Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung, ob ein Verband i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt ist, können als ihm angehörig auch solche Unternehmer zu berücksichtigen sein, die ihm nur mittelbar als Mitglieder eines ihm beigetretenen anderen Verbands angehören. Dieser andere Verband muss nicht von seinen Mitgliedern ausdrücklich ermächtigt worden sein, dem Verband, dessen Klagebefugnis in Rede steht, eine Kompetenz zum Verfolgen von Wettbewerbsverstößen zu übertragen. Es genügt, dass er mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragt worden ist und seinerseits den Verband, dessen Klagebefugnis in Rede steht, durch seinen Beitritt mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragen durfte.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken v. 16.5.2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vertreibt in K. Geräte der Unterhaltungselektronik. Sie führt daneben in ihrem Sortiment auch elektrische Haushaltsgeräte, Fotoapparate, EDV-Ausstattungen und Uhren. In einer Zeitungsbeilage warb sie am 19.6.2000 für ein Fernsehgerät zum Preis von 977 DM mit dem Hinweis: "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers 1499 DM/SIE SPAREN 522 DM". Die tatsächliche Preisempfehlung für dieses Gerät lag zur damaligen Zeit bei 1.399 DM.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung den Zweck verfolgt, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Er beruft sich zur Begründung seiner Klagebefugnis darauf, dass ihm auf Grund der Mitgliedschaft verschiedener Verbände mittelbar, d.h. im Wege der vermittelten Sammelmitgliedschaft, Unternehmer angehörten, die zwar keine Fernsehgeräte, wohl aber Küchenausstattungen, Fotoapparate, Uhren sowie EDV-Geräte vertreiben. Darüber hinaus gehört dem Kläger der B. Mittelstandskreis GmbH (im Weiteren: B. Mittelstandskreis) an, bei dem in der Region K. tätige Elektrofachbetriebe Mitglied sind.
Der Kläger hat die Werbung der Beklagten v. 19.6.2000 als irreführend beanstandet. Nach erfolgloser Abmahnung hat er Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Waren unter Hinweis auf die "unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers" zu bewerben, wenn der dem eigenen Preis als unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers gegenübergestellte Preis nicht den Tatsachen entspricht, weil der empfohlene Preis niedriger ist,
2. an den Kläger 290 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dem Kläger fehle die Klagebefugnis.
Die Klage hatte vor dem LG wie auch vor dem OLG Erfolg (OLG Zweibrücken v. 16.5.2002 - 4 U 77/01, OLGReport Zweibrücken 2003, 78).
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Kläger als klagebefugt angesehen. In der Sache hat es die durch das LG vorgenommene und von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffene Bewertung der streitgegenständlichen Werbung als irreführend bestätigt und den Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten als begründet erachtet. Die Bejahung der Verbandsklagebefugnis hat es wie folgt begründet:
Der Kläger trete in wettbewerbsrechtlichen Verfahren seit vielen Jahren als ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen auf, zu dessen Satzungszweck auch die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs gehöre. Er habe dabei unter Beweis gestellt, dass er über einen ausreichenden Prozesskostenfonds verfüge und in personeller, sachlicher und finanzieller Hinsicht in der Lage sei, die Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen. Der Streitfall gebe keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Der Kläger verfüge über eine für seine Klagebefugnis ausreichende Zahl branchenangehöriger Mitglieder. Ihm gehörten über die R. GmbH & Co. KG vermittelte Fotogeschäfte, über die V. GmbH & Co. KG und den K. - Einkaufsgesellschaft mbH u. Co. KG vermittelte Küchenanbieter, über die Kooperation "C. Group" vermittelte EDV-Anbieter sowie die über den B. - Europaverband der S., Bundesverband Deutschland e.V. vermittelten Mitglieder an, die zwar keine Wettbewerber der Beklagten hinsichtlich des beworbenen Fernsehgeräts, wohl aber bei Fotoapparaten, Küchengeräten, EDV-Ausstattungen und Uhren seien. Die in der I. eG zusammengeschlossenen Elektrofachgeschäfte seien ebenfalls zu berücksichtigen. Der Umstand, dass die I. eG dem Kläger untersagt habe, bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ihre Interessen und die ihrer Mitglieder wahrzunehmen, habe nur für das Innenverhältnis Bedeutung.
