Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung § 18 BetrAVG a.F.. Ausgeschiedene Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Nachversicherung. Berechnung der Zusatzrente. Berechnungsfaktoren. Gesamtversorgung. Grundversorgung
Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung der Höhe der Zusatzrente bei nach § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und 6, Abs. 6 BetrAVG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung nachversicherten Personen.
Normenkette
BetrAVG §§ 18, 30d
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 04.06.2003; Aktenzeichen 20 U 222/02) |
LG Münster |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Hamm v. 4.6.2003 wird auf Kosten der Streithelferin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung einer Zusatzrente nach § 18 BetrAVG.
Der am 26.3.1939 geborene Kläger gehörte zum Kreis der in § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und 6 BetrAVG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung (im Folgenden: BetrAVG a.F.) genannten Arbeitnehmer und war v. 1.7.1967 bis zum 5.11.1982 bei der Streithelferin beschäftigt. Am 14.10.1977 hatte er mit ihr einen Versorgungsvertrag geschlossen, in dem ihm eine Gesamtversorgung zugesagt wurde. Bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Streithelferin wurde er von dieser bei der Beklagten gem. § 18 Abs. 6 BetrAVG a.F. für die gesamte Beschäftigungsdauer nachversichert. Mit Rentenbescheid v. 1.6.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab 1.4.1999 eine Zusatzrente i.H.v. 421,81 DM pro Monat. Unter dem 10.8.2001 nahm sie eine Neuberechnung der Zusatzrente unter Zugrundelegung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v. 21.12.2000 (BGBl. I, 1914) vor. Nach dieser Berechnung steht dem Kläger ab dem 1.1.2001 eine monatliche Zusatzrente i.H.v. 458,37 DM zu.
Die Streithelferin hält die Neuberechnung der Zusatzrente v. 10.8.2001 für fehlerhaft. Nach der Neufassung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung könne eine Berechnung verfassungskonform nur durch Umrechnung des Bruttoarbeitsentgelts des Klägers zum Ausscheidedatum in ein Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzugsverhältnisse des Jahres 1982, ohne Anwendung des steuerlichen Näherungsverfahrens und unter Anrechnung der tatsächlichen BfA-Rente des Klägers nach Umrechnung dieser Rente mit den Wertverhältnissen von 1999 in die Wertverhältnisse von 1982 erfolgen. Danach ergebe sich für den Kläger mindestens ein Anspruch auf eine v. 1.1.2001 bis 30.6.2001 um 325,88 EUR, v. 1.7.2001 bis 31.12.2001 um 331,66 EUR und ab 1.1.2002 um 541,96 EUR höhere monatliche Zusatzrente.
Das LG hat dem Zahlungsantrag des Klägers auf Grundlage der Neuberechnung der Zusatzrente durch die Beklagte v. 10.8.2001 entsprochen und weiter gehende Zahlungsansprüche abgewiesen. Die Berufung der Streithelferin, die in erster Linie einen Anspruch des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente und hilfsweise Zahlungsansprüche geltend gemacht hat, ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Auf den Kläger finde gem. § 30d Abs. 3 S. 1 BetrAVG für die auf Grund der Nachversicherung zu ermittelnde Voll-Leistung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) die Vorschrift des § 30d Abs. 1 S. 1 BetrAVG entsprechende Anwendung. Für die Rentenberechnung sei daher nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. b BetrAVG das Arbeitsentgelt des Klägers zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Streithelferin im Jahre 1982 maßgebend. Die Übrigen für die Berechnung zu berücksichtigenden Faktoren seien auf der Basis der am 31.12.2000 geltenden Rechtslage einzusetzen. Die als Grundversorgung anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. f BetrAVG nach dem steuerlichen Näherungsverfahren zu ermitteln. Eine vom Kläger und der Streithelferin begehrte Rentenberechnung mit den im Jahre 1982 geltenden Berechnungsfaktoren unter Anrechnung der tatsächlich gezahlten BfA-Rente, diese zudem bereinigt und umgerechnet in die Wertverhältnisse von 1982, sei damit nicht zu vereinbaren. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig, ein Verfassungsverstoß, insb. eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, lasse sich nicht feststellen.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Der Kläger gehörte zu den in § 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 und 6 BetrAVG a.F. genannten Arbeitnehmern, die bei vorzeitigem Ausscheiden nach Eintritt der Unverfallbarkeit ihrer Versorgungsanwartschaft gem. § 18 Abs. 6 BetrAVG a.F. nachzuversichern waren. Aus diesem Grunde fällt er - entgegen der Ansicht der Revision - unter die Übergangsvorschrift des § 30d Abs. 3 BetrAVG. Die Bestimmung des § 30d Abs. 1 S. 1 BetrAVG findet auf ihn keine unmittelbare, sondern - gem. § 30d Abs. 3 Satz 1 BetrAVG - lediglich entsprechende Anwendung, soweit die Voll-Leistung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) auf Grund der Nachversicherung zu ermitteln ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber in § 30d Abs. 1 BetrAVG eine Übergangsregelung für pflichtversicherte Arbeitnehmer und in § 30d Abs. 3 BetrAVG eine Übergangsregelung für nachversicherte Arbeitnehmer geschaffen hat (Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 30d Rz. 2, 4, 16) und der Kläger zu den nachversicherten Personen zählt.
