Entscheidungsstichwort (Thema)
Organogelmaterial
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausrichtung auf ein bisher nicht bekanntes Ergebnis führt nicht zu einem neuen Verfahren, wenn sich das erstrebte Ergebnis bei der unveränderten Ausführung eines vorbeschriebenen Verfahrens von selbst einstellt (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 17. Januar 1980 - X ZB 4/79, BGHZ 76, 97 = GRUR 1980, 283, 285 - Terephthalsäure).
2. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn sich das angestrebte Ergebnis bei der Nacharbeitung des bekannten Verfahrens nur zufällig einstellt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. März 1989 - X ZR 30/87).
3. Zufällig in diesem Sinne ist ein Ergebnis auch dann, wenn es sich nur unter bestimmten Rahmenbedingungen einstellt und deren Verwirklichung durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt war.
Normenkette
EuPatÜbk Art. 54 Abs. 2
Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 09.11.2021; Aktenzeichen 3 Ni 32/19 (EP)) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 9. November 2021 abgeändert.
Das europäische Patent 2 336 223 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch für teilweise nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 die nachfolgende Fassung erhält, sich alle anderen Patentansprüche auf diese Fassung beziehen und an die Stelle der Patentansprüche 10 bis 15 die nachfolgenden Patentansprüche 10 bis 14 treten.
1. A process for the preparation of a flexible polyurethane foam having an organogel material incorporated therein, which forms at least part of the cell ribs and/or cell walls of the polyurethane foam, wherein in the process a reaction mixture, which comprises a blowing agent, is allowed to foam to produce the polyurethane foam, characterised in that before allowing said reaction mixture to foam, the organogel material is dispersed therein.
10. A flexible polyurethane foam prepared by a process according to any one of the claims 1 to 9, characterised in that said organogel material is incorporated in the foam to form at least part of the cell ribs and/or cell walls.
11. A flexible polyurethane foam according to claim 10, characterised in that the organogel material forms inclusions in said cell ribs and/or cell walls.
12. A flexible polyurethane foam according to any one of the claims 10 to 11, characterised in that the reaction mixture comprises such an amount of said blowing agent that the prepared polyurethane foam has a density of between 25 and 120 kg/m3, the density of the prepared polyurethane foam being preferably lower than 100 kg/m3 and more preferably lower than 80 kg/m3.
13. A flexible polyurethane foam according to any one of the claims 10 to 12, characterised in that the prepared polyurethane foam has a resilience, measured at 20°C in accordance with ASTM D 3574 H, higher than 35 % and preferably higher than 45 %.
14. A flexible polyurethane foam according to any one of the claims 10 to 13, characterised in that the prepared polyurethane foam has an ILD 40% hardness, measured in accordance with ISO 2439 B, between 60 and 500 N, and preferably between 75 and 200 N.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 336 223 (Streitpatents), das am 8. Dezember 2009 angemeldet wurde und flexiblen Polyurethanschaum betrifft.
Rz. 2
Patentanspruch 1, auf den acht Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
A process for the preparation of a flexible polyurethane foam wherein a reaction mixture, which comprises a blowing agent, is allowed to foam to produce the polyurethane foam, characterised in that before allowing said reaction mixture to foam, at least one organogel material is dispersed therein.
Rz. 3
Patentanspruch 10, auf den vier Ansprüche zurückbezogen sind, stellt einen flexiblen Polyurethanschaum unter Schutz, der mit einem solchen Verfahren hergestellt wurde.
Rz. 4
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in einer geänderten Fassung verteidigt.
Rz. 5
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Rz. 6
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent nur noch in der geänderten Fassung nach dem erstinstanzlichen Hilfsantrag verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage im beantragten Umfang.
Rz. 8
I. Das Streitpatent betrifft flexiblen Polyurethanschaum.
Rz. 9
1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, flexible Polyurethanschäume und Gele, die als Körperstützmaterialien verwendet würden, wiesen unterschiedliche Vor- und Nachteile auf.
Rz. 10
Polyurethanschäume mit hoher Rückprallelastizität verfügten nicht über eine optimale Druckverteilung. Viskoelastische Polyurethanschäume böten insoweit Vorteile, doch nehme die Härte bei abnehmender Temperatur zu. Gele verfügten über vorteilhafte dreidimensionale Verformungseigenschaften, jedoch auch über ein hohes Gewicht sowie eine relativ hohe Wärmekapazität, wodurch sie dem anliegenden Körper Wärme entzögen (Abs. 3-5).
Rz. 11
Zur Verringerung von Gewicht und Wärmekapazität würden Gele mit einem inerten Gas aufgeblasen. Die Zellen solcher Gele hafteten jedoch bei Kompression aneinander und seien aufgrund schlechter Elastizität und fehlender Atmungsaktivität nicht als Körperstützmaterialien geeignet (Abs. 5 Sp. 2 Z. 5 ff.).
Rz. 12
Daneben sei bekannt, Gelschichten mit einer oder mehreren Schaumschichten zu kombinieren. Jedoch müssten die Gelschichten mit einer verhältnismäßig dünnen und undurchlässigen Abdeckung umgeben sein, was für die Atmungsaktivität von Nachteil sei und die Produktionskosten erhöhe (Abs. 6).
Rz. 13
Die US-amerikanische Patentanmeldung 2005/0017396 offenbare eine Gelschicht mit vertikalen hohlen Säulen. Diese verfügten über Wände, die bei Kompression teilweise oder vollständig einknickten. Deren Gewicht sei deutlich höher als bei Polyurethanschäumen und die Druckverteilung sowie lasttragenden Eigenschaften verschlechterten sich.
Rz. 14
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, einen Polyurethanschaum mit verbesserten Schaumeigenschaften sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung bereitzustellen.
Rz. 15
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in der im Berufungsverfahren noch verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):
Rz. 16
a |
A process for the preparation of a flexible polyurethane foam |
Ein Verfahren zur Herstellung eines flexiblen Polyurethanschaums, |
aa |
having an organogel material incorporated therein, which forms at least part of the cell ribs and/or cell walls of the polyurethane foam, |
bei dem ein Organogelmaterial im Polyurethanschaum integriert ist und zumindest einen Teil der Zellrippen und/oder Zellwände des Polyurethanschaums bildet, |
b |
wherein in the process a reaction mixture, which comprises a blowing agent, is allowed to foam to produce the polyurethane foam, |
in dem man in dem Verfahren eine Reaktionsmischung, die ein Treibmittel enthält, aufschäumen lässt, um den Polyurethanschaum herzustellen, |
c |
characterised in that before allowing said reaction mixture to foam, |
dadurch gekennzeichnet, dass bevor man die erwähnte Reaktionsmischung aufschäumen lässt, |
d |
at least one the organogel material is dispersed therein. |
zumindest ein das Organogelmaterial darin verteilt wird. |
Rz. 17
4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.
Rz. 18
a) Unter einem flexiblen Polyurethanschaum gemäß Merkmal a versteht das Streitpatent reine oder mit Polyharnstoff modifizierte Polyurethanschäume, die eine ILD-40 %-Härte von weniger als 500 N aufweisen (Abs. 19).
Rz. 19
Weitergehende Anforderungen, etwa bezüglich der Dichte oder der Rückprallelastizität sieht Patentanspruch 1 nicht vor.
