Entscheidungsstichwort (Thema)
Widersprüchliches Verhalten des Auftraggebers bei Aufforderung zur Nachbesserung und deren Ablehnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Auftraggeber, der den Auftragnehmer zur Nachbesserung auffordert, eine von diesem vorgeschlagene geeignete Nachbesserung aber nicht annimmt, verhält sich widersprüchlich.
Normenkette
BGB § 633 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Köln v. 30.1.2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Rückzahlung von 60.000 DM, die sie zur Sicherheit geleistet hat, sowie von 150.000 DM, mit denen sie aus einer Gewährleistungsbürgschaft belastet wurde.
Die Klägerin errichtete als Generalübernehmerin eine Wohnanlage. Diese wurde von den Beklagten zu 1) bis 41) als Mitgliedern einer Investorengemeinschaft sowie von den Beklagten zu 42) bis 55) übernommen. Zur Sicherung der in der fünfjährigen Gewährleistungsfrist entstehenden Ansprüche der Beklagten zu 1) bis 41) stellte die Klägerin eine Bürgschaft.
In einem vom Beklagten zu 39) eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren kam der Sachverständige N. zu dem Ergebnis, dass an den Balkontüren nicht die zum Schutz vor Durchfeuchtung erforderlichen Aufkantungen und Abdichtungen vorhanden und deshalb Ausblühungen an der Fassade entstanden seien. Er stellte weiter fest, dass die Kelleraußentreppe und die Wohnungseingangstür des Beklagten zu 39) Mängel aufwiesen. Die Beseitigung aller Mängel koste etwa 60.000 DM.
Die Beklagten zu 1) bis 41), die die Klägerin u. a. am 8.3.1995 vergeblich zur Mängelbeseitigung gemahnt hatten, kündigten daraufhin eine Inanspruchnahme der Bürgschaft an. Um diese abzuwenden, zahlte die Klägerin 60.000 DM an die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Auf Antrag der Klägerin erstattete der Sachverständige S. im selbstständigen Beweisverfahren ein weiteres Gutachten, das im Wesentlichen die Auffassung des Sachverständigen N. bestätigte. Die Beklagtenvertreterin schrieb am 1.4.1997 unter Beifügung des Gutachtens an die Klägerin:
"Namens und im Auftrag der von uns vertretenen Eigentümergemeinschaft setzen wir Ihnen hiermit eine letzte Frist zur Beseitigung der Mängel gem. den Ihnen vorliegenden Gutachten. Sollten wir bis zum 10.04.1997 von Ihnen keine verbindliche Erklärung darüber erhalten haben, wann und wie die Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden sollen, lehnen wir die weitere Durchführung der Arbeiten durch Sie ab und werden im Rahmen der Ersatzvornahme die Arbeiten entsprechend in Auftrag geben."
Am 7.4.1997 teilte die Klägerin mit, dass sie Material zum Einbau der in dem Gutachten S. geforderten Schwellen bestellt habe. Die Beklagten erwiderten am 16.4.1997, dass die angebotene Nachbesserung nicht normgerecht sein werde und sie durch einen Sachverständigen prüfen lassen wollten, ob sie zur Mängelbeseitigung geeignet sei. Am 5.5.1997 untersagten die Beklagten der Klägerin eine weitere Tätigkeit und teilten mit, dass sie ein Drittunternehmen beauftragt hätten. Die Klägerin bestand auf einer Nachbesserung und forderte die Beklagten vergeblich auf, ihr hierfür einen Termin zu benennen. Ihrer Aufforderung, den für die Nachbesserung gezahlten Betrag und die Bürgschaftsurkunde zurückzugeben, kamen die Beklagten nicht nach. Die Beklagten zu 1) bis 41) gingen vielmehr aus der Bürgschaft erfolgreich gerichtlich gegen die bürgende Bank vor, die den gezahlten Betrag dem Konto der Klägerin belastete. Diese verlangt von den Beklagten die Rückzahlung der von ihr geleisteten 60.000 DM und von den Beklagten zu 1) bis 41) zusätzlich die Erstattung der aus der Bürgschaft in Anspruch genommenen 150.000 DM.
Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten, über die nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen zu entscheiden ist, ist nicht begründet.
I.
Auch die Revision der Beklagten zu 42) bis 55) ist statthaft, obwohl das Berufungsgericht ihre Beschwer auf 60.000 DM festgesetzt hat und deshalb für sie allein der Mindestbetrag des § 546 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht erreicht ist. Denn für die Berechnung der Beschwer bei mehreren Streitgenossen sind die Streitwerte nach § 5 ZPO jedenfalls dann zusammenzuzählen, wenn das Rechtmittel von mehreren von ihnen eingelegt wird (BGH, Urt. v. 18.2.1957 - II ZR 287/54, BGHZ 23, 333).
II.
