Leitsatz (amtlich)
Die Bindungswirkung eines Urteils erstreckt sich auch im Rahmen von sog. "Ausgleichszusammenhängen" oder "(zwingenden) Sinnzusammenhängen" nicht auf präjudizielle Rechtsverhältnisse.
Normenkette
ZPO § 322 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 25.10.2000) |
LG Stade |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Celle v. 25.10.2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt eine Obstbrennerei. Sie hat mit dem Kläger am 16.6.1987 einen Vertrag über den Abtransport der bei ihr anfallenden flüssigen Abfälle (sog. Obstschlempe) geschlossen. Die Laufzeit des Vertrages betrug sechs Jahre und sollte sich nachfolgend um jeweils zwei Jahre verlängern, sofern nicht eine Partei den Vertrag mindestens zwölf Monate vor seinem Ablauf mittels eingeschriebenem Brief kündigte.
In einem Schreiben an die Beklagte v. 6.6.1991 führte der Kläger u. a. aus, in der Saison 1990/91 habe die Abfuhr der Schlempe, von der nur halb so viel wie in normalen Jahren angefallen sei, für ihn ein Zusatzgeschäft dargestellt. Der Kläger bat deshalb darum, seinen Fuhrlohn, der in dem Vertrag v. 16.6.1987 für die Zeit bis zum 30.6.1992 auf 12 DM/m3 netto festgesetzt worden war, nachfolgend auf 18 DM/m3 netto zu erhöhen. Falls die Beklagte mit diesem Preis nicht einverstanden sein sollte, sei das Schreiben als Kündigung des Vertrages zum 30.6.1992 zu betrachten.
Auf Grund dieses Schreibens ergab sich zwischen den Parteien ein Schriftwechsel, der zu keiner Einigung über die Höhe des dem Kläger künftig zustehenden Fuhrlohns führte. Mit Schreiben v. 30.1.1992 erklärte die Beklagte, sie akzeptiere die vom Kläger in dem Schreiben v. 6.6.1991 erklärte Kündigung des Vertrages zum 30.6.1992 und "vereinbare, dass der Vertrag einvernehmlich zum 1.7.1992 aufgehoben werde".
Auf der Grundlage dieses Schriftwechsels haben die Parteien außer im vorliegenden Rechtsstreit auch schon in zwei vorangegangenen Verfahren darum gestritten, ob der Vertrag v. 16.6.1987 wirksam gekündigt oder aufgehoben worden ist und ob der Kläger Fuhrlohn unter Abzug ersparter Aufwendungen beanspruchen kann, weil er ab dem 1.7.1992 keine Leistungen mehr für die Beklagte erbringen konnte, nachdem diese den Vertrag als wirksam gekündigt angesehen und deshalb einen anderen Unternehmer mit der Abfuhr der Schlempe beauftragt hatte.
In dem Ersten, vor dem LG Stade zunächst unter dem Aktenzeichen 2 O 168/93 und nach der Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht unter dem Aktenzeichen (6) 2 O 168/93 geführten Rechtsstreit hat der Kläger mit durch die Nichtannahme der Revision der Beklagten rechtskräftig gewordenem Teilgrund- und Teilendurteil des OLG Celle v. 6.7.1994 die Feststellung erwirkt, dass die Beklagte an ihn auf Grund des bis zum 30.6.1995 fortbestehenden Vertrags v. 16.6.1987 den nach etwaigen Abzügen gem. § 324 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. verbleibenden Fuhrlohn zu zahlen hat. Im nachfolgenden Betragsverfahren ist die Beklagte mit rechtskräftig gewordenem Urteil des OLG Celle v. 16.9.1998 verurteilt worden, an den Kläger für die Zeit v. 1.7.1992 bis zum 30.6.1995 310.712 DM nebst Zinsen zu zahlen.