Rz. 20
b) Ebenfalls keine näheren Vorgaben enthält Patentanspruch 1 bezüglich der in Merkmal b vorgesehenen Reaktionsmischung und des eingesetzten Treibmittels.
Rz. 21
Nach der Beschreibung kann die Reaktionsmischung beispielsweise aus mindestens einer Isocyanatkomponente und einer Isocyanat-reaktiven Komponente zusammengesetzt sein (Abs. 33). Das Treibmittel umfasst vorzugsweise Wasser (Abs. 20 Z. 16-18; Abs. 48 Z. 30-34).
Rz. 22
c) Ein Organogel im Sinne der Merkmale aa und d ist eine in einem dreidimensional verknüpften Netzwerk eingeschlossene organische Flüssigkeit (Abs. 11, 22).
Rz. 23
Nach der Beschreibung sind solche Substanzen hochelastisch und fließen in stationärem Zustand nicht (Abs. 11, 22). Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts führt die Beschreibung aber an anderer Stelle (Abs. 14 Z. 21; Abs. 24 Z. 35) mit PVC Plastisol-Gelen auch Substanzen als geeignet auf, die fachbekannt flüssig bis halbflüssig sind.
Rz. 24
Als besonders vorteilhaft wird der Einsatz eines Polyurethangels beschrieben. Solche Gele enthielten ein oder mehrere Polyole als kohärentes Dispergiermittel, in dem ein polymeres Netzwerk verteilt sei, das kovalent über Urethanbindungen verbunden sei (Abs. 25 f.). Solche Gele hätten den Vorteil, dass ihre Konsistenz zwischen einem gel- oder gelatineartigen Zustand (a jelly-like or gelatine state) und einem festen Gel (a solid jelly) variiert werden könne (Abs. 26 Sp. 7 Z. 15-18). Die Gele könnten in vielen unterschiedlichen Formen eingesetzt werden, etwa als Granulate, Folien oder geformte Artikel (Abs. 26 Sp. 7 Z. 24 f.) oder in Form von Körnern, insbesondere als Pulver (Abs. 29 Z. 56-58).
Rz. 25
Hieraus hat das Patentgericht zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass Patentanspruch 1 trotz der darauf bezogenen abstrakten Ausführungen in der Beschreibung keine näheren Anforderungen in Bezug auf Elastizität und Konsistenz des eingesetzten Organogels normiert.
Rz. 26
d) Die in Merkmal d vorgesehene Verteilung von Organogelmaterial in der Reaktionsmischung mit dem in Merkmal aa vorgegebenen Ziel, dieses Material in den Polyurethanschaum so zu integrieren, dass es zumindest einen Teil der Zellrippen oder Zellwände bildet, dient der Verbesserung gewünschter Materialeigenschaften.
Rz. 27
aa) Aus der Vorgabe zur Reihenfolge in Merkmal c ergibt sich, dass das Organogel in der zur Herstellung des Schaums eingesetzten Reaktionsmischung verteilt werden muss, bevor diese zum Aufschäumen gebracht wird.
Rz. 28
Wie die Beschreibung ausdrücklich klarstellt, bleibt damit offen, ob das Organogel in die Reaktionsmischung oder in eine oder mehrere ihrer Komponenten eingebracht wird (Abs. 33).
Rz. 29
Ob Merkmal c auch dann erfüllt ist, wenn das Organogel zusammen mit dem Treibmittel zugegeben wird, wie dies das Patentgericht ausgeführt hat, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Rz. 30
bb) Die Integration im Sinne von Merkmal aa wird dadurch bewirkt, dass das Organogelmaterial in der Reaktionsmischung verteilt ist und sich nicht vollständig darin auflöst.
Rz. 31
An den Schnittstellen können Reaktionskomponenten des Polyurethanmaterials in das Organogelmaterial eindringen; dies kann die Haftung zwischen den beiden Materialien erhöhen. Wenn das Organogel Gruppen umfasst, die mit Komponenten des Polyurethanmaterials reagieren können, kann auch eine chemische Bindung zwischen den beiden Materialien erzielt werden; diese führt zu einer starken Immobilisierung des Gels im Schaum (Abs. 30).
Rz. 32
cc) Eine Integration im Sinne von Merkmal aa erfordert, dass das Gel im fertigen Polyurethanschaum noch als Gel vorliegt.
Rz. 33
Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist diese Voraussetzung bei Einsatz eines Gels, dessen Gruppen mit Komponenten der Reaktionsmischung reagieren können, nur dann erfüllt, wenn die für das Gel charakteristische Verknüpfung zwischen dem dreidimensional verknüpften Netzwerk und der darin eingeschlossenen organischen Flüssigkeit zumindest teilweise erhalten bleibt.
Rz. 34
Dass dieser Zusammenhang nicht vollständig erhalten bleiben muss, ergibt sich aus den bereits erwähnten Ausführungen, wonach es möglich ist und sogar vorteilhaft sein kann, wenn Gruppen des Organogels mit Komponenten der Reaktionsmischung reagieren. Dass der Zusammenhang nicht vollständig aufgelöst werden darf, ergibt sich aus der in Merkmal aa definierten Vorgabe, dass das Organogelmaterial - und nicht nur einzelne Komponenten desselben - zumindest einen Teil der Zellrippen oder Zellwände bilden müssen.
Rz. 35
dd) Die Integration des Organogelmaterials im Sinne von Merkmal aa muss die Eigenschaften des Schaums so beeinflussen, dass sich vorteilhafte Eigenschaften des Gels im Endprodukt niederschlagen.
Rz. 36
Nach der Beschreibung des Streitpatents beeinflusst die Anwesenheit von Organogel-Einschlüssen die physikalischen oder thermophysiologischen Eigenschaften des Schaums. So kann etwa die Zugspannung im Schaummaterial verringert werden, um eine bessere Druckverteilung ohne die Nachteile einer Gelschicht zu erzielen. Ferner können der Druckverformungsrest im nassen Zustand reduziert und die Wärmeleitfähigkeit erhöht werden (Abs. 11 Sp. 3 Z. 51-58; Abs. 31). Eine solche vorteilhafte Wirkung kann nicht schon dadurch erzielt werden, dass die Zellrippen oder Zellwände eines Polyurethanschaums mit einem Organogelmaterial beschichtet werden, etwa durch Imprägnierung (Abs. 11 Z. 58 ff.).
Rz. 37
Merkmal aa gibt zwar nicht im Einzelnen vor, welche Vorteile in welchem Umfang erzielt werden müssen. Aus der dort definierten Anforderung, dass das Organogelmaterial in den Polyurethanschaum integriert sein und einen Teil der Zellrippen oder Zellwände bilden muss, und aus den darauf bezogenen Ausführungen in der Beschreibung, wonach hierzu eine bloße Beschichtung oder Imprägnierung nicht ausreicht, ergibt sich aber, dass Merkmal aa nur dann erfüllt ist, wenn zumindest einer der Vorteile eines Gels sich im hergestellten Polyurethanschaum widerspiegelt und wenn sich dieser Effekt nicht in einer völlig unerheblichen Wirkung erschöpft.
Rz. 38
ee) Ein bestimmtes Mengenverhältnis für die einzelnen Bestandteile der Reaktionsmischung und des Organogelmaterials gibt Patentanspruch 1 nicht vor.
