Leitsatz (amtlich)
a) Der Sozialversicherungsträger, auf den ein Schadensersatzanspruch des Reisenden nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangen ist, muss seinen Anspruch in der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB anmelden.
b) Die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB beginnt auch für den Sozialversicherungsträger mit der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise zu laufen, nicht erst mit seiner Kenntnis von Schädigung und Ersatzpflichtigem.
a) Der Anspruchsberechtigte ist i.S.d. § 651g Abs. 1 S. 2 BGB a.F. ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Ausschlussfrist gehindert, solange er von der Schädigung und der Person des Ersatzpflichtigen unverschuldet keine Kenntnis hat.
b) Nach Wegfall des Hindernisses muss der Anspruchsberechtigte die Geltendmachung seines Anspruchs unverzüglich nachholen.
Normenkette
BGB § 651g Abs. 1 Sätze 1, 2 in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (jetzt: § 651g Abs. 1 S. 3); SGB X § 116 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2003; Aktenzeichen 18 U 56/03) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 15.10.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Krankenkasse nimmt aus übergegangenem Recht ihres Versicherten die beklagte Reiseveranstalterin wegen eines Reisemangels auf Schadensersatz und auf Feststellung in Anspruch, dass die Beklagte ihr auch allen zukünftig noch entstehenden Schaden ersetzen muss.
Die Eltern des bei der Klägerin versicherten Kindes buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Fuerteventura für die Zeit v. 22.4. bis 7.5.2001. Am 25.4.2001 fiel das damals 14 Monate alte Kind vor der Eingangstür zum hoteleigenen Restaurant in eine Pfütze. Nach dem Vortrag der Klägerin enthielt diese ein ätzendes Reinigungsmittel und erlitt das Kind Hautverätzungen dritten Grades an beiden Beinen. Es musste auf Fuerteventura ambulant und nach der Rückkehr nach Deutschland stationär behandelt werden, wodurch Heilbehandlungskosten i.H.v. 87,58 DM und weiteren 9.671,69 DM entstanden, welche die Klägerin getragen hat.
Laut einer Gesprächsnotiz der örtlichen Reiseleiterin v. 28.4.2001 hatten die Eltern der Reiseleiterin den Unfall erstmals am 26.4.angezeigt. Ob sie auch schon am Unfalltage selbst mit der Reiseleiterin gesprochen hatten, ist streitig.
Am 28.5.2001 füllte der Vater einen von der Klägerin übersandten Fragebogen aus. Darin erklärte er, dass die Krankenhausbehandlung des Kindes auf einen während des Urlaubs an der Eingangstür zum Hotelrestaurant geschehenen Unfall zurückzuführen sei. Auf die Fragen, ob ein anderer an dem Unfall schuld sei und ob er persönlich Schadensersatzansprüche geltend gemacht habe, antwortete er bejahend, teilte mit, die Rechtslage müsse noch mit dem Anwalt geklärt werden, und verwies auf eine Anlage, welche die Klägerin im Vorliegenden Prozess trotz Aufforderung der Beklagten nicht vorgelegt hat. Der ausgefüllte Fragebogen nebst Anlage ging am 29.5.2001 bei der Klägerin ein. Diese meldete mit Schreiben v. 13.6.2001 bei der Beklagten einen Schadensersatzanspruch an.
LG und OLG haben die Klage wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin durch Versäumung der Ausschlussfrist verloren gegangen ist.
I. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt:
Die in der Gesprächsnotiz der Reiseleiterin festgehaltene Mängelanzeige der Eltern am 26.4.2001 habe die Ausschlussfrist nicht gewahrt, weil sich dieser Anzeige kein eindeutiges Verlangen nach Gewährleistung entnehmen lasse. Die Behauptung der Klägerin, die Eltern hätten schon am 25.4.2001 klargestellt, dass sie Schadensersatzansprüche geltend machen wollten, sei widersprüchlich und unsubstanziiert. Es könne deshalb dahinstehen, ob der Sozialversicherungsträger, auf den der Schadensersatzanspruch bereits im Augenblick seiner Entstehung übergehe, sich überhaupt auf eine fristgerechte Anspruchsanmeldung durch den Reisenden berufen könne.