In dem vor dem LG Stade unter dem Aktenzeichen 4 O 422/97 geführten Rechtsstreit hat die Beklagte beantragt festzustellen, dass dem Kläger die von diesem mit Schreiben v. 12.2.1997 aus dem Vertrag v. 16.6.1987 für die Zeit von August bis Dezember 1996 weiterhin geltend gemachten Ansprüche i. H. v. 40.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer nicht zustehen. Die Abweisung dieser Klage durch das LG ist vom OLG Celle mit rechtskräftigem Urt. v. 17.6.1999 bestätigt worden.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Fuhrlohn abzgl. ersparter Aufwendungen aus dem Vertrag v. 16.6.1987 für die Zeit v. 1.7.1995 bis zum 30.6.1999 in Anspruch genommen. Er hat seinen sich daraus ergebenden Zahlungsanspruch im ersten Rechtszug auf 600.000 DM und in der Berufungsinstanz auf 543.427,20 DM beziffert. Seinen dort deswegen angekündigten Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit v. 1.7.1995 bis zum 30.6.1999 Fuhrlohn i. H. von 543.427,20 DM zzgl. gestaffelter Zinsen i. H. von 15 % zu zahlen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auf Grund des bis zum 30.6.1999 bestehenden Abfuhrvertrages Fuhrlohn für die Zeit v. 1.7.1995 bis zum 30.6.1999 zu zahlen, soweit nach etwaigen Abzügen gem. § 324 Abs. 1 S. 2 BGB (a. F.) noch ein Zahlungsanspruch verbleibt,
hat er in der Berufungsverhandlung mit der Maßgabe gestellt, dass er hinsichtlich des Teilbetrages von 46.000 DM als Fuhrlohn für die Zeit von August bis Dezember 1996 von einer Antragstellung abgesehen hat.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Die Klage ist vor dem LG ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des Betrages i. H. v. 46.000 DM zzgl. Zinsen durch Teilversäumnisurteil und im Übrigen durch streitiges Urteil zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger die von ihm im zweiten Rechtszug für die Zeit von Juli 1995 bis Juli 1996 und von Januar 1997 bis Juni 1999 geltend gemachten Klageansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger aus dem Vertrag v. 16.6.1987 für die Zeit von Juli 1995 bis Juni 1999 keine Ansprüche gegenüber der Beklagten zu, da diese den Vertrag jedenfalls zum 30.6.1995 wirksam gekündigt habe. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die Beklagte habe in dem bei dem LG Stade unter dem Aktenzeichen 2 O 168/93 geführten Verfahren der Zahlungsforderung des Klägers mit Schriftsatz v. 16.3.1994 entgegengehalten, dass der Vertrag bereits gekündigt sei; sie werde den Kläger nicht mehr mit der Abfuhr von Schlempe beauftragen, da sie, wie der Kläger wisse, bereits einen anderen Unternehmer beauftragt habe, und eine Verlängerung des Vertrages über die vertraglich vereinbarte Laufzeit von sechs Jahren hinaus komme sowieso nicht in Betracht. Dieser Prozessvortrag habe materiell-rechtlich eine Kündigung des bestehenden Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt, d. h. zum 30.6.1995 enthalten. Die Beklagte habe mit ihrer Erklärung zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vertrag über den genannten Zeitraum hinaus nicht verlängern wollte. Ihre Erklärung habe vom Kläger als Kündigung aufgefasst werden müssen; denn diesem sei auf Grund des laufenden Prozesses bekannt gewesen, dass die Beklagte das Vertragsverhältnis bereits zum 30.6.1992 habe beenden wollen. Der offenkundig auf Beendigung des Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt gerichtete Wille der Beklagten habe sich für den Kläger erkennbar eindeutig und zwingend auch daraus ergeben, dass die Beklagte bereits ein anderes Unternehmen beauftragt habe. Der Umstand, dass die Kündigung nicht, wie in dem Vertrag v. 16.6.1987 vorgesehen, per Einschreibebrief übermittelt worden sei, habe auf deren Wirksamkeit keinen Einfluss.
Der mit dem Hilfsantrag begehrten Feststellung stehe ebenfalls die zum 30.6.1995 erfolgte Kündigung des Vertrages entgegen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Frage, ob der Vertrag zwischen den Parteien nach dem 30.6.1995 fortbestanden hat, abweichend von dem im Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits rechtskräftigen Berufungsurteil v. 17.6.1999 beurteilt hat.
a) Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil insoweit der Rechtskraft fähig, als darin über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.
Das bedeutet zum einen, dass eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand unzulässig ist (st. Rspr.; vgl. BGH v. 18.1.1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287 [288 f.] = MDR 1985, 562; v. 7.7.1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137 [139 ff.] = MDR 1993, 1117; Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757; Urt. v. 14.7.1995 - V ZR 171/94, MDR 1996, 1292 = NJW 1995, 2993 m. w. N.). Identität der Streitgegenstände ist dabei nicht nur dann anzunehmen, wenn im zweiten Prozess der nämliche Streitgegenstand zwischen denselben Parteien nochmals rechtshängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn dort das mit dem Rechtsausspruch im ersten Prozess unvereinbare "kontradiktorische Gegenteil" begehrt wird (BGH v. 7.7.1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137 [139] = MDR 1993, 1117; Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, MDR 1995, 953 = NJW 1995, 967 [968]; Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757). Dementsprechend besitzt ein Urteil, das eine negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen abweist, dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (BGH, Urt. v. 9.4.1986 - IVb ZR 14/85, MDR 1986, 741 = NJW 1986, 2508; Urt. v. 10.4.1986 - VII ZR 286/85, MDR 1986, 1016 = NJW 1986, 2508 [2509]; Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757).
