Leitsatz (amtlich)
Zur Absichtsanfechtung einer Aufrechnungslage.
Normenkette
DDR-GesO § 10 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 11.11.1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M. GmbH (im Folgenden auch: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Baugewerbe tätig. Der Beklagte arbeitete bei einer Anzahl von Bauvorhaben als ihr Subunternehmer. Am 29.7.1997 beliefen sich seine offenen Werklohnforderungen aus diesen Subunternehmeraufträgen auf 120.313,93 DM.
Am 3.8.1997 verkaufte und übereignete die Schuldnerin dem Beklagten einen Mobilbagger, den sie anschließend zurückmietete. Der Kaufpreis von 80.500 DM war am 20.8.1997 fällig. Er wurde nicht bezahlt.
Der Aufforderung des Klägers, den Kaufpreis für den Mobilbagger zu entrichten, ist der Beklagte durch Aufrechnung mit Gegenforderungen entgegengetreten. Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im Juli 1997 zahlungsunfähig gewesen. Dies habe der Beklagte gewusst. Er habe den Bagger lediglich erworben, um eine Sicherheit für seine Forderungen zu erhalten. Seine Aufrechnung sei deshalb nicht statthaft. Die am 15.1.1999 erhobene Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den geltend gemachten Kaufpreisanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; die Klage ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der geltend gemachte Kaufpreisanspruch durch Aufrechnung erloschen sei. Nach § 7 Abs. 5 GesO könne der Beklagte seine vor Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche gegen den Kaufpreisanspruch der Masse aufrechnen. Dies sei auch nicht durch den Rechtsgedanken des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO gehindert. Danach sei zwar die Aufrechnung gegen eine Forderung der Insolvenzmasse unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Diese Vorschrift könne aber auf Sachverhalte vor ihrem In-Kraft-Treten nicht angewendet werden. Hier gelte der konkursrechtliche Grundsatz, dass der Kläger den Kaufvertrag nur im Ganzen, nicht aber eine einzelne Wirkung wie die Herstellung der Aufrechnungslage isoliert anfechten könne (BGH, Urt. v. 12.11.1998 - IX ZR 199/97, MDR 1999, 318 = NJW 1999, 359). Auf den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklagten hiervon komme es deshalb für die Entscheidung des Streitfalles nicht an.
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der vom Kläger geltend gemachte Kaufpreisanspruch ist nach dem unstreitigen Sachverhalt begründet, weil er danach mit Recht die Herstellung der Aufrechnungslage durch den Kaufvertrag v. 3.8.1997 nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO angefochten hat.
1. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, insolvenzrechtlich selbstständig angefochten werden. Wenn sich der Gläubiger durch eine Rechtshandlung zugleich in eine Schuldnerstellung ggü. dem Schuldner versetzt und so die Voraussetzungen für eine Aufrechnung begründet, wird die erklärte Aufrechnung durch Anfechtung wirkungslos und die Forderung des Schuldners bleibt durchsetzbar (BGH v. 28.9.2000 - VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245 [254] = MDR 2001, 152 = BGHReport 2001, 12; v. 5.4.2001 - IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 [236, 238] = MDR 2001, 1013 = BGHReport 2001, 486; Urt. v. 4.10.2000 - IX ZR 207/00, MDR 2002, 355 = BGHReport 2002, 42 = WM 2001, 2208 [2209 f.] zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO; v. 9.10.2003 - IX ZR 28/03, BGHReport 2004, 343 = MDR 2004, 353 = ZIP 2003, 2370 [2371]; anders noch das vom Berufungsgericht angeführte Urt. v. 12.11.1998 - IX ZR 199/97, MDR 1999, 318 = NJW 1999, 359). Diese - erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidungen konnten in der Vorinstanz noch nicht berücksichtigt werden. Die Aufrechnungslage ist unabhängig von der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung (§ 7 Abs. 5 GesO) anfechtbar.
2. Der Kläger hat im Streitfall die Herstellung der Aufrechnungslage innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung der Gesamtvollstreckung und damit nach § 10 Abs. 2 GesO rechtzeitig angefochten. Die Anfechtung ist rechtzeitig erfolgt, wenn der Gesamtvollstreckungsverwalter innerhalb der Anfechtungsfrist den Anspruch der Masse rechtshängig macht und dabei dem aufgerechneten Gegenanspruch mit einem Sachverhalt entgegentritt, der geeignet sein kann, die Anfechtung der Aufrechnungslage zu stützen (vgl. ähnlich BGH v. 20.3.1997 - IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140 [149 ff.] = MDR 1997, 557; Urt. v. 26.10.2000 - IX ZR 289/99, MDR 2001, 405 = BGHReport 2001, 104 = WM 2001, 98 [100], unter III. 1. a). Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt.
