Entscheidungsstichwort (Thema)
Oder-Konto. Nicht börsentermingeschäftsfähiger Mitinhaber. Anspruch auf Stornierung von Belastungsbuchungen. Debitorisches Konto. Börsentermingeschäftsfähiger Mitanhaber. Verbindlicher Abschluss von Geschäften mit Verbuchung auf dem Oder-Konto. Wirksamer vorbehaltloser Ausgleich eines debitorischen Saldos bei Kontoauflösung
Leitsatz (amtlich)
a) Der nicht börsentermingeschäftsfähige Mitinhaber eines Gemeinschaftsgirokontos mit Einzelverfügungsbefugnis (Oder-Konto) kann vom kontoführenden Kreditinstitut die Stornierung von Belastungsbuchungen aus vom anderen börsentermingeschäftsfähigen Kontomitinhaber abgeschlossenen Börsentermingeschäften verlangen, soweit das Konto aufgrund dieser Buchungen, auch im Rahmen eines eingeräumten Überziehungskredits, debitorisch wird.
b) Hingegen besteht kein Stornierungsanspruch, soweit die Börsentermingeschäfte für den börsentermingeschäftsfähigen Kontoinhaber verbindlich und die Buchungen durch Kontoguthaben gedeckt sind.
c) Der börsentermingeschäftsfähige Mitinhaber eines Oder-Kontos kann Börsentermingeschäfte, an denen der andere nicht börsentermingeschäftsfähige Kontoinhaber nicht beteiligt ist, verbindlich abschließen. Die Geschäfte werden für ihn durch die Verbuchung auf dem Oder-Konto nicht unverbindlich.
d) Einzahlungen und Überweisungen auf ein Girokonto sind grundsätzlich keine Leistungen zur Erfüllung unklagbarer Ansprüche aus bestimmten, auf dem Konto verbuchten Börsentermingeschäften. Der vorbehaltlose Ausgleich eines debitorischen Saldos kann ausnahmsweise Erfüllungswirkung haben, wenn er aus Anlaß der Kontoauflösung erfolgt.
Normenkette
BGB §§ 428, 607 a.F.; BörsG §§ 53, 55
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 10.04.2001) |
LG Aschaffenburg |
Tenor
Auf die Revision der Widerbeklagten zu 3) wird das Grund- und Endurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. April 2001 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Widerbeklagten zu 3) erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Anschlußrevision der Beklagten zu 1) wird, soweit darüber nicht bereits durch Nichtannahmebeschluß vom 9. April 2002 rechtskräftig entschieden ist, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Widerbeklagte zu 3) nimmt die Beklagte zu 1), eine Sparkasse, im Revisionsverfahren noch auf Stornierung von Buchungen auf einem Girokonto, auf Neuberechnung des Kontos und auf Zahlung von 665.180 DM in Anspruch.
Die Widerbeklagte zu 3) und ihr Ehemann, der Widerbeklagte zu 2), unterhielten bei der Beklagten zu 1) ein Gemeinschaftsgirokonto mit Einzelverfügungsbefugnis (Oderkonto), auf dem ihnen ein Überziehungskredit bis zu 10.000 DM eingeräumt war. Die Beklagte zu 1) führte außerdem das Geschäftskonto der Klägerin, einer GmbH, deren Geschäftsführer der Widerbeklagte zu 2) war.
Der Widerbeklagte zu 2) wickelte über das Oderkonto in der Zeit vom 19. März 1993 bis zum 16. Februar 1995 zahlreiche Devisentermingeschäfte ab, die zu einem Verlust von insgesamt 665.180 DM führten. Er unterzeichnete eine Unterrichtungsschrift der Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 BörsG, die das Datum des 24. Februar 1993 trägt. Eine weitere Unterrichtungsschrift unterzeichnete er erst am 9. September 1994. Die Beklagte zu 1) nahm vier Umbuchungen in Höhe von insgesamt 613.100 DM vom Geschäftskonto der Klägerin auf das Oderkonto der Widerbeklagten zu 2) und 3) vor, und zwar am 30. September 1994 bei einem Sollsaldo des Oderkontos von 328.998,92 DM eine Umbuchung von 350.000 DM, am 30. November 1994 bei einem Sollsaldo von 67.923,76 DM eine Umbuchung von 70.000 DM, am 28. März 1995 bei einem Sollsaldo von 45.963,21 DM eine Umbuchung von 48.800 DM und am 31. März 1995 bei einem Sollsaldo von 145.963,21 DM eine Umbuchung von 144.300 DM. Die Umbuchung von 144.300 DM führte zusammen mit der vorangegangenen Umbuchung von 48.800 DM zu einer Tilgung des Sollsaldos.