Die Klägerin selbst habe die Ausschlussfrist versäumt. Der verbreiteten Auffassung, dass die Frist bei Anspruchsübergang auf einen Sozialversicherungsträger erst mit dessen Kenntnis von dem anspruchsbegründenden Vorgang und der Person des Reiseveranstalters zu laufen beginne, sei nicht zu folgen. Der Lauf der Ausschlussfrist beginne vielmehr - anders als der Lauf der Verjährungsfrist - unabhängig von irgendwelchen Kenntnissen. Der Sozialversicherungsträger, der häufig erst nach Fristablauf Kenntnis von dem Schaden erlange, werde ausreichend durch die auch auf Sozialversicherungsträger anwendbare Bestimmung des § 651 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. geschützt, wonach der Reisende seine Ansprüche auch nach Fristablauf noch geltend machen könne, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert worden sei.
Die Klägerin habe indessen die Frist nicht schuldlos versäumt. Nachdem sie durch den ausgefüllten Fragebogen von dem Unfall Kenntnis erhalten habe, sei ihr bis zum Fristende noch mehr als eine Woche Zeit zur Anmeldung ihrer Schadensersatzansprüche verblieben. Da sie die Anlage zum Fragebogen, auf die der Vater des Kindes u.a. hinsichtlich der genauen Unfallschilderung und der Frage, ob einen anderen die Schuld treffe, verwiesen habe, trotz Aufforderung der Beklagten nicht zu den Akten gereicht habe, könne nicht festgestellt werden, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Klägerin die in § 651g Abs. 1 S. 1 BGB bestimmte einmonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wegen eines Reisemangels versäumt hat.
a) Die Klägerin hätte ihren Anspruch innerhalb der Ausschlussfrist anmelden müssen.
(1) Soweit der Gewährleistungsanspruch nach § 651 f Abs. 1 BGB auf den Ersatz unfallbedingter Heilbehandlungskosten gerichtet ist und daher gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X schon im Zeitpunkt des Unfalls auf die Krankenkasse (den Sozialversicherungsträger) übergeht (BGH BGHZ 48, 181 [188 ff.]; BFH v. 8.8.2003 - VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342 ff.), ist es der Sozialversicherungsträger, dem die rechtzeitige Anmeldung des Anspruchs obliegt (so auch OLG Celle RRa 2002, 159; LG Frankfurt/M. RRa 2003, 70; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., § 12 Rz. 361; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 651g Rz. 2; Tonner, RRa 2003, 74; Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, § 116 SGB X Rz. 9). Entgegen der Ansicht der Revision ist der Text des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB, wonach "der Reisende" die Ansprüche innerhalb der Monatsfrist geltend zu machen hat, dahin auszulegen, dass der jeweilige Anspruchsinhaber die Frist wahren muss. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Ausschlussfrist. Der Ausschluss der verspätet geltend gemachten Ansprüche findet seine Rechtfertigung darin, dass der Reiseveranstalter nach Ablauf eines Monats regelmäßig Schwierigkeiten haben wird, wenn er die Berechtigung der Mängelrüge überprüfen will. Weitere Nachteile können dem Reiseveranstalter dadurch entstehen, dass er Regressansprüche gegen Leistungsträger nicht mehr durchsetzen kann oder jedenfalls bei der Durchsetzung in Beweisnot gerät (Begr. z. Gesetzentwurf d. Bundesregierung - Entwurf I -, BT-Drucks. 8/786, 32, sowie z. Entwurf d. Rechtsausschusses d. Bundestags - Entwurf II -, BT-Drucks. 8/2343, 11; BGH v. 22.3.1984 - VII ZR 189/83, BGHZ 90, 363 [367] = MDR 1984, 749; v. 20.3.1986 - VII ZR 187/85, BGHZ 97, 255 [262] = MDR 1986, 839; v. 17.10.2000 - X ZR 97/99; BGHZ 145, 343 [349] = MDR 2001, 381 = BGHReport 2001, 36). Dahinter steht der Gedanke der schnellen Beweissicherung: Der Reiseveranstalter soll kurzfristig erfahren, welche Gewährleistungsansprüche auf ihn zukommen, damit er schnell die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen, insbes. die Erinnerung der Beteiligten und den Zustand von Hoteleinrichtungen festhalten kann (Tonner, RRa 2003, 74; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651g Rz. 13). Sichere Kenntnis der auf ihn zukommenden Gewährleistungsansprüche erlangt der Reiseveranstalter aber nur durch eine Anmeldung seitens des Anspruchsinhabers. Wenn ein Dritter, dem der Anspruch nicht zusteht, diesen geltend macht, besteht für den Reiseveranstalter bei vernünftiger Betrachtung kein hinreichender Anlass, sich um die Aufklärung des Sachverhalts und um die Beweissicherung zu bemühen. Denn die Anmeldung des Dritten lässt die Möglichkeit offen, dass der Anspruchsinhaber selbst gar keinen Anspruch erheben wird, sei es, dass er einen solchen für nicht gegeben oder nicht beweisbar hält, sei es, dass er wegen Geringfügigkeit oder aus anderen Gründen darauf verzichten will. Der Reiseveranstalter hat aber ein anzuerkennendes und schützenswertes Interesse daran, seine Überprüfungs- und Beweissicherungstätigkeiten nicht vergeblich in Gang zu setzen (BGH v. 17.10.2000 - X ZR 97/99, BGHZ 145, 343 [349] = MDR 2001, 381 = BGHReport 2001, 36).
