Leitsatz (amtlich)
Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche (Bestätigung von BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11 NJW 2012, 2725 Rz. 9 ff.; Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 9; Urt. v. 6.7.2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rz. 9).
Normenkette
BGB § 1004; WEG § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen 19 S 152/18) |
AG Mönchengladbach (Entscheidung vom 28.11.2018; Aktenzeichen 36 C 438/17) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 27.6.2019 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das 1962 errichtete Haus wurde 1995 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Dabei wurde das Dachgeschoss zu Wohnraum ausgebaut; in den Wohnräumen und in der Diele wurde Teppichboden verlegt. Der Kläger erwarb eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, der Beklagte 2001 die darüber liegende Dachgeschosswohnung.
Rz. 2
2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Wohnungstrenndecke nicht den Anforderungen an den Trittschallschutz der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 entspricht. Der Antrag des Klägers, eine den anerkannten Regeln der Technik für die Herstellung einer Trittschalldämmung genügende Trenndecke zwischen den Wohnungen der Parteien herstellen zu lassen, wurde in der Wohnungseigentümerversammlung vom 8.4.2014 abgelehnt.
Rz. 3
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, in dessen Wohnung Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von 53 dB herzustellen. Das AG hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das LG hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Mit der von dem LG zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Klageabweisung erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZMR 2019, 895 veröffentlicht ist, meint, der Kläger könne von dem Beklagten gem. § 1004 BGB i.V.m. §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG die Vornahme von Maßnahmen verlangen, durch die der Trittschallpegel von 53 dB gemäß der DIN 4109 in der zum Zeitpunkt des Dachgeschossausbaus geltenden Ausgabe von 1989 eingehalten werde. Dabei legt es das gerichtliche Sachverständigengutachten zugrunde, wonach die Anforderungen an die Trittschalldämmung mit dem Fliesenbelag um 14 dB verfehlt würden. Der Trittschallpegel betrage 66 bis 67 dB. Das stelle einen erheblichen Nachteil für den Kläger dar. Durch einen weich federnden Bodenbelag wie einen Teppichboden könne eine Verbesserung der Trittschalldämmung um mindestens 15 dB erreicht werden. Für den unzureichenden Trittschallschutz sei der Beklagte verantwortlich. Zwar könne ein Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Bodenbelag durch einen anderen ersetzen. Führe dies allerdings zu Trittschallbelästigungen in der darunterliegenden Wohnung und gingen diese über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß gem. § 14 Nr. 1 WEG hinaus, sei er Störer. Es sei unerheblich, ob auf der Geschosstrenndecke kein schwimmender Estrich vorhanden sei bzw. ob dieser aufgrund von Ausführungsmängeln (Schallbrücken) keine trittschallentkoppelnde Wirkung entfalte. Die Trittschalldämmung sei mit dem Teppichboden sehr viel besser gewesen. Er stelle einen das ursprüngliche Schallschutzniveau prägenden Umstand dar. Der Schallschutz müsse nach der Änderung des Bodenbelags so gut sein wie zuvor. Der Beklagte sei zwar nicht verpflichtet, das Gemeinschaftseigentum zu verbessern. Er könne sich aber unter dem Gesichtspunkt einer ihm gegenüber dem Kläger zukommenden Treuepflicht nicht durch den Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Geschossdecke entlasten, wenn er mit weit weniger aufwendigen Maßnahmen, etwa durch die Verlegung von Teppichboden anstelle der Fliesen, den notwendigen Schallschutz herbeiführen könne. Bei Verlegung eines schwimmenden Estrichs würden weitaus höhere Kosten entstehen. Wie der Beklagte den geschuldeten Trittschallschutz herstelle, sei seine Sache. Ob er einen Ausgleichsanspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft habe, bedürfe keiner Entscheidung.
II.
Rz. 5
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG auf Maßnahmen zur Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschallschutz.
Rz. 6
1. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11 NJW 2012, 2725 Rz. 5; Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 5, 6). Das gilt auch dann, wenn die beanstandete Beeinträchtigung durch Schallimmissionen nicht auf einem eigenen Tun des Wohnungseigentümers, sondern darauf beruht, dass dessen Mieter - was das Berufungsgericht erörtert, ohne dazu Feststellungen zu treffen - den Teppichboden ausgetauscht hat. Denn der Wohnungseigentümer hat nach § 14 Nr. 2 WEG für die Einhaltung der in § 14 Nr. 1 WEG bezeichneten Pflichten durch diejenigen Personen zu sorgen, denen er die Wohnung zur Benutzung überlässt (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11, a.a.O.).