Am 23. Mai 1996 kündigte die Beklagte zu 1) bei einem Sollsaldo des Geschäftskontos in Höhe von 483.832,56 DM die Geschäftsverbindung mit der Klägerin.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 2), ein Angestellter der Beklagten zu 1), habe die Umbuchungen in Höhe von insgesamt 613.100 DM eigenmächtig vorgenommen. Mit ihrer Klage hat sie die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Rückbuchung der vier umgebuchten Beträge sowie zur Neuberechnung des Geschäftskontos und die Verurteilung des Beklagten zu 2) zur Zahlung von 613.100 DM an die Beklagte zu 1) zur Gutschrift auf dem Geschäftskonto begehrt. Die Beklagte zu 1) hat widerklagend die Klägerin aufgrund des Sollsaldos des Geschäftskontos und die Widerbeklagten zu 2) und 3) aufgrund von Bürgschaften vom 15. Januar 1993 auf Zahlung von 100.000 DM in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2) und 3) haben mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Ferner hat die Widerbeklagte zu 3) die Beklagte zu 1) im Wege der Widerwiderklage aus eigenem und abgetretenem Recht des Widerbeklagten zu 2) auf Neuberechnung des Oderkontos unter Eliminierung aller Soll- und Habenbuchungen aus Devisentermingeschäften und auf Zahlung von 665.180 DM in Anspruch genommen. Zur Begründung hat sie die Unverbindlichkeit der Devisentermingeschäfte und Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung und Aufklärung geltend gemacht.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin und des Widerbeklagten zu 2) zurückgewiesen. Die Widerklage der Beklagten zu 1) gegen die Widerbeklagte zu 3) hat es abgewiesen. Ferner hat es die Beklagte zu 1) verurteilt, das Oderkonto, bezogen auf die Widerbeklagte zu 3), neu zu buchen und zu berechnen, indem hinsichtlich der Devisentermingeschäfte Kontobelastungen eines Tages, die im Tagessaldo zu einem Sollsaldo führten, der Kontostand auf Null zu setzen ist, aus Devisentermingeschäften entstandene positive Tagessalden zu eliminieren sind, es sei denn, die entsprechenden Guthaben waren bei später aus Devisentermingeschäften fällig werdenden Verpflichtungen noch auf dem Oderkonto vorhanden und die Habenposten aus den vier Umbuchungen vom Geschäftskonto in Höhe von 328.998,92 DM, 70.000 DM, 48.800 DM und 144.300 DM zu stornieren sind. Den Zahlungsanspruch der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1) hat das Berufungsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit er auf Auszahlung eines aus der Neuberechnung des Oderkontos resultierenden Guthabens gerichtet ist. Die weitergehende Widerwiderklage der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1) hat das Berufungsgericht abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Widerbeklagte zu 3) ihren Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auf Neuberechnung des Oderkontos und auf Zahlung von 665.180 DM in vollem Umfang weiter. Der Widerbeklagte zu 2) erstrebt die Abweisung der gegen ihn gerichteten Zahlungsklage. Die Beklagte zu 1) wendet sich mit der unselbständigen Anschlußrevision gegen die Abweisung ihrer Widerklage gegen die Widerbeklagte zu 3) sowie gegen die Verurteilung zur teilweisen Neuberechnung des Oderkontos und zur Auszahlung eines daraus resultierenden Guthabens. Der Senat hat die Revision der Widerbeklagten zu 3) in vollem Umfang und die Anschlußrevision der Beklagten zu 1) insoweit angenommen, als sie den Anspruch der Widerbeklagten zu 3) auf Neuberechnung des Oderkontos und auf Zahlung von 665.180 DM betrifft.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Widerbeklagten zu 3) ist begründet. Sie führt, soweit zum Nachteil der Widerbeklagten zu 3) erkannt worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlußrevision der Beklagten zu 1) ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung über den Anspruch der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1) auf Neuberechnung des Oderkontos und auf Zahlung von 665.180 DM im wesentlichen wie folgt begründet:
Der Antrag der Widerbeklagten zu 3) erfasse auch die Habenbuchungen auf dem Oderkonto aufgrund der vier Umbuchungen vom Geschäftskonto, die Buchung vom 30. September 1994 jedoch nur in Höhe des damaligen Sollsaldos des Oderkontos in Höhe von 328.998,92 DM.
