Leitsatz (amtlich)
Dem Werbeprivileg einer Klinik, in der sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungen erbracht werden, steht es grundsätzlich nicht entgegen, daß die stationären Leistungen von Belegärzten erbracht werden.
Normenkette
UWG § 1; GG Art. 12 Abs. 1; BOÄ Bayern 1998 § 27
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 23.11.1999) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 26.02.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. November 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen die im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 4. Kammer für Handelssachen, vom 26. Februar 1999 unter I 1 und I 2 enthaltenen Verbotsaussprüche unter teilweiser Einschränkung und Neufassung zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen in den Verbotsaussprüchen I 1 und I 2 abgeändert. Hinsichtlich der Verbotsaussprüche I 1 a und I 1 b sowie I 2 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung (Verurteilung der Beklagten gemäß Ziffer I 1 c des landgerichtlichen Unterlassungstenors) wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, die über eine Konzession nach § 30 GewO als Privatkrankenhaus verfügt, betreibt unter der Bezeichnung „E. -CLINIC” eine belegärztliche Privatklinik. Die in der Klinik tätigen Belegärzte führen im Klinikgebäude – räumlich getrennt – eigene Praxen. Sie sind vertraglich zur ambulanten und stationären Ausübung ihrer Praxis sowie zur kooperativen und konsiliarischen Zusammenarbeit mit den anderen Ärzten des Hauses verpflichtet.
Die Beklagte versandte an potentielle Patienten eine Werbebroschüre (Anl. K 1), in der sie auf die Vorzüge ihres Klinikkonzeptes hinwies, sowie – eingelegt in diese Broschüre – verschiedene Informationsblätter (Anl. K 2 bis K 13), in denen sie die in ihrer Klinik angewendeten Verfahren und Behandlungen beschrieb. Sie verwandte dabei medizinische Fachausdrücke und Abkürzungen.
Die Klägerin, die berufsständische Organisation der Ärzte Bayerns, hält etliche der in der Werbebroschüre und in den Informationsblättern enthaltenen Äußerungen wegen Verstoßes gegen §§ 1, 3 UWG sowie §§ 11, 12 HWG für wettbewerbswidrig.
Gegenstand der revisionsrechtlichen Beurteilung sind die vom Berufungsgericht bestätigten und teilweise neu gefaßten Verbote: es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs außerhalb der Fachkreise
mit folgenden Texten zu werben:
Im Unterschied zu einem überwiegend auf stationäre Behandlung beschränkten Krankenhaus und zum nur ambulant praktizierenden niedergelassenen Arzt werden an der E. -CLINIC grundsätzlich Leistungen aus dem ambulanten und dem stationären Bereich angeboten.
Spezialistensuche, Informationsverluste beim Umzug ins Krankenhaus und danach gehören in diesem vernetzten System der Vergangenheit an.
Ein weiterer Unterschied zum auf die stationäre Behandlung konzentrierten Krankenhaus:
In der E. -CLINIC ist die Präventionsmedizin ebenso integraler Bestandteil des Medizinkonzepts wie die Nachbetreuung und die ambulante Rehabilitation.
- Eine stationäre Behandlung in der E. -CLINIC dauert heute im Mittel nur noch 7,6 Tage. Im Durchschnitt aller deutschen Krankenhäuser ist sie mit 12,9 Tagen (Statistisches Bundesamt) fast doppelt so lang!
für die Behandlung von
- Erkrankungen an Hornhaut, Regenbogenhaut, Linse, Netzhaut und Sehnerven;
- Senkungsbeschwerden im gynäkologischen Bereich, Blasenleiden, unwillkürlichem Harnverlust und Vorfall der Gebärmutter;
- Prozessen innerhalb der Hör- und Gleichgewichtsorgane sowie ihre organischen und nervlichen Grundlagen, insbesondere auch bei Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen sowie Hörgeräuschen (Tinnitus);
- Affektionen der Harnblase, Harnsteinleiden, Blasenentleerungsstörungen und Bettnässen;
zu werben.