2. Bei nachversicherten Personen - wie hier dem Kläger - ist für die Berechnung der auf Grund der Nachversicherung zu ermittelnden Voll-Leistung das Arbeitsentgelt zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bei dem öffentlichen Arbeitgeber maßgebend (§§ 30d Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1 Letzter Halbs., 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. b BetrAVG); dabei ist unter "Arbeitsentgelt" im Sinne dieser Vorschrift das Bruttoentgelt zu verstehen (BT-Drucks. 14/4363, 10). Im Übrigen sind die Regelungen der Zusatzversorgungseinrichtungen nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrAVG oder die Gesetze i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 BetrAVG sowie die weiteren Berechnungsfaktoren jeweils "in der am 31.12.2000 geltenden Fassung" anzuwenden. Ein Abstellen auf den individuellen Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist vom Gesetz insoweit nicht vorgesehen. Eine auf diesen Zeitpunkt bezogene individuelle Ermittlung der Berechnungsfaktoren findet bezüglich der Steuer- und Sozialversicherungsabschläge somit nicht statt (vgl. Stephan, ZTR 2001, 103, unter 2.6, 3.1). Anders als die Revision dies meint, können deswegen bei der Berechnung der Zusatzrente des Klägers nicht die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzugsverhältnisse des Jahres 1982 zu Grunde gelegt werden.
3. Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht nicht beanstandet, dass die Beklagte bei der Berechnung der Voll-Leistung eine nach dem Näherungsverfahren - dem von der Finanzverwaltung bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG für die Berücksichtigung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung allgemein zugelassenen Verfahren (vgl. BStBl. 2001 Teil I, 661; BStBl. 2003 Teil I, 76) - ermittelte fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Grundversorgung in Abzug gebracht hat. Das ist vom Wortlaut des § 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. f BetrAVG gedeckt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4363, 10; BT- Drucks. 14/4918, 5) dokumentierten Willen des Gesetzgebers, der dieses Verfahren als zur Herstellung der notwendigen Kongruenz zwischen der Gesamtversorgung und der anzurechnenden Rente geeignet angesehen hat (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 18 Rz. 38; Steinmeyer in Dieterich, Müller-Glöge, Preis, Schaub, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 18 BetrAVG Rz. 9; Ahrend/Förster/Rühmann/Schumann, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge, 9. Aufl., § 18 Rz. 14, 16).
Die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. f BetrAVG konnte von der Beklagten der Berechnung der Voll-Leistung zu Grunde gelegt werden, wenngleich weder § 30d Abs. 3 noch § 30d Abs. 1 S. 1 BetrAVG ausdrücklich auf sie verweisen. Denn ihre Anwendung entspricht Sinn und Zweck der genannten Vorschriften, soweit es um die Ermittlung der Voll-Leistung geht. Dabei ist zunächst nach Maßgabe der Satzung der Beklagten, auf die verwiesen wird, die Gesamtversorgung als höchstmögliche Gesamtversorgung festzustellen. Diese wiederum fußt auf dem zu ermittelnden fiktiven Netto-Entgelt (Brutto-Gehalt bei Ausscheiden und Berücksichtigung der weiteren Berechnungsfaktoren in der am 31.12.2000 geltenden Fassung), von dem 91,75 % die höchstmögliche Gesamtversorgung ausmachen. Dieser fiktiven Berechnung der Gesamtversorgung ist satzungsgemäß die Grundversorgung (gesetzliche Rente) gegenzurechnen, denn die Differenz zwischen beiden Größen macht die Zusatzrentenleistung aus. Ist aber einerseits die fiktive höchstmögliche Gesamtversorgung zu Grunde zu legen, ist es der Beklagten nicht verwehrt, andererseits eine fiktive höchstmögliche Grundversorgung gegenzurechnen, weil so die notwendige Kongruenz zwischen beiden Berechnungsgrößen der Voll-Leistung hergestellt werden kann. Dem entspricht es, zur Ermittlung der Grundversorgung das in § 18 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 lit. f BetrAVG gesetzlich verankerte, 45 Versicherungsjahre zu Grunde legende steuerliche Näherungsverfahren heranzuziehen. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte nicht verpflichtet, hier die in § 2 Abs. 5 S. 2 BetrAVG für den Bereich der gewerblichen Wirtschaft normierte Regelung anzuwenden; die Berechnung der anzurechnenden gesetzlichen Rente darf vielmehr ohne weiteres entsprechend der in § 18 BetrAVG speziell für den öffentlichen Dienst geschaffenen Sonderregelung durchgeführt werden. Erst recht ist es somit nicht möglich, als Grundversorgung lediglich die tatsächliche BfA-Rente des Klägers mit den Wertverhältnissen von 1999 nach Umrechnung derselben in die Wertverhältnisse von 1982 in Anrechnung zu bringen.