Rz. 39
Nach der Beschreibung kann die gelformende Zusammensetzung bis zu 50 % eines Wirkstoffs enthalten, zum Beispiel Biozide, Duftstoffe, antiallergene Stoffe, Fungizide oder Phasenwechselmaterialien (Abs. 27). Für den Gewichtsanteil des Organogels in der Reaktionsmischung werden gestaffelt bevorzugte Mindestwerte zwischen 0,1 und 10 Gewichtsprozent und bevorzugte Höchstwerte zwischen 40 und 20 Gewichtsprozent angeführt (Abs. 28).
Rz. 40
Diese Angaben haben in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden.
Rz. 41
5. Der in Patentanspruch 10 geschützte flexible Polyurethanschaum ist durch entsprechende Merkmale gekennzeichnet.
Rz. 42
Dieser Gegenstand unterliegt deshalb derselben Beurteilung wie der Gegenstand von Patentanspruch 1.
Rz. 43
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 44
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch in der Fassung des Hilfsantrags für den Fachmann, einen Diplom-Chemiker (Master) der Fachrichtung Makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder einen Diplom-Ingenieur (Master) der Verfahrenstechnik mit Kenntnissen und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, insbesondere der Herstellung geschäumter Polyurethane und solcher Formteile, durch die deutsche Patentschrift 40 30 639 (B20) vorweggenommen.
Rz. 45
B20 beschreibe ein Verfahren zur Wiederverwertung von Polyurethan-Kunststoffen, etwa Weich- und Halbhartschäumen. Die Polyurethankunststoffe würden zu einem fließfähigen Gel aufbereitet und mit den zur Polyurethanbildung notwendigen Komponenten unter anderem durch Zumischen und Verschäumen zu neuen Produkten verarbeitet. Dabei sei auch die Anwesenheit eines Treibmittels (Blähmittels) wie niedrig siedender Kohlenwasserstoffe beschrieben.
Rz. 46
Die Polyurethan-Kunststoffe würden mit Polyolen oder anderen organischen Quellmitteln angequellt. Dadurch entstehe ein hochviskoses Gel, welches im Anschluss zu einem fließfähigen Gel zerkleinert werde. Soweit die Beklagte das fließfähige Gel nicht als Organogel erachte, sondern als Sol, das inhärent fließfähig sei und keine dimensionale Stabilität besitze, berücksichtige sie nicht, dass auch das Streitpatent keine scharfe Abgrenzung beanspruche. Soweit die Entgegenhaltung von der Zugabe eines höherviskosen Quellprodukts abrate, lehre dies lediglich die Zerkleinerung der Ausgangsgele unter Bildung fließfähiger Gele, ohne dass Sol-Systeme erwähnt würden. Zudem sehe auch das Streitpatent ein Zerkleinern der Gele vor.
Rz. 47
Die in Merkmal aa vorgesehene Integration des Organogels in den Polyurethanschaum sei darauf zurückzuführen, dass sich das Organogelmaterial in der Reaktionsmischung nicht vollständig löse und unabhängig von der Art eines nicht vollständig gelösten Füllstoffs während der Schaumbildung in diesen eingebaut werde.
Rz. 48
Dass das Organogel beim Vorhandensein reaktiver Gruppen im Schaummaterial mittels chemischer Bindungen stark immobilisiert werde, basiere auf geläufigem und in B20 zur Anwendung gebrachtem Fachwissen. Das Polyisocyanat reagiere allerdings nicht nur mit den Polyolen im Reaktionsgemisch, sondern auch mit den zur Bildung eines Organogels verwendeten Quellmitteln, wodurch die Gel-Eigenschaften des Organogels verloren gingen.
Rz. 49
Sofern hingegen ein nicht ausgehärteter Abfallschaum leicht gequellt und der Polyol-Isocyanat Mischung in Gel-Form zugeführt werde, sei nach B20 für das Gel kein Härter, d.h. kein Isocyanat notwendig, wenn es im Wesentlichen unzersetzt vorliege. Wenn ein solches Gel dem Reaktionsgemisch zugeführt werde, reagiere das im Gemisch enthaltene Polyisocyanat allenfalls vernachlässigbar mit dem Polyol im Gelkörper ab, vorrangig jedoch mit dem äquivalent eingesetzten flüssigen und deshalb reaktiveren Polyol im Reaktionsgemisch. Folglich bleibe das Organogel im produzierten Schaum erhalten und bilde zumindest einen Teil seiner Zellrippen oder Zellwände.
Rz. 50
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Weglassen des Härterzusatzes beim Einsatz nicht ausgehärteten Abfallschaums nicht damit erklärbar, dass im Abfallschaum noch Isocyanatgruppen vorhanden seien. Im unvollständig ausgehärteten Abfallschaum lägen Polyol und Polyisocyanat in geringen, aber äquivalenten Mengen vor, so dass ein Abreagieren mit den geforderten hohen Mengen an Quellmittel nicht möglich sei.
Rz. 51
Es könne offenbleiben, ob sich das Weglassen des Härterzusatzes nur auf die reaktiven Polyole beziehe oder darunter auch weitere Quellmittel mitverstanden würden. Sei letzteres der Fall, führten gegenüber Isocyanat inerte Quellmittel zwangsläufig zum Erhalt und zur Integration der Organogele im gebildeten Polyurethanschaum.
Rz. 52
III. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
Rz. 53
Der Gegenstand der in der Berufung noch verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ist durch B20 weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Rz. 54
1. B20 befasst sich mit der Wiederverwertung von Polyurethanschäumen.
Rz. 55
a) Die Beschreibung von B20 führt aus, bislang werde entstehender Abfall mit hohem Aufwand hydrolytisch zersetzt und die gewonnenen Polyole würden wieder verschäumt, wobei eine für die entstandenen OH-Gruppen erforderliche Menge an Härtern in Form von Isocyanat eingesetzt werde (Sp. 1 Z. 23-31). Dies liefere in begrenztem Umfang einsetzbare Produkte von minderer Qualität (Sp. 1 Z. 38-41).
Rz. 56
Der Umstand, dass Polyurethanschäume bei Zugabe von organischen Lösungsmitteln stark anquellen und ein Gel entstehen könne, sei im Stand der Technik nicht nutzbar gemacht worden, da diese Gele einem weiteren Aufschäumen großen Widerstand entgegensetzten (Sp. 1 Z. 65 bis Sp. 2 Z. 14).
Rz. 57
b) Zur Verbesserung schlägt B20 vor, Polyurethanschäume quellen zu lassen und das dabei entstehende Gel mechanisch zu behandeln und zu zerkleinern.
Rz. 58
aa) Die meisten Kunststoffe lösten sich in organischen Lösungsmitteln erst, nachdem sie durch das Lösungsmittel angequollen würden und vor endgültiger Lösung einen Gel-Zustand durchliefen. Während dieser Gelphase seien die chemischen Bindungen noch intakt. Die Gelphase störe in vielen Fällen das Lösen der Polymere (Sp. 1 Z. 55-64).
Rz. 59
Es sei nun gefunden worden, dass diese Gele sehr wohl wieder verschäumt werden könnten, wenn sie zuvor einer mechanischen Behandlung und Zerkleinerung unterworfen würden (Sp. 2 Z. 15-19).
