Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrag. Telefondienstvertrag. Realofferte. Willenserklärung. Entgeltanspruch
Leitsatz (amtlich)
a) Zwischen dem Inhaber eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Mehrwertdienst angewählt wird, und dem Verbindungsnetz- sowie dem Plattformbetreiber kommt kein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen zu Stande, wenn die Mitwirkung des Betreibers an der Herstellung der Verbindung nach außen nicht deutlich wird.
b) Ein Entgeltanspruch wird in diesen Fällen auch nicht durch § 15 Abs. 1 S. 1 TKV begründet.
Normenkette
BGB §§ 145, 611 Abs. 1; TKV § 15 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 09.12.2004; Aktenzeichen 7 S 132/04) |
AG Brandenburg |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Potsdam v. 9.12.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus ihren Angaben zufolge abgetretenem Recht der T. GmbH & Co. KG die Zahlung von Entgelten für die Herstellung von Fernmeldeverbindungen zu Mehrwertdienstenummern im April und Oktober 2002.
Der Beklagte ist Inhaber eines Telefonanschlusses der D. T. AG. Die Zedentin stellt als sog. Verbindungsnetzbetreiber Verbindungen aus Teilnehmernetzen in andere Telekommunikationsnetze her. Ferner ist sie als sog. Plattformbetreiber Inhaber der Zuteilung von Mehrwertdienstenummern. Sie stellt ihrerseits die Rufnummern den Diensteanbietern zur Verfügung und leitet die aus dem Netz der D. T. AG oder anderer Telekommunikationsunternehmen kommenden Anrufe bzw. Interneteinwahlen an die Betreiber der Mehrwertdienste weiter.
Die Klägerin behauptet, vom Anschluss des Beklagten aus seien verschiedene Mehrwertdienste über das Netz und die Plattform der T. GmbH & Co. KG in Anspruch genommen worden. Sie ist der Ansicht, die Zedentin könne die hierfür angefallenen Verbindungsentgelte beanspruchen, da mit der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer ein Vertrag des Anschlussinhabers auch mit dem Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zu Stande komme.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Zedentin sei nicht Vertragspartner des Beklagten geworden. Der Anschlussinhaber stehe mit seinem Teilnehmernetzbetreiber, der ihm den Netzzugang zur Verfügung stelle, in vertraglichen Beziehungen. Hinzu trete ein weiteres Vertragsverhältnis mit dem Anbieter von Mehrwertdiensten, wenn ein solcher angewählt werde. Demgegenüber stelle sich die Leistung eines Dritten, der in die Verbindung zwischen dem Anschluss und dem Mehrwertdienst eingeschaltet sei, selbst dann als diejenige einer Hilfsperson dar, wenn der Nutzer wisse, dass die Verbindung zum Mehrwertdienst über einen Verbindungsnetz- und einen Plattformbetreiber zu Stande komme.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zwischen dem Beklagten und der T. GmbH & Co. KG ist kein Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen zu Stande gekommen.
a) Ein Vertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, auf dieselben Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen voraus. Willenserklärungen können auch schlüssig abgegeben werden. Deshalb kann ein Vertrag, wie die Revision insoweit zutreffend hervorhebt, auch dadurch zu Stande kommen, dass ein Anbieter im Wege der sog. Realofferte seine Leistung bereithält und ein Nutzer das Angebot mit deren Inanspruchnahme konkludent annimmt (z.B.: BGH, Urt. v. 17.3.2004 - VIII ZR 95/03, BGHReport 2004, 998 = NJW-RR 2004, 928 [929], m.w.N.). Dies gilt insb. für Verträge über die Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme oder für die Personenbeförderung im Massenverkehr, aber auch für Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen. Ein Mehrwertdiensteanbieter gibt durch die Bereithaltung seiner Leistung im Telekommunikationsnetz eine Realofferte ab. Diese nimmt der Anschlussnutzer regelmäßig zumindest schlüssig durch die Anwahl einer bestimmten - zumeist mit den Ziffernfolgen 0190 oder 0900 beginnenden - Nummer am Telefongerät oder am Computer an. Aus diesem Grund tritt neben den als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Telefondienstvertrag mit dem Teilnehmernetzbetreiber ein weiteres Rechtsverhältnis mit dem Anbieter eines Mehrwertdienstes hinzu, wenn der Nutzer einen solchen Dienst anwählt (BGH, Urt. v. 4.3.2004 - III ZR 96/03, BGHZ 158, 201 [203 f.] = CR 2004, 355 = MDR 2004, 620, m. Anm. Schlegel = BGHReport 2004, 826, m. Anm. Tiedemann; v. 22.11.2001 - III ZR 5/01, MDR 2002, 264 = BGHReport 2002, 89, m. Anm. Glauben = NJW 2002, 361 [362]; vgl. auch Härting, ITRB 2003, 103 [104]).
