Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Revision wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Oktober 2020 hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten erster Instanz und insoweit aufgehoben, als festgestellt worden ist, dass die Beklagte die herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 11. April 2019 zu verzinsen hat.
Die Berufung des Klägers wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 19 % und die Beklagte zu 81 %.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3.141,29 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
Rz. 2
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem als "Teil I" die "Musterbedingungen 2009 - MB/KK 2009 - des Verbandes der privaten Krankenversicherung" (im Folgenden: MB/KK) sowie als "Teil II" die "Tarifbedingungen" der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es:
"§ 8b Beitragsanpassung
Teil I
1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]
2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist.
[…]
Teil II
Zu § 8 b Abs. 1 Beitragsanpassung
[…]
Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden. […]"
Rz. 3
Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter anderem die Tarife V und T. Die Beklagte informierte ihn mit Schreiben vom Februar 2016 über Beitragserhöhungen zum 1. April 2016 im Tarif V um 76,25 € und im Tarif T um 9,90 € sowie mit Schreiben vom Februar 2017 über eine Beitragserhöhung zum 1. April 2017 im Tarif T um 5,48 €.
Rz. 4
Im Schreiben vom Februar 2016, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es:
"[…]
Warum ändert sich Ihr Beitrag?
Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich stets weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Und mehr Lebensqualität zu genießen.
[…]
Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage 'Medizinischer Fortschritt - Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]'.
[…]"
Rz. 5
Das Schreiben vom Februar 2017 - mit beigefügtem Nachtrag zum Versicherungsschein - lautete auszugsweise:
"[…]
Warum ändert sich Ihr Beitrag?
In Deutschland nehmen langwierige Krankheitsfälle zu, gerade im Bereich psychischer Erkrankungen wie Depressionen. Auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Rückenschmerzen und Bandscheibenschäden treten immer häufiger auf. Weil Betroffene oft lange arbeitsunfähig sind, steigen die Ausgaben für Versicherungen, die einen Verdienstausfall abdecken. Deshalb müssen wir die Beiträge einiger Krankentagegeldversicherungen erhöhen.
[…]"
Rz. 6
Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 29. November 2018 forderte er die Beklagte unter anderem zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf.
Rz. 7
Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage zunächst die Rückzahlung der auf die genannten sowie weitere Erhöhungen im Tarif P und im gesetzlichen Beitragszuschlag R entfallenden Prämienanteile in Höhe von 3.857,65 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen bis zum 29. November 2018 gezogen hat, an den Kläger herauszugeben und zu verzinsen hat. Außerdem hat er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Einen in der Klageschrift angekündigten Antrag auf Feststellung, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist, hat der Kläger vor dem Landgericht bezüglich der Erhöhungen in den Tarifen V und T für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen. Die Feststellungsanträge bezüglich der Erhöhungen im Tarif P sowie im gesetzlichen Beitragszuschlag R und die insoweit geltend gemachte Zahlungsklage hat der Kläger zurückgenommen sowie zuletzt Zahlung von 2.760,87 € nebst Zinsen begehrt.
Rz. 8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger neben seinen weiteren Anträgen auch den Antrag auf Feststellung gestellt, dass sein Feststellungsantrag zur Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen und der nichtbestehenden Zahlungspflicht - auch soweit er für erledigt erklärt wurde - ursprünglich zulässig und begründet war. Den im Berufungsverfahren gestellten Zahlungsantrag in Höhe von zunächst 3.429,77 € hat er später auf 3.141,29 € reduziert. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 3.141,29 € nebst Zinsen seit dem 11. April 2019 und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 650,34 € verurteilt worden ist. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie vom 1. April 2016 bis zum 29. November 2018 aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an den Kläger herauszugeben und ab dem 11. April 2019 zu verzinsen hat.
Rz. 9
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision hat nur in geringem Umfang Erfolg.
Rz. 11
I. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Parteien den auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichteten Klageantrag bereits erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eine Entscheidung sei insoweit nicht veranlasst. Die Tarifanpassung im Tarif V zum 1. April 2016 sei wegen der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK 2009 - Teil I AVB in Verbindung mit § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen der Beklagten - Teil II AVB - endgültig unwirksam. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 8b Abs. 1, 2 MB/KK werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche insoweit §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, § 203 Abs. 2 VVG, nach denen eine Prämienanpassung nur zulässig sei, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art sei.
Rz. 12
Sämtliche streitgegenständlichen Tariferhöhungen seien darüber hinaus wegen einer unzureichenden Begründung in den jeweiligen Mitteilungsschreiben in formeller Hinsicht unwirksam gewesen, wobei die Prämienanpassungen im Tarif T jeweils durch die Zustellung der Klageerwiderung geheilt und zum 1. Juli 2019 wirksam geworden seien. Die Begründungen für die Beitragsanpassungen erfüllten nicht die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Mindestanforderungen. Es fehle jeweils eine Bezugnahme auf die vorgenommenen konkreten Tariferhöhungen sowie die Angabe, dass die Veränderung der Versicherungsleistungen den gesetzlich festgelegten Schwellenwert von 10 % überschritten habe bzw. wegen einer Überschreitung des Schwellenwertes von 5 % eine Beitragsanpassung nach § 8 b MB/KK vorgenommen worden sei. Konkrete Angaben zu den Rechnungsgrundlagen und deren Veränderungen fänden sich auch in den beigefügten Beilagen nicht.
