Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2008 und der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 28. Februar 2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 47 894,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 11. April 2006 sowie weitere 759,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 4. November 2006 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens wird auf 47 894,03 EUR festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 vom Hundert und 14,07 vom Hundert. Die Beklagte erklärte am 24. Januar 2000 ihren Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung der Beklagten Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines „Schneeballsystems” für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Die Beklagte leistete im Jahr 2000 eine Einlage von insgesamt 423 094,03 EUR und ein Agio von 14 060,53 EUR (= 437 154,56 EUR). Sie erhielt zwischen Dezember 2000 und August 2001 Auszahlungen in Höhe von insgesamt 470 988,06 EUR, wovon 453 604,13 EUR auf den Zeitraum nach dem 11. März 2001 entfielen (Anfechtungszeitraum gemäß § 134 Abs. 1 InsO).
Rz. 2
Mit seiner am 3. November 2006 zugestellten Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen den an die Beklagte geleisteten Auszahlungen und ihrer um das Agio reduzierten Einlage (47 894,03 EUR) sowie Ersatz seiner vorgerichtlichen, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten (759,95 EUR), jeweils zuzüglich Zinsen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat gemeint, der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch des Klägers sei durch Aufrechnung erloschen (§ 94 InsO; §§ 389, 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB). Die Gegenforderung der Beklagten auf Schadensersatz entfalle auch nicht gemäß § 814 BGB. Der Rechtsgedanke, der dieser Vorschrift zugrunde liege, die Unzulässigkeit widersprüchlichen Verhaltens zu sanktionieren, habe auch für das Insolvenzrecht Gültigkeit. Dies habe der Bundesgerichtshof unter der Geltung der Konkursordnung so entschieden (BGHZ 113, 98, 105f). Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Aufrechnungsanspruch übersteige die Klageforderung und bringe sie somit zum Erlöschen.
II.
Rz. 5
Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 6
1. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in „Schneeballsystemen” erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff; BGH, Urt.v. 29. November 1990 – IX ZR 55/90, WM 1991, 331, 332f), die der Senat im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat (BGH, Urt.v. 13. März 2008 – IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975f Rn. 6 ff; v. 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07, WM 2009, 178, 179f; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Revisionserwiderung bezweifelt weder die Anfechtbarkeit ausgezahlter Scheingewinne nach § 134 InsO noch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin die Auszahlungen an die Anleger voll umfänglich in Form eines „Schneeballsystems” erbracht habe.
Rz. 7
2. Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei jedenfalls so zu stellen, als könnte sie mit ihrem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO folgenden Rückgewähranspruch aufrechnen. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats gestützt (BGHZ 113, 98, 105f), die im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung jedoch nicht fortzuführen ist (vgl. BGH, Urt.v. 11. Dezember 2008, aaO S. 179 Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird – anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursordnung – durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch der Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen (vgl. BGH, Urt.v. 11. Dezember 2008, aaO S. 179 Rn. 8 ff).
Rz. 8
Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die Insolvenzordnung beseitigten Wertungswiderspruch keine Einschränkung des aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruchs. Auf die Ausführungen in der Parallelsache wird auch insoweit Bezug genommen (BGH, Urt.v. 11. Dezember 2008, aaO S. 180f Rn. 14 ff).
Rz. 9
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen – teilweise – als richtig (§ 561 ZPO).
Rz. 10
a) Die Beklagte will von den zurückgeforderten Auszahlungen die Summe derjenigen Zahlungen absetzen, die sie vor Eintritt in den Anfechtungszeitraum erhalten hat (17 383,93 EUR). Ein solcher Abzug ist nicht gerechtfertigt. Die fraglichen Zahlungen sind nicht Gegenstand der Klage. Bei Eintritt in den Anfechtungszeitraum ergab sich für die Beklagte bei Anwendung der Saldotheorie ein Guthaben von 405 710,10 EUR, auf welches die Schuldnerin in der Folgezeit Zahlungen von insgesamt 453 604,13 EUR erhalten hat. Die Klageforderung ist somit von den im Anfechtungszeitraum rechtsgrundlos erbrachten Leistungen gedeckt.
Rz. 11
b) Die Beklagte vertritt ferner die Ansicht, das Agio von (2 556,46 EUR + 11 504,07 EUR =) 14 060,53 EUR sei – entsprechend seinem Leistungszweck – bei der Schuldnerin verblieben. Die Abbuchungen von dem bei der Schuldnerin geführten Konto der Beklagten könnten deshalb keinen Anspruch des Klägers auslösen.
Rz. 12
Auch dieser Einwand greift nicht durch. Wie in den Parallelfällen (vergleiche insbesondere BGH, Urt.v. 11. Dezember 2008, aaO S. 181 Rn. 19) sind die Auszahlungen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlungen einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Der klagende Insolvenzverwalter begehrt die teilweise Rückgewähr dieser Leistungen. Der Umstand, dass die Schuldnerin das Agio auf dem Verrechnungskonto zuvor ins Soll gestellt hatte, was das Guthaben auf diesem Konto minderte, stellt angesichts der Höhe der im Anfechtungszeitraum von der Schuldnerin erbrachten Leistungen die Klageforderung nicht in Frage. Es liegt insoweit auch kein Fall der Entreicherung (vgl. § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO) vor.
Rz. 13
c) Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem Rückgewähranspruch nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, die Beklagte gegenüber anderen getäuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu BGH, Urt.v. 11. Dezember 2008, aaO Rn. 21).
III.
Rz. 14
1. Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 15
2. Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; BGHZ 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforderung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Hierauf kann der Kläger lediglich Prozesszinsen verlangen (§ 291 BGB).
Fundstellen