Das Berufungsgericht sieht die Beklagten als verpflichtet an, die von der Bürgin und der Klägerin empfangenen Beträge zurückzuzahlen. Durch die Ablehnung der ihnen angebotenen Nachbesserung im Schreiben v. 5.5.1997 sei der Zweck der Sicherheiten weggefallen. Der Nachbesserungsanspruch sei bis zu diesem Zeitpunkt nicht untergegangen. Das Schreiben der Beklagten v. 1.4.1997 habe keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung enthalten, weil die Klägerin darin nur zu einer Erklärung gemahnt geworden sei, wann und wie sie die Nachbesserung durchführen wolle. Diese Erklärung sei fristgerecht abgegeben worden. Die von der Klägerin geplanten Maßnahmen seien zum Zeitpunkt des Angebots geeignet gewesen. Der Sachverständige S. habe bestätigt, dass das Sanierungskonzept der Klägerin bei exakter Verarbeitung konstruktiv und bauphysikalisch fachgerecht sei.
Das Nachbesserungsangebot der Klägerin für die im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten und zuletzt unstreitigen Mängel sei ausreichend gewesen. Die Klägerin habe nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie einen Teil der Mängel nicht beseitigen wolle. Zwar habe sie am 7.4.1997 mitgeteilt, dass für die Abdichtung bzw. Abdeckung der Balkone bereits Arbeiten in Auftrag gegeben worden seien und eine Mängelbeseitigung nicht sofort durchgeführt werden könne. Damit habe sie aber nicht erklärt, nur einen Teil der Mängel beseitigen zu wollen. Die Erklärung der Klägerin sei, wie der weitere Schriftverkehr zeige, von den Beklagten auch nicht so aufgefasst worden, dass nur eine unzureichende, weil nicht alle Mängel betreffende Mängelbeseitigung angeboten worden sei. Die Beklagten könnten sich bei ihrer Ablehnung der Nachbesserung nicht darauf stützen, dass diese keine Neuherstellung sei. Ein Anspruch hierauf bestehe nach Abnahme nur, wenn eine nachhaltige Mangelbeseitigung auf andere Weise nicht erreichbar sei.
III.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beklagten keine Gewährleistungsansprüche aus § 635 BGB haben (1.). Die Revision beanstandet im Ergebnis auch ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht erörtert, ob den Beklagten Ansprüche aus § 633 Abs. 3 BGB zustehen; auf solche Ansprüche können sich die Beklagten nämlich jedenfalls wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen (2.).
1. Ein durch die Gewährleistungsbürgschaft gesicherter Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB steht den Beklagten nicht zu, weil eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung fehlt und auch nicht entbehrlich ist.
a) Den Anforderungen des § 634 Abs. 1 BGB wird nicht durch die Aufforderung an den Unternehmer genügt, innerhalb einer Frist die Bereitschaft zur Mangelbeseitigung zu erklären (BGH, Urt. v. 16.9.1999 - VII ZR 456/98, BGHZ 142, 278 [282] = MDR 1999, 1500). Die Beklagten haben lediglich eine Erklärung verlangt, wann und wie diese durchgeführt werden sollen. Sie haben zudem nur eine Ersatzvornahme angekündigt.
b) Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung war nicht entbehrlich, weil die Klägerin eine Nachbesserung nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat.
aa) Eine Verweigerung lässt sich nicht daraus ableiten, dass sie im Schreiben v. 7.4.1997 nur auf das Gutachten S., nicht aber auf das Gutachten N. Bezug genommen hat. Das Berufungsgericht hat das Schreiben in Kenntnis dieses Umstands dahin ausgelegt, dass die Klägerin die Mängelbeseitigung auch nicht teilweise verweigern wollte. Rechtsfehler bei dieser Auslegung zeigt die Revision nicht auf.
bb) Die Klägerin hat die Beklagten nicht hingehalten und damit dokumentiert, dass sie zur Nachbesserung nicht bereit sei. Die Parteien haben sich bezüglich des Hauptmangels unter Berücksichtigung der Sachverständigengutachten darüber gestritten, wie dieser nachhaltig zu beseitigen sei. Genügende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin gezielt versucht haben könnte, eine notwendige Mangelbeseitigung hinauszuzögern, zeigt die Revision nicht auf.
cc) Das Schreiben v. 28.6.1996, mit dem sich das Berufungsgericht nicht ausdrücklich befasst hat, kann nicht als Beleg für eine Verweigerung der Mängelbeseitigung aufgefasst werden. Auch wenn darin Zweifel an den Sachverständigengutachten des selbstständigen Beweisverfahrens geäußert werden, schließt das Schreiben doch mit dem Angebot, dass die Klägerin "nach Benennung eines Termins ... berechtigten Mängelrügen" nachgehen werde.
c) Auf die Eignung des Sanierungskonzepts der Klägerin könnte es nur ankommen, wenn die Beklagten ohne Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung Schadensersatz verlangen könnten, weil sich in der Vorlage eines offensichtlich ungeeigneten Konzepts eine Ablehnung sachgerechter Sanierung durch die Klägerin zeigte. Das hat das Berufungsgericht aber, ohne dass ihm insoweit Rechtsfehler unterlaufen wären, nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat aus dem Sachverständigengutachten vertretbar abgeleitet, dass der Mangel in der von der Klägerin vorgesehenen Weise hätte behoben werden können.