(2) Nicht entschieden zu werden braucht im vorliegenden Fall die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die rechtzeitige Anmeldung des übergegangenen Anspruchs durch den Sozialversicherungsträger entbehrlich ist, wenn der Reisende rechtzeitig einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat. Denn eine etwaige Anspruchsanmeldung von Seiten des Kindes war jedenfalls vom Inhalt her ungeeignet, um die Anmeldung des Sozialversicherungsträgers überflüssig zu machen.
aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auslegung des Berufungsgerichts, der Gesprächsnotiz der örtlichen Reiseleitung v. 28.4.2001 lasse sich nur eine Mängelanzeige, aber keine Anspruchsanmeldung entnehmen, frei von Rechtsfehlern zu Stande gekommen ist. Bedenken hiergegen bestehen unter dem Gesichtspunkt, dass es dem Vater bei seiner Mitteilung, dass das Kind Verätzungen dritten Grades erlitten habe, in erster Linie um die Anmeldung eines schwer wiegenden Gesundheitsschadens und allenfalls zweitrangig um die Beseitigung der Gefahrenquelle für die Zukunft gegangen sein dürfte. Darüber braucht indessen nicht abschließend entschieden zu werden.
bb) Die etwaige Anspruchsanmeldung von Seiten des Kindes konnte den Sozialversicherungsträger nicht von seiner Anmeldeobliegenheit befreien, weil sie keine eigenen Ansprüche des Kindes betraf. Wenn der Reisende nur den ihm nicht mehr zustehenden, weil auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Teilanspruch anmeldet, ist wegen des schon oben hervorgehobenen Gesichtspunkts, dass die Ausschlussfrist dem Reiseveranstalter sichere Kenntnis bevorstehender Forderungen verschaffen soll, die Anmeldung eines Dritten dies aber nicht zu leisten vermag, die Anmeldung des Sozialversicherungsträgers unverzichtbar. Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob in den Fällen, in denen der Reisende die bei ihm verbliebenen Teilansprüche - z.B. auf Schmerzensgeld, Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreuden, Ersatz von Verdienstausfall oder Sachschäden - in ernst zu nehmender Weise rechtzeitig geltend gemacht hat, eine rechtzeitige Anspruchsanmeldung auch des Sozialversicherungsträgers entbehrlich ist, weil der Reiseveranstalter auf Grund einer solchen Anmeldung des Anspruchsinhabers immerhin weiß, dass wegen des Schadensereignisses überhaupt Forderungen auf ihn zukommen, und deshalb möglicherweise schon hinreichenden Anlass zur schnellen Sachaufklärung hat, auch ohne dass der Sozialversicherungsträger sich äußert. Hier betraf die etwaige Anmeldung keine eigenen Ansprüche des Kindes oder der Eltern, sondern nur den bereits im Zeitpunkt des Unfalls auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch auf Ersatz der Heilbehandlungskosten. Einen Schmerzensgeldanspruch auf reisevertraglicher Grundlage gab es nach der damaligen Rechtslage nicht; ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegen den Reiseveranstalter kam nicht in Frage.
b) Die Klägerin, die somit die einmonatige Ausschlussfrist durch Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs wahren musste, hat diese Frist versäumt. Die Frist beginnt nach dem Wortlaut des § 651g Abs. 1 S. 1 BGB mit der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise zu laufen. Hier endete die Reise am 7.5.2001. Die Klägerin meldete den Schadensersatz indessen erst mit Schreiben v. 13.6.2001 bei der Beklagten an.