Rz. 7
2. Infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten ist dem Kläger ein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG entstanden.
Rz. 8
a) Das folgt allerdings nicht daraus, dass seit dem Ausbau des Dachgeschosses ein schalldämpfender Teppichboden verlegt war. Für den Nachteilsbegriff i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG ist nicht an das Gepräge der Wohnanlage anzuknüpfen. Die Rechtsprechung, dass sich das einzuhaltende Schallschutzniveau aus tatsächlichen Umständen wie etwa der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung ergeben könnte, hat der Senat, was das Berufungsgericht übersehen hat, bereits durch Urteil vom 27.2.2015 (, ZfIR 2015, 391 Rz. 10 ff.) aufgegeben (vgl. auch Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 9).
Rz. 9
b) Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn - wie hier - ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11 NJW 2012, 2725 Rz. 9 ff.; Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 9; Urt. v. 6.7.2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rz. 9). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar tritt in einer solchen Situation der Mangel erst durch den Austausch des Bodenbelags zu Tage. Der Umstand, dass die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums unzureichend ist, bleibt für den von dem Wohnungseigentümer nach Austausch des Bodenbelags einzuhaltenden Schallschutz aber grundsätzlich ohne Bedeutung.
Rz. 10
aa) Richtig ist allerdings, dass der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden muss, insb. durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.2015 - V ZR 73/14, ZfIR 2015, 391 Rz. 14; Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 14). Daraus folgt jedoch nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf (BGH, Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 14; Urt. v. 6.7.2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rz. 9). Für die sich zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes ergebenden Pflichten bei einer Änderung des Bodenbelags lässt sich daraus nichts herleiten. Zwar steht die Auswahl des - im Sondereigentum stehenden (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11 NJW 2012, 2725 Rz. 5) - Oberbodenbelags gem. § 13 Abs. 1 WEG grundsätzlich im Belieben des Sondereigentümers. Das ändert aber nichts daran, dass der Sondereigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insb. bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2012 - V ZR 195/11, a.a.O., Rz. 15).
Rz. 11
bb) Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, ist er dazu im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern nach § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet (so auch OLG Düsseldorf, NZM 2001, 958 f.; OLG München, ZMR 2007, 809; LG Karlsruhe, ZWE 2016, 414; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 6. Aufl., § 22 Rz. 106d).
Rz. 12
c) Die Mindestanforderungen der DIN 4109 sind hier überschritten. Einzuhalten sind, weil das Dachgeschoss des 1962 errichteten Gebäudes im Jahr 1995 ausgebaut wurde, die Anforderungen an den Trittschallschutz gemäß DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2018 - V ZR 276/16 NJW 2018, 2123 Rz. 9 u. 15; Urt. v. 6.7.2018 - V ZR 221/17, ZWE 2019, 139 Rz. 9). Die darin festgelegte Trittschallgrenze von 53 dB wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts infolge der Änderung des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten um 14 dB überschritten. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB.
Rz. 13
d) Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts aufwendiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden. Ob und unter welchen Voraussetzungen gem. § 21 Abs. 4 WEG ein Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Beseitigung des Trittschallmangels am Gemeinschaftseigentum bestehen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Es wäre Sache des Beklagten, einen solchen Anspruch geltend zu machen.
III.
Rz. 14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
NJW 2020, 8 |
NWB 2020, 2144 |
NJW-RR 2020, 1086 |
IBR 2020, 484 |
NZM 2020, 841 |
ZAP 2020, 1112 |
ZMR 2020, 9 |
ZMR 2020, 971 |
ZfIR 2020, 590 |
JZ 2020, 569 |
MDR 2020, 11 |
MDR 2020, 978 |
WuM 2020, 514 |
WuM 2020, 552 |
ZWE 2020, 374 |
ZfBR 2020, 836 |
MietRB 2020, 274 |
NJW-Spezial 2020, 578 |
NZBau 2020, 6 |
RdW 2021, 27 |
BBB 2020, 52 |
DS 2020, 165 |
ImmWert 2020, 38 |
MK 2020, 155 |