Rz. 60
bb) Das verwendete Quellmittel könne wie beispielsweise Polyol mit Isocyanat reagieren oder gegenüber Isocyanat inert sein. Empfehlenswert sei der Einsatz der ersten Gruppe. Vertreter der zweiten Gruppe, zum Beispiel niedrigsiedende Kohlenwasserstoffe, seien dann interessant, wenn sie als Blähmittel bei der späteren Schaumbildung dienen könnten (Sp. 3 Z. 10-17).
Rz. 61
Zur Quellung würden zerkleinerte Polyurethanabfälle in einem Anteil von 10 bis 50, vorzugsweise 20 bis 30 Gewichtsprozent dem Quellmittel zugesetzt (Sp. 4 Z. 14-18), wobei nach dem Quellvorgang überschüssiges Quellmittel auch durch Zentrifugation abgetrennt werden könne (Sp. 4 Z. 39-41; Anspruch 15).
Rz. 62
Das Quellen von Weichschäumen führe zu weichen, glatten Gelen oder sogar zu schleimigen Produkten; die Übergänge zum Sol seien gleitend. Auf jeden Fall solle eine chemische Zersetzung vermieden werden (Sp. 4 Z. 28-32).
Rz. 63
Nach Zerkleinerung des Gels sei dieses fließfähig (Sp. 2 Z. 24-36; Sp. 4 Z. 35-39, 50, 54).
Rz. 64
Das fließfähige Gel werde einer bestehenden Polyurethanschaumstoffrezeptur einschließlich der notwendigen Komponenten Polyol und Isocyanat zugemischt und zu neuen Polyurethan-Produkten mit unterschiedlicher Schaumqualität verschäumt (Sp. 4 Z. 54-57; Sp. 3 Z. 24-29; Sp. 5 Z. 4-7; Anspruch 17).
Rz. 65
Bei Verwendung von Polyolen als Quellmittel verschäume man durch Zugabe einer den reaktiven Wasserstoffatomen im Gel äquivalenten Menge an Isocyanat (Sp. 4 Z. 57-62; Anspruch 16). Je nach Zusatzmenge und Eigenschaften des Altschaums würden die Eigenschaften des neuen Polyurethan-Produkts beeinflusst, wobei diese nicht oder nur in unwesentlichen Anteilen neu hergestellt werden müssten. Da sie nicht oder nur in geringem Maß hydrolysiert würden, reduziere sich aus diesem Grund die erforderliche Menge an Isocyanat und es genüge die für den Neuschaum erforderliche Menge, eventuell unter Zugabe eines Überschusses für den zersetzten Anteil an Polyurethan im Altschaum (Sp. 4 Z. 62 bis Sp. 5 Z. 3).
Rz. 66
cc) Bei der direkten Verwertung von Schaumstoffabfällen in der Produktion könnten die Ausgangspolyole verwendet werden.
Rz. 67
Bei sofortiger Behandlung könne der noch nicht völlig ausgehärtete Abfallschaum leicht gequollen und in Gel-Form der Polyol-/Isocyanat-Mischung zugesetzt werden (S. 3 Z. 22-29).
Rz. 68
Für das Gel sei kein Härterzusatz notwendig, wenn es im Wesentlichen unzersetzt vorliege. In einigen Fällen könne es notwendig sein, sicherheitshalber einen gewissen Überschuss an Härter zuzusetzen. Dies ermögliche es, den bei der Produktion anfallenden Abfallschaum sofort der laufenden Produktion wieder zuzusetzen (Sp. 3 Z. 29-36).
Rz. 69
Der Zusatz von Quellschäumen zur Verwertung in der laufenden Produktion verändere die technischen Eigenschaften der Endprodukte nicht oder nur unbedeutend. Dies erspare Deponiekosten und senke die Kosten für die Herstellung der Sekundärschäume (Sp. 5 Z. 24-31).
Rz. 70
2. Wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, sind damit die Merkmale a, b, c und d offenbart.
Rz. 71
Insbesondere hat das Patentgericht zu Recht entschieden, dass das durch Quellung der Polyurethanabfälle entstehende Gel ein Organogelmaterial im Sinne des Streitpatents ist.
Rz. 72
Die in B20 enthaltenen Ausführungen, wonach der Übergang zum Sol gleitend sei, führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung, da Patentanspruch 1 aus den oben aufgezeigten Gründen keine Mindestanforderungen bezüglich der Festigkeit definiert.
Rz. 73
3. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist Merkmal aa hingegen weder offenbart noch nahegelegt.
Rz. 74
a) Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, ist eine Integration des Organogels in dem hergestellten Schaum in B20 nicht ausdrücklich beschrieben.
Rz. 75
b) Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass zum für die Neuheitsprüfung relevanten Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung auch das gehört, was bei der Nacharbeitung des vorbeschriebenen Verfahrens über dessen Ergebnis unmittelbar und zwangsläufig offenbar wird.
Rz. 76
Die Ausrichtung auf ein bisher nicht bekanntes Ergebnis führt nicht zu einem neuen Verfahren, wenn sich das erstrebte Ergebnis bei der unveränderten Ausführung eines vorbeschriebenen Verfahrens von selbst einstellt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1980 - X ZB 4/79, BGHZ 76, 97 = GRUR 1980, 283, 285 - Terephthalsäure). Diese Voraussetzung ist indes nicht erfüllt, wenn sich das angestrebte Ergebnis bei der Nacharbeitung des bekannten Verfahrens nur zufällig einstellt (BGH, Urteil vom 14. März 1989 - X ZR 30/87). Zufällig in diesem Sinne ist ein Ergebnis auch dann, wenn es sich nur unter bestimmten Rahmenbedingungen einstellt und deren Verwirklichung durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt war.
Rz. 77
c) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist Merkmal aa durch B20 weder offenbart noch nahegelegt.
Rz. 78
aa) Zu Recht und insoweit nicht angegriffen ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass Merkmal aa bei der in B20 offenbarten Vorgehensweise nicht verwirklicht ist, wenn Polyole als Quellmittel eingesetzt werden und diese Polyole vollständig mit dem der Reaktionsmischung zugegebenen Isocyanat zu neuen Polyurethan-Makromolekülen reagieren.
Rz. 79
Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, findet eine vollständige Reaktion in diesem Sinne statt, wenn der Schaumstoffrezeptur eine den reaktiven Wasserstoffatomen im Gel äquivalente Menge an Isocyanat beigegeben wird, wie dies für die Verarbeitung von ausgehärteten Schaumstoffresten in B20 ausdrücklich beschrieben wird (Sp. 4 Z. 57-62; Anspruch 16).
Rz. 80
(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus B20 kein Hinweis darauf, dass als reaktive Moleküle in diesem Sinne lediglich Moleküle am Rand der Gelstruktur zu verstehen sind, nicht aber Moleküle, die im Inneren der Gelstruktur angeordnet und deshalb immobilisiert sind.
Rz. 81
B20 unterscheidet lediglich zwischen reaktiven und inerten Molekülen, also Molekülen, die mit anderen Stoffen wie insbesondere Isocyanaten reagieren können, und Molekülen, die für eine solche Reaktion nicht geeignet sind. Eine weitere Unterscheidung danach, ob ein reaktives Molekül uneingeschränkt oder wegen einer Immobilisierung nur in begrenztem Ausmaß für eine Reaktion zur Verfügung steht, ist der Entgegenhaltung nicht zu entnehmen.