Die Revision verfolgt den Antrag der Beklagten weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Werbung der Beklagten mit den im Verbotsausspruch unter 1. wiedergegebenen Texten verstoße gegen §§ 1, 3 UWG. Die Werbung für die Behandlung der im Verurteilungstenor unter 2. genannten Krankheiten hat das Berufungsgericht für gemäß § 1 UWG i.V. mit § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG unzulässig erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin sei zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG befugt. Die Beklagte handele mit der Herausgabe und Verwendung ihrer Werbematerialien im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs i.S. von §§ 1, 3 UWG.
Die Werbung außerhalb der Fachkreise mit dem im Verbotsausspruch unter 1 a wiedergegebenen Text verstoße gegen §§ 1, 3 UWG, weil die Beklagte die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Berufungsgerichts gehörten, durch den beanstandeten Text in die Irre führe. Der Leser der Werbebroschüre erkenne, daß die Beklagte eine Privatklinik betreibe. Er werde deshalb annehmen, daß sie sich durch den angestellten Vergleich in erster Linie von anderen tatsächlich existierenden Krankenhäusern abheben und als besonderen Vorzug ihres Konzepts herausstellen wolle, daß in ihrem Haus grundsätzlich Leistungen sowohl aus dem ambulanten als auch dem stationären Bereich angeboten würden. Dieser Eindruck sei jedoch unzutreffend, weil zumindest die großen Anstaltskrankenhäuser, insbesondere die Universitätskliniken, in vielen Bereichen Abteilungen unterhielten, in denen die Patienten untersucht und anschließend ambulant behandelt würden, wenn sich herausgestellt habe, daß ein stationärer Aufenthalt nicht erforderlich sei. Ein grundlegender und systematischer Unterschied zu dem Konzept der Beklagten bestehe in dieser Hinsicht somit nicht. Die durch den Vergleich hervorgerufene Irreführung sei auch relevant.
Aus den selben Gründen sei der Beklagten auch die Werbung mit dem im Unterlassungstenor unter 1 b aufgeführten Text zu untersagen, da jedenfalls – wie gerichtsbekannt sei – in den großen Anstaltskrankenhäusern präventive Medizin und Nachbetreuung mit ambulanter Rehabilitation als Bestandteil der gebotenen medizinischen Versorgung durchgeführt würden. Die Werbung mit dem im Verbotsausspruch 1 c wiedergegebenen Text verstoße gegen § 1 UWG, weil er das für alle Werbevergleiche geltende Sachlichkeitsgebot verletze.
Die Werbung außerhalb der Fachkreise für die Behandlung der im Unterlassungstenor unter 2. aufgeführten Krankheiten sei der Beklagten gemäß § 1 UWG i.V. mit § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG und der Anlage A zu dieser Vorschrift zu untersagen. Die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes seien auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar, da nicht lediglich eine bloße Firmen- oder Imagewerbung vorliege. Das Werbeprivileg gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 HWG könne die Beklagte nicht für sich in Anspruch nehmen, weil sie nicht zu den dort genannten Institutionen gehöre. Allerdings sei das Werbeverbot gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG nicht auf standesrechtlich zugelassene Arztwerbung anwendbar. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte in Bayern (BOÄ Bayern 1998) verbiete dem Arzt, für seine oder die berufliche Tätigkeit anderer Ärzte zu werben. Nach § 27 Abs. 2 der Berufsordnung dürfe der Arzt eine ihm verbotene Werbung durch andere nicht veranlassen oder dulden. Dies gelte auch für die anpreisende Herausstellung von Ärzten in Ankündigungen von Kliniken oder anderen Unternehmen. Die Beklagte habe in ihren Werbematerialien mit der Darstellung der angegriffenen Behandlungen überwiegend für das Angebot der mit ihr zusammenarbeitenden und in ihren Räumen ambulant behandelnden Belegärzte und nicht für ihr eigenes Klinikangebot geworben. Sie könne sich daher nicht mit Erfolg auf eine Ausnahme von dem strikten Werbeverbot für Ärzte berufen.