Der Anspruch der Widerbeklagten zu 3) auf Neuberechnung folge aus dem Girovertrag, der die Beklagte zu 1) zur vertragsgerechten Kontoführung verpflichte. Kontobelastungen durch Verfügungen eines Kontomitinhabers begründeten nicht ohne weiteres Kreditverpflichtungen des anderen Kontomitinhabers. Hierzu sei ein Kreditvertrag mit dem anderen Kontomitinhaber oder eine andere rechtliche Verpflichtung erforderlich, die jedoch nicht vorliege. Demgegenüber bestehe kein Anspruch auf Neuberechnung bezüglich der Belastungen, durch die Guthaben verbraucht worden seien. Zum Verbrauch von Guthaben sei jeder Mitinhaber eines Oderkontos aufgrund seiner Befugnis, ohne den anderen Kontomitinhaber über das Konto zu verfügen, berechtigt.
Die Kontobelastungen im Guthabenbereich könnten nicht mit der Begründung als unverbindlich angesehen werden, die Devisentermingeschäfte seien mangels Termingeschäftsfähigkeit der Widerbeklagten zu 3) unverbindlich. Die Verbindlichkeit der Geschäfte setze nicht die Termingeschäftsfähigkeit aller Kontoinhaber, sondern nur die des Vertragspartners der Geschäfte voraus. Die Widerbeklagte zu 3) sei nicht Vertragspartnerin der Geschäfte gewesen. Der Widerbeklagte zu 2) als Vertragspartner sei aufgrund der Unterzeichnung der Unterrichtungsschriften am 24. Februar 1993 und 9. September 1994 termingeschäftsfähig gewesen. Hinsichtlich der Devisentermingeschäfte vom 5. April 1994 bis zum 7. September 1994 aus der „nicht belehrten Zeit” schließe § 55 BörsG einen Anspruch auf Neuberechnung aus. Die vier Umbuchungen vom Geschäftskonto der Klägerin auf das Oderkonto seien Leistungen aufgrund der Devisentermingeschäfte gewesen, weil der Widerbeklagte zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin sie in Auftrag gegeben habe, um die unvollkommenen Verbindlichkeiten aus diesen Geschäften endgültig auszugleichen.
Die Neuberechnung des Oderkontos könne nur mit Wirkung für die Widerbeklagte zu 3) verlangt werden. Bezüglich des Widerbeklagten zu 2) seien die Kontobelastungen zu Recht erfolgt, weil sie aus den für ihn verbindlichen Devisentermingeschäften herrührten.
Der Zahlungsanspruch der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1) sei dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Neuberechnung des Oderkontos ein Guthaben ergebe. Der weitergehende Zahlungsanspruch sei weder aus eigenem Recht der Widerbeklagten zu 3) gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB noch aus abgetretenem Recht des Widerbeklagten zu 2) wegen fehlerhafter Beratung oder Aufklärung durch die Beklagte zu 1) vor Abschluß der Devisentermingeschäfte begründet. Die notwendige Aufklärung habe der Widerbeklagte zu 2) durch die bankübliche Informationsschrift über die Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften erhalten. Ein Beratungsvertrag sei nicht zustande gekommen. Der Widerbeklagte zu 2) habe nicht den Eindruck vermittelt, Beratungsbedarf zu haben.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Revision der Widerbeklagten zu 3)
a) Anspruch auf Neuberechnung des Kontos
aa) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Antrag der Widerwiderklage der Widerbeklagten zu 3) unzutreffend ausgelegt und die Verurteilung der Beklagten zu 1) zur Neuberechnung des Kontos zu Unrecht auf die vier Umbuchungen vom Geschäftskonto der Klägerin in Höhe von insgesamt 592.098,92 DM erstreckt hat.