Rz. 82
Aus dem in B20 formulierten Patentanspruch 16, der die Zugabe einer den reaktiven Wasserstoffatomen im Gel äquivalenten Menge an Isocyanat zwingend vorsieht, ergeben sich keine weitergehenden Schlussfolgerungen. Die Vorgaben dieses Anspruchs stimmen mit der in der Beschreibung geschilderten Vorgehensweise überein.
Rz. 83
(2) Aus dem US-Patent 3 256 218 (B28) ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Schlussfolgerungen.
Rz. 84
B28 schildert, dass zugemischtes poröses Material wie gehäckselte Maisstängel, Stroh, Holzspäne oder gemahlener Kork die Tendenz hat, flüssige Polyurethanschaum-Vorläufer zu absorbieren (Sp. 1 Z. 45-51).
Rz. 85
Ob eine solche Absorption dazu führt, dass ursprünglich reaktive Wasserstoffatome für eine Reaktion nicht mehr zur Verfügung stehen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
Rz. 86
Weder aus B20 oder aus sonstigen Umständen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem in B20 offenbarten Verfahren zwangsläufig zu dem in B28 beschriebenen Eindringen in Füllmaterial kommt. Dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten, dass dies von der Größe der als Füllmaterial eingesetzten Partikel abhängt, ist die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie zeigt auch nicht auf, dass der Effekt bei einem Gel der in B20 offenbarten Art und den dort offenbarten Partikelgrößen eintritt.
Rz. 87
(3) Die Ausführungen in B20, wonach bei der Neuverschäumung eine für den Neuschaum erforderliche Menge von Isocyanat, eventuell unter Zugabe eines Überschusses für den zersetzten Polyurethananteil im Altschaum genügt (Sp. 4 Z. 66 bis Sp. 5 Z. 3), führen ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung.
Rz. 88
Bei isolierter Betrachtung könnte diese Passage zwar dafür sprechen, dass zusätzliches Isocyanat nur für zersetzten Altschaum hinzugefügt wird, nicht aber für die zum Quellen eingesetzten Polyole. Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, dass diese Textstelle nur einen Einzelaspekt betrifft und nicht in Widerspruch zu den vorangehenden Ausführungen steht, wonach Isocyanat in Relation zu den reaktiven Wasserstoffatomen im Gel zugegeben werden soll - also auch für reaktive Wasserstoffatome in den zum Gel gehörenden Polyolen.
Rz. 89
Die in Rede stehende Passage befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der erforderlichen Menge an Isocyanat und dem Ausmaß, in dem der Altschaum hydrolysiert worden ist. Folgerichtig wird unter diesem Aspekt nur die Menge an Isocyanat behandelt, die für den zersetzten Polyurethananteil erforderlich ist. Der zuvor erteilte Hinweis, dass eine Zugabe von Isocyanat auch für die reaktiven Wasserstoffatome in den Polyolen erforderlich ist, bleibt davon unberührt.
Rz. 90
Aus dem in B20 formulierten Patentanspruch 16 ergibt sich auch insoweit kein abweichender Offenbarungsgehalt.
Rz. 91
bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist den in B20 enthaltenen Ausführungen zur sofortigen Wiederverwendung nicht vollständig ausgehärteten Abfallschaums ebenfalls nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass zwangsläufig zumindest ein Teil des Gelmaterials im neuen Polyurethanschaum erhalten bleibt.
Rz. 92
(1) Wenn das in der Reaktionsmischung vorhandene Isocyanat gerade ausreicht, um mit den in der Mischung enthaltenen Polyolen zu reagieren und für das Gel kein zusätzliches Isocyanat zugeführt wird, mag allerdings damit zu rechnen sein, dass zumindest nicht alle mit dem Gel eingebrachten Polyole eine Bindung eingehen können, die Gelstruktur also zumindest teilweise erhalten bleibt.
Rz. 93
Selbst wenn unterstellt wird, dass die in der Reaktionsmischung enthaltenen Isocyanate auch unter diesen Ausgangsbedingungen sowohl mit Polyolen in der Mischung als auch mit Polyolen im Gel reagieren, wäre eine vollständige Auflösung der Gelstruktur unter diesen Ausgangsbedingungen kaum zu erwarten. Wenn nicht genügend Isocyanat vorhanden ist, um alle potentiellen Reaktionspartner zu binden, wären die Reaktionsmischung und das Gel von dieser Mangelsituation zumindest gleichermaßen betroffen. Schon dies führte dazu, dass die Gelstruktur teilweise erhalten bleibt.
Rz. 94
(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergeben sich aus B20 jedoch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Absehen von einem Isocyanat-Zusatz für das Gel zwingend zu einer solchen Situation führt.
Rz. 95
(a) Nach den allgemeinen Ausführungen in B20 korreliert die Zugabe von Isocyanat wie dargetan mit der Anzahl der reaktiven Wasserstoffatome im Gel (Sp. 4 Z. 54-62).
Rz. 96
Dem ist das Bestreben zu entnehmen, diese Reaktionspartner möglichst vollständig zu binden.
Rz. 97
Der in diesem Zusammenhang erteilte Hinweis, die erforderliche Menge an Isocyanat sei geringer, wenn die vorhandenen Polyurethan-Produkte nicht oder nur in geringem Umfang hydrolysiert würden (Sp. 4 Z. 66 bis Sp. 5 Z. 3), deutet in dieselbe Richtung, denn mit zunehmender Hydrolysierung steigt die Anzahl der reaktiven Wasserstoffatome.
Rz. 98
(b) Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Ausführungen in B20 nicht eindeutig, dass für die sofortige Wiederverarbeitung von noch nicht vollständig ausgehärtetem Schaum eine abweichende Regel gelten soll.
Rz. 99
(aa) Der Hinweis, ein Härterzusatz sei bei nicht ganz ausgehärtetem Abfallschaum nicht erforderlich, wenn das Gel im Wesentlichen unzersetzt vorliege (Sp. 3 Z. 24 ff.), deutet eher darauf hin, dass die Zugabe von Isocyanat auch in diesem Zusammenhang von der Anzahl der reaktiven Wasserstoffatome abhängt und der Zusatz von Isocyanat in der genannten Konstellation mithin nur deswegen als entbehrlich angesehen wird, weil solche reaktiven Wasserstoffatome mangels Zersetzung der Schaumstoffstrukturen im Gel nur in geringem Umfang vorhanden sind.
Rz. 100
(bb) In dieselbe Richtung deuten die im gleichen Zusammenhang stehenden Ausführungen, in einigen Fällen könne es notwendig sein, sicherheitshalber einen gewissen Überschuss an Härter zuzusetzen (Sp. 3 Z. 30-32).
Rz. 101
Der Umstand, dass dies "sicherheitshalber", also schon für den Fall von Zweifeln am Vorhandensein einer ausreichenden Menge an Isocyanat empfohlen wird, lässt das Bestreben erkennen, auch hier eine möglichst vollständige Reaktion sicherzustellen.
Rz. 102
(cc) In dieselbe Richtung deuten die ebenfalls bereits erwähnten Ausführungen, der Zusatz von Quellschäumen zur Verwertung in der laufenden Produktion verändere die technischen Eigenschaften der Endprodukte nicht oder nur unbedeutend (Sp. 5 Z. 24-27).