b) Ein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen kommt jedoch, zumindest in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, zwischen dem Anschlussnutzer (ggf. im Namen des Anschlussinhabers) und dem Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber nicht zu Stande. Es dürfte bereits an der Abgabe einer Realofferte fehlen, wenn, wie hier, die Mitwirkung des Betreibers an der Herstellung der Verbindung zwischen dem Anschluss des Nutzers und dem Mehrwertdienst nach außen nicht deutlich wird. Jedenfalls ist der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer nicht der objektive Erklärungswert zu entnehmen, dass der Nutzer nicht nur mit dem Mehrwertdiensteanbieter, sondern auch mit dem Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber eine (entgeltliche) vertragliche Beziehung begründen will. Dies scheitert bereits daran, dass dieser aus Sicht eines objektiven Dritten bei vernünftiger Betrachtung der bekannten oder erkennbaren Umstände (vgl. hierzu z.B. BGHZ 36, 30 [33]; BGH, Urt. v. 12.3.1992 - IX ZR 141/91, MDR 1992, 961 = NJW 1992, 1446 f.; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, § 133 Rz. 27) nicht Adressat einer Willenserklärung ist. Dem durchschnittlich verständigen und informierten Telefon- und Internetnutzer ist, wovon auch ein objektiver Dritter auszugehen hat, die Leistungskette zwischen dem Teilnehmernetzbetreiber und dem Mehrwertdiensteanbieter nicht bekannt, sofern er nicht - etwa im Wege des sog. call-by-call-Verfahrens - gezielt einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber auswählt. Ihm ist deshalb entgegen der Ansicht der Revision nicht bewusst, dass die Verbindung zu dem Mehrwertdienst durch zwischengeschaltete Leistungserbringer hergestellt wird.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass sich am Ergebnis selbst dann nichts ändern würde, wenn der durchschnittliche Anschlussnutzer mit der Einbeziehung von Verbindungsnetz- und Plattformbetreibern in die Verbindungskette rechnete. Auch dann ließe sich der Anwahl des Mehrwertdienstes nicht die Erklärung des Nutzers entnehmen, mit dem Verbindungsnetz- oder Plattformbetreiber einen Vertrag über die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung schließen zu wollen. Für den Anschlussnutzer stellen sich, wie für einen objektiven Dritten erkennbar ist, diese Betreiber als bloße Hilfspersonen dar, deren Leistungen zur Erbringung des Mehrwertdienstes technisch notwendig sind. Offen bleiben kann, ob sich der Mehrwertdiensteanbieter dieser Verbindungsleistungen bedient oder ob der Teilnehmernetzbetreiber zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Telefondienstleistungsvertrag darauf zurückgreift. In beiden Fällen sind der Verbindungsnetz- und der Plattformbetreiber aus Sicht des Nutzers Erfüllungsgehilfen eines Dritten. Hierfür spricht insb., dass in dem Preis für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes das Entgelt für die Leistungen des Verbindungsnetz- und des Plattformbetreibers bereits enthalten ist. Schuldet der Kunde ggü. einem Vertragspartner das Entgelt auch für Leistungen eines Dritten, liegt am nächsten der Schluss, dass diese Bestandteil der Pflichten des Vertragspartners sind und der Dritte dessen Erfüllungsgehilfe ist. Stellt sich im Rahmen einer Leistungsbeziehung ein Beteiligter, hier der Verbindungs- und Plattformbetreiber, aus Sicht einer Partei als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners dar, geht ihr erkennbarer Wille im Zweifel nicht dahin, auch mit dem weiteren Beteiligten einen Vertrag zu schließen.
Gegen einen Vertragsschluss zwischen dem Anschlussnutzer und dem Verbindungsnetz- bzw. Plattformbetreiber spricht auch die Interessenlage, die bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen ist (z.B.: BGHZ 21, 319 [328]; BGH v. 10.10.1989 - VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19 [22] = MDR 1990, 232; Urt. v. 9.7.2001 - II ZR 228/99, MDR 2001, 1254 = BGHReport 2001, 621 = NJW 2002, 747 [748], m.w.N.). Es liefe, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, den erkennbaren Interessen des Nutzers zuwider, neben den vertraglichen Beziehungen zu dem Mehrwertdiensteanbieter und dem Teilnehmernetzbetreiber weitere Vertragsverhältnisse mit dem Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zu begründen. Der Anschlussinhaber würde auf diese Weise für ein und dieselbe Leistung den Entgeltansprüchen zusätzlicher Gläubiger ausgesetzt werden, obgleich er insoweit bereits den erstgenannten Vertragspartnern verpflichtet ist. Auch wenn er im Ergebnis nur einmal zu zahlen hat, würden die Rechtsverhältnisse durch die Vermehrung der Gläubigerzahl unübersichtlich und wären Streitigkeiten über die Tilgungswirkung von Leistungen und über Einwendungen des Kunden vorprogrammiert. Demgegenüber sind Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber zur Wahrung ihrer Interessen nicht auf Ansprüche ggü. dem Endkunden angewiesen, da sie die von ihnen erbrachten Leistungen je nach Gestaltung der entsprechenden Verträge ggü. dem Mehrwertdiensteanbieter oder dem Teilnehmernetzbetreiber oder gegenüber beiden geltend machen können.
2. Entgegen der Ansicht der Revision kann die Zedentin auch aus § 15 Abs. 1 S. 1 TKV keinen Anspruch herleiten. Nach dieser Bestimmung hat der Teilnehmernetzbetreiber dem Kunden, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, auch die Entgelte in Rechnung zu stellen, die durch die Auswahl anderer Anbieter von Netzdienstleistungen entstehen. Diese Bestimmung begründet keinen Anspruch des anderen Anbieters. Sie enthält vielmehr eine Regelung für den Fall, dass eine Entgeltforderung entstanden ist (vgl. die Begründung zu § 14 des TKV-Entwurfs = § 15 TKV, BR-Drucks. 551/97, 34). Hieran fehlt es mangels Vertragsschlusses zwischen der Zedentin und dem Beklagten.
Fundstellen