 319 Abs. 6 Satz 8 AktG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2004, BGBl. I, 542). Ein solcher Anspruch besteht erst recht, wenn der Übertragungsbeschluss ohne vorangegangenes Freigabeverfahren eingetragen wurde und die Rückabwicklung der Übertragung nicht mehr möglich ist. Es kann daher offenbleiben, ob und wann bei fehlendem "Bestandsschutz" durch ein Freigabeverfahren (§ 319 Abs. 6 Satz 11 AktG) darüber hinaus auch ein Anspruch gegen den Hauptaktionär auf Wiederherstellung der Rechtsform einer Aktiengesellschaft in Betracht kommt, um die Rückübertragung der Aktien zu ermöglichen.
Rz. 11
III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO). Den Klägern zu 2) und 6) fehlt die Anfechtungsbefugnis nicht aus weiteren Gründen, wie das LG, von der Berufung unbeanstandet, festgestellt hat. Sie haben nachgewiesen, dass sie bereits vor der Bekanntmachung der Einladung zur Hauptversammlung der Beklagten am 9.11.2007 Aktionäre waren und ihre Aktien noch bis März 2008 in einem Bankdepot für sie verwahrt wurden. Ausweislich des Protokolls der Hauptversammlung hat der Kläger zu 2) für sich und den Kläger zu 6) Widerspruch gegen den Übertragungsbeschluss eingelegt. Ihre Klagen wurden innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Monat (§ 246 Abs. 1 AktG) eingereicht und "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO - ohne durch sie verursachte Verzögerungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rz. 51 - Kirch/Deutsche Bank) - dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zugestellt.
Rz. 12
IV. Der Senat kann über die von den Klägern zu 2) und 6) geltend gemachten Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe nicht abschließend entscheiden. Dazu bedarf es noch tatrichterlicher Feststellungen, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - sich mit den Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen nicht befasst hat, dem Urteil des LG nicht zu entnehmen ist, welche Anfechtungsgründe die Kläger zu 2) und 6) geltend gemacht haben und nicht sämtliche geltend gemachten Anfechtungsgründe von vorneherein unschlüssig sind.
Rz. 13
1. Zu entscheiden ist nur noch über Nichtigkeitsgründe (§§ 249 Abs. 1 Satz 1, 241 Nr. 1 bis 4 AktG) oder über die Anfechtungsgründe, die die Kläger zu 2) und 6) innerhalb der Monatsfrist für die Erhebung der Anfechtungsklage (§ 246 Abs. 1 AktG) geltend gemacht haben. Die Gründe, auf welche die Anfechtung gestützt wird, müssen in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist in den Rechtsstreit eingeführt werden. Geschieht das erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist, kommt dies einer verspäteten Klage gleich (BGH, Urt. v. 9.11.1992 - II ZR 230/91, BGHZ 120, 141 [157]; Urt. v. 24.4.2006 - II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 [211]; Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rz. 34 - Kirch/Deutsche Bank; Beschl. v. 7.12.2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rz. 3). Auf die nur von den übrigen Klägern, deren Klagen wegen des Fehlens der Anfechtungsbefugnis abgewiesen sind, geltend gemachten Anfechtungsgründe können die Kläger zu 2) und 6) ihre Klage nicht stützen. Wenn ein Kläger aus dem Verfahren ausgeschieden ist, können die nur von ihm vorgetragenen Anfechtungsgründe den verbliebenen Klägern nicht mehr zugute kommen, weil dies auf ein Nachschieben von Anfechtungsgründen hinausliefe, das gerade verhindert werden soll (BGH, Urt. v. 27.3.2009 - V ZR 196/08, NJW 2009, 2132 Rz. 22 zu § 48 WEG). Einem anfechtungsbefugten Kläger kommt der rechtzeitig vorgetragene Anfechtungsgrund seines notwendigen Streitgenossen zwar zugute, soweit die Entscheidung aus prozessrechtlichen Gründen (§ 248 Abs. 1 AktG) für alle Aktionäre nur einheitlich ausfallen kann (BGH, Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rz. 17 und 55 - Kirch/Deutsche Bank; Urt. v. 16.3.2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rz. 20 - Wertpapierdarlehen; Urt. v. 5.4.1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211 [240]). Ein gemeinsames Prozessrechtsverhältnis besteht aber nicht, wenn einzelnen Klägern die Anfechtungsbefugnis fehlt. Dann ist auch keine einheitliche Entscheidung erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2011 - II ZR 206/08, z.V.b.; Urt. v. 16.3.2009 - II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rz. 19 - Wertpapierdarlehen; Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rz. 55 - Kirch/Deutsche Bank). Die übrigen Kläger sind aus dem Verfahren ausgeschieden. Ihnen gegenüber ist das klageabweisende Berufungsurteil, in dem ihre Anfechtungsbefugnis verneint wurde, rechtskräftig geworden.