II. Die Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten gemäß Ziffer 1 a und 1 b sowie 2. des Verbotsausspruchs zur Abweisung der Klage und im übrigen (Ziffer 1 c) zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Klägerin ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.1998 – I ZR 179/96, GRUR 1999, 504, 505 = WRP 1999, 501 – Implantatbehandlungen I).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt die Werbung der Beklagten mit den im Verurteilungstenor unter 1 a und 1 b wiedergegebenen Texten nicht gegen §§ 1, 3 UWG. Die Verurteilung der Beklagten gemäß Ziffer 1 c stellt sich auf der bisherigen Grundlage ebenfalls nicht als gerechtfertigt dar.
a) Zum Verbotsausspruch 1 a:
aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß die Zulässigkeit des in der angegriffenen Textpassage enthaltenen Vergleichs davon abhängt, ob er sich in den Grenzen der sachlichen und insbesondere der wahrheitsgemäßen Erörterung hält. Irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse sind stets unzulässig, gleichgültig, ob sie im Rahmen eines Systemvergleichs oder – wie § 3 Satz 2 UWG klarstellt – im Rahmen einer vergleichenden Werbung gemacht werden, weil sie die umworbenen Verkehrskreise täuschen und die Mitbewerber wettbewerbswidrig behindern (vgl. Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann, 12. Lieferung 2000, § 1 UWG Rdn. A 146; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 389; Köhler in: Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 457).
bb) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, durch den beanstandeten Text führe die Beklagte die angesprochenen Verkehrskreise in die Irre. Der Beurteilung des Berufungsgerichts kann nicht beigetreten werden, weil ihr ein fehlerhaftes Verständnis der angegriffenen Aussage zugrunde liegt.
(1) Keine Einwände bestehen allerdings gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, wer den angegriffenen Text lese, werde annehmen, die Beklagte wolle als einen besonderen Vorzug ihres Konzepts herausstellen, daß in ihrem Haus grundsätzlich Leistungen aus dem ambulanten und dem stationären Bereich angeboten würden. Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der angesprochene Verkehr werde den Vergleich mit einem „überwiegend auf stationäre Behandlung beschränkten Krankenhaus” auf tatsächlich existierende Krankenhäuser beziehen, begegnet keinen Bedenken. Auch die Beklagte hat – anders als das Berufungsgericht meint – nicht behauptet, der angesprochene Verkehr werde den Vergleich als einen solchen mit einem gedachten Krankenhaus auffassen, das sich auf stationäre Behandlungen beschränkt.
(2) Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht darin zugestimmt werden, die Beklagte berühme sich einer Vorrangstellung; diese sei unzutreffend, weil zumindest die großen Anstaltskrankenhäuser, insbesondere die Universitätskliniken, in vielen ihrer Bereiche Abteilungen unterhielten, an die sich Patienten einschließlich der Privatversicherten, Beihilfeberechtigten und Selbstzahler direkt wenden könnten, in denen sie untersucht sowie anschließend ambulant behandelt würden, wenn sich herausgestellt habe, daß ein stationärer Aufenthalt nicht erforderlich sei.
Das Berufungsgericht nimmt dabei an, die Beklagte erwecke mit ihrem Werbetext den Eindruck, ihr komme deshalb eine Vorrangstellung gegenüber anderen tatsächlich existierenden Krankenhäusern zu, weil ausschließlich in ihrer Klinik sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen unter einem Dach angeboten würden. Die Revision rügt mit Recht, der Wortlaut des Werbetextes biete keine Anhaltspunkte dafür, daß die Werbeaussage in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne verstanden werden könne. In der Werbung ist lediglich von „einem überwiegend auf stationäre Behandlung beschränkten Krankenhaus” die Rede. Die Verwendung des unbestimmten Artikels „einem” macht deutlich, daß kein Vergleich mit sämtlichen sonstigen Krankenhäusern gezogen werden soll. Ein Vorrang vor allen anderen Krankenhäusern wird damit nicht behauptet. Die Benutzung des Adjektivs „überwiegend” läßt Raum für die Annahme, daß in einem anderen Krankenhaus neben der stationären Behandlung auch eine ambulante Behandlung in Betracht kommt. Die Beklagte stellt in der Werbung vielmehr lediglich heraus, daß im Unterschied zu einem „überwiegend” auf stationäre Behandlung beschränkten Krankenhaus in ihrer Klinik „grundsätzlich” Leistungen aus dem ambulanten und dem stationären Bereich angeboten würden.