Es komme hinzu, dass der B. Mittelstandskreis Mitglied des Klägers sei und diesem dadurch die Mitgliedschaft von 28 Unternehmern vermittle, die bei Fernsehgeräten unmittelbare Wettbewerber der Beklagten seien. Es komme nicht darauf an, ob sich der B. Mittelstandskreis ebenfalls die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zum Ziel gesetzt habe. Dieser müsse nicht selbst klagebefugt sein. Es genüge, dass die in ihm zusammengeschlossenen Gewerbetreibenden ihn durch ihre Beitrittserklärung mit der Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen beauftragt hätten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist unbegründet.
1. Die bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb v. 3.7.2004 in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. und seither in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG enthaltene Regelung der Voraussetzungen, unter denen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen können, betrifft sowohl die prozessuale Klagebefugnis als auch die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung. Dies hat der Senat zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. in ständiger Rechtsprechung angenommen (BGH v. 26.9.1996 - I ZR 265/95, BGHZ 133, 316 [319] = MDR 1997, 569 - Altunterwerfung I; Urt. v. 5.3.1998 - I ZR 202/95, MDR 1998, 1048 = GRUR 1998, 953 [954] = WRP 1998, 743 - Altunterwerfung III; Großkomm.UWG/Erdmann, § 13 Rz. 15; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 13 Rz. 16 und 25; a.A. Greger, NJW 2000, 2457 [2462]). An dieser Auffassung ist auch unter der Geltung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG festzuhalten (vgl. dazu - mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes - Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rz. 195; Harte/Henning/Bergmann, UWG, § 8 Rz. 261; Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 18 Rz. 4; a.A. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rz. 3.10 f.). Dementsprechend muss die Verbandsklagebefugnis nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung gegeben gewesen sein (OLG Hamm v. 7.3.1991 - 4 U 326/90, GRUR 1991, 692 [693]; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rz. 3.7), sondern auch noch im Revisionsverfahren bestehen (vgl. zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.: BGH, Urt. v. 14.12.2000 - I ZR 181/99, MDR 2001, 1128 = BGHReport 2001, 658 = GRUR 2001, 846 [847] = WRP 2001, 926 - Metro V, m.w.N.; zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG: Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rz. 214; Harte/Henning/Bergmann, UWG, § 8 Rz. 262; Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 18 Rz. 4).
2. Die Klagebefugnis eines Verbands nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) setzt voraus, dass der Verband die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmern wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich der Anspruch richten soll. Als Unternehmer, deren Interessen von dem Verband wahrgenommen werden, können auch solche Unternehmer zu berücksichtigen sein, die Mitglied in einem Verband sind, der seinerseits Mitglied des klagenden Verbands ist (BGH, Urt. v. 20.5.1999 - I ZR 66/97, GRUR 1999, 1116 [1118] = WRP 1999, 1163 - Wir dürfen nicht feiern; Urt. v. 16.1.2003 - I ZR 51/02, BGHReport 2003, 550 = MDR 2003, 821 = GRUR 2003, 454 [455] = WRP 2003, 514 - Sammelmitgliedschaft I; Urt. v. 11.11.2004 - I ZR 72/02, WRP 2005, 742 [743] - Sammelmitgliedschaft II).
3. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers für den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ergibt sich unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen bereits daraus, dass der B. Mittelstandskreis Mitglied des Klägers ist.
a) Der B. Mittelstandskreis ist auch dann, wenn er nicht eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern nur eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sein sollte, rechts- und parteifähig (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 [347] = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = AG 2001, 307; v. 1.7.2002 - II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 [206] = GmbHR 2002, 1021 = BGHReport 2002, 983 m. Anm. Saenger = MDR 2002, 1382 = AG 2003, 39; v. 24.2.2003 - II ZR 385/99, BGHZ 154, 88 [94] = MDR 2003, 639 = BGHReport 2003, 610 m. Anm. Bormann); auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann Mitglied eines Vereins sein (BGH v. 4.11.1991 - II ZB 10/91, BGHZ 116, 86 = MDR 1992, 240; v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = AG 2001, 307).