Der Klageantrag, der als Prozeßhandlung im Revisionsverfahren uneingeschränkt ausgelegt und frei gewürdigt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 1995 – VIII ZR 267/94, NJW 1995, 2563, 2564 und vom 7. Mai 1998 – I ZR 85/96, NJW 1998, 3350, 3352), erfaßt nur „Soll- wie Habenbuchungen, die aus Devisentermingeschäften resultieren, die über vorgenanntes Konto verbucht wurden”. Dies sind lediglich Buchungen von Ansprüchen, die aus Devisentermingeschäften mit der Beklagten zu 1) resultieren, nicht aber die vier Gutschriften aufgrund von Überweisungen vom Geschäftskonto der Klägerin, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Widerbeklagte zu 2) als damaliger Geschäftsführer der Klägerin in Auftrag gegeben hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Widerbeklagte zu 3) mit ihrem Antrag das Ziel verfolgt, den Debetsaldo auf ihrem Oderkonto durch die Stornierung der vier Gutschriften zu erhöhen.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht die vier Überweisungen als Leistungen im Sinne des § 55 BörsG angesehen hat. Diese Auffassung ist, wie noch dargelegt wird, unzutreffend.
bb) Im Rahmen des Klageantrages steht der Widerbeklagten zu 3) ein Anspruch gemäß § 667 BGB (vgl. BGHZ 121, 98, 106; Schimansky, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 28) auf Stornierung der Belastungsbuchungen aus den Devisentermingeschäften, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht zu, soweit die Geschäfte für den Widerbeklagten zu 2) verbindlich und die Buchungen durch Kontoguthaben gedeckt waren.
(1) Die Beklagte zu 1) ist nicht verpflichtet, Buchungen von Verbindlichkeiten aus Devisentermingeschäften, die der Widerbeklagte zu 2) verbindlich abgeschlossen hat, auf dem kreditorischen Oderkonto zu stornieren. Der Widerbeklagte zu 2) war als Kontomitinhaber selbständig aus eigenem Recht hinsichtlich des gesamten Guthabens forderungsberechtigt (vgl. Senat, Urteil vom 30. Oktober 1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067, 2068; Hadding, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 35 Rdn. 8 m.w.Nachw.). Mit der Belastung des kreditorischen Kontos hat er über eigene Vermögenswerte und nicht etwa über solche der Widerbeklagten zu 2) verfügt. Die vollständige Inanspruchnahme dieser Vermögenswerte und die damit verbundene Reduzierung des Kontostandes auf Null setzt daher, anders als die Bestellung von Sicherheiten für Forderungen aus verbindlichen Börsentermingeschäften durch Dritte (vgl. Senat, Beschluß vom 17. Juli 2001 – XI ZR 15/01, WM 2001, 1714, 1715, zur Veröffentlichung in BGHZ 148, 297 vorgesehen), die Termingeschäftsfähigkeit des anderen Kontomitinhabers nicht voraus.
(2) Die Devisentermingeschäfte, die der Widerbeklagte zu 2) in der Zeit vom 24. Februar 1993 bis zum 24. März 1994 und vom 9. September 1994 bis zum 16. Februar 1995 geschlossen hat, sind für ihn verbindlich, weil er aufgrund der Unterzeichnung von Unterrichtungsschriften der Beklagten zu 1) am 24. Februar 1993 (vgl. zur 13-monatigen Wirkung dieser Unterrichtung: Senat, Beschluß vom 2. Dezember 1997 – XI ZR 121/97, WM 1998, 25; Urteil vom 13. Oktober 1998 – XI ZR 282/97, WM 1998, 2330, 2331) und am 9. September 1994 termingeschäftsfähig war.
(a) Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die Unterzeichnung der Unterrichtungsschrift durch den Widerbeklagten zu 2) am 24. Februar 1993 rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung war, da für das Datum weder die Beweisregel des § 416 ZPO noch die für Privaturkunden geltende Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit eingreift (BGH, Urteil vom 5. Februar 1990 – II ZR 309/88, WM 1990, 638, 640), gemäß § 286 Abs. 1 ZPO festzustellen. Das Berufungsgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, daß der Widerbeklagte zu 2) die auf den 24. Februar 1993 datierte Unterrichtungsschrift an diesem Tag unterschrieben hat. Die darin liegende Feststellung ist angesichts des schriftlich fixierten Datums und mangels einer nachvollziehbaren Erklärung des Widerbeklagten zu 2), aus welchen Gründen dieses Datum nicht zutreffen sollte, rechtsfehlerfrei. Dasselbe gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, der Widerbeklagte zu 2) habe am 9. September 1994 eine weitere Unterrichtungsschrift wirksam unterzeichnet.
(b) Die Unterzeichnung von Unterrichtungsschriften durch den Widerbeklagten zu 2) reicht, anders als die Revision meint, aus, um die Devisentermingeschäfte verbindlich zu machen. Die zusätzliche Unterzeichnung von Unterrichtungsschriften durch die Widerbeklagte zu 3) als Kontomitinhaberin war nicht erforderlich.
In der Literatur ist streitig, welche Mitinhaber eines Oderkontos gemäß § 53 Abs. 2 BörsG zu unterrichten sind, um Börsentermingeschäfte, die über das Oderkonto abgewickelt werden sollen, verbindlich zu machen. Während ein Teil des Schrifttums (Polt, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 7/270; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen Rdn. 482) die Unterrichtung allein des Kontoinhabers, der das Börsentermingeschäft abschließt, ausreichen läßt, fordert ein anderer Teil (Gößmann, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 2/146; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht § 13 Rdn. 68; Allmendinger, in: Allmendinger/Tilp, Börsentermin- und Differenzgeschäfte Rdn. 644; Irmen, in: Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz und Börsengesetz § 53 Rdn. 33; Groß, Kapitalmarktrecht 2. Aufl. § 53 Rdn. 21), daß alle Kontomitinhaber termingeschäftsfähig gemacht werden. Die zuletzt genannten Autoren bringen allerdings nicht eindeutig zum Ausdruck, ob bei Börsentermingeschäftsfähigkeit nur eines Kontoinhabers das Börsentermingeschäft nur für den anderen, nicht börsentermingeschäftsfähigen Kontoinhaber oder auch für den termingeschäftsfähigen Kontoinhaber selbst unverbindlich sein soll.
Im vorliegenden Fall hat allein der Widerbeklagte zu 2) die Devisentermingeschäfte mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen. Die Widerbeklagte zu 3) war nach der rechtsfehlerfreien Feststellung des Berufungsgerichts nicht Vertragspartnerin. Unter diesen Umständen kann kein Zweifel daran bestehen, daß durch den Abschluß der Verträge verbindliche Ansprüche der Beklagten zu 1) gegen den Widerbeklagten zu 2) gemäß § 433 Abs. 2 BGB begründet wurden. Diese sind durch die Verbuchung auf dem Oderkonto nicht unverbindlich geworden.
(3) Hingegen hat die Widerbeklagte zu 3) gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Stornierung der Buchungen aus Devisentermingeschäften, die der Widerbeklagte zu 2) in der Zeit vom 25. März 1994 bis zum 9. September 1994 abgeschlossen hat. Diese Geschäfte sind unverbindlich, weil der Widerbeklagte zu 2) in diesem Zeitraum nicht termingeschäftsfähig war. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, steht dem Stornierungsanspruch § 55 BörsG nicht entgegen. Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sind zur Erfüllung dieser Börsentermingeschäfte nicht erbracht worden.
(a) Die Belastungsbuchungen auf dem Oderkonto, spätere Verrechnungen aufgrund der antizipierten kontokorrentrechtlichen Vereinbarung und Saldoanerkenntnisse durch Schweigen auf die Rechnungsabschlüsse reichen hierfür nicht aus (vgl. Senat BGHZ 147, 152, 156 m.w.Nachw.).
(b) Auch die vier Überweisungen vom Geschäftskonto der Klägerin in der Zeit seit dem 30. September 1994 sind keine Leistungen im Sinne des § 55 BörsG. Einzahlungen auf ein Girokonto kommen grundsätzlich nicht als endgültige Erfüllung unklagbarer Ansprüche aus bestimmten Börsentermingeschäften in Betracht, weil sie nicht zur Tilgung bestimmter kontokorrentgebundener Forderungen dienen, sondern nur Rechnungsposten bei der nächsten Saldierung und Abrechnung des Kontokorrents bilden (Senat, Urteil vom 3. Februar 1998 – XI ZR 33/97, WM 1998, 545, 547). Dies gilt ebenso für Überweisungen.
Die Parteien haben auch keine vorrangige Tilgung der unklagbaren Verbindlichkeiten aus den Devisentermingeschäften vereinbart (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 3. Februar 1998 – XI ZR 33/97 aaO). Vielmehr dienten die Überweisungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich zur Überbrückung der Zeit bis zum Fälligwerden anderweitiger Guthaben und zur Ausnutzung der günstigen Zinskonditionen für Kredite auf dem Geschäftskonto. Sie hatten also nur den Zweck, debitorische Tagessalden abzudecken und die Führung des Oderkontos innerhalb des vereinbarten Kreditrahmens zu ermöglichen.
Das Berufungsgericht beruft sich für seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 9. Januar 2001 (XI ZR 207/00, ZIP 2001, 229, 230 = WM 2001, 352, 353), dem zufolge der vorbehaltlose Ausgleich eines debitorischen Saldos zur endgültigen Erfüllung der in den Saldo eingegangenen unklagbaren Verbindlichkeiten führt. Dies gilt, was das Berufungsgericht verkannt hat, nur für Zahlungen aus Anlaß der Auflösung debitorischer Konten (vgl. auch Senat, Urteil vom 3. Februar 1998 – XI ZR 33/97 aaO), weil die Zahlung dann alle auf dem Konto verbuchten Forderungen ausgleicht. Davon kann hingegen nicht ausgegangen werden, wenn das Konto – wie im vorliegenden Fall – fortgeführt wird. Dann dient die Zahlung nicht der Tilgung aller auf dem Konto verbuchten Verbindlichkeiten, sondern ist – wie dargelegt – nur ein Rechnungsposten beim nächsten Rechnungsabschluß.
(4) Das Berufungsgericht hat den Anspruch gemäß § 667 BGB, soweit es ihn für begründet erachtet hat, nur bezogen auf die Widerbeklagte zu 3), nicht aber bezogen auf den Widerbeklagten zu 2), bejaht. Dies ist rechtsfehlerhaft. Die zu stornierenden Buchungen resultieren zwar teilweise aus Börsentermingeschäften, die für den Widerbeklagten zu 2) verbindlich sind. Das Oderkonto kann aber nur für beide Kontoinhaber einheitlich und nicht für jeden unterschiedlich geführt werden.
Welche Ansprüche in ein als Kontokorrent geführtes Girokonto einzustellen sind, richtet sich nach den Vereinbarungen der Girovertragsparteien (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. § 355 Rdn. 5). Bei einem Oderkonto, d.h. einem Gemeinschaftskonto, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß nur solche Belastungsbuchungen vorgenommen werden sollen, die beide Kontoinhaber gegen sich gelten lassen müssen. Da Anhaltspunkte für eine abweichende Parteivereinbarung weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen sind, darf das einheitlich zu führende Oderkonto nicht mit Ansprüchen belastet werden, die nur für den Widerbeklagten zu 2), nicht aber für die Widerbeklagte zu 3) verbindlich sind. Die Widerbeklagte zu 3) hat demnach bezogen auf beide Kontoinhaber Anspruch auf Stornierung aller Belastungsbuchungen aus Devisentermingeschäften, soweit diese für den Widerbeklagten zu 2) unverbindlich oder durch das jeweils aktuelle Kontoguthaben nicht gedeckt waren. Die Verbindlichkeit der Forderungen gegen den Widerbeklagten zu 2) wird dadurch nicht berührt.
cc) Die Widerbeklagte zu 3) kann, was das Berufungsgericht übersehen hat, ihren Anspruch auf Stornierung der Buchungen aus Devisentermingeschäften und auf Neuberechnung des Kontos, soweit er gemäß § 667 BGB nicht begründet ist, aus abgetretenem Recht des Widerbeklagten zu 2) auch auf positive Vertragsverletzung in Verbindung mit § 249 Satz 1 BGB stützen. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem Zahlungsantrag der Widerbeklagten zu 3) Schadensersatzansprüche wegen Beratungs- bzw. Aufklärungsverschuldens verneint hat, ist rechtsfehlerhaft.