Anders wäre das rechtliche Ergebnis nur dann, wenn die Schuldnerin den Bagger nach dem Willen der Vertragsteile v. 3.8.1997 nur an Erfüllungs statt auf die Werklohnforderungen des Beklagten geleistet hätte. Dann wäre eine Aufrechnungslage nicht entstanden, so dass der Kläger nur die Rückgewähr der an Erfüllungs statt geleisteten Sache verlangen könnte. Für die Möglichkeit einer bloßen Erfüllungsabrede statt eines Verkaufs des Baggers am 3.8.1997 gibt jedoch der Parteivortrag nichts her.
3. Die mit der Klage neben dem Anfechtungsgrund des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO gleichfalls geltend gemachte Absichtsanfechtung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO greift nach unstreitigem Sachvortrag durch, so dass es keiner tatrichterlichen Feststellungen zu den streitigen Behauptungen mehr bedarf, ob die Schuldnerin am 3.8.1997 bereits zahlungsunfähig war und dem Beklagten diese Tatsache nach den Umständen hätte bekannt sein müssen.
a) Durch den Verkauf des Mobilbaggers an den Beklagten am 3.8.1997 haben die anderen Gläubiger der Schuldnerin einen Nachteil erlitten. Einen für die Gläubiger verwertbaren Kaufpreisanspruch gegen den Beklagten hat die Schuldnerin zum Ausgleich für den Vermögensabgang nicht erlangt, weil der Beklagte mit seinen unbeglichenen Forderungen gegen die Kaufpreisschuld aufrechnen konnte. Hierdurch entgeht der Gesamtvollstreckungsmasse der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld des Beklagten einerseits sowie der bloßen Quote auf dessen Gegenforderungen andererseits (vgl. BGH v. 5.4.2001 - IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 [238] = MDR 2001, 1013 = BGHReport 2001, 486 a. E.). Weitere Gläubiger der Schuldnerin waren, wie auch der Beklagte wusste, zumindest mit den beschäftigten Arbeitnehmern und ihrer gesetzlichen Krankenkasse vorhanden.
Der Vortrag des Beklagten, dass er nach Sicherung durch die Aufrechnungsmöglichkeit am 3.8.1997 Arbeiten auf Baustellen der Schuldnerin fortgeführt habe (Schriftsatz v. 19.4.1999, S. 3 bis 5), ändert an der Gläubigerbenachteiligung durch den Verkauf v. 3.8.1997 nichts (vgl. BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [196] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704; Urt. v. 25.9.1952 - IV ZR 13/52, LM KO § 30 Nr. 1).
b) Die Schuldnerin hat bei dem Verkauf des Mobilbaggers an den Beklagten am 3.8.1997 in der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO vorausgesetzten Absicht gehandelt, ihre anderen Gläubiger zu benachteiligen. Dafür genügt der bedingte Vorsatz (BGH v. 23.11.1995 - IX ZR 18/95, BGHZ 131, 189 [195] = MDR 1996, 271 m. w. N.).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt in der Inkongruenz einer Deckung ein starkes Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners, durch die Rechtshandlung seine anderen Gläubiger zu benachteiligen (BGH v. 30.9.1993 - IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320 [326] = MDR 1994, 158; v. 19.3.1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 [308] = AG 1998, 342 = GmbHR 1998, 935; Urt. v. 17.7.2003 - IX ZR 202/02, BGHReport 2003, 1373 = MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799; v. 18.12.2003 - IX ZR 199/02, MDR 2004, 650 = BGHReport 2004, 480 = WM 2004, 299 [301 f.]).
Der Beklagte hat durch den Ankauf des Baggers von der Gemeinschuldnerin am 3.8.1997 eine inkongruente Deckung seiner offenen Forderungen erhalten. Denn er hatte auf die Aufrechnungslage keinen Anspruch, weil die Schuldnerin ihm gegenüber zum Abschluss des Kaufvertrages nicht verpflichtet war (vgl. BGH v. 5.4.2001 - IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 [240] = MDR 2001, 1013 = BGHReport 2001, 486, unter IV. 2.).
