Leitsatz (amtlich)
Der Bezeichnung „Sparvorwahl” für die Netzvorwahl eines Anbieters von Telefongesprächen im Festnetz im Call-by-Call-Verfahren entnimmt der durchschnittlich aufmerksame, informierte, verständige Verbraucher erfahrungsgemäß nur, daß er bei Inanspruchnahme dieser Dienstleistung Geld sparen kann, weil es sich um einen im Verhältnis zu dem Preisniveau auf dem Markt niedrigen Preis handelt. Ohne eine Bezugnahme auf sämtliche Wettbewerber wird der Verbraucher den Begriff „Sparvorwahl” nicht dahin verstehen, der Anbieter wolle zum Ausdruck bringen, preisgünstiger als die gesamte Konkurrenz zu sein. Bei diesem Verständnis der Werbung fehlt es an einer Irreführung der Verbraucher, wenn das beworbene Angebot günstiger ist als der Tarif des Marktführers.
Normenkette
UWG § 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. März 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. August 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, ist das größte deutsche Unternehmen im Telekommunikationsbereich. Die Beklagte ist die MobilCom Communikationstechnik GmbH. Diese bietet als Verbindungsnetzbetreiberin zu einem Einheitspreis pro Minute Telefongespräche im Festnetz an. Zur Nutzung des Angebots muß der Kunde die Netzvorwahl der Beklagten vor jedem Telefongespräch wählen (sogenanntes Call-by-Call-Verfahren).
In der Zeitschrift „Der Spiegel” vom 5. Oktober 1998 warb die Beklagte – wie nachstehend im Klageantrag verkleinert und schwarz-weiß wiedergegeben – für ihre Netzvorwahl „01019” unter anderem wie folgt:
„3,3 Mio telefonieren schon mit 01019 rund um die Uhr für 19 Pf/Min.
Und Sie? Was haben Sie in letzter Zeit gewählt? Hoffentlich die 01019. Dann telefonieren und sparen Sie nämlich mit dem einfachsten Tarif Deutschlands. Einfach die 01019 Sparvorwahl vor jedem Ferngespräch wählen. Ohne Anmeldung, gleich lostelefonieren. Oder noch besser, Ihren Anschluß von der Telekom für 01019 freischalten lassen. Dann telefonieren sie noch günstiger. …”
Die Klägerin hat die Werbung als irreführend beanstandet. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte erwecke mit der Bezeichnung „Sparvorwahl” den Eindruck, der Kunde könne bei ihr stets und in jedem Fall günstiger telefonieren als bei der Konkurrenz. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Verbindungsnetzbetreiberkennzahl 01019 als „Sparvorwahl” zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen, wie nachstehend wiedergegeben:
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine Irreführung des Verkehrs in Abrede gestellt und vorgetragen, die Angabe „Sparvorwahl” bezeichne nur die Preisgünstigkeit ihres Angebots. Bei dessen Nutzung könnten die Kunden im Verhältnis zur Klägerin und auch zu weiteren Anbietern Gebühren sparen. Die Bezeichnung „Sparvorwahl” besage dagegen nicht, die Kunden könnten bei Inanspruchnahme ihrer Netzvorwahl immer kostengünstiger als bei den Wettbewerbern telefonieren.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist erfolglos geblieben (OLG Köln CR 2001, 26).
