Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG begründet die Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden.
2. Beschließen die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die nach dem zuvor geltenden Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt.
Normenkette
WoEigG § 16 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 21.03.2023; Aktenzeichen 9 S 56/22) |
AG Hannover (Urteil vom 20.09.2022; Aktenzeichen 482 C 5657/21) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 21. März 2023 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Anlage gehört eine Tiefgarage, in der sich zwanzig Kfz-Doppelparkeranlagen (sog. Doppelparker) befinden; vier von diesen Doppelparkern stehen im Teileigentum des Klägers. Nach der Teilungserklärung sind grundsätzlich alle Erhaltungskosten nach den jeweiligen Miteigentumsanteilen von sämtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümern zu tragen. Aufgrund eines Defekts der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden hydraulischen Hebeanlage kann in den Doppelparkern des Klägers lediglich je ein Fahrzeug abgestellt werden. Seit dem Jahre 2018 verlangt der Kläger von der GdWE die Sanierung der Hydraulik. In einer Eigentümerversammlung im Juni 2021 fassten die Wohnungseigentümer den Beschluss, den Verteilungsschlüssel dahingehend zu ändern, dass die Kosten für etwaige Sanierungs-, Reparatur-, Unterhaltungs- und Modernisierungsarbeiten an den Doppelparkern allein deren Teileigentümer gemeinschaftlich tragen.
Rz. 2
Mit seiner Anfechtungsklage wendet sich der Kläger gegen diesen Beschluss. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, will der Kläger weiterhin erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beschluss nicht zu beanstanden. Er sei dahingehend auszulegen, dass nur die Kosten gemeint seien, die die im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile der Doppelparker beträfen. Die Beschlusskompetenz für die Änderung der Kostenverteilung ergebe sich aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Diese Vorschrift ermögliche die Beschlussfassung auch dann, wenn die Änderung zur Folge habe, dass einzelne Miteigentümer vollständig von den Kosten befreit würden. Die beschlossene Kostenverteilung entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Der beklagten GdWE stehe bei Änderungen des Umlageschlüssels ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der eingehalten werde. Ein sachlicher Grund im engeren Sinne sei für die Änderung der Kostenverteilung nicht erforderlich. Die Regelung sei nicht willkürlich, sondern entspreche dem Verursachungs- und Nutzungsprinzip. Der Beschluss verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil er nur Kosten umfasse, die zeitlich nach der Beschlussfassung anfielen.
II.
Rz. 4
Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beschluss über die Verteilung der für die Doppelparker anfallenden Kosten weder nichtig noch anfechtbar ist.
Rz. 5
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Wohnungseigentümer die Kompetenz hatten, den angefochtenen Beschluss, der nach der von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Auslegung nur die Verteilung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Kosten regelt, zu fassen.
Rz. 6
a) Auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung hat der Senat allerdings zu der nach § 16 Abs. 3 WEG aF zulässigen Änderung der Verteilung von Betriebs- und Verwaltungskosten angenommen, dass diese Vorschrift nur die Kompetenz einräume, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen anderen Verteilungsmaßstab zu beschließen. Die Bestimmung begründe hingegen nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit sei, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 225/11, NJW 2012, 2578 Rn. 13; Urteil vom 13. Mai 2016 - V ZR 152/15, ZWE 2016, 374 Rn. 15). Noch weitergehend wurde im Anschluss hieran vertreten, § 16 Abs. 3 WEG aF erfasse nur das „Wie“ der Kostenverteilung, nicht aber das „Ob“ der Kostentragungsverpflichtung, so dass auch keine Beschlusskompetenz für eine Kostenbefreiung einzelner Wohnungseigentümer bestehe (vgl. etwa AG Leverkusen, ZMR 2017, 105 f.; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl. 2020, § 16 Rn. 49; Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl. 2018, § 16 Rn. 83; Becker, ZWE 2017, 386, 387).