Das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung für den bedingten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ist hier nach dem Parteivortrag nicht durch besondere Umstände ausgeräumt. Die Schuldnerin wusste, dass sie dem Beklagten auf sein Drängen am 3.8.1997 eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit für seine Forderungen verschafft hat. Von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen war sie dabei auch dann nicht geleitet, wenn der Verkauf des Baggers hauptsächlich bezweckte, den Beklagten als ihren Subunternehmer zur Weiterarbeit zu bewegen. Die Schuldnerin wusste auch, dass sie mit Herstellung der inkongruenten Aufrechnungslage ihre sonstigen Gläubiger objektiv benachteiligte, wenn sie sich nicht aus anderen Gründen sicher war, diese in absehbarer Zeit sämtlich befriedigen zu können (vgl. BGH v. 19.3.1998 - IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 [308] = AG 1998, 342 = GmbHR 1998, 935 m. w. N.). Dass aufseiten der Schuldnerin diese Sicherheit am 3.8.1997 noch bestand, behauptet selbst der Beklagte nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in einer weiteren Tatsacheninstanz seinen Vortrag hierzu noch ergänzen könnte, sind nicht ersichtlich.
bb) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin setzt die Absichtsanfechtung nicht voraus. Es genügt das ernsthafte Risiko bevorstehender Zahlungsstörungen oder -stockungen, weil sich damit die Gefährdung der anderen Gläubiger aufdrängt (BGH, Urt. v. 21.1.1999 - IX ZR 329/97, MDR 1999, 503 = ZIP 1999, 406 [407]; v. 18.12.2003 - IX ZR 199/02, MDR 2004, 650 = BGHReport 2004, 480 = WM 2004, 299 [301 f.]).
c) Die Kenntnis der Schuldnerin und des Beklagten von der Inkongruenz der Aufrechnungslage bestand bereits, weil ihnen die Tatsachen bekannt waren, die hier den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen. Die Kenntnis von der inkongruenten Aufrechnungslage ist ferner ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, dass der Beklagte die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin gekannt hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1999 - IX ZR 329/97, MDR 1999, 503 = ZIP 1999, 406 [407]; v. 2.12.1999 - IX ZR 412/98, MDR 2000, 354 = ZIP 2000, 82 [83]; v. 17.7.2003 - IX ZR 272/02, BGHReport 2003, 1373 = MDR 2004, 174 = ZIP 2003, 1799 [1801]; v. 18.12.2003 - IX ZR 199/02, MDR 2004, 650 = BGHReport 2004, 480 = WM 2004, 299 [301 f.]).
Die Schuldnerin hatte schon vor dem Verkauf des Baggers objektiv Anlass, an ihrer Liquidität zu zweifeln. Denn der Beklagte hat nicht bestritten, dass die Schuldnerin im Frühjahr 1997 den vereinbarten Ratenplan zur Tilgung der ihm ggü. aufgelaufenen Rückstände nicht eingehalten hat. Infolgedessen war auch dem Beklagten trotz der noch erhaltenen Zahlungen bekannt, dass sich eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abzeichnete.
Das wird dadurch bestätigt, dass der Beklagte sich zu der unter Beweis gestellten Behauptung der Berufungsbegründung (S. 2 oben), ihm sei vor dem 3.8.1997 von dem Geschäftsführer und Mitarbeitern der Schuldnerin wiederholt erklärt worden, bei dieser sei es "sehr eng", entgegen § 138 Abs. 2 ZPO nicht eindeutig erklärt, sondern nur die Bedeutung einer solchen Äußerung im Hinblick auf eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit in Abrede gestellt hat (S. 2 des Schriftsatzes v. 25.2.2000). Andere Tatsachen, mit denen die Vermutung der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht entkräftet werden könnte, sind aus dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich. Auch insoweit besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte noch ihm günstige Tatsachen vortragen könnte.
III. Die vom Beklagten angezeigte Umwandlung seines Einzelunternehmens durch Aufnahme von Kommanditisten berührt den Rechtsstreit nicht. Die Haftung der Gesellschaft gem. § 28 Abs. 1 HGB ist nicht Streitgegenstand.
Fundstellen
Haufe-Index 1162573 |
DStR 2004, 1753 |
DStZ 2004, 584 |
BGHR 2004, 1198 |
EWiR 2004, 977 |
IBR 2004, 421 |
VIZ 2004, 428 |
WM 2004, 1250 |
WuB 2004, 705 |
ZIP 2004, 1160 |
DZWir 2004, 516 |
InVo 2004, 440 |
NJ 2004, 558 |
NZI 2004, 445 |
ZInsO 2004, 739 |
BrBp 2004, 474 |