Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch bei unberechtigter Eigentumsberühmung an einem Gemälde. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Unterlassungsklage wegen Eigentumsbeeinträchtigung, die ein im EU-Ausland wohnender Beklagter im Inland beging
Leitsatz (amtlich)
a) Für Unterlassungsklagen wegen einer Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 1004 BGB (hier: Eigentumsberühmung), die ein im EU-Ausland wohnender Beklagter im Inland begangen hat und deren Wiederholung droht, sind die deutschen Gerichte international zuständig gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.
b) Berühmt sich jemand nicht ggü. dem wahren Eigentümer, sondern ggü. außen stehenden Dritten, er sei Eigentümer einer Sache, kann sich der dadurch in seinem Eigentum Betroffene mit der Unterlassungsklage gem. § 1004 BGB wehren.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2; Brüssel I-VO Art. 5 Nr. 3
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 23.09.2003; Aktenzeichen 12 U 42/03) |
LG Ravensburg (Urteil vom 07.02.2003; Aktenzeichen 4 O 354/02) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 23.9.2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, der im Besitz einer bedeutenden Kunstsammlung ist, erwarb im Jahr 1983 das von O. S. im Jahr 1931 gemalte Bild "Rote Mitte" von einer deutschen Galerie, die das Werk im Jahr 1959 im Rahmen einer Auktion in den Vereinigten Staaten ersteigert hatte. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass der Kläger - zumindest durch Ersitzung nach § 937 BGB - Eigentümer des Bildes ist, selbst wenn das Werk dem Künstler während der Zeit des Nationalsozialismus widerrechtlich entzogen worden sein sollte.
Die Mutter des Beklagten gehört zusammen mit der Streithelferin des Klägers zur Erbengemeinschaft O. S. Der Beklagte, der in Belangen der Erbschaft die Interessen seiner Mutter vertritt, hat in einem als "vertraulich" gekennzeichneten, an einen Kunstverlag gerichteten Schreiben, das den Briefkopf "O. S. Sekretariat und Archiv ..." trägt, geäußert, der "Familiennachlass O. S." sei Eigentümer des Bildes "Rote Mitte". Der hiervon durch den Kunstverlag unterrichtete Kläger verlangt von dem Beklagten, diese Behauptung zu unterlassen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Vergeblich rügt die Revision im Hinblick auf den Wohnsitz des Beklagten in Italien die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Zuständigkeit für den Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, der seit dem 1.3.2002 in Kraft ist und daher auf die im August 2002 erhobene Klage Anwendung findet.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH) legt den Begriff der "unerlaubten Handlung" und der "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist", autonom und sehr weit aus. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft (EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - C 167/00, NJW 2002, 3617 [3618], Tz. 36 m.w.N.). Abzugrenzen ist die unerlaubte Handlung ebenso wie die ihr gleichgestellte Handlung von einem Vertrag, d.h. von einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung. Hierunter fallen daher neben quasi-negatorischen Ansprüchen im Wettbewerbs- und im Immaterialgüterrecht gerade auch Ansprüche aus § 1004 BGB, die eine Schadensentstehung durch Eigentumsbeeinträchtigungen verhindern bzw. zu deren Beseitigung dienen sollen (Rauscher, Europäisches Zivilrecht Art. 5 Brüssel I VO Rz. 79, 80, m.w.N.).
b) Durch die Formulierung "einzutreten droht" am Ende von § 5 Nr. 3 EuGVVO wird klargestellt, dass die Anwendung der Norm nicht von dem Vorliegen eines Schadens abhängt und daher auch eine vorbeugende Unterlassungsklage unter die Norm fällt (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Anh. I Art. 5 EuGVVO Rz. 25, m.w.N.). Der EuGH (EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - C 167/00, NJW 2002, 3617 [3618], Tz. 48, 49) hat bereits die Vorgängernorm (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) dahin ausgelegt, dass deren Anwendbarkeit nicht von dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens abhängig sei, obwohl im Text des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ein erst drohender Schadenseintritt nicht aufgeführt war. Der EuGH hat dabei zur Begründung seiner Entscheidung auf den nunmehr geltenden Art. 5 Nr. 3 EuGVVO verwiesen (EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - C 167/00, NJW 2002, 3617 [3618], Tz. 49).
c) Der Senat ist nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gem. Art. 234 Abs. 3 EG verpflichtet.