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Der Unterlassungsanspruch sei wegen Irreführung aus § 3 UWG gerechtfertigt. Ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde den Hinweis „einfach die 01019 Sparvorwahl vor jedem Ferngespräch wählen” so verstehen, daß die Beklagte über ihre Netzvorwahl 01019 durchweg oder jedenfalls überwiegend günstigere Tarife als die gesamte Konkurrenz anbiete und der Kunde Geld spare, wenn er die Dienstleistung der Beklagten statt ihrer Wettbewerber in Anspruch nehme. Das Angebot der Beklagten möge zwar günstiger sein als die Tarife der Klägerin. Andere Wettbewerber böten jedoch bei Ferngesprächen (deutlich) günstigere Tarife als die Beklagte an. Die beanstandete Werbung sei geeignet, die angesprochenen Verbraucher in ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistungen der Beklagten zu beeinflussen. Die Beklagte habe auch ohne weiteres die Möglichkeit, den Verbraucher zutreffend über ihre Tarife zu informieren und eine Irreführung des Verkehrs zu vermeiden.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG nicht zu.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verbraucher würden die Bezeichnung der Netzvorwahl der Beklagten als „Sparvorwahl” dahin verstehen, die Beklagte biete durchweg oder jedenfalls überwiegend günstigere Tarife als die gesamte Konkurrenz an, widerspricht der Lebenserfahrung. Das Berufungsgericht hat zu hohe Anforderungen an die Günstigkeit eines Preises bei der Werbung mit der Bezeichnung „Sparvorwahl” gestellt.
Bei dem Verständnis des Begriffs „Sparvorwahl” geht das Berufungsgericht davon aus, mit ihrer Werbung nehme die Beklagte bezogen auf die Preisgünstigkeit ihres Tarifs für sich eine Sonderstellung gegenüber allen am Markt befindlichen Mitbewerbern in Anspruch. Der Bezeichnung der Netzvorwahl der Beklagten als „Sparvorwahl” ist diese Behauptung jedoch nicht zu entnehmen. Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund des Gesamteindrucks der Anzeige versteht. Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist auf einen situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 – Elternbriefe; Urt. v. 20.12.2001 – I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 716 = WRP 2002, 977 – Scanner-Werbung). Da es um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs geht, hat das Berufungsgericht das Verständnis der Werbung ersichtlich aufgrund der Lebenserfahrung ermittelt. Die Beurteilung des Verkehrsverständnisses der Werbung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht darauf überprüfen, ob die Feststellung des Verkehrsverständnisses mit der Lebenserfahrung vereinbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2001 – I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen).
Der Bezeichnung „Sparvorwahl” ist nach dem Wortsinn nur zu entnehmen, daß der Verbraucher bei Inanspruchnahme der Dienstleistung der Beklagten Geld sparen kann, weil es sich um einen im Verhältnis zu dem Preisniveau auf dem Markt niedrigen Preis handelt. Der Begriff „Sparvorwahl”, der keinen Superlativ enthält, besagt dagegen nicht, daß es sich um den (annähernd) niedrigsten Preis schlechthin handelt (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.10.1984 – I ZR 129/82, GRUR 1985, 392, 393 = WRP 1985, 74 – Sparpackung; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 871; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 275; enger: Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 3 Rdn. 385).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weiß der angesprochene Verbraucher, daß es auf dem Telekommunikationssektor zahlreiche weitere Anbieter gibt und diese in hartem Wettbewerb stehen, die Preise in den Medien ständig verglichen werden und dies auch schon zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige der Beklagten im Oktober 1998 der Fall war. Ohne ausdrückliche oder schlüssige Bezugnahme auf sämtliche Wettbewerber – woran es in der vorliegenden Werbung fehlt – wird der Verkehr die Bezeichnung „Sparvorwahl” somit nicht dahin verstehen, die Beklagte wolle zum Ausdruck bringen, preisgünstiger als die gesamte Konkurrenz zu sein. Dem Kunden wird vermittelt, daß er bei Einsatz der genannten Vorwahl Geld sparen kann, das er mehr aufbieten muß, wenn er sich bei Ferngesprächen beispielsweise allein des Festnetzes der Klägerin bedient. Das wird durch die Empfehlung verdeutlicht, daß er sich den Anschluß am besten von der Telekom für die beworbene Nummer freischalten lassen solle. Auf einen Sparvergleich mit anderen Verbindungsnetzbetreibern, die ebenfalls das Call-by-Call-Verfahren anbieten, stellt die angegriffene Werbung nicht ab.