d) Zur Vorlage eines Sanierungskonzepts war die Klägerin nicht verpflichtet. Das einmalige Scheitern eines nach Auffassung des Sachverständigen an sich tauglichen Sanierungsversuchs rechtfertigte ein Absehen von einer formgerechten Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht. Die Sachverständigengutachten lassen erkennen, dass es sich um eine nicht ganz einfache Sanierung handelte. Dass diese bei einem Versuch misslungen ist, berechtigte die Beklagten noch nicht, ohne weitere Fristsetzung zu einem Schadensersatzanspruch überzugehen.
2. Den Beklagten steht auch kein Anspruch auf Ersatz von Fremdnachbesserungskosten gem. § 633 Abs. 3 BGB zu, der sie berechtigen würde, die als Sicherheiten empfangenen Beträge bis zu einer endgültigen Abrechnung zu behalten.
a) Die Verfolgung des Anspruchs ist allerdings nicht schon aus prozessualen Gründen ausgeschlossen. Die Beklagten habe diese Anspruchsgrundlage anders als in erster Instanz im Berufungsverfahren zwar nicht ausdrücklich herangezogen. Das hat aber die Berufung in diesem Punkt nicht wegen fehlender Angabe der Gründe der Anfechtung gem. § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig gemacht. Die Berufungsbegründung greift die Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils insgesamt an, ohne sich auf einen bestimmten Gewährleistungsanspruch zu beschränken. Es liegt damit eine formal ausreichende Begründung vor, die eine Prüfung auch des gegenüber einer Schadensersatzforderung u. a. Voraussetzungen stehenden und mit anderen Rechtsfolgen verbundenen Anspruch aus § 633 Abs. 3 BGB ermöglicht.
b) Die Beklagten können sich indes nicht darauf berufen, dass ihnen Ansprüche aus § 633 Abs. 3 BGB zustehen. Die Klägerin war zwar mit der Mangelbeseitigung bereits auf Grund des Schreibens der Beklagtenvertreterin v. 8.3.1995 in Verzug, in dem sie unter Setzung von Fristen für Beginn und Abschluss der Arbeiten zur Beseitigung von Mängeln aufgefordert worden war, die durch die Beifügung der Stellungnahme eines privaten Sachverständigen hinreichend konkretisiert waren. Ein Unternehmer, der sich mit der Mängelbeseitigung im Verzug befindet und der eine ihm hierfür gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung hat verstreichen lassen, hat auch bei einem BGB-Werkvertrag keinen Anspruch mehr, den Mangel selbst nachbessern zu dürfen (BGH, Urt. v. 27.2.2003 - VII ZR 338/01, MDR 2003, 623 = BGHReport 2003, 860 = BauR 2003, 693 = ZfBR 2003, 363). Die Beklagten hätten deshalb nach Ablauf der gesetzten Fristen eine Mangelbeseitigung durch die Klägerin ablehnen dürfen.
Die Beklagten haben jedoch ihrerseits als Auftraggeber nicht das Recht verloren, Nachbesserung zu verlangen. Davon haben sie im Schreiben v. 1.4.1997 Gebrauch gemacht, indem sie Mängelbeseitigung verlangt und der Klägerin Frist zur Erklärung gesetzt haben, wann und wie sie die notwendigen Instandsetzungsarbeiten vornehmen wolle. Die Klägerin war hierzu bereit; die von ihr angebotenen Maßnahmen der Mängelbeseitigung waren nach den auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch konstruktiv und bauphysikalisch fachgerecht. Die Beklagten haben jedoch im Schreiben v. 5.5.1997 der Klägerin eine weitere Tätigkeit untersagt und ein Baustellenverbot ausgesprochen. Sie haben sich widersprüchlich verhalten, weil sie die Klägerin trotz der verstrichenen Frist erneut zur Nachbesserung aufgefordert, dann aber deren Angebot zur Durchführung objektiv geeigneter Maßnahmen abgelehnt haben. Ein solches widersprüchliches Verhalten ist treuwidrig (§ 242 BGB) mit der Folge, dass die Beklagten sich auf einen Anspruch aus § 633 Abs. 3 BGB nicht berufen können.
Fundstellen
Haufe-Index 1090841 |
DB 2004, 483 |
DStZ 2004, 463 |
NJW 2004, 1525 |
BuW 2004, 77 |
BGHR 2004, 365 |
BauR 2004, 380 |
BauR 2004, 501 |
DWW 2004, 68 |
EBE/BGH 2004, 36 |
NJW-RR 2004, 303 |
IBR 2004, 64 |
WM 2004, 789 |
ZAP 2004, 287 |
ZfIR 2004, 901 |
ZfBR 2004, 252 |
BrBp 2004, 297 |
NZBau 2004, 153 |
BauRB 2004, 96 |
Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 934 |