Rz. 7
b) Hiervon ausgehend wird auch für § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG angenommen, dass die Vorschrift den Wohnungseigentümern lediglich eine Kompetenz zur Beschlussfassung über das „Wie“ der Kostenverteilung, nicht aber über das „Ob“ der Kostentragung einräume; eine Veränderung des Kreises der Kostenschuldner sei damit nicht von der Beschlusskompetenz umfasst (vgl. Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 47 f.; Grüner in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl., § 8 Rn. 45; Bärmann/Becker, WEG, 15. Aufl., § 16 Rn. 120). Nach diesem engen Verständnis der Regelung wäre ein Beschluss, der eine bisher nicht bestehende Kostentragungspflicht begründet oder einzelne Wohnungseigentümer bzw. - wie hier - bestimmte Gruppen von Wohnungseigentümern von der Kostentragung ausnimmt, mangels Beschlusskompetenz nichtig. Nach der Gegenauffassung begründet § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG auch die Kompetenz, eine von der bisherigen Kostenverteilung abweichende Veränderung des Kreises der Kostenschuldner zu beschließen (vgl. BeckOGK/Falkner, WEG [1.5.2023], § 16 Rn. 182 u. 183; Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 16 Rn. 85; MüKoBGB/Scheller, 9. Aufl., § 16 WEG Rn. 52 f.; NK-BGB/Brücher/Schultzky, 5. Aufl., § 16 WEG Rn. 53; Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2023], § 16 WEG Rn. 115; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rn. 66; Fuhrländer in Fuhrländer/Füllbeck, Praxishandbuch WEG-Verwaltung, § 3 Rn. 100; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 693; Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 24 Rn. 50; Neumann in Münchener Handbuch des Wohnungseigentumsrecht, 8. Aufl., § 8 Rn. 14). Eine differenzierende Meinung verneint die Beschlusskompetenz lediglich bei der erstmaligen Begründung einer Kostentragungsverpflichtung (vgl. LG Berlin, ZMR 2024, 48, 49 f.; AG Erfurt, WuM 2022, 560, 563; BeckOK BGB/Hügel [1.11.2023], § 16 WEG Rn. 16; Grüneberg/Wicke, BGB, 83. Aufl., § 16 WEG Rn. 5; PWW/Elzer/Riecke, BGB, 18. Aufl., § 16 WEG Rn. 53).
Rz. 8
c) Richtigerweise begründet die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der GdWE eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. Das gilt auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden.
Rz. 9
aa) Anders als die Revision meint, ergibt sich ein weites Verständnis der Regelung bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Danach „können“ die Wohnungseigentümer eine „abweichende Verteilung beschließen.“ Das Wort „können“ definiert dabei die Beschlusskompetenz (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 66). Eine abweichende Verteilung wiederum ist nicht nur bei einer Veränderung des bisherigen Kostenverteilungsschlüssels gegeben, sondern auch dann, wenn - bei gleichbleibendem Verteilungsschlüssel - der Kreis der von der Kostenverteilung erfassten Wohnungseigentümer verändert wird (vgl. MüKoBGB/Scheller, 9. Aufl., § 16 WEG Rn. 53; BeckOGK/Falkner, WEG [1.5.2023], § 16 Rn. 182).
