Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung des Dienstvertrags über die Leistung von Diensten höherer Art bei Wirtschaftsprüfungsunternehmen und Steuerberatern
Leitsatz (amtlich)
a) Bei der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfungsunternehmens mit der internen Revision handelt es sich um einen Vertrag über die Leistung von Diensten höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
b) Ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" erfordert, dass das Dienstverhältnis ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Erheblichkeit und persönlicher Bindung für den Dienstverpflichteten mit sich bringt, um ein schützenswertes und gegenüber der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten vorrangiges Vertrauen auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses begründen zu können. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls.
Leitsatz (redaktionell)
Dienste höherer Art i. S. d. § 627 Abs. 1 BGB kommen insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich des Dienstberechtigten betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert, etwa, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt.
Normenkette
BGB § 627 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 09.03.2011; Aktenzeichen 8 U 180/10) |
LG Hof (Entscheidung vom 30.09.2010; Aktenzeichen 13 O 43/10) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Bamberg vom 9.3.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist ein größeres Wirtschaftsprüfungsunternehmen und nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Honorarteilbetrags i.H.v. 6.000 EUR für das Jahr 2009 in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin führte jährlich interne Revisionen in den deutschen Standorten der Beklagten durch. Mit Vertrag vom 5./13.6.2007 beauftragte die Beklagte die Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 unter Vereinbarung eines Honorars von 63.000 EUR für 2009, 64.000 EUR für 2010 und 65.000 EUR für 2011. "In der Regel" waren jährlich zwei Revisionseinheiten zu je fünf Tagen unter Einsatz von zwei Revisoren vor Ort mit anschließender Nachbearbeitung vorgesehen. Im Mai, Juni und Juli 2009 kündigte die Beklagte diese Vereinbarung mehrfach, zuletzt mit Hinweis auf § 627 BGB. Die Klägerin, die für das Jahr 2009 noch keine Leistungen gegenüber der Beklagten erbracht hatte, widersprach der Kündigung und bot der Beklagten ihre Revisionstätigkeit mit Schreiben vom 10.6.2009 vergeblich an.
Rz. 3
Das LG hat die Kündigung der Beklagten als gem. § 627 Abs. 1 BGB wirksam angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Das OLG hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen und im Gefolge der in zweiter Instanz erhobenen Widerklage der Beklagten festgestellt, dass der Klägerin aus der Vereinbarung keine weitere Vergütung für das Jahr 2009 zustehe. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage sowie das Begehren auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die zulässige Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis gem. § 627 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt. Bei der Durchführung von internen Revisionsarbeiten handele es sich um Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Es liege kein - dem Kündigungsrecht nach § 627 Abs. 1 BGB entgegenstehendes - dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen vor. Ein "dauerndes Dienstverhältnis" setze voraus, dass die Dienstleistungskapazität (Arbeitskraft) der Klägerin zu einem erheblichen Teil in Anspruch genommen werde; daran fehle es, wenn durch die versprochene Dienstleistung (in einem größeren Unternehmen) die Jahresarbeitskraft von nur zwei Mitarbeitern lediglich zu jeweils etwa einem Zehntel gebunden werde. Zudem sei keine Vereinbarung "fester Bezüge" erfolgt. Dies erfordere eine Vergütung, die ihrem Umfang nach die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz des Dienstverpflichteten bilden könne und in diesem Sinne "erheblich" sei, wobei maßgeblich auf die Verhältnisse der Klägerin als dienstverpflichtetes Unternehmen, nicht hingegen auf die Verhältnisse der konkret für die Dienstleistung eingesetzten Mitarbeiter der Klägerin, abgestellt werden müsse. Für die Klägerin seien jährliche Einnahmen (Umsatzerlöse) von 63.000 EUR bis 65.000 EUR nicht von einer derartigen Erheblichkeit. Überdies sei von dem Vertragsverhältnis der Parteien auch nicht die konkrete wirtschaftliche Existenz eines Mitarbeiters der Klägerin betroffen. Hiernach sei dem Schutz der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten der Vorrang einzuräumen.
II.
Rz. 7
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin (§§ 611, 615 BGB) verneint, weil die Beklagte das Vertragsverhältnis gem. § 627 Abs. 1 BGB wirksam gekündigt habe.
Rz. 8
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Vereinbarung über die Durchführung der internen Revision in den deutschen Standorten des Unternehmens der Beklagten als einen Vertrag über die Leistung höherer Dienste angesehen, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Hiergegen erhebt die Revision auch keine Einwände.