Der Werbetext erweckt demnach – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – nicht den Eindruck, der besondere Vorzug der Klinik der Beklagten gegenüber anderen Krankenhäusern bestehe darin, daß ausschließlich in ihrer Klinik und in keinem anderen Krankenhaus sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungen angeboten würden. Deshalb kann aus der Tatsache, daß auch andere Krankenhäuser nicht nur stationäre, sondern auch ambulante Leistungen anbieten, nicht geschlossen werden, die Beklagte führe die Werbeadressaten in die Irre. Es ist vielmehr erfahrungsgemäß naheliegend, die Werbeaussage dahin zu verstehen, daß die Integration von ambulanter und stationärer Behandlung bei der Beklagten die Grundkonzeption darstellt, während eine solche Integration bei sonstigen Krankenhäusern eher die Ausnahme bildet.
b) Zum Verbotsausspruch 1 b:
aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, die unter 1 b des Verurteilungstenors wiedergegebene Passage, die von den angesprochenen Verkehrskreisen als Vergleich zu tatsächlich existierenden Krankenhäusern vergleichbarer Größe aufgefaßt werde, sei irreführend, weil jedenfalls auch in den großen Anstaltskrankenhäusern nicht nur zufällig, sondern als Bestandteil der gebotenen medizinischen Versorgung präventive Medizin und Nachbetreuung mit ambulanter Rehabilitation durchgeführt würden. Auch das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
bb) Das Berufungsgericht hat wiederum unterstellt, die Werbeaussage werde von den angesprochenen Verkehrskreisen dahin verstanden, daß in anderen Krankenhäusern vergleichbarer Größe präventive Medizin und Nachbetreuung mit ambulanter Rehabilitation schlechthin nicht zum Leistungsangebot gehörten. Dies läßt sich dem Wortlaut der Werbeaussage jedoch nicht entnehmen. Im Text ist lediglich von dem „auf die stationäre Behandlung konzentrierten Krankenhaus” die Rede. Damit wird jedenfalls nicht die Behauptung aufgestellt, alle sonstigen Krankenhäuser konzentrierten sich auf die stationäre Behandlung, während die Beklagte als einzige Klinik auch Präventionsmedizin sowie die Nachbetreuung und ambulante Rehabilitation anbiete. Die angegriffene Werbung ist vielmehr so zu verstehen, daß das auch die Vorsorge und Nachsorge umfassende Gesamtangebot in der Klinik der Beklagten zum prinzipiellen Konzept gehört, während ein entsprechendes Angebot in den sonstigen Krankenhäusern nicht zum regelmäßigen Leistungsumfang zählt.
c) Zum Verbotsausspruch 1 c:
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Text erzeuge als Systemvergleich – auch wenn die wiedergegebenen statistischen Zahlen jeweils unstreitig seien – einen falschen Gesamteindruck und verstoße damit gegen §§ 1, 3 UWG. In der Klinik der Beklagten würden Transplantationspatienten, die einer besonders intensiven und längeren Betreuung bedürften, nicht behandelt. Die Beklagte nehme ausschließlich Privatpatienten und sonstige Selbstzahler auf. Es spreche deshalb alles dafür, daß sie in einem deutlich geringeren Maße als Anstaltskrankenhäuser chronisch Kranke, die aus finanziellen Gründen nicht in anderen Institutionen gepflegt werden könnten, behandele. Es sei deshalb wahrscheinlich, daß der Vergleich zu der durchschnittlichen Verweildauer in allen Krankenhäusern ebensowenig aussagekräftig für die Leistungsfähigkeit der Beklagten sei, wie ein statistischer Vergleich zu den Krankenhäusern der Stufen I und II, der, wie die Beklagte selbst einräume, zu ihren Lasten ausgