Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage bleibt bestehen, wenn nach einem erfolglosen Pfändungsversuch eine Wiederholung der Vollstreckung aus dem Titel in den Gegenstand möglich ist.
Normenkette
ZPO § 771
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 23.05.2000) |
LG Münster |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG Hamm v. 23.5.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte nahm den Schuldner H. S. auf Grund einer Ausfallbürgschaft in Anspruch und erwirkte ein vorläufig vollstreckbares Urteil des LG Münster v. 4.3.1998 über 1.579.715,08 DM nebst Zinsen. Auf Antrag der Beklagten wollte der zuständige Gerichtsvollzieher das Segelschiff "J. ", dessen Eigentümer der Schuldner ursprünglich war, im Winterlager in einer Werft in He. pfänden. Er begab sich dorthin, ließ aber von der Pfändung ab, nachdem der Schuldner unter Hinweis auf einen zwischen ihm und dem Kläger geschlossenen Kaufvertrag v. 11.3.1991, den er dem Gerichtsvollzieher per Telefax übermittelte, diesem telefonisch mitgeteilt hatte, der Kläger sei Eigentümer des Segelschiffes. Später pfändete der Gerichtsvollzieher auf einen neuen Antrag der Beklagten ein auf dem üblichen Liegeplatz der "J. " liegendes Schiff eines Dritten. Dem Eigentümer, der zufällig von der Pfändung erfuhr, gelang es, die Verwertung abzuwenden.
Der Aufforderung des Klägers, eine Erklärung abzugeben, weitere Pfändungsversuche in das Segelschiff "J. " zu unterlassen, kam die Beklagte nicht nach. Sie lobte vielmehr für Hinweise auf den derzeitigen Liegeplatz des Schiffes eine Zahlung aus.
Der Kläger hat behauptet, er habe mit S. zugleich mit dem Kaufvertrag mündlich vereinbart, dass er das Eigentum an dem Schiff treuhänderisch für diesen halte und es bei Kündigung des Treuhandverhältnisses zurückübertrage. S. habe seine Ansprüche aus der Treuhandabrede mit schriftlicher Vereinbarung v. 17.3.1995 an seine Ehefrau schenkweise abgetreten.
In der ersten Instanz hat der Kläger gem. § 256 ZPO die Feststellung begehrt, dass die zu erwartende Pfändung der Beklagten aus dem gegen S. erwirkten Titel in das Segelboot unzulässig sei. Hilfsweise hat er im Wege der Abwehrklage gem. § 1004 BGB beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel die Vollstreckung aus dem Titel in das Segelboot zu untersagen. Von einer Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO hat der Kläger in erster Instanz ausdrücklich abgesehen.
Das LG hat dem Hauptantrag stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt in der Hauptsache beantragt, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Titel gegen S. in das Segelboot "J. " für unzulässig zu erklären. Hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, die Vollstreckung aus dem Titel in das Segelboot zu unterlassen. Weiter hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die zu erwartende Pfändung der Beklagten unzulässig ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, er stütze den Hauptantrag nunmehr vorrangig auf § 771 ZPO, hilfsweise stütze er ihn ebenso wie den ersten Hilfsantrag auf § 1004 BGB. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung hat wegen der Säumnis der ordnungsgemäß geladenen Beklagten und Revisionsbeklagten im Termin zur Verhandlung über die Revision durch Versäumnisurteil zu ergehen. Sie beruht aber nicht auf den Folgen der Säumnis, sondern ist eine Entscheidung in der Sache, die ebenso ergangen wäre, wenn die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre (vgl. BGH BGHZ 37, 79 [81 f.]).
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, welche Klageart zulässig sei. Sowohl die Begründetheit einer vorbeugenden Unterlassungsklage als auch einer Feststellungsklage sei hier unter den gleichen Voraussetzungen zu prüfen wie die Begründetheit einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO. Dem Kläger stehe an dem Segelboot "J. " kein die Veräußerung hinderndes Recht zu. Ob er insoweit Eigentum erworben habe, könne letztlich dahinstehen. Unabhängig von der Eigentümerstellung sei er nicht widerspruchsberechtigt, weil es sich vorliegend um eine uneigennützige Treuhandschaft zwischen ihm und dem Schuldner S. handele. Eine solche gebe dem Treuhänder kein Interventionsrecht nach § 771 ZPO. Das Segelschiff gehöre wirtschaftlich nach wie vor zum Vermögen des Treugebers S. . Der Kläger müsse dulden, dass Gläubiger des Treugebers auf die in dessen Gewahrsam befindlichen Sachen zugreifen, wenn der Vollstreckungstitel sich gegen den Treugeber richte.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, der Schuldner S. habe seine Treugeberstellung bezüglich des Segelschiffes schenkweise auf seine Ehefrau übertragen, nicht hinreichend berücksichtigt hat.
1. Der Kläger hat vorgetragen und durch das Zeugnis des Schuldners S. unter Beweis gestellt, dass dieser seine Ansprüche aus der behaupteten Treuhandabrede mit schriftlicher Vereinbarung v. 17.3.1995 an seine Ehefrau abgetreten hat. Dieses Vorbringen ist erheblich. Ist zwischen dem Kläger und dem Schuldner S. ein Treuhandverhältnis begründet worden und sind die Ansprüche des S. aus der Treugeberstellung schon 1995 auf dessen Ehefrau übergegangen, so richtet sich der gegen den Ehemann S. erwirkte Vollstreckungstitel v. 4.3.1998 nicht gegen den Treugeber. Gegenüber einem Vollstreckungsgläubiger, der nicht auf Grund eines Titels gegen den Treugeber vorgeht, hat der Treuhänder die vollen Eigentumsrechte und damit auch das Widerspruchsrecht gem. § 771 ZPO (BGH, Urt. v. 1.6.1953 - IV ZR 196/52, LM Nr. 2 zu § 771 ZPO; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 26).