Rz. 14
2. Die Klage ist nicht unabhängig davon abweisungsreif, welche Anfechtungsgründe die Kläger zu 2) und 6) innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht haben. Die nach dem Urteil des LG vorgebrachten Beschlussmängelgründe sind nicht alle unschlüssig.
Rz. 15
a) Allerdings bestehen die vom LG angenommenen Gesetzesverstöße nicht bzw. kann die Anfechtung auf sie nicht mehr gestützt werden.
Rz. 16
aa) Entgegen der Auffassung des LG waren die nach § 327c Abs. 3 Nr. 1 bis 4 AktG auszulegenden Unterlagen nicht am Satzungssitz (§ 5 AktG) der Beklagten in Köln auszulegen, sondern es genügte die Auslage entsprechend der Angabe in der Einberufung in den Geschäftsräumen der Verwaltung in Hamburg. Die Unterlagen können auch nur in einem Geschäftsraum an dem Ort, an dem sich die Verwaltung der Gesellschaft befindet, ausgelegt werden (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 175 Rz. 5; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327c Rz. 26; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 293 f Rz. 5; MünchKomm/AktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327c Rz. 16; Fleischer in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 327c Rz. 54; Hasselbach in KölnKomm/WpÜG, 2. Aufl., § 327c AktG Rz. 68; a.A. Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327c Rz. 11; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 293 f Rz. 4). § 327c Abs. 3 AktG und ähnliche Vorschriften (§§ 52 Abs. 2 Satz 2, 175 Abs. 2 Satz 1, 179a Abs. 2 Satz 1, 293 f Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 1, 320 Abs. 4 Satz 1 AktG) machen keine Vorgaben zum Ort des Geschäftsraums, an dem die Unterlagen auszulegen sind, insb. schreiben sie nicht vor, dass Unterlagen am rechtlichen Sitz (§ 5 AktG) ausgelegt werden müssen. Dort muss die Gesellschaft auch keine Geschäftsräume unterhalten. Entscheidend ist, dass die Unterlagen an einem Ort ausliegen, der für die an einer Einsicht interessierten Aktionäre leicht zugänglich ist. Dazu eignet sich in der Regel am besten der Sitz der Hauptverwaltung.
Rz. 17
bb) Entgegen der Auffassung des LG ist es keine rechtlich unzulässige Beschränkung der Gewährleistungserklärung der C. bank AG nach § 327b Abs. 3 AktG, dass "jeder Minderheitsaktionär einen Zahlungsanspruch ... für den Fall, dass die Hauptaktionärin die von ihr festgelegte Barabfindung nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt," erwirbt und dass die C. bank AG nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, "wie der Anspruch auf Barabfindung besteht und nicht verjährt ist."
Rz. 18
Allerdings darf dem Kreditinstitut nach der Gewährleistungserklärung nicht die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) oder ein vergleichbares Leistungsverweigerungsrecht zustehen, das zunächst auf die Inanspruchnahme des Hauptaktionärs verweist (Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 11; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327b AktG Rz. 12; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 31; Fleischer in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 327b Rz. 48; Krieger, BB 2002, 53 [58]; a.A. MünchKomm/AktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327b Rz. 17; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 120 [151]; Fuhrmann/Simon, WM 2002, 1211 [1216]). Zwar ist nach dem Wortlaut von § 327b Abs. 3 AktG nur die Zahlungsverpflichtung des Hauptaktionärs unverzüglich zu erfüllen. Ein Verweis darauf, erst den Hauptaktionär in Anspruch zu nehmen, widerspricht aber dem Zweck der Vorschrift, den Minderheitsaktionären durch einen unmittelbaren Anspruch gegen ein Kreditinstitut aus einer "Bankgarantie" die Durchsetzung ihres Anspruchs gegen den Hauptaktionär zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 14/7032, 72). Darüber hinaus ist andererseits eine abstrakte Bankgarantie oder eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht erforderlich (Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 11; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327b AktG Rz. 12; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 31; Fleischer in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 327b Rz. 48; Krieger, BB 2002, 53 [58]). Die mit der Gewährleistungserklärung begründete Zahlungsverpflichtung des Kreditinstituts setzt voraus, dass ein Abfindungsanspruch besteht, und ist akzessorisch zum Barabfindungsanspruch.
Rz. 19
Dass nach der Gewährleistungserklärung jeder Minderheitsaktionär danach einen Zahlungsanspruch gegen die C. bank für den Fall erwirbt, dass die Hauptaktionärin die von ihr festgelegte Barabfindung nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt, verweist die Minderheitsaktionäre nicht darauf, den Anspruch zuerst gegen den Hauptaktionär zu verfolgen. Einen solchen Verweis auf die Inanspruchnahme des Hauptaktionärs ergeben weder der Wortlaut noch die Umstände der Erklärung, insb. nicht ein allgemeiner Erfahrungssatz. Entgegen der Auffassung des LG gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass einer Zahlung üblicherweise eine Zahlungsaufforderung vorauszugehen habe. Vielmehr sind Zahlungspflichten grundsätzlich ohne Aufforderung bei Eintritt der Fälligkeit zu erfüllen. Aber selbst wenn eine Zahlungsaufforderung gegenüber der Hauptaktionärin notwendig wäre, lässt sich daraus entgegen der Ansicht des LG nicht folgern, dass gegenüber dem Kreditinstitut der Nachweis erbracht werden muss, dass die Hauptaktionärin nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt hat. Dass der Zahlungsanspruch für den Fall erworben wird, dass die Hauptaktionärin nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt, bedeutet schon nach dem Wortlaut nicht mehr, als dass der Zahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut erst entsteht, wenn der Barabfindungsanspruch seinerseits fällig geworden ist, und noch nicht durch eine Zahlung der Hauptaktionärin erloschen sein darf. Da der Barabfindungsanspruch mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entsteht und fällig wird (Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rz. 9; Fleischer in Großkomm/AktG, 4. Aufl., § 327b Rz. 21), wird damit auch der Zahlungsanspruch gegen die Hauptaktionärin fällig. Umstände, wonach ein Angehöriger des mit der Erklärung angesprochenen Kreises der Aktionäre der Beklagten ein anderes Verständnis haben musste, sind nicht vorgetragen.
Rz. 20
Entgegen der Ansicht des LG wird die Gewährleistungserklärung auch nicht dadurch beschränkt, dass die C. bank AG aus der Garantie nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, wie der Anspruch auf Barabfindung besteht und nicht verjährt ist. Da das Zahlungsversprechen des Kreditinstituts zum Abfindungsanspruch akzessorisch ist, besteht es nur, soweit der Anspruch auf Barabfindung besteht. Die Beschränkung auf nicht verjährte Barabfindungsansprüche schränkt die Gewährleistung nicht ein, weil die Verjährung des Barabfindungsanspruchs auch das natürliche Ende der Laufzeit der Gewährleistung ist (Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 14; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327b Rz. 12).
Rz. 21
cc) Die vom LG angenommenen Informationsmängel - unzureichende Auskunft zur Auslage der Unterlagen in Hamburg und zum Zeitpunkt der Übermittlung der Einladung zur Hauptversammlung an den Bundesanzeiger - können die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses nicht mehr begründen, weil die Beklagte am 17.9.2008 einen Bestätigungsbeschluss gefasst hat. Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn ein anfechtbarer Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt und dieser Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten ist (§ 244 Satz 1 AktG).