Rz. 103
Der Vorbehalt, dass unbedeutende Veränderungen auch durch sonstige Füllstoffe wie Papier- oder Faserabfälle (Sp. 2 Z. 50 ff.) nicht auszuschließen sind, mag es zwar möglich erscheinen lassen, dass einzelne Abweichungen vorliegen und einzelne Reste der Gelstruktur erhalten bleiben. Dies ist aber kein zwangsläufiges Ergebnis des in B20 vorgegebenen Verfahrens, sondern allenfalls eine Nebenfolge, deren Eintritt B20 nach Möglichkeit vermeiden will. Die Ausführungen lassen zudem nicht erkennen, dass etwa verbleibende Gelstrukturen dazu führen, dass die vorteilhaften Wirkungen eines Gels sich im Endprodukt in relevanter Weise widerspiegeln.
Rz. 104
(dd) Aus den Angaben, wonach die Polyurethan-Abfälle nur mit einem Anteil von 10 bis 50 Gewichtsprozent dem Quellmittel zugesetzt werden (Sp. 4 Z. 14-18), ergeben sich vor diesem Hintergrund ebenfalls keine eindeutigen Schlussfolgerungen hinsichtlich eines zumindest teilweisen Erhalts der Gelstruktur.
Rz. 105
Diesen Angaben mag zwar zu entnehmen sein, dass die in einer herkömmlichen, nicht für den Zusatz von Abfällen vorgesehenen Reaktionsmischung enthaltene Menge an Isocyanat nicht ohne weiteres ausreicht, um im Gel enthaltene Polyole vollständig zu binden. Gerade vor diesem Hintergrund deutet der Hinweis, eine den reaktiven Wasserstoffatomen im Gel äquivalente Menge an Isocyanaten zuzusetzen, aber darauf hin, dass B20 bestrebt ist, die beschriebene Mangelsituation zu vermeiden.
Rz. 106
(3) Angesichts dessen vermögen die von der Klägerin vorgetragenen Ergebnisse von Versuchen mit Reaktionsmischungen mit einem Überschuss an Isocyanat in Höhe von 10 bzw. 15 % nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.
Rz. 107
(a) Auch diesen Versuchsberichten lässt sich nicht entnehmen, dass die darin berichteten Ergebnisse sich bei der Nacharbeitung eines in B20 offenbarten Verfahrens von selbst einstellen.
Rz. 108
Die Versuche zeigen allenfalls, dass es Konstellationen gibt, in denen ein Teil des Organogelmaterials - jedenfalls ohne sicherheitshalber eingesetzten Härterzusatz - erhalten bleibt und einen Teil der Zellwände oder Zellrippen bildet. Dass diese Folge zwangsläufig eintritt, wenn sämtliche Vorgaben aus B20 - insbesondere auch diejenige zum sicherheitshalber erfolgenden Härterzusatz - berücksichtigt werden, ist damit nicht dargetan. Dass Merkmal aa je nach den gewählten Verfahrensparametern im Einzelfall verwirklicht sein kann, reicht nicht aus, um B20 als neuheitsschädlich einzustufen oder eine solche Ausgestaltung als naheliegend anzusehen.
Rz. 109
(b) Unabhängig davon sind diese Versuche schon deshalb keine hinreichend aussagekräftige Nacharbeitung, weil als Altschaum Material aus einer Matratzenauflage eingesetzt wurde, während B20 einen Verzicht auf die Zugabe von Isocyanat nur für noch nicht vollständig ausgehärtete Produktionsabfälle in Erwägung zieht.
Rz. 110
(c) Angesichts all dessen kann offen bleiben, ob eine Berücksichtigung dieses drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung gehaltenen Vorbringens wegen damit verbundener Verzögerungen gemäß § 110 Abs. 8 und § 117 Satz 1 PatG sowie § 530, § 521 Abs. 2 und § 296 Abs. 1 ZPO zu unterbleiben hat.
Rz. 111
cc) Eine Ausführungsform mit sonstigen Quellmitteln, bei denen das Gelmaterial zwangsläufig zumindest teilweise erhalten bleibt, offenbart B20 ebenfalls nicht.
Rz. 112
(1) Für die sofortige Behandlung von Produktionsabfällen sieht B20 die Verwendung der Ausgangspolyole vor (Sp. 3 Z. 22-24).
Rz. 113
Die Verwendung anderer oder zusätzlicher Quellmittel ist für diesen Fall zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Ein konkretes Ausführungsbeispiel, bei dem solche Mittel im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Produktionsresten zum Einsatz gelangen und das zwangsläufig zur Verwirklichung von Merkmal aa führt, ist in B20 aber nicht offenbart.
Rz. 114
(2) Für sonstige Ausführungsformen gilt im Ergebnis nichts anderes.
Rz. 115
(a) Für die in B20 in zweiter Linie als interessant bezeichneten niedrigsiedenden Kohlenwasserstoffe ist ein teilweiser Erhalt der Gelstruktur schon deshalb nicht zu erwarten, weil solche Quellmittel beim Verschäumen unstreitig in den gasförmigen Zustand übertreten und sich verflüchtigen.
Rz. 116
(b) B20 führt daneben auch höhersiedende inerte Verbindungen, also Stoffe, die weder abreagieren noch verdampfen, als unter Umständen geeignete Quellmittel an. Solchen Stoffen wird jedoch in erster Linie Bedeutung als Zutaten für spezielle Zwecke beigemessen, etwa als Weichmacher oder als Zusatz für bestehende Schaumsysteme (Sp. 3 Z. 63 ff.).
Rz. 117
Diese Ausführungen ermöglichen nicht die Schlussfolgerung, dass beim Einsatz solcher Quellmittel zwangsläufig zumindest ein Teil Gelstruktur in dem fertigen Schaum noch enthalten ist.
Rz. 118
IV. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 119 Abs. 1 PatG).
Rz. 119
1. Der mit der Berufung verteidigte Gegenstand ist durch den im Internet veröffentlichten Beitrag von Werner et al. (Innovative Filler Injection System for Powdered Recycled Urethane, B26) nicht vorweggenommen.
Rz. 120
a) Dass B26 spätestens am 13. April 2007 veröffentlicht wurde, wie dies auf den Internetseiten von Mobius Technologies (B26a) angegeben ist, bestreitet die Beklagte nicht.
Rz. 121
b) B26 befasst sich mit der Wiederverwertung von Polyurethanschaum.
Rz. 122
Bei der Produktion von Weichschaumstoff werde pulverisierter Polyurethanschaum in Polyol dispergiert, wodurch eine Suspension mit hohem Feststoffgehalt (high-solid-content slurry) entstehe. Diese werde in die Produktion von neuem Schaumstoff eingeführt, indem sie einem Mischkopf als dritter Strom neben der üblichen Einspritzung von Polyol und Isocyanat zugeleitet werde (S. 1 links Abs. 1).
Rz. 123
Die Suspension sei umso weniger viskos, je feiner das Polyurethan-Pulver gemahlen werde (S. 4 links letzter Abs.). Bei dem beschriebenen Anwendungsbeispiel werde eine Suspension mit hoher Viskosität eingesetzt (S. 6 rechts letzter Abs.), die mit einem Rührwerk angemessen in Bewegung gehalten werden müsse, um eine Trennung von Pulver und Polyol zu verhindern (S. 6 rechts vorletzter Abs.).
Rz. 124
Die Formulierung für den neuen Schaumstoff werde abgestimmt, um dieselbe gesamte Endreaktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Um die Wärmeentwicklung zu erhöhen und die ursprüngliche Dichte des Schaums beizubehalten, würden Wasser und Toluoldiisocyanat (TDI) hinzugegeben. Das Pulver neige ferner dazu, den Schaumstoff etwas zu erweichen, so dass geringfügige Formulierungseinstellungen zur Erhöhung der Härte erforderlich seien. Im Allgemeinen könne durch Förderung der Quervernetzung durch TDI-Indexerhöhung, durch Zugabe spezieller Vernetzungsmittel oder durch Verwendung eines feststoffarmen Polymerpolyols die Härte erhöht werden (S. 7 links Abs. 2).
Rz. 125
Im Ergebnis nehme der Füllstoff (filler) Raum in den Verbindungen der Schaumstoffstruktur ein, die üblicherweise aus neuem Polymer gebildet würden (S. 4 links Abs. 1).
Rz. 126
Für geformte Autositze könne der Füllstoff mit einem Gewichtsanteil bis zu sieben Prozent eingesetzt werden. In diesem Fall würden die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der Formschaumstoffteile nicht signifikant beeinflusst und die Sitzschaumstoffe erfüllten noch immer die speziellen OEM-Spezifikationen für Autositze (S. 10 links Abs. 1).
Rz. 127
c) B26 offenbart damit die Merkmale a, b und c.
Rz. 128
d) Nicht offenbart sind die Merkmale aa und d.
Rz. 129
aa) B26 ist nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei dem eingesetzten Füllstoff um Gel oder Gelmaterial handelt.
Rz. 130
(1) Die Einbettung des eingesetzten Polyols in einem dreidimensional verknüpften Netzwerk ist in B26 nicht ausdrücklich beschrieben. Der für den Füllstoff verwendete Ausdruck "slurry" (wörtlich: Schlamm) deutet ebenfalls nicht auf ein Gel hin.
Rz. 131
(2) Gegen eine Gelstruktur spricht der bereits erwähnte Hinweis, die Masse müsse mit einem Rührwerk in Bewegung gehalten werden, um eine Trennung von Pulver und Polyol zu verhindern.
Rz. 132
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin können aus der hohen Viskosität keine eindeutigen Rückschlüsse auf einen Einschluss des Polyols gezogen werden.
Rz. 133
Auch nach dem Vortrag der Klägerin hängt die Viskosität von vielen Einflussparametern ab, etwa der Größe der Teilchen, deren Konzentration und der Temperatur. Angesichts dessen ergibt sich aus B26 kein eindeutiger Hinweis darauf, dass die hohe Viskosität darauf beruht, dass der Füllstoff in Form eines Gels vorliegt.
Rz. 134
(4) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus den Ausführungen in B20 nicht, dass beim Zusatz von Polyolen zu Schaumstoffen zwangsläufig ein Organogel entsteht.
Rz. 135
B20 schildert einen solchen Zustand nur als Zwischenstadium bei der Auflösung eines Schaumstoffs und lehrt, dieses Stadium abweichend vom dort geschilderten Stand der Technik zu nutzen, um eine effizientere Wiederverwertung von Schaumstoffen zu ermöglichen.
Rz. 136
Selbst wenn daraus abzuleiten wäre, dass sich bei der in B26 offenbarten Vorgehensweise in einem bestimmten Stadium ein Gel bildet, ergäbe sich daraus jedenfalls nicht, dass der Füllstoff in diesem Zustand in die Reaktionsmischung zur Bildung eines neuen Schaumstoffs eingearbeitet wird.
Rz. 137
(5) Aus der Veröffentlichung von Stone et al. (Recent Technical Advances in Recycling of Scrap Polyurethane Foam as Finely Ground Powder in Flexible Foam, Polyurethanes Conference 2000, B27) ergeben sich keine weitergehenden Schlussfolgerungen.
Rz. 138
In B27 wird ausgeführt, Polyol habe das Potential, Polyurethan-Pulverpartikel zu quellen, obwohl dies nicht direkt beobachtet worden sei (S. 3 links Abs. 2).
Rz. 139
Diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, dass Polyurethan-Pulverpartikel generell und zwangsläufig in Polyolen quellen. Darüber hinaus lässt B27 nicht erkennen, dass ein Gel-Zustand abweichend von der Schilderung in B20 unabhängig von der Menge des zugeführten Quellmittels und der Quelldauer bestehen bleibt.
Rz. 140
bb) Vor diesem Hintergrund ist der in B26 enthaltene Hinweis, der Füllstoff nehme Raum in den Verbindungen der Schaumstoffstruktur ein, die üblicherweise aus neuem Polymer gebildet würden, für eine Offenbarung von Merkmal aa nicht ausreichend.
Rz. 141
(1) Diese Ausführungen beziehen sich auf den in B26 offenbarten Füllstoff in Form eines mit Polyolen vermischten Pulvers.
Rz. 142
Wie bereits oben aufgezeigt wurde, ist B26 nicht eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei diesem Füllstoff um ein Gel handelt.
Rz. 143
(2) Unabhängig davon ist B26 nicht eindeutig zu entnehmen, dass der in die Schaumstoffstruktur eingebettete Füllstoff seine ursprünglich vorhandene Struktur beibehält.
Rz. 144
(a) Der genannte Hinweis lässt jedenfalls auch die Deutung zu, dass die üblicherweise aus neuem Polymer gebildeten Verbindungen durch entsprechende Polymere aus dem Füllstoff gebildet werden. Dafür sprechen auch die Ausführungen, wonach die mechanischen und physikalischen Eigenschaften des hergestellten Schaumstoffs durch Zugabe des Polyurethan-Pulvers nicht signifikant beeinflusst würden.
Rz. 145
(b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung 4 der B26 nichts anderes.
Rz. 146
Dabei kann dahingestellt bleiben, woraus die kleinen Strukturen an einzelnen Stellen der Zellenrippen bestehen. Ausweislich der dem Bild zugeordneten Legende und den auf Abbildung 4 bezogenen Angaben im Text (S. 4 links vorletzter Abs.) zeigt dieses Bild nicht das mit dem beschriebenen Verfahren hergestellte Endprodukt, sondern einen Weichschaumstoff, der in mehreren Schritten zu einem Pulver mit einer Durchschnittsgröße von 50 Mikrometer gemahlen worden ist (S. 4 links vorletzter Abs.).
Rz. 147
2. Die deutsche Offenlegungsschrift 2 339 752 (B32) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Rz. 148
a) Diese Entgegenhaltung und das darauf bezogene Vorbringen der Klägerin dürfen gemäß § 117 Satz 1 PatG und § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden.
Rz. 149
aa) Die Klägerin hatte Anlass, dieses Angriffsmittel bereits in erster Instanz geltend zu machen.
Rz. 150
Das Patentgericht hat in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis die Auffassung geäußert, der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand sei insbesondere gegenüber B20 rechtsbeständig. Daher war die Klägerin gehalten, bereits in erster Instanz gegebenenfalls weitere Entgegenhaltungen anzuführen.
Rz. 151
bb) Dass B32 erst bei einer späteren Recherche und aufgrund abweichender Suchkriterien aufgefunden wurde, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Rz. 152
Die Klägerin zeigt nicht auf, weshalb B32 nicht schon bei einer ergänzenden Recherche in erster Instanz auffindbar gewesen wäre.
Rz. 153
cc) Das Vorbringen zu B32 ist nicht als Reaktion auf das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung zulässig.
Rz. 154
Der Klägerin ist es zwar nicht verwehrt, auf die in der Berufungsbegründung enthaltene Argumentation der Beklagten zu reagieren, dass das Organogelmaterial bei dem in B20 offenbarten Verfahren auch ohne Härterzusatz vollständig abreagieren kann, und die Reaktionsmischung einen Überschuss an Isocyanat aufweist. B32 enthält aber keine Ausführungen zu dieser Frage.
Rz. 155
b) Unabhängig davon offenbart auch B32 nicht alle Merkmale der in der Berufung verteidigten Fassung von Patentanspruch 1.
Rz. 156
aa) B32 betrifft die Herstellung von Polyurethan-Schaumstoffen, in denen feinteilige Polyurethanabfälle in der Zellenstruktur integriert sind.
Rz. 157
Die Beschreibung von B32 führt aus, es sei bekannt, dass Polyurethan-Schaumstoffe durch Umsetzung einer organischen Verbindung, die zwei oder mehr aktive Wasserstoffatome im Molekül enthalte, mit einer Verbindung, die zwei oder mehr aktive Isocyanat-Gruppen im Molekül enthalte, in Gegenwart eines Treibmittels, vorzugsweise Wasser, hergestellt werden könnten (S. 1 Abs. 2).
Rz. 158
Zur Wiederverwertung von Polyurethan-Abfällen seien einige Verfahren mit Trockenmahlen oder thermischer Spaltung bekannt, die mit Nachteilen wie der Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften und einem erhöhten Raumgewicht verbunden seien (S. 1 ff.).
Rz. 159
Zur Verbesserung schlägt B32 vor, den Polyurethan-Abfall in Gegenwart von wenigstens zwei aktive Wasserstoffe enthaltenden Verbindungen oder Verbindungen im flüssigen Zustand zu mahlen, dann die Verbindungen mit zwei oder mehr aktiven Isocyanatgruppen und die anderen Komponenten zuzusetzen und das Gemisch in üblicher Weise der Reaktion und Verschäumung zu überlassen (S. 3/4).
Rz. 160
Als Verbindung mit Wasserstoffatomen sei z.B. ein Polyol geeignet. Häufig könne es zweckmäßig sein, während des Mahlens zu kühlen. Auf diese Weise könne die Zersetzung des Abfalls beim Mahlen vermieden werden (S. 4 Abs. 1).
Rz. 161
In Versuchen mit verschiedenen Rezepturen bleibe das Raumgewicht durch die Verwendung des Abfalls praktisch unbeeinflusst, was beweise, dass der nass gemahlene Abfall zu einem integralen Teil der Zellenstruktur des Schaumstoffs werde und nicht lediglich ein Füllstoff sei (S. 7 letzter Abs., S. 9, S. 16). Die mechanischen Eigenschaften blieben unbeeinträchtigt und würden in einigen Fällen sogar verbessert (S. 7 letzter Abs.).
Rz. 162
bb) B32 offenbart somit die Merkmale a, b und c.
Rz. 163
cc) Nicht offenbart ist das Merkmal d.
Rz. 164
(1) Aus B32 ergibt sich nicht eindeutig, dass die gemahlenen Abfälle in Form eines Gels eingesetzt werden.
Rz. 165
Die Mischung von Polyol und Polyurethan-Abfall wird nicht als Gel, sondern als Gemisch oder Suspension bezeichnet (S. 8). Weitergehende Hinweise ergeben sich aus B32 nicht.
Rz. 166
Aus dem Umstand, dass die Entgegenhaltung in einigen Fällen eine Verbesserung der Eigenschaften aufzeigt, lässt sich nicht schließen, dass diese mit einer Gel-Eigenschaft des Gemisches zusammenhängt.
Rz. 167
(2) Auch bei dem in B32 offenbarten Verfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Gel-Zustand automatisch oder zwangsläufig einstellt.
Rz. 168
(a) Aus dem Umstand, dass B32 ein Mahlen des Polyurethanabfalls in Gegenwart eines Polyols bei niedriger Temperatur offenbart, ergibt sich nicht die zwingende Schlussfolgerung, dass das Polyol in die intakte Polyurethanstruktur eindringt und ein Gel entsteht.
Rz. 169
Wie bereits im Zusammenhang mit B26 dargelegt wurde, ist eine Gelbildung unter bestimmten Umständen zwar möglich, aber nicht zwingend.
Rz. 170
B32 lässt nicht eindeutig erkennen, dass die gewählten Verfahrensparameter zur Bildung eines Gels führen und dass der gemahlene Abfall in dieser Form in eine Reaktionsmischung eingebracht wird.
Rz. 171
(b) Für die in B32 alternativ vorgeschlagene Vorgehensweise, den Abfall vor dem Mahlen in einem Granulator auf einen Durchmesser von maximal 20 mm zu zerkleinern und anschließend mit Polyol zu mischen (S. 4 Abs. 2), ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Rz. 172
Auch diese Angaben ermöglichen nicht die Schlussfolgerung, dass sich bei der Bearbeitung ein Gel bildet und dass das Material in diesem Zustand in eine Reaktionsmischung eingebracht wird.
Rz. 173
3. Der mit der Berufung verteidigte Gegenstand beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
Rz. 174
a) Der verteidigte Gegenstand war ausgehend von B20 nicht nahegelegt.
Rz. 175
Wie bereits oben dargelegt wurde, weist B20 an mehreren Stellen darauf hin, in Abhängigkeit von den im Gel enthaltenen reaktiven Wasserstoffatomen zusätzliches Isocyanat einzusetzen. Ausgehend davon lag es nicht nahe, eine geringere Menge an Isocyanat einzusetzen, um die Gelstruktur zumindest teilweise zu erhalten und deren Integration in den hergestellten Schaum zu bewirken.
Rz. 176
Gegen eine Abkehr von der in B20 in den Vordergrund gestellten Vorgehensweise sprach zudem der Umstand, dass B20 eine Veränderung der mechanischen und physikalischen Eigenschaften des Polyurethanschaums als nicht erwünscht darstellt und als bevorzugtes Mittel zur Erreichung dieses Ziels die Verwendung von Abfällen aus der laufenden Produktion vorschlägt.
Rz. 177
b) Aus B26 oder B32 ergaben sich keine weitergehenden Anregungen.
Rz. 178
Eine naheliegende Möglichkeit, einzelne Schritte der in B20, B26 und B32 miteinander zu kombinieren, ist nicht ersichtlich.
Rz. 179
Unabhängig davon stellen auch B26 und B32 das Ziel in den Vordergrund, die mechanischen und physikalischen Eigenschaften des hergestellten Polyurethanschaums nicht nennenswert zu verändern.
Rz. 180
V. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).
Rz. 181
Das Streitpatent erweist sich in dem in der Berufung noch verteidigten Umfang aus den oben aufgezeigten Gründen als rechtsbeständig.
Rz. 182
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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