Rz. 13
Die zu viel gezahlten Beträge für alle Tarife errechneten sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens, das eine Rückforderung bis einschließlich Februar 2019 vorsehe, und ergäben insgesamt 3.141,29 €. Der Zinsanspruch folge aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten bzw. den von Beginn an unwirksamen Prämienerhöhungen im geltend gemachten Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 29. November 2018. Ferner stehe dem Kläger ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Betrages von 650,34 € zu.
Rz. 14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis überwiegend stand.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26).
Rz. 16
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 1. April 2016 und 1. April 2017 diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.
Rz. 17
Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkreten Beitragserhöhungen ausgelöst hat. Das Berufungsgericht hat diesen Schreiben nur die Erwähnung gestiegener Gesundheitskosten bzw. Versicherungsleistungen entnommen. Seine Annahme, es fehle an einer Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen und die Angabe, dass eine Veränderung der Versicherungsleistungen den im Gesetz oder den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert überschritten habe, ist nicht zu beanstanden. Für dieses Ergebnis kam es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - insoweit ggf. abweichend von den zuvor zutreffend bestimmten Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung - darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, ob der gesetzliche oder ein in den Versicherungsbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde.
Rz. 18
Soweit das Berufungsgericht eine Bezugnahme auf die konkreten Tariferhöhungen vermisst hat, bezieht sich dies auf die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung, und nicht auf die Frage, in welchem Tarif die Beklagte eine Prämienanpassung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auch die beigefügten Nachträge zum Versicherungsschein, in denen für jeden Tarif die jeweilige Prämienerhöhung aufgeführt war, nicht als ausreichende Mitteilung angesehen hat.
Rz. 19
3. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der am 28. Mai 2019 zugestellten Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 42; vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66). Es hat dem Kläger daher zutreffend die Prämienanteile für den Zeitraum vom jeweiligen Erhöhungszeitpunkt am 1. April 2016 bzw. 1. April 2017 bis einschließlich Februar 2019 - wie beantragt - in Höhe von 3.141,29 € zugesprochen ((76,25 € + 9,90 €) x 35 Monate + 5,48 € x 23 Monate). Es ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird von der Revision zu Recht nicht angegriffen. Der Betrag ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Verzugseintritt zu verzinsen.
Rz. 20
4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienanpassung im Tarif V zum 1. April 2016 über die formelle Unwirksamkeit hinaus mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle, ohne dass dies Auswirkungen auf die Höhe der begründeten Klageforderung hätte.
Rz. 21
a) Bei der genannten Prämienanpassung lag die Veränderung der Versicherungsleistungen unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte nach § 8b MB/KK in Verbindung mit § 8b Abs. 1 der Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei der hier in Rede stehenden Prämienanpassung überschritten.
Rz. 22
b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 22. Juni 2022 (IV ZR 253/20, VersR 2022,1078) entschieden und im Einzelnen begründet hat, stehen die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen des Versicherers nicht entgegen. Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 31 f.), aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt dies die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK und einer Regelung wie § 8 b Abs. 1 der Tarifbedingungen der Beklagten unberührt (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 33 ff.).
Rz. 23
c) Die materiellen Voraussetzungen der Prämienanpassung im Übrigen liegen hier unstreitig vor.
Rz. 24
5. Entgegen der Ansicht der Revision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen aus den Prämienanteilen insgesamt - und damit auch hinsichtlich der Beitragserhöhung zum 1. April 2017 - für die seit 1. April 2016 bis zum 29. November 2018 gezahlten Beiträge festgestellt hat. Da sich diese Herausgabepflicht nur auf die gezogenen Nutzungen bezieht, betrifft sie auch nur die tatsächlich gezahlten Prämienanteile als Grundlage der Nutzungen, so dass sie für die Prämienerhöhung vom 1. April 2017, auf die vor diesem Datum keine Prämienanteile gezahlt wurden, für diese Zeit auch keinen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen begründet.
Rz. 25
6. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen ab Rechtshängigkeit zugesprochen.
Rz. 26
§ 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 59). Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung des Klägers kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Kläger mit Schreiben vom 29. November 2018 neben den Prämienanteilen auch die daraus gezogenen Nutzungen von der Beklagten gefordert. Dies war hier aber nicht verzugsbegründend. Der Gläubiger kann aus einer Mahnung keine Rechte herleiten, wenn er eine weit übersetzte Forderung geltend macht (Senatsurteil vom 22. Juni 2022 - IV ZR 253/20, VersR 2022, 1078 Rn. 46 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da der Kläger in seinem Schreiben Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem gesamten Erhöhungsbetrag als Nutzungsersatz begehrte; das ist als tatsächlich gezogene Nutzung aus Krankenversicherungsbeiträgen fernliegend.
Rz. 27
7. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der ausgeurteilten Höhe angenommen.
Rz. 28
a) Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründungen der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus der unwirksamen Prämienanpassung bei der Beitragsabrechnung der Beklagten. Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26 m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO).
Rz. 29
b) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).
Rz. 30
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15503403 |