Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverbindliche Preisempfehlung Hersteller für Markenartikel der Unterhaltungselektronik. Fortgeltung. Irreführende Werbung durch Bezugnahme
Leitsatz (amtlich)
Von der Fortgeltung einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers kann jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese in der aktuellen Preisliste nicht mehr aufführt.
Normenkette
UWG § 3
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 12.04.2001) |
LG Braunschweig (Urteil vom 31.05.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 12.4.2001 im Kostenpunkt und in dem Umfang aufgehoben, der sich aus der nachstehenden Neufassung des Berufungsurteils ergibt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Braunschweig v. 31.5.2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Markengeräte der Unterhaltungselektronik unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, die zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung nicht mehr in der angegebenen Höhe besteht.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Werbung in der B. Zeitung v. 28.10.1999 für ein Fernsehgerät der Marke P. und in Anzeigen v. 27.4.2000 für die Autoradiogeräte J. und K. entstanden ist und noch entstehen wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Werbeträger und die Auflagenhöhe der in Ziff. 2 näher bezeichneten Werbung zu erteilen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber im Einzelhandel mit Elektronikgeräten.
Die Beklagte warb in der "B. Zeitung" am 28.10.1999 für ein Fernsehgerät der Marke P. (Typ). In einer weiteren Anzeige v. 27.4.2000 bot die Beklagte sechs Autoradios der Marken S. (und), P. (und), J. () und K. () an. Dabei stellte sie ihren eigenen Preisen höhere unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller ggü.
Die Klägerin hat die Werbung als irreführend beanstandet. Sie hat behauptet, als die Anzeigen erschienen seien, hätten für die von der Beklagten angebotenen Geräte keine unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller mehr bestanden.
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Markengeräte unter Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, die zum Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung nicht mehr in der angegebenen Höhe besteht,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziff. 1 geschilderte Wettbewerbshandlung entstanden ist oder noch entstehen wird,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Wettbewerbshandlungen gemäß Ziff. 1 begangen hat, wobei die Werbung nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln ist.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, im Zeitpunkt der Werbung hätten die von ihr angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller nach wie vor Gültigkeit gehabt. Sie habe sich vor Schaltung der Anzeigen von den Herstellern die Fortgeltung der Preisempfehlungen bestätigen lassen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Anträge in der mündlichen Verhandlung auf Markengeräte der Unterhaltungselektronik beschränkt und das weiter gehende Rechtsmittel zurückgenommen hat. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche wegen irreführender Werbung der Beklagten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Für das Fernsehgerät P. habe im Oktober 1999 die von der Beklagten in der Werbung angegebene unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers nach wie vor bestanden. Zwar sei das Gerät in der Preisliste der Firma P. v. 23.8.1999 nicht mehr aufgeführt gewesen. Der Hersteller habe die Preisempfehlung jedoch auch nicht ausdrücklich aufgehoben oder geändert und das Gerät noch bis Oktober 1999 verkauft. Auch im Handel sei der Verkauf nach Erscheinen der Preisliste v. 23.8.1999 fortgesetzt worden. Eine konkludente Aufhebung der Preisempfehlung sei ebenfalls nicht erfolgt. Dazu reiche nicht ohne weiteres aus, dass eine Preisempfehlung aufgegeben werde, ohne dass eine Folgeempfehlung an deren Stelle trete. Wenn das Unternehmen die entsprechenden Gegenstände weiterhin verkaufe, sei eine ausdrückliche Aufhebung der Preisempfehlung erforderlich. Ansonsten sei im Allgemeinen von der Fortgeltung der alten unverbindlichen Preisempfehlung auszugehen. Die fortbestehende unverbindliche Preisempfehlung sei auch nicht durch die tatsächliche Entwicklung überholt und der Preis auf dem Markt nicht mehr ernsthaft gefordert worden. Zwar spreche vieles dafür, dass es sich bei dem Gerät zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten um ein Auslaufmodell gehandelt habe. Die Klägerin habe jedoch nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, dass das Gerät vom Handel zu gegenüber der unverbindlichen Preisempfehlung günstigeren Preisen abgegeben worden sei.