Rz. 10
bb) Dieses weite Verständnis der Norm entspricht auch dem gesetzgeberischen Ziel des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Durch diese Regelung sollen die Wohnungseigentümer einfacher als bisher über eine nach den Umständen des Einzelfalles angemessene Kostenverteilung entscheiden können (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 56). Hintergrund dessen ist, dass der gesetzlich vorgegebene Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG) zwar ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet, ihm aber keine besondere Verteilungsgerechtigkeit immanent ist (vgl. Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2023], § 16 WEG Rn. 121). Der Gesetzgeber hat daher bewusst auf bisherige nach § 16 Abs. 3, Abs. 4 WEG aF bestehende Beschränkungen und inhaltliche Vorgaben verzichtet (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 56). § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG erfasst nunmehr - mit Ausnahme der Kosten baulicher Veränderungen (§ 16 Abs. 3 WEG) - sämtliche Kosten und schließt lediglich eine generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels aus (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/18791 S. 56). Die Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls lässt sich aber nicht nur durch eine Änderung des eigentlichen Umlageschlüssels, sondern insbesondere auch durch die Auswahl der Kostenschuldner erreichen. Beispielsweise kann sich eine objektbezogene Kostentrennung als sinnvoll erweisen mit der Folge, dass einzelne Kosten ausschließlich von bestimmten Wohnungseigentümern zu tragen sind, die einen besonderen Nutzen aus dem von der Kostentrennung erfassten gemeinschaftlichen Eigentum ziehen; hierdurch wird der Kreis der Kostenschuldner verkleinert (vgl. dazu etwa Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2023], § 16 WEG Rn. 122). Eine größere Verteilungsgerechtigkeit kann aber auch dadurch erzielt werden, dass eine nicht sachgerechte Befreiung einzelner Wohnungseigentümer von der Tragung (bestimmter) Kosten beseitigt und damit der Kreis der Kostenschuldner vergrößert wird (vgl. MüKoBGB/Scheller, 9. Aufl., § 16 WEG Rn. 47). Daraus, dass die Gesetzesbegründung zu dieser Frage schweigt, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten (vgl. Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rn. 66; aA LG Berlin, ZMR 2024, 48, 50).
Rz. 11
cc) Auch das Gebot der Rechtssicherheit streitet - wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt - dafür, die Kompetenz der Wohnungseigentümer weit zu fassen. Denn eine Nichtigkeit wegen fehlender Beschlusskompetenz hätte zur Folge, dass dieser Mangel auch noch Jahre nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden könnte, was mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die Wohnungseigentümer verbunden wäre. Geht man hingegen von einer Beschlusskompetenz aus, sind etwaige Mängel des Beschlusses wegen der Änderung des Kreises des Kostenschuldners im Rahmen der Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist (§ 45 Satz 1 WEG) geltend zu machen. Auf diese Weise wird das Vertrauen der Wohnungseigentümer in die Rechtsverbindlichkeit von Beschlüssen geschützt und erreicht, dass unter den Wohnungseigentümern alsbald Klarheit über die Rechtslage besteht und dass nicht Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander noch längere Zeit belasten (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2018 - V ZR 193/17, NJW 2018, 3717 Rn. 18).
Rz. 12
2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass der Beschluss über die Verteilung der Kosten der Doppelparker ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
Rz. 13
a) Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels - wie auch nach § 16 Abs. 3 WEG aF - aufgrund des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Beschluss über eine Kostenverteilung muss, wie dies grundsätzlich in § 19 Abs. 1 WEG zum Ausdruck gebracht wird und für alle Beschlüsse der GdWE gilt, lediglich ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2022 - V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 38; BT-Drucks. 19/18791 S. 56). Entgegen der Auffassung der Revision ist die Zulässigkeit der Änderung des Umlageschlüssels auch nicht an das Vorliegen eines sachlichen Grundes als eigene, von der ordnungsmäßigen Verwaltung unabhängige Voraussetzung geknüpft. Dies entsprach bereits der Rechtsprechung des Senats unter Geltung des alten Rechts (vgl. Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10, NJW 2011, 2202 Rn. 8; Urteil vom 2. Oktober 2020 - V ZR 282/19, ZWE 2021, 90 Rn. 12 ff.) und gilt erst recht für einen auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gefassten Beschluss.
Rz. 14
b) Bei der Frage, ob ein auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gefasster Beschluss über die Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann im Ausgangspunkt auf die bisherige Rechtsprechung des Senats zu § 16 Abs. 3 WEG aF zurückgegriffen werden. Beschließen die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der GdWE eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie danach jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Dabei dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Verteilungsmaßstabes zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt (vgl. zum alten Recht Senat, Urteil vom 2. Oktober 2020 - V ZR 282/19, ZWE 2021, 90 Rn. 13). Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG), die nach dem zuvor geltenden Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies - wie schon nach § 16 Abs. 4 WEG aF - jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 56; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rn. 67 f.).