Dass die Frist mit dem Reiseende beginnt, gilt auch für Sozialversicherungsträger. Mit dem Berufungsgericht abzulehnen ist die in Rechtsprechung und Literatur vertretene andere Ansicht, dass im Falle eines Anspruchsübergangs auf den Sozialversicherungsträger die Ausschlussfrist erst ab dessen Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen läuft (so aber LG Frankfurt v. 6.11.1989 - 2/24 S 536/88, NJW 1990, 520; RRa 2003, 74; OLG Celle RRa 2002, 159; Tonner, RRa 2003, 74; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., § 12 Rz. 363; Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, § 116 SGB X Rz. 9; a.A. LG Frankfurt/M. RRa 1999, 137).
Das LG Frankfurt/M. (LG Frankfurt/M. v. 6.11.1989 - 2/24 S 536/88, NJW 1990, 520) hat sich auf die Entscheidung des BGH gestützt, dass nach einem bereits zur Zeit des schädigenden Ereignisses erfolgten Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger für den Beginn der Verjährung nicht auf die Kenntnis des Geschädigten, sondern nur auf die des Versicherungsträgers abgestellt werden kann (BGHZ 48, 181 ff.). Diese Entscheidung betraf jedoch, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, einen Fall der Verjährung nach § 852 BGB, wo die Verjährungsfrist mit Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen zu laufen beginnt (BGHZ 48, 181 [183, 192]). Sie gibt daher für den Beginn der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB, die ohne Rücksicht auf irgendwelche Kenntnisse mit dem Reiseende anläuft, nichts her.
Auch das von der Revision betonte Schutzbedürfnis des Sozialversicherungsträgers, der i.d.R. erst bei der Abrechnung seiner Leistungen und damit häufig erst nach Fristablauf von dem Schadensersatzanspruch gegen den Reiseveranstalter erfahren wird, gebietet keine Verschiebung des Fristbeginns auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist dem Interesse des Sozialversicherungsträgers genügend Rechnung getragen durch die Bestimmung, dass der Reisende auch nach Fristablauf noch Ansprüche geltend machen kann, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert worden ist (§ 651g Abs. 1 S. 2 BGB in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung - a.F.; jetzt: § 651g Abs. 1 S. 3 BGB). So liegt es bei Unkenntnis des Sozialversicherers von seinem Anspruch (so auch Tonner, RRa 2003, 74, vgl. BGH, Urt.. 2.11.1994 - IV ZR 324/93, MDR 1995, 912 = VersR 1995, 82, unter 2a cc für eine Ausschlussfrist des Versicherungsrechts; offen gelassen von LG Frankfurt/M. RRa 1999, 137). Die Möglichkeit, den Anspruch noch nach Fristablauf geltend zu machen, soll verhindern, dass durch die zu Gunsten des Reiseveranstalters eingeführte kurze Ausschlussfrist für den Anspruchsinhaber unzumutbare Härten entstehen. Dazu würde auch der Fall gehören, dass der Anspruchsinhaber, der ohne Fahrlässigkeit erst nach Fristablauf von dem Anspruch erfährt, oder so kurz vorher, dass er die Frist nicht mehr einhalten kann, seinen Anspruch verliert. Deshalb ist die - unverschuldete - Unkenntnis des Anspruchs ein Entschuldigungsgrund für die Fristversäumung.
2. Die Klägerin hat indessen nicht alle Voraussetzungen für die Geltendmachung ihres Anspruchs trotz Fristversäumung dargelegt. Es war ihr zwar anfangs mangels Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schädigers unverschuldet nicht möglich, den Schadensersatzanspruch anzumelden. Offenbleiben kann, ob sie, wie das Berufungsgericht meint, nach dem für den 29.5.2001 anzunehmenden Wegfall dieses Hindernisses bis zum Fristablauf am 7.6.2001 noch genügend Zeit für die Anspruchsanmeldung hatte und infolgedessen die Frist letzten Endes doch schuldhaft versäumte. Denn jedenfalls hat sie nicht dargelegt, dass sie die Geltendmachung des Anspruchs nach Wegfall des Hindernisses unverzüglich nachholte.