Rz. 22
Dass die Minderheitsaktionäre den Bestätigungsbeschluss nicht anfechten konnten, weil sie nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses keine Aktionäre mehr waren, steht der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses nicht entgegen. Der Bestätigungsbeschluss muss nicht von denselben Aktionären gefasst werden, die den Ausgangsbeschluss gefasst haben, sondern ist von der Hauptversammlung der Gesellschaft in der jeweiligen Zusammensetzung zu fassen.
Rz. 23
Die Beschlussmängelklage gegen den Übertragungsbeschluss führt auch nicht dazu, dass die Minderheitsaktionäre in Bezug auf den Bestätigungsbeschluss noch als Aktionäre zu behandeln sind. Die Übertragung ist aufgrund der Eintragung des Beschlusses jedenfalls zunächst wirksam. Sie müssen hinsichtlich des Bestätigungsbeschlusses auch nicht als Aktionäre behandelt werden, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung zu verschaffen. Die Minderheitsaktionäre können aufgrund des Bestätigungsbeschlusses nur zur Anfechtung führende Verfahrensfehler des Übertragungsbeschlusses nicht mehr erfolgreich geltend machen. Inhaltliche Mängel des Übertragungsbeschlusses können durch einen Bestätigungsbeschluss nicht geheilt werden (BGH, Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 141/01, BGHZ 157, 206 [210]; Urt. v. 12.12.2005 - II ZR 253/03, ZIP 2006, 227 Rz. 18; Beschl. v. 21.7.2008 - II ZR 1/07, ZIP 2009, 913 Rz. 10). Die Möglichkeit der Heilung von Verfahrensfehlern beeinträchtigt die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unzumutbar. Die Hauptversammlungsmehrheit kann der auf die Rüge von Verfahrensmängeln gestützten Anfechtung immer, unabhängig von der Übertragung der Aktien, durch einen fehlerfreien Bestätigungsbeschluss die Grundlage entziehen (§ 244 Satz 1 AktG), soweit es sich um behebbare Mängel handelt. Weiter, als dass diese Fehler beseitigt werden, kann das Interesse des Aktionärs nicht gehen (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 194/01, BGHZ 157, 206 [211]).
Rz. 24
Der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses steht es auch nicht entgegen, wenn die Hauptaktionärin - wie von den Klägern behauptet - unzureichende Mitteilungen nach §§ 21 ff. WpHG gemacht hat, deshalb gem. § 28 Satz 1 WpHG kein Stimmrecht hatte und dies auch zum Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses noch der Fall gewesen sein sollte. Ein Hauptversammlungsbeschluss, der unter Mitwirkung eines nicht stimmberechtigten Aktionärs gefasst worden ist, ist nicht nichtig, sondern lediglich wegen Gesetzesverletzung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (BGH, Urt. v. 24.4.2006 - II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 Rz. 26).
Rz. 25
b) Jedenfalls ist mit der Behauptung der Kläger, der H. Holding GmbH hätten im Zeitpunkt des Übertragungsverlangens am 9.11.2007 nicht wie erforderlich Aktien i.H.v. 95 vom Hundert des Grundkapitals gehört, schlüssig ein Beschlussmangel vorgetragen.