b) Unerheblich ist, ob der B. Mittelstandskreis als ein Verband, der dem Kläger Wettbewerber der Beklagten als (mittelbare) Mitglieder vermittelt, selbst nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) klagebefugt ist. Entgegen der Ansicht der Revision ist es auch nicht erforderlich, dass sich der B. Mittelstandskreis von seinen Mitgliedern ausdrücklich hat ermächtigen lassen, dem Kläger eine Kompetenz zum Verfolgen von Wettbewerbsverstößen zu übertragen (BGH v. 20.5.1999 - I ZR 66/97, GRUR 1999, 1116 [1118] - Wir dürfen nicht feiern; v. 16.1.2003 - IZR 51/02, GRUR 2003, 454 [455] - Sammelmitgliedschaft I; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rz. 3.43; Harte/Henning/Bergmann, UWG, § 8 Rz. 284). Es genügt, dass er mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragt worden ist und seinerseits den Kläger durch seinen Beitritt mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder beauftragen durfte (BGH v. 16.1.2003 - IZR 51/02, GRUR 2003, 454 [455] - Sammelmitgliedschaft I; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG Rz. 3.43).
c) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es für die Verbandsklagebefugnis des Klägers auch nicht darauf an, ob der B. Mittelstandskreis ihn ausdrücklich mit der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen beauftragt hat. Ob ein Verband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) der Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen dient, ist allein anhand seiner Zielsetzung, d.h. seiner Satzung und seiner tatsächlichen Betätigung, zu ermitteln. Nicht erforderlich ist es, dass seine unmittelbaren Mitglieder ihn jeweils noch ausdrücklich zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ermächtigt haben.
d) Nach den getroffenen Feststellungen kann weiterhin nicht angenommen werden, dass die Mitgliedschaft des B. Mittelstandskreises nicht dazu dienen sollte, gemeinsame Interessen am Schutz des lauteren Wettbewerbs zu bündeln, sondern künstlich die Voraussetzungen für die Verbandsklagebefugnis des Klägers nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu schaffen (BGH v. 16.1.2003 - IZR 51/02, GRUR 2003, 454 [455] - Sammelmitgliedschaft I, m.w.N.). Dem Umstand, dass der Kläger die Höhe der Jahresbeiträge für Sammelmitglieder nicht offen legt, kann - entgegen der Ansicht der Revision - nichts anderes entnommen werden. Es ist durchaus möglich und nicht ohne weiteres bedenklich, dass ein Verband die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in erheblichem Umfang anders als durch kostendeckende Mitgliederbeiträge finanziert, etwa durch Abmahngebühren, Vertragsstrafen oder Zusagen im Einzelfall, die Prozesskosten zu übernehmen (BGH v. 20.5.1999 - I ZR 66/97, GRUR 1999, 1116 [1117 f.] - Wir dürfen nicht feiern, m.w.N.). Da es somit auch dann, wenn keine kostendeckenden Mitgliedsbeiträge erhoben werden, unbedenkliche Finanzierungsmöglichkeiten für einen Verband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) gibt, kann von ihm nicht ohne näher dargelegten Anlass verlangt werden, zum Nachweis seiner Prozessführungsbefugnis seine Finanzierungsstruktur offen zu legen. Der Umstand, dass ein einzelner Mitgliedsverband des Klägers diesem im Jahr 1994 offenbar nur 2.000 DM als Mitgliedsbeitrag gezahlt hat, reicht dafür nicht aus.
4. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG (§ 3 UWG a.F.) sind gegeben. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die angegriffene Werbung mit einer falsch angegebenen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers irreführend war und eine Werbung dieser Art geeignet ist, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies zieht auch die Revision nicht in Zweifel.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1381787 |
BGHR 2005, 1206 |
NJW-RR 2005, 1128 |
EWiR 2006, 63 |
GRUR 2005, 689 |
ZIP 2005, 1936 |
MDR 2005, 1125 |
Mitt. 2005, 390 |