Rz. 15
c) Daran gemessen entspricht die Änderung der Kostenverteilung für die Doppelparker ordnungsmäßiger Verwaltung. Durch die getroffene Regelung werden nur deren Teileigentümer mit Kosten belastet, die - im Gegensatz zu den übrigen Wohnungseigentümern - auch einen Nutzen aus der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums an den Doppelparkern ziehen und denen die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums wirtschaftlich zugutekommt. Dass die Beschlussfassung eine erhebliche Mehrbelastung der Teileigentümer im Vergleich zu dem gesetzlichen Verteilungsmaßstab zur Folge hat, führt nicht dazu, dass die Teileigentümer ungerechtfertigt benachteiligt werden; vielmehr ist diese Mehrbelastung durch deren alleinige Gebrauchsmöglichkeit gerechtfertigt (vgl. dazu etwa BeckOGK/Falkner, WEG [1.5.2023], § 16 Rn. 209). Anders als die Revision meint, haben die Wohnungseigentümer daher vor einer Beschlussfassung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG auch grundsätzlich keine Vergleichsberechnung über die sich für einzelne Wohnungseigentümer konkret ergebenden Veränderungen der Kostenbelastung vorzunehmen (so aber AG Potsdam, Urteil vom 20. Oktober 2022 - 31 C 43/22, juris Rn. 22).
Rz. 16
d) Entgegen der Ansicht der Revision ist eine andere Betrachtung auch nicht mit Blick auf die von dem Kläger in der Vergangenheit geleisteten Beiträge zu der Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) angezeigt. Richtig ist zwar, dass die Bildung einer Erhaltungsrücklage dazu dient, notwendige größere Erhaltungsmaßnahmen wirtschaftlich abzusichern und durch das Ansparen kleinerer Beträge u.a. das Risiko einer plötzlichen finanziellen Überforderung der einzelnen Wohnungseigentümer durch Sonderumlagen zu vermindern (vgl. BeckOGK/Skauradszun, WEG [1.12.2023], § 19 Rn. 81). Auch ist die Erhaltungsrücklage entsprechend ihrer Zweckbindung zu verwenden. Ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Verwendung für eine bestimmte Erhaltungsmaßnahme besteht aber nicht (vgl. BayObLG, NZM 2004, 745, 746; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 19 Rn. 231 mwN). Der Kläger konnte daher nicht auf eine Finanzierung der Instandsetzung der Doppelparker aus Mitteln der Rücklage vertrauen, selbst wenn insoweit ein Sanierungsstau bestanden haben mag.
Rz. 17
e) Auch unter dem Aspekt des Rückwirkungsverbots ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, keine andere Beurteilung. Zwar sind Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, grundsätzlich unzulässig. Geht es aber um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang, ist eine Rückwirkung - soweit spezialgesetzliche Regelungen fehlen - hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 Rn. 11; Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10, NJW 2011, 2202 Rn. 11). So liegt es hier. Die Beschlussfassung betrifft keinen abgeschlossenen Sachverhalt, sondern ändert den Verteilungsschlüssel mit Wirkung für die Zukunft. Bei typisierender Betrachtung konnten die Teileigentümer nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Öffnungsklauseln dauerhaft unverändert bleiben und die Mehrheitsmacht nicht erweitert wird. Vielmehr muss mit Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen grundsätzlich gerechnet werden.
Rz. 18
f) Inwieweit auch ein Beschluss, der einen von bestimmten Kosten befreiten Wohnungseigentümer erstmalig mit Kosten belastet, ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann (vgl. hierzu etwa BeckOGK/Falkner, WEG [1.5.2023], § 16 Rn. 182.1; MüKoBGB/Scheller, 9. Aufl., § 16 WEG Rn. 53), muss hier nicht entschieden werden.
III.
Rz. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Brückner |
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Göbel |
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Malik |
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Laube |
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Schmidt |
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Fundstellen