Rz. 26
aa) Ein Übertragungsverlangen ist nur wirksam, wenn dem Hauptaktionär Aktien i.H.v. 95 vom Hundert des Grundkapitals in dem Zeitpunkt gehören, in dem das Verlangen dem Vorstand der Gesellschaft zugeht (OLG Düsseldorf, NZG 2004, 328 [331]; OLG Köln, Der Konzern 2004, 30, 32; OLG Düsseldorf AG 2009, 535 [536]; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327a AktG Rz. 18; Hasselbach in KölnKomm/WpÜG, 2. Aufl., § 327a AktG Rz. 58; Holzborn/Müller in Bürgers/Körber, AktG, § 327a Rz. 12; Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 327a AktG Rz. 50; Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl., § 327a Rz. 11). Es genügt nicht, wenn der erforderliche Aktienbesitz erst alsbald danach bei der Einberufung (so Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327a AktG Rz. 18) oder bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung (so MünchKomm/AktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327a Rz. 10) erreicht ist. Nach dem Wortlaut von § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG müssen dem Hauptaktionär in dem Zeitpunkt, in dem das Verlangen wirksam wird (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AktG), Aktien i.H.v. 95 vom Hundert gehören. Auch dem Zweck der Vorschrift genügt es nicht, wenn erst am Tag der Hauptversammlung der erforderliche Aktienbesitz vorliegt. Der Vorstand ist nur nach dem Übertragungsverlangen eines Aktionärs, dem die erforderliche Anzahl Aktien gehört, zur Einberufung der Hauptversammlung verpflichtet. Wenn er bereits bei einem Verlangen eines Aktionärs, der nur angibt, bis zur Hauptversammlung die erforderliche Mehrheit zu erreichen, die Hauptversammlung einberufen müsste, könnte sich das als überflüssig erweisen, wenn die erstrebte Kapitalmehrheit nicht erworben werden kann. Seiner Pflicht, vor Einberufung das Übertragungsverlangen darauf zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Übertragung auch hinsichtlich der notwendigen Kapitalmehrheit vorliegen (Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl., § 327a Rz. 19), könnte er ebenfalls nicht sachgerecht nachkommen. Zu einer Überprüfung der Kapitalmehrheit erst in der Hauptversammlung steht dort unter Umständen nicht genügend Zeit zur Verfügung. Schließlich könnte ein den gesetzlichen Anforderungen genügender Bericht des Hauptaktionärs zu den Voraussetzungen der Übertragung, zu denen die erforderliche Kapitalmehrheit gehört (§ 327c Abs. 2 Satz 1 AktG), nicht mit der Einberufung ausgelegt werden (§ 327c Abs. 3 Nr. 3 AktG), wenn noch ungewiss ist, ob die notwendige Zahl von Aktien erworben werden kann.
Rz. 27
bb) Ein im Fehlen der erforderlichen Kapitalmehrheit begründeter Mangel des Beschlusses konnte durch den am 17.9.2008 gefassten Bestätigungsbeschluss nicht geheilt werden. Dabei kann offenbleiben, ob das Fehlen der erforderlichen Kapitalmehrheit zur Nichtigkeit des Übertragungsbeschlusses nach § 241 Nr. 3 AktG (KG AG 2010, 166 [168]; OLG München NZG 2004, 781 [782]; OLG München NZG 2007, 192 [193]; Koppensteiner in KölnKomm/AktG, 3. Aufl., § 327a Rz. 13; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327 f Rz. 3; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327 f Rz. 4 m.w.N.) oder nur zur Anfechtbarkeit führt (MünchKomm/AktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327a Rz. 13), weil jedenfalls ein Inhaltsmangel vorliegt. Ein Beschluss, der an einem Inhaltsmangel leidet, kann nicht wirksam bestätigt werden. Voraussetzung für die Bestätigungswirkung nach § 244 Satz 1 AktG ist, dass der Bestätigungsbeschluss die behaupteten oder tatsächlich bestehenden Mängel des Ursprungsbeschlusses beseitigt und seinerseits nicht an Mängeln leidet (BGH, Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 194/01, BGHZ 157, 206 [210]; Urt. v. 12.12.2005 - II ZR 253/03, ZIP 2006, 227 Rz. 18; Beschl. v. 21.7.2008 - II ZR 1/07, ZIP 2009, 913 Rz. 10). Erst recht können nichtige Beschlüsse nicht bestätigt werden. Wie schon der Wortlaut von § 244 Satz 1 AktG zeigt, können nur anfechtbare Beschlüsse bestätigt werden (BGH, Urt. v. 15.12.2003 - II ZR 194/01, BGHZ 157, 206 [212]; Urt. v. 20.9.2004 - II ZR 288/02, BGHZ 160, 253 [256]).
Fundstellen
Haufe-Index 2692276 |
BGHZ 2012, 32 |
BB 2011, 1345 |
BB 2011, 1613 |
DB 2011, 1212 |
DB 2011, 6 |
DStR 2011, 1237 |