a) Der Anspruchsinhaber, der unverschuldet die Ausschlussfrist versäumt hat, muss seinen Anspruch unverzüglich nach Beendigung der Verhinderung geltend machen, wenn er ihn nicht auch in diesem Fall verlieren will (Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651g Rz. 23; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 651g Rz. 3; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., § 12 Rz. 372; Soergel/H.-W. Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651g Rz. 13; so wohl auch LG Frankfurt/M. v. 30.6.1986 - 2/24 S 63/85, MDR 1986, 1027 = NJW 1987, 132). Dies folgt schon aus dem Sinn der Ausschlussfrist (Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651g Rz. 13), die dem Reiseveranstalter eine zeitnahe Sachverhaltsaufklärung ermöglichen will. Aus diesem Gesetzeszweck ergibt sich, dass ein Anspruchsinhaber, dem mangels Verschuldens an der Fristversäumung die Möglichkeit zur nachträglichen Geltendmachung seines Anspruchs eröffnet wird, diese Chance so schnell wie möglich nutzen muss, um die Fristüberschreitung gering zu halten. Er darf also mit der Geltendmachung nicht länger als nötig zuwarten. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes wird ihm die Geltendmachung der Ansprüche über die Frist hinaus ermöglicht, weil und auch solange er ohne Verschulden an ihrer Einhaltung gehindert war. Es liegt hier nicht anders als im Versicherungsrecht, wo für Ausschlussfristen der Grundsatz gilt, dass der Versicherungsnehmer keine Rechtsnachteile erleidet, wenn er die Frist schuldlos versäumt hat, wo aber nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes die Frist nicht erneut zu laufen beginnt, sondern der Versicherungsnehmer die unterlassene Handlung nunmehr unverzüglich nachholen muss (vgl. BGH v. 5.7.1995 - IV ZR 43/94, BGHZ 130, 171 [175] = MDR 1996, 51, für die Ausschlussfrist des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AUB 61).
b) Die unverzügliche Nachholung der Anspruchsanmeldung ist somit eine notwendige Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes des § 651g Abs. 1 S. 2 BGB a.F. Auch hierfür trifft den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast. Die Klägerin ist ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen.
"Unverzüglich" bedeutet nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Bei der Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen, nach denen insbes. die dem Rechtsinhaber zuzugestehende angemessene Überlegungsfrist zu bemessen ist (BAGE 32, 237 [247]). Die Klägerin hat die besonderen Umstände ihres Falles nicht ausreichend dargelegt. Mangels näherer Angaben ist davon auszugehen, dass sie bereits am 29.5.2001, als der vom Vater des Kindes ausgefüllte Fragebogen nebst Anlage bei ihr einging, alle zur Geltendmachung des Anspruchs nötigen Informationen erlangte, die in der von der Klägerin nicht vorgelegten Anlage enthalten gewesen sein können. Dann aber nahm sich die Klägerin für ihre Überlegungen 15 Tage lang Zeit. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, dass der Klägerin, nachdem sie den Fragebogen erhalten hatte, zur Bearbeitung der Schadensmeldung bis zum Ende der Ausschlussfrist lediglich sechs Werktage (30.5.bis 7.6.2001) zur Verfügung gestanden hätten und dass die Inanspruchnahme eines so kurzen Zeitraums niemals als schuldhaftes Zögern bewertet werden dürfe, geht fehl. Denn für die Frage der unverzüglichen Nachholung kam es nicht auf die Zeit bis zum Ablauf der Ausschlussfrist an, sondern auf die zwischen der Kenntniserlangung der Klägerin am 29.5.und ihrer Anspruchsanmeldung v. 13.6.2001 verstrichene Zeit, die 15 Tage betrug. Eine abstrakte Regel des Inhalts, dass die angemessene Überlegungsfrist in jedem Falle mindestens 15 Tage beträgt, lässt sich nicht aufstellen. Ob angesichts der konkreten Umstände die Anspruchsanmeldung der Klägerin gleichwohl noch innerhalb der ihr zuzugestehenden angemessenen Überlegungsfrist und damit unverzüglich erfolgte, hätte das Berufungsgericht nur beurteilen können, wenn die Klägerin die Anlage vorgelegt hätte. Auf die demnach fehlenden näheren Angaben zur unverzüglichen Nachholung der Anspruchsanmeldung brauchte das Berufungsgericht die Klägerin auch nicht hinzuweisen, da schon die Beklagte sie wiederholt aufgefordert hatte, die Anlage vorzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1205669 |
BGHZ 2005, 350 |
NJW 2004, 3178 |
NWB 2004, 2484 |
BGHR 2004, 1399 |
EBE/BGH 2004, 3 |
MDR 2004, 1354 |
NZV 2004, 620 |
RRa 2004, 227 |
VersR 2004, 1187 |
ZfS 2004, 557 |
RÜ 2004, 575 |
JWO-VerbrR 2004, 217 |
LMK 2004, 204 |