Zum anderen besteht, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage darstellt, die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung (BGH, Urt. v. 24.6.1993 - III ZR 43/92, MDR 1994, 724 = NJW 1993, 3204 [3205]; Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757; v. 14.7.1995 - V ZR 171/94, MDR 1996, 1292 = NJW 1995, 2993). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft eines Urteils bewusst enge Grenzen gesetzt hat dergestalt, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d. h. die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen erstreckt, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut (vgl. BGH, Urt. v. 10.4.1986 - VII ZR 286/85, MDR 1986, 1016 = NJW 1986, 2508 [2509]; Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, MDR 1995, 953 = NJW 1995, 967). Dementsprechend beschränkt sich die Bindungswirkung auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, wobei dieser Streitgegenstand durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (vgl. BGH v. 15.10.1986 - IVb ZR 78/95, BGHZ 98, 353 [358]; Urt. v. 24.6.1993 - III ZR 43/92, MDR 1994, 724 = NJW 1993, 3204 [3205]; Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757 f.). Das bedeutet für Fälle wie den im Streitfall gegebenen, in denen im ersten Prozess eine negative Feststellungsklage aus Sachgründen abgewiesen worden ist, dass die dort unterlegene Partei - hier also die Beklagte - im zweiten Rechtsstreit mit allen Einwendungen gegen den im ersten Prozess bekämpften Anspruch präkludiert ist (BGH, Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, MDR 1995, 1062 = NJW 1995, 1757 [1758]). Dieses gilt nach den vorstehenden Ausführungen im Streitfall allerdings allein in Bezug auf die vom Kläger für die Zeit von August bis Dezember 1996 geltend gemachten Ansprüche, die jedoch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.
b) Entgegen der Auffassung der Revision kommt eine Erweiterung der vorstehend dargestellten Bindungswirkung von Urteilen auf präjudizielle Rechtsverhältnisse im Rahmen von "Ausgleichszusammenhängen" oder "(zwingenden) Sinnzusammenhängen" nicht in Betracht. Im Schrifttum sind im Anschluss an Zeuner (Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, 1959, S. 42 ff., 72 ff.) wiederholt Versuche unternommen worden, insoweit eine erweiterte Bindungswirkung zu begründen (vgl. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 175 ff., 198 ff.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, § 47 IV 2 b; Bruns, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1979, Rz. 233; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1985, § 89 V 4 a; Zeiss, Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 1997, Rz. 574; zuletzt Foerste, ZZP 108 (1995), 167 ff.; vgl. auch die w.N. bei Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen, 1998, S. 35 Fn. 178). Dies ist auf Ablehnung gestoßen (vgl. BGH v. 2.5.2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377 [383] = BGHReport 2002, 933 = MDR 2003, 167 = CR 2002, 791 - Faxkarte; Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 322 Rz. 72; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 322 Rz. 48 ff.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 322 Rz. 89 ff., 212 ff., 217; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Vor § 322 Rz. 28, 36; Musielak/Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 322 Rz. 26 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., § 154 IV; Jauernig, Zivilprozessrecht, 27. Aufl., § 63 III 2; Schilken, Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rz. 1021 ff., 1024; Arens/Lüke, Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rz. 360 ff., 365; Peters, ZZP 76 (1963), 229 ff.; Rimmelspacher, Materieller Anspruch und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozess, 1970, S. 195 ff., 218 ff.; Batschari/Durst, NJW 1995, 1650 [1652 f.]; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen, 1998, S. 47 ff.).