Zwischen dem Widerbeklagten zu 2) und der Beklagten zu 1) ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Beratungsvertrag geschlossen worden. Ein solcher Vertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluß eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (Senat BGHZ 123, 126, 128; Senat, Urteil vom 9. Mai 2000 – XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442).
So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagte zu 1) den Widerbeklagten zu 2) über die Anlage von Geld beraten hat. Sie hat ihn, wie aus ihrem Schreiben vom 20. Oktober 1995 hervorgeht, bewußt auf die Möglichkeit von Devisentermingeschäften als „kapitalschonende Alternative” zu der von ihm damals bereits praktizierten US-Dollar-Festgeldanlage hingewiesen.
Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von verschiedenen Faktoren ab, die sich einerseits auf die Person des Kunden, andererseits auf das Anlagegeschäft beziehen (Senat BGHZ 123, 126, 128; Senat, Urteil vom 9. Mai 2000 – XI ZR 159/99 aaO). Hierzu und zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob und wie die Beklagte zu 1) den Widerbeklagten zu 2) tatsächlich beraten hat, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
b) Zahlungsanspruch
Der Anspruch der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 665.180 DM hängt der Höhe nach ebenfalls von den noch zu treffenden Feststellungen zu einem Beratungsverschulden ab.
2. Anschlußrevision der Beklagten zu 1)
Die Beklagte zu 1) wendet sich mit der Anschlußrevision ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Stornierung von Buchungen aus Devisentermingeschäften, soweit das Oderkonto dadurch debitorisch wurde, und gegen die Feststellung eines Zahlungsanspruchs dem Grunde nach.
Die Verbindlichkeiten des Widerbeklagten zu 2) resultieren aus Devisentermingeschäften. Dafür haftet die nicht termingeschäftsfähige Widerbeklagte zu 3) auf keinen Fall. Da der verbindliche Abschluß eines Börsentermingeschäfts durch einen Vertreter die Termingeschäftsfähigkeit des Vertretenen voraussetzt (Senat BGHZ 133, 82, 88 f.), konnte der Widerbeklagte zu 2) solche Geschäfte namens der Widerbeklagten zu 3) nicht verbindlich abschließen. Soweit das Guthaben auf dem gemeinsamen Oderkonto zur Abdeckung von Belastungen aus Devisentermingeschäften nicht ausreichte, muß die Widerbeklagte zu 3) sie nicht gegen sich gelten lassen. Die verbindliche Erklärung eines Schuldbeitritts hätte nach dem Schutzzweck des § 53 Abs. 2 BörsG ebenso wie die Bestellung von Bürgschaften oder anderen Sicherheiten (vgl. hierzu Senat, Beschluß vom 17. Juli 2001 – XI ZR 15/01, WM 2001, 1714, 1715, zur Veröffentlichung in BGHZ 148, 297 vorgesehen) die Termingeschäftsfähigkeit der Widerbeklagten zu 3) vorausgesetzt.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu 1) mithin zu Recht zur Stornierung der Buchungen aus Devisentermingeschäften, soweit das Oderkonto aufgrund dessen, auch im Rahmen des eingeräumten Überziehungskredits in Höhe von 10.000 DM, debitorisch wurde, verurteilt, und einen Zahlungsanspruch der Widerbeklagten zu 3) gegen die Beklagte zu 1), soweit er sich aus dieser Stornierung ergibt, dem Grunde nach festgestellt.
III.
Das angefochtene Urteil war auf die Revision der Widerbeklagten zu 3) aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.), damit dieses Feststellungen dazu treffen kann, ob die Beklagte zu 1) gegenüber dem Widerbeklagten zu 2) vor Abschluß der Devisentermingeschäfte Beratungspflichten verletzt hat. Die Anschlußrevision der Beklagten zu 1) war als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Nobbe, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen
Haufe-Index 780052 |
BB 2002, 2192 |
DB 2002, 1879 |
NJW 2002, 3093 |
NWB 2002, 3112 |
EWiR 2002, 871 |
NZG 2002, 922 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1683 |
WuB 2003, 237 |
ZIP 2002, 1478 |
MDR 2002, 1201 |
VuR 2002, 408 |
BKR 2002, 835 |
ZBB 2002, 405 |
FB 2002, 696 |