Rz. 9
Bei der Beurteilung, ob ein Dienstverhältnis der vorbezeichneten Art vorliegt, kommt es, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, entscheidend darauf an, ob die versprochenen qualifizierten Dienste im Allgemeinen, ihrer Art nach, nur kraft besonderen Vertrauens in die Person des Dienstverpflichteten übertragen werden; hierbei ist auf die typische Lage, nicht auf das im konkreten Einzelfall entgegengebrachte Vertrauen abzustellen (BGH, Urt. v. 18.10.1984 - IX ZR 14/84, NJW 1986, 373 m.w.N.; RGZ 146, 116, 117). Das von § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzte generelle persönliche Vertrauen kann auch dann vorliegen, wenn es sich bei dem Dienstverpflichteten - wie hier - um eine juristische Person handelt (BGH, Urt. v. 8.10.2009 - III ZR 93/09, NJW 2010, 150, 152 Rz. 19 m.w.N.; vgl. auch BGH vom 9.6.2011 - III ZR 203/10, BeckRS 2011, 16921, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Letzteres kommt insb. in den Fällen in Betracht, in denen die Dienstleistung den persönlichen Lebens- oder Geschäftsbereich des Dienstberechtigten betrifft und daher in besonderem Maße Diskretion erfordert (Henssler in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 627 Rz. 2 und 19), so etwa dann, wenn der Dienstverpflichtete im Rahmen einer steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Tätigkeit Einblick in die Geschäfts-, Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Dienstberechtigten erlangt (s. dazu BGH, Urt. v. 31.3.1967 - VI ZR 288/64, BGHZ 47, 303, 305 f; vom 19.11.1992 - IX ZR 77/92, NJW-RR 1993, 374 m.w.N.; v. 11.2.2010 - IX ZR 114/09, NJW 2010, 1520, 1521 Rz. 9 m.w.N.). Bei der Beauftragung mit derartigen Dienstleistungen legt der Dienstberechtigte typischerweise einen gesteigerten Wert auf die persönliche Zuverlässigkeit, Loyalität und Seriosität des Dienstverpflichteten; beauftragt er eine juristische Person, so bezieht sich sein damit verbundenes persönliches Vertrauen auf eine entsprechende Auswahl, Zusammensetzung und Überwachung ihrer Organe und Mitarbeiter.
Rz. 10
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, bei dem Vertrag zwischen den Parteien handele es sich nicht um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen.
Rz. 11
a) Entgegen der Ansicht der Revision genügt es für die in § 627 Abs. 1 BGB geregelte negative Voraussetzung des Kündigungsrechts nicht, dass nur eines der Merkmale "dauerndes Dienstverhältnis" und "feste Bezüge" erfüllt ist; vielmehr müssen beide Merkmale - kumulativ - vorliegen, weil sie als gemeinschaftliche Bestandteile der negativen Voraussetzung und aufeinander bezogen zu verstehen sind. Dies entspricht der Rechtsprechung des RG (RGZ 80, 29; 146, 116, 117), des BGH (s. etwa BGH, Urt. v. 31.3.1967, a.a.O., S. 305; v. 13.1.1993 - VIII ZR 112/92, NJW-RR 1993, 505) und des BAG (BAG NJW 2006, 3453, 3454 Rz. 10) sowie der nahezu einhelligen Ansicht im Schrifttum (Bamberger/Roth/Fuchs, BGB, 2. Aufl., § 627 Rz. 5; Erman/Belling, BGB, 13. Aufl., § 627 Rz. 5; s. auch Henssler in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 12 und Staudinger/Preis, BGB [2002], § 627 Rz. 17, die freilich eine teleologische Reduktion des § 627 Abs. 1 BGB für bestimmte Fälle erwägen, in denen ein dauerndes Dienstverhältnis ohne feste Bezüge vereinbart worden ist). Die Notwendigkeit der Erfüllung beider Merkmale ergibt sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung ("dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen"), der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (in den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind als Beispiele für ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" die Tätigkeiten des Leibarztes, Hofmeisters und Syndikus genannt; Mugdan II S. 913, 1256) und dem Zweck des Kündigungsrechts in § 627 Abs. 1 BGB. Dieser besteht darin, dass die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Vertragsteils bei ganz auf persönliches Vertrauen ausgerichteten Dienstverhältnissen im weitesten Ausmaß gewährleistet werden soll; die Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten tritt nur dort zurück, wo der Dienstverpflichtete auf längere Sicht eine ständige Tätigkeit zu entfalten hat und hierfür eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung erhält, so dass auf dessen Seite ein schutzwürdiges und überwiegendes Vertrauen auf Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz begründet wird (s. BGH, Urt. v. 18.10.1984, a.a.O.; vom 13.1.1993, a.a.O., S. 506 und vom 11.2.2010, a.a.O., S. 1521 Rz. 19 f; BAG, a.a.O., S. 3454 Rz. 17).