Der Mindermeinung steht zum einen schon entgegen, dass sie mit dem Wortlaut des § 322 Abs. 1 ZPO kaum zu vereinbaren ist (Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 322 Rz. 49). Eine daher allenfalls in Betracht zu ziehende teleologische Reduktion der Vorschrift (so Foerste, ZZP 108 (1995), 176 ff.) widerspräche der erklärten Absicht des Gesetzgebers (Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 322 Rz. 48; Peters, ZZP 76 (1963), 241). Außerdem kann eine Prozesspartei, die ein Interesse an der Klärung einer Vorfrage hat, insoweit eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO erheben (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.1984 - IX ZR 89/83, MDR 1985, 138 = FamRZ 1984, 878 [879]; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 322 Rz. 51; Jauernig, Zivilprozessrecht, 27. Aufl., § 63 III 2). Die genannte Vorschrift wie auch die Bestimmung des § 322 Abs. 2 ZPO, der ersichtlich die Erwägung zu Grunde liegt, dass die Ausführungen in den Entscheidungsgründen eines Urteils zu etwaigen präjudiziellen Rechtsverhältnissen grundsätzlich nicht in Rechtskraft erwachsen, lassen daher ebenfalls erkennen, dass nach dem Gesetz weder Raum noch die Notwendigkeit für die Anerkennung einer erweiterten Bindungswirkung der Urteile besteht (vgl. Batschari/Durst, NJW 1995, 1650 [1652]). Außerdem kann widersprüchliches Prozessverhalten, sofern es sich nicht schon im Hinblick auf seine Unglaubhaftigkeit selbst bestraft (§ 286 ZPO), in Extremfällen als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich zu werten sein (vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, 27. Aufl., § 63 III 2; Arens/Lüke, Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rz. 365).
Darüber hinaus aber sieht sich die Mindermeinung, wie sie selbst nicht verkennt, vor der Schwierigkeit zu verhindern, dass die Parteien auch an bloß beiläufige Urteilsgründe gebunden sind (vgl. Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, 1959, S. 32; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 199 f.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. 1974, S. 521 Fn. 150; Bruns, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1979, Rz. 237a; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1985, § 89 V 4 a; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen, 1998, S. 44). Diese Schwierigkeit wäre nur zu überwinden, wenn sich das Kriterium des Sinnzusammenhangs generell oder jedenfalls für die einzelnen Fallgruppen eindeutig bestimmen ließe, was jedoch nicht der Fall ist (vgl. Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 322 Rz. 48; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., Vor § 322 Rz. 36; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen, 1998, S. 47 ff.).
Im Übrigen ist die Mindermeinung bei einer Teilklage gezwungen, entweder ihren gedanklichen Ausgangspunkt zu verlassen (so Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, 1959, S. 89 f.; Blomeyer, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1985, § 89 V 1, S. 487) oder aber über die Bestimmung des § 308 Abs. 1 ZPO sowie die in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende, für den Zivilprozess grundlegende Dispositionsmaxime hinwegzugehen (so Bruns, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1979, Rz. 235; Zeiss, Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 1997, Rz. 581).
2. Ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen lässt die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Vortrag im Schriftsatz der Beklagten v. 16.3.1994 habe auch eine vorsorgliche nochmalige Vertragskündigung zum 30.6.1995 enthalten.
a) Die Frage, ob ein Vertrag im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz von der einen S. gekündigt worden ist, hat der Tatrichter durch Auslegung der wechselseitigen Erklärungen zu klären. Seine diesbezügliche Beurteilung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung danach, ob sie gesetzliche Auslegungsgrundsätze wie insbesondere den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. dazu BGH v. 15.11.2001 - I ZR 158/99, BGHZ 149, 337 [353] = BGHReport 2002, 633 = MDR 2002, 956; v. 7.2.2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32 [39] = BGHReport 2002, 422 - Unikatrahmen, m. w. N.), die Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (BGH, Urt. v. 10.10.2002 - I ZR 193/00, BGHReport 2003, 262 = NJW 2003, 664 [665] = GRUR 2003, 173 - Filmauswertungspflicht). Das Berufungsurteil lässt keinen dahingehenden Rechtsfehler erkennen.
b) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht im Übrigen davon ausgegangen, dass die Bestimmung in § 2 des Vertrags v. 16.6.1987, wonach die Kündigung mittels eingeschriebenem Brief zu erfolgen hatte, kein über die Schriftform hinausgehendes Formerfordernis beinhaltete, sondern allein den eindeutigen Nachweis des Zugangs der Kündigungserklärung ermöglichen sollte (vgl. BAG v. 20.9.1979 - 2 AZR 967/77, NJW 1980, 1304).
3. Nach dem vorstehend Ausgeführten bestehen auch keine Bedenken gegen die rechtliche Beurteilung des Hilfsantrags durch das Berufungsgericht.
III. Nach allem war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 965157 |
NJW 2003, 3058 |
BGHR 2003, 1160 |
FamRZ 2003, 1741 |
JZ 2021, 315 |
MDR 2003, 1247 |
SGb 2003, 729 |
LMK 2003, 197 |
ProzRB 2003, 356 |