4. Im Hinblick auf die von der Streithelferin gerügte Verfassungswidrigkeit der §§ 18, 30d BetrAVG hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung dieser Vorschriften den Bedenken Rechnung getragen habe, die das BVerfG in der Entscheidung v. 15.7.1998 (BVerfG v. 15.7.1998 --1 BvR 1554/89, 1 BvR 1554/963, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365) gegen § 18 BetrAVG a.F. geäußert habe. Arbeitnehmern wie dem Kläger, die nach § 18 Abs. 6 BetrAVG a.F. nachzuversichern gewesen seien, stehe nach § 30d Abs. 3 BetrAVG nunmehr ein Anspruch nach § 2 BetrAVG gegen ihren früheren Arbeitgeber zu, so dass sie im Ergebnis die ihnen individuell zugesagte Gesamtversorgung erhielten. Bei der Ermittlung der Höhe der gem. § 30d Abs. 3 S. 3 BetrAVG hierauf anzurechnenden Zusatzrente könne nicht festgestellt werden, dass die Anweisung des Gesetzgebers, die maßgebende Gesamtversorgung mit Berechnungsfaktoren aus unterschiedlichen Zeitpunkten zu ermitteln, verfassungswidrig sei. Die ungleichen Zeitpunkte seien nicht willkürlich gewählt, sondern ließen sich sachlich rechtfertigen. Wie in der Begründung zur Gesetzesneufassung ausgeführt, sei eine individuelle Berechnung wegen der Komplexität und Vielschichtigkeit der Regelungen kaum praktikabel. Insbesondere sei sie nicht unter Zuhilfenahme der Datenverarbeitung durchzuführen, sondern erfordere eine manuelle Einzelberechnung und damit einen unangemessenen Personal- und Kostenaufwand. Gewisse Ungleichbehandlungen in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes seien hinnehmbar, da die "hochkomplizierte Materie" zu Vereinfachungen zwinge und praktische Erfordernisse der Verwaltung sowie erhebliche Schwierigkeiten bei der Vermeidung der Ungleichbehandlung zu Gunsten einer Typisierung ins Gewicht fielen (vgl. BVerfG v. 22.3.2000 - 1 BvR 1136/96, VersR 2000, 835 [837]). Die weitere Entscheidung des Gesetzgebers, der fiktiv errechneten Gesamtversorgung eine pauschal ermittelte anzurechnende Grundversorgung gegenüberzustellen, orientiere sich ebenfalls an sachlichen Kriterien.
5. Diesen Erwägungen tritt der Senat bei. Die Revision übersieht, dass die Versorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes - anders als private Arbeitgeber - sämtliche in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsfälle erneut zu bearbeiten haben. Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie der Begrenzung des Personal- und Sachkostenaufwands bei den Versorgungseinrichtungen rechtfertigen angesichts der Vielzahl von erneut zu bearbeitenden Altfällen die Anwendung des steuerlichen Näherungsverfahrens bei der Ermittlung der als Grundversorgung anzurechnenden (fiktiven) Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, welches hierfür auch im Bereich der Privatwirtschaft "für den Regelfall" (BAG v. 12.11.1991 - 3 AZR 520/90, DB 1992, 638 [639]) vorgesehen ist. Die getroffene Regelung liegt mithin innerhalb des Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Neuregelung der Altersversorgung von ehemaligen, vor dem 1.1.1999 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes zukommt.
Fundstellen
BGHR 2005, 153 |
FamRZ 2005, 104 |
NZA 2005, 299 |
MDR 2005, 209 |
VersR 2004, 1590 |
JWO-VerbrR 2004, 387 |