Die beanstandete Anzeige v. 27.4.2000 sei ebenfalls keine irreführende Werbung der Beklagten. Zwar sei die ursprüngliche unverbindliche Preisempfehlung für die Autoradiogeräte von J. und K. durch die nachfolgenden Preislisten ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden. Diese hätten den Hinweis enthalten, frühere Preislisten würden ungültig. Für die beworbenen Autoradios könnten jedoch von den Herstellern die unverbindlichen Preisempfehlungen gleichwohl weitergeführt worden sein, auch wenn nichts dafür ersichtlich sei, dass sie in den den Abnehmern zugänglichen Unterlagen zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten noch genannt worden seien. Darauf, dass die Hersteller der Geräte in kartellrechtlich problematischer Weise an den Preisempfehlungen festhielten, komme es für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten nicht an. Die Klägerin habe auch bei den in der Anzeige v. 27.4.2000 angebotenen Geräten nicht dargelegt und nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen unverbindlicher Preisempfehlungen der Hersteller nicht mehr gegeben gewesen seien. Vielmehr habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller weiterhin ihre Gültigkeit behalten hätten.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Verurteilung nach dem in der Revisionsinstanz auf Markenartikel der Unterhaltungselektronik beschränkten Unterlassungsantrag. Die Anträge auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sind nach der Einschränkung im Revisionsverfahren nur auf die konkreten Verletzungshandlungen (Werbung v. 28.10.1999 für das Fernsehgerät der Marke P. und v. 27.4.2000 für die Autoradiogeräte J. und K.) bezogen. In diesem Umfang sind sie begründet.
1. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG zu, weil die Beklagte irreführend mit unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller geworben hat.
a) Die Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist u. a. als irreführend anzusehen, wenn diese im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültig ist, weil sie keinen Bestand mehr hat und der Werbende auf diesen Umstand nicht hinweist (vgl. zur Werbung mit einer ehemaligen unverbindlichen Preisempfehlung: BGH, Urt. v. 15.9.1999 - I ZR 131/97, MDR 2000, 1025 = GRUR 2000, 436 [437 f.] = WRP 2000, 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; Lindacher in GroßKomm./UWG, § 3 Rz. 896). Davon ist im Streitfall auszugehen.
Für das Fernsehgerät der Marke P. bestand zum Zeitpunkt der Werbung der Beklagten am 28.10.1999 keine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers mehr. Gleiches gilt für die am 27.4.2000 von der Beklagten beworbenen Autoradiogeräte der Marken J. und K. .
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Fernsehgerät von P. sei in der im Oktober 1999 gültigen Preisliste des Herstellers v. 23.8.1999 nicht mehr aufgeführt gewesen, weil es sich offensichtlich um ein Auslaufmodell gehandelt habe. Das Gerät sei jedoch von P. noch im Oktober 1999 veräußert worden. Die zuvor gültige Preisempfehlung sei vom Hersteller nicht geändert worden und habe weitergegolten. Dem kann nicht zugestimmt werden.
Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt eine zulässige unverbindliche Preisempfehlung voraus, dass sie in der Erwartung ausgesprochen wird, der empfohlene Preis entspreche dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis. Einer Preisempfehlung wohnt im Unterschied zu einer bloßen Meinungsäußerung oder tatsächlichen Mitteilung das Bestreben inne, den Willen derjenigen, an die sie gerichtet ist, in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen (BGHZ 39, 370 [373] - Osco-Parat; Immenga/Mestmäcker/Sauter, GWB, 3. Aufl., § 23 Rz. 14; Bunte in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 22 GWB Rz. 4). Von der Fortgeltung einer Preisempfehlung kann daher - jedenfalls nach einer kurzen Übergangsfrist - regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese nicht mehr allgemein, etwa in seinen aktuellen Preislisten, anführt (vgl. KG, Urt. v. 7.4.1998 - 5 U 1525/97, KGReport Berlin 1999, 13 = GRUR 1999, 359 [360]; Revision nicht angenommen: Beschl. v. 4.2.1999 - I ZR 140/98; einschränkend Klosterfelde in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 23 GWB Rz. 67). Denn es fehlt danach an dem Willen des Herstellers, noch Einfluss auf die Preisbildung des Handels zu nehmen.
Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Fernsehgerät von P. in der aktuellen Preisliste v. 23.8.1999 nicht mehr aufgeführt war, war die bis dahin ausgesprochene unverbindliche Preisempfehlung jedenfalls nach Verstreichen einer kurzen Übergangsfrist von einem Monat überholt. Sie hatte daher im Oktober 1999 keinen Bestand mehr. Daran ändert auch die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht herangezogene Aussage des Zeugen H. nichts. Denn daraus, dass das Fernsehgerät von der Firma P. noch im Oktober 1999 verkauft wurde, ergibt sich nichts für eine Fortgeltung der unverbindlichen Preisempfehlung. Die anders lautende Einschätzung des Zeugen stellt ohne Wiedergabe konkreter Tatsachen, aus denen sich die Fortdauer der unverbindlichen Preisempfehlung ergibt, nur seine persönliche Meinungsäußerung dar.
bb) Dem Berufungsgericht kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als es angenommen hat, für die Autoradiogeräte von J. und K. habe am 27.4.2000 die von der Beklagten in der Werbung angegebene unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller noch bestanden. In den neuen Preislisten v. 1.4.2000 waren die am 27.4.2000 angebotenen Autoradiogeräte von J. und K. nicht aufgeführt. Die früheren Preislisten, die die von der Beklagten angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller enthielten, galten nach Herausgabe der Preislisten v. 1.4.2000 nicht mehr. Denn die neuen Preislisten enthielten den Hinweis, dass frühere Preislisten ihre Gültigkeit verlieren. Daraus ergibt sich, dass die Hersteller die unverbindlichen Preisempfehlungen für diese Geräte mit Erscheinen der neuen Preislisten aufgehoben hatten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte sich von den Herstellern durch Einzelabfragen die unverbindlichen Preisempfehlungen für den Zeitpunkt der Werbung hatte bestätigen lassen. Denn in diesen Einzelbestätigungen, die vor dem Erscheinen der neuen Preislisten erstellt wurden, nahmen die Hersteller auf die zum Zeitpunkt der Werbung nicht mehr gültigen Preislisten v. 1.9.1999 Bezug.
Die Irreführung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant, weil sie geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen (vgl. BGH v. 15.9.1999 - I ZR 131/97, MDR 2000, 1025 = GRUR 2000, 436 [438] - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung).
b) Die Werbung der Beklagten mit unzutreffenden unverbindlichen Preisempfehlungen für ein Fernsehgerät und zwei Autoradios begründet die Annahme der Wiederholungsgefahr für Markenartikel der Unterhaltungselektronik (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, MDR 2003, 705 = BGHReport 2003, 504 = GRUR 2003, 446 [447] = WRP 2003, 509 - Preisempfehlung für Sondermodelle). Auf diese hat die Klägerin nach Teilrücknahme der Revision den Unterlassungsantrag beschränkt.
2. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und der Auskunftsantrag, die sich auf die beanstandete Werbung am 28.10.1999 für das Fernsehgerät der Marke P. und am 27.4.2000 für die Autoradiogeräte von J. und K. beziehen, sind begründet.
Der Schadensersatzanspruch folgt aus §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 UWG. Die Beklagte hätte wissen müssen, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen für die Geräte im Zeitpunkt der Werbung keine Gültigkeit mehr hatten. Nachdem das Fernsehgerät von P. in der aktuellen Preisliste v. 23.8.1999 nicht mehr aufgeführt war, musste der Beklagten klar gewesen sein, dass die unverbindliche Preisempfehlung im Oktober 1999 keinen Bestand mehr hatte. Entsprechendes gilt ungeachtet der Einzelbestätigungen der Hersteller v. 29.3.2000 auch für die Autoradiogeräte. Diese Einzelbestätigungen waren nach Erscheinen der neuen Preislisten v. 1.4.2000, die frühere Preislisten ausdrücklich aufhoben, erkennbar überholt.
Auch der Auskunftsanspruch ist auf die konkret angeführten Wettbewerbsverstöße zu beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, §§ 566, 515 Abs. 3 S. 1 ZPO a. F.
Fundstellen
BGHR 2004, 823 |
EBE/BGH 2004, 4 |
NJW-RR 2004, 980 |
GRUR 2004, 437 |
MDR 2004, 952 |
WRP 2004, 606 |