Rz. 12
b) Bei der näheren Bestimmung dessen, was unter einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu verstehen ist, ist neben dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung (BGH, Urt. v. 31.3.1967, a.a.O., S. 305; Henssler in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 13; Staudinger/Preis, a.a.O., Rz. 15) der Gesetzeszweck der Gewährleistung der persönlichen Entschließungsfreiheit einerseits und des Schutzes des Vertrauens auf Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch eine auf Dauer vereinbarte feste Entlohnung andererseits maßgeblich zu berücksichtigen.
Rz. 13
Hiernach muss ein Dienstverhältnis, um ein "dauerndes" zu sein, die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten zwar nicht vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen; es setzt auch keine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten voraus (BGH, Urt. v. 9.3.1995 - III ZR 44/94, NJW-RR 1995, 1058, 1059; BGH, Urt. v. 31.3.1967, a.a.O., S. 306; v. 8.3.1984 - IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280, 282 f; vom 1.2.1989 - IV ZR 354/87, BGHZ 106, 341, 346 und vom 19.11.1992, a.a.O.; BAG, a.a.O., S. 3454 Rz. 16). Allerdings muss eine gewisse persönliche Bindung zwischen den Vertragsparteien bestehen, an der es fehlt, wenn ein Dienstleistungsunternehmen seine Dienste einer großen, unbestimmten und unbegrenzten Zahl von Interessenten anbietet (Senatsurteil vom 9.3.1995, a.a.O.; BGH, Urt. v. 1.2.1989, a.a.O.; Henssler in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 15). Dementsprechend ist es, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, im Regelfall erforderlich, dass das Dienstverhältnis die sachlichen und persönlichen Mittel des Dienstverpflichteten nicht nur unerheblich beansprucht (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2010, a.a.O., S. 1522 Rz. 27). Der grundlegende Gedanke, dass das "dauernde Dienstverhältnis" eine gewisse wirtschaftliche Erheblichkeit und persönliche Bindung für den Dienstverpflichteten mit sich bringen muss, um ein schützenswertes und überwiegendes Vertrauen auf seiner Seite begründen zu können, spiegelt sich auch in dem Erfordernis der Vereinbarung "fester Bezüge" wider. Hierzu bedarf es der Festlegung einer Regelvergütung, mit der ein in einem dauernden Vertragsverhältnis stehender Dienstverpflichteter als nicht unerheblichen Beitrag zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz rechnen und planen darf (s. dazu BGH, Urt. v. 19.11.1992, a.a.O., S. 375; vom 13.1.1993, a.a.O.; v. 23.2.1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1430 und vom 11.2.2010, a.a.O., S. 1521 Rz. 20; RGZ 146, 116, 117).
Rz. 14
c) Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht bei der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung (BGH, Urt. v. 31.3.1967, a.a.O., S. 305; RGZ 146, 116, 117) beachtet. Angesichts der Größe des von der Klägerin betriebenen Wirtschaftsprüfungsunternehmens, des vergleichsweise geringen Umfangs der Inanspruchnahme seiner persönlichen und sachlichen Mittel sowie der Höhe der vereinbarten Vergütung hat es das für ein "dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen" i.S.v. § 627 Abs. 1 BGB erforderliche gewisse Maß an wirtschaftlicher Erheblichkeit und persönlicher Bindung, welches mit dem Dienstvertragsverhältnis für die Klägerin verbunden sein muss, verneint und mithin der Entschließungsfreiheit der Beklagten gegenüber dem Vertrauen der Klägerin auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses und die Erzielung der verabredeten Einkünfte den Vorrang eingeräumt. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden und hiergegen bringt die Revision auch nichts Konkretes vor.
Fundstellen
Haufe-Index 2765806 |
DB 2011, 2428 |
DStR 2012, 152 |
DStRE 2012, 524 |