2. Erschöpft sich der Begriff „Sparvorwahl” in der angegriffenen Werbung der Beklagten in dieser Aussage, ist die Werbung nicht irreführend i.S. von § 3 UWG. Bei diesem Verständnis fehlt es an einer Irreführung der Verbraucher, weil das beworbene Angebot der Beklagten günstiger ist als der Tarif der Klägerin, die Marktführerin ist. Das Berufungsgericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich ausgeführt, die Tarife der Beklagten mögen gegenüber denen der Klägerin derzeit günstiger sein. Eine Zurückverweisung der Sache ist gleichwohl nicht erforderlich. Der Senat kann die notwendigen Feststellungen anhand des unstreitigen Sachverhalts und des Vortrags der Klägerin selbst treffen.
Nach dem Akteninhalt und der von der Klägerin im Verfahren der einstweiligen Verfügung der Parteien vorgelegten Tarifübersicht waren die Tarife der Klägerin zum Zeitpunkt des Erscheinens der in Rede stehenden Anzeige bei „RegioCall”-Verbindungen – das waren Inlandsgespräche im Bereich bis 50 km, die nicht zum Tarifbereich „CityCall” der Klägerin gehörten – werktags in der Zeit zwischen 9.00 und 18.00 Uhr mit 0,24 DM bis 0,276 DM/Minute teurer als die Telefongespräche mit der Netzvorwahl der Beklagten, die zu diesem Zeitpunkt 0,19 DM/Minute kosteten. Bei Ferngesprächen über diesen Tarifbereich hinaus („GermanCall”) lag der Preis der Klägerin werktags mit Ausnahme des Zeitraums von 2.00 bis 5.00 Uhr und an Samstagen und Sonntagen insgesamt über dem von der Beklagten geforderten Preis. Das von der Klägerin verlangte Entgelt betrug werktags in der Zeit von 21.00 bis 2.00 Uhr 0,20 DM/Minute, in der Zeit zwischen 5.00 und 9.00 Uhr sowie 18.00 und 21.00 Uhr 0,32 DM/Minute und in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr zwischen 0,51 DM und 0,55 DM/Minute. An Samstagen und Sonntagen forderte die Klägerin für Telefongespräche in der Zeit zwischen 21.00 und 5.00 Uhr 0,20 DM/Minute und in der Zeit zwischen 5.00 und 21.00 Uhr 0,24 DM/Minute. In Anbetracht dieser Differenzen zwischen den Preisen der Parteien zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige der Beklagten – die Beklagte forderte 0,19 DM/Minute – war die Beklagte bei Ferngesprächen nahezu durchgängig preisgünstiger als die Klägerin.
Daran änderte sich – soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat – Entscheidendes auch nicht in der Folgezeit. Nach den ab 1. Januar 1999 gültigen Tarifen waren Ferngespräche bei der Klägerin bei Regionalverbindungen werktags in der Zeit von 9.00 bis 18.00 Uhr mit 0,24 DM/Minute und bei Deutschlandverbindungen im selben Zeitraum mit 0,36 DM/Minute und bei ISDN-Anschlüssen mit 0,24 DM/Minute teurer als bei der Beklagten unter Benutzung der beworbenen Netzvorwahl.
Ein Tarifvergleich ab April 1999 erübrigt sich. Die Beklagte berechnete seit Anfang April 1999 für Ferngespräche bundesweit je Minute in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr 0,12 DM, von 19.00 bis 22.00 Uhr 0,08 DM und von 22.00 bis 7.00 Uhr 0,04 DM. Gegenstand des Antrags ist allein die Verwendung des Begriffs „Sparvorwahl” für die 01019 Vorwahl bei einem einheitlichen Tarif der Beklagten von 19 Pf/Min.
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben, auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Unterschriften
Ullmann, Bornkamm, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
BGHR 2003, 337 |
BGHR |
NJW-RR 2003, 1039 |
CR 2003, 258 |
EWiR 2003, 389 |
GRUR 2003, 361 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2003, 587 |
WRP 2003, 1224 |
K&R 2003, 140 |
MMR 2003, 258 |
Mitt. 2003, 226 |