Der Vorlage bedarf es dann nicht, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage für den betreffenden Streitfall kein Raum bleibt, wobei das innerstaatliche Gericht einen Fall der Offenkundigkeit nur annehmen darf, wenn es überzeugt ist, dass auch für Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit besteht (EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - C-283/81, NJW 1983, 1257 [1258]). So liegt es hier. Angesichts der Begründung der Entscheidung des EuGH v. 1.10.2002 (EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - C 167/00, NJW 2002, 3617 [3618], Tz. 49) ist die erforderliche Offenkundigkeit der Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Unterlassungsklage gegeben.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht in dem Schreiben des Beklagten an den Kunstverlag W. GmbH nicht nur ein schlichtes Bestreiten des Eigentums, das einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB im Allgemeinen nicht auslösen kann (zu weitgehend Medicus in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1004 Rz. 29), sondern eine den Kläger beeinträchtigende Eigentumsanmaßung gesehen, der dieser mit einer gegen den Beklagten als Störer gerichteten Unterlassungsklage gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB begegnen kann.
a) In der Äußerung des Beklagten, der Familiennachlass O. S. sei Eigentümer des Bildes, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Interessenvertreter seiner Mutter in der Nachlassangelegenheit unter dem Briefkopf "O. S. Sekretariat und Archiv ..." ggü. dem Kunstverlag W. GmbH gemacht hat, liegt eine das Eigentum des Klägers beeinträchtigende Eigentumsberühmung. Gerade in Kunstkreisen ist eine derartige Äußerung geeignet, den Kläger in seinen Rechten gem. § 903 BGB, mit dem Bild nach seinem Belieben zu verfahren, nachhaltig zu beeinträchtigen.
Entgegen der Ansicht der Revision steht der Annahme einer Eigentumsberühmung nicht entgegen, dass der Beklagte nicht geltend macht, selbst Eigentümer des Bildes zu sein, sondern diese Rechtsberühmung zu Gunsten des Nachlasses ausgesprochen hat, an dem er nicht beteiligt ist. Nimmt der Handelnde, wie hier, das Eigentum zu Gunsten konkreter, namentlich benannter Personen in Anspruch, mit denen er nicht nur familiär eng verbunden ist, sondern deren Eigentumsrechte er zudem nach Außen vertritt, beeinträchtigt dies das Recht des wahren Eigentümers ebenso, als wenn er sich das Eigentum selbst angemaßt hätte.
b) Zu Unrecht meint die Revision, eine derartige Rechtsberühmung begründe keinen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB. Zwar kann sie sich hierfür auf Stimmen im Schrifttum berufen (Soergel/Mühl, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rz. 30; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rz. 38; Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 1004 Rz. 11, jeweils m.w.N.). Diesen ist das Berufungsgericht aber mit Recht nicht gefolgt. Nach dessen zutreffender Ansicht löst nicht jede Berühmung einen Abwehranspruch aus; wohl aber kann der Eigentümer derartige die dingliche Rechtslage falsch darstellende Äußerungen verbieten lassen, die ggü. Dritten fallen (s. hierzu Staudinger/Gursky, BGB, 1999, § 1004 Rz. 31; Bauer/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 12 Rz. 6). Denn dadurch wird er nicht nur unmittelbar in seiner Eigentümerstellung betroffen, er kann die Beeinträchtigung auch nicht anders als durch eine Unterlassungsklage verhindern. Mit einer ggü. dem Störer erhobenen Feststellungsklage könnte er weiteren Rechtsberühmungen nicht wirksam entgegenwirken.
c) Unentschieden bleiben kann entgegen der Ansicht der Revision, ob es sich bei der Äußerung des Beklagten um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt. Angesichts des Eigentums des Klägers wäre, wie aus Art. 5 Abs. 2 GG folgt, eine das Eigentum beeinträchtigende Äußerung auch vom Recht auf Meinungsfreiheit nicht umfasst.
Fundstellen
Haufe-Index 1471663 |
NJW 2006, 689 |
BGHR 2006, 386 |
GRUR 2006, 351 |
WM 2006, 350 |
WuB 2006, 443 |
MDR 2006, 692 |
RIW 2006, 310 |
VersR 2006, 566 |
WRP 2006, 374 |
GuT 2006, 88 |
ELF 2006, 4 |
EuLF 2006, 27 |