2. Gegen die Wirksamkeit der Abtretung bestehen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Bedenken.
a) Die von der Beklagten geltend gemachte Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragung von S. an den Kläger und/oder der Abtretung zwischen den Ehegatten S. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a. F., § 3 Abs. 1 n. F. ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil durch die Anfechtung solcher Rechtshandlungen lediglich schuldrechtliche Rückgewährverhältnisse begründet würden, die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtsgeschäfte jedoch unberührt bliebe (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Aufl., Einf. Rz. 13). Im Wege der Einrede kann das Anfechtungsrecht hier gleichfalls nicht geltend gemacht werden, weil dazu das Vorliegen eines endgültigen, also rechtskräftigen und vorbehaltlosen Titels erforderlich ist (vgl. RG RGZ 96, 335 [340]; Huber, Anfechtungsgesetz, 9. Aufl., § 9 Rz. 10, m. w. N.).
b) Zu der von der Beklagten weiter geltend gemachten Nichtigkeit der in Rede stehenden Rechtsgeschäfte gem. § 134 BGB i. V. m. § 288 StGB hat das Berufungsgericht ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zu der Behauptung der Beklagten, der vorgelegte schriftliche Kaufvertrag sei wie die Abtretung rückdatiert worden.
III.
Die in der Hauptsache erhobene Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO ist zulässig.
1. Die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO ist zeitlich spätestens ab dem Beginn der Zwangsvollstreckung zulässig (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 771 Rz. 9; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 771 Rz. 10; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 771 Rz. 5). Hier soll aus einem auf Zahlung gerichteten Titel in ein nicht eingetragenes Segelschiff vollstreckt werden. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, beginnt in einem solchen Fall die Zwangsvollstreckung mit der Pfändung gem. § 803 Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht, Bd. I, 12. Aufl., Rz. 9.2; ferner Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 771 Rz. 6) genauer mit der Vornahme der Ersten gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704 Rz. 110; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 771 Rz. 30; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., vor § 704 Rz. 33). Die Pfändung des nicht eingetragenen Segelschiffs richtet sich nach den §§ 808 ff ZPO (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 803 Rz. 2; Wieczorek/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 803 Rz. 14, 18; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 803 Rz. 1, § 808 Rz. 2). Die Zwangsvollstreckung hat hier spätestens begonnen, als der Gerichtsvollzieher erstmals erschien und pfänden wollte.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Drittwiderspruchsklage besteht, solange die Zwangsvollstreckung fortdauert (vgl. BGH v. 20.11.1978 - VIII ZR 201/77, BGHZ 72, 334 [336]; Urt. v. 14.1.1993 - IX ZR 238/91, MDR 1993, 1239 = NJW 1993, 935; Schmidt in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 771 Rz. 58). Es entfällt, wenn die Zwangsvollstreckung durch Verwertung des fraglichen Gegenstandes beendet oder die Fortsetzung der Vollstreckung, z. B. wegen Untergangs des Vollstreckungsobjektes, unmöglich geworden ist (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 13; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 771 Rz. 32). Diese Voraussetzungen für einen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses liegen hier nicht vor. Ob auch die Freigabe des Vollstreckungsgegenstandes durch den Gläubiger das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lässt (bejahend Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 771 Rz. 32; einschränkend Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 13), kann dahingestellt bleiben, weil die Beklagte eine solche Freigabeerklärung nicht abgegeben hat. Sie hat vielmehr für Hinweise auf den derzeitigen Liegeplatz des Schiffes eine Zahlung ausgelobt und damit ihren ernsthaften Willen bekundet, trotz des (behaupteten) Eigentums des Klägers (erneut) in das Segelschiff zu vollstrecken. Ist eine Fortsetzung oder Wiederholung der Vollstreckung aus dem Titel in den Gegenstand - wie hier - noch möglich, so bleibt die Drittwiderspruchsklage zulässig (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 13; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.4.1985 - IX ZR 75/84, GmbHR 1985, 325 = MDR 1986, 139 = ZIP 1985, 676 [677]).
IV.
Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen somit die Abweisung der Drittwiderspruchsklage nicht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird unter Berücksichtigung des bisher übergangenen Vortrags des Klägers festzustellen haben, ob ihm ein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. d. § 771 ZPO zusteht. Bleibt es dabei, dass der Kläger, wie das Berufungsgericht bisher angenommen hat, lediglich uneigennütziger Treuhänder für den Schuldner S. als Treugeber ist, so ist er zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Segelschiff verpflichtet (vgl. BGH BGHZ 11, 37 [42]; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 771 Rz. 21; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 771 Rz. 26; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 771 Rz. 14, "Treuhänder"). Für den Fall, dass es darauf ankommen sollte, ob der Kläger Eigentum an dem Segelschiff erworben hat, wird darauf hingewiesen, dass der Begriff des Seeschiffes i. S. d. § 929a Abs. 1 BGB umstritten ist (vgl. dazu Quack in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. § 929a Rz. 2, m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1121189 |
BGHR 2004, 778 |
EBE/BGH 2004, 4 |
FamRZ 2004, 701 |
NJW-RR 2004, 1220 |
WM 2004, 583 |
WuB 2004, 453 |
InVo 2004, 331 |
MDR 2004, 714 |
LL 2004, 387 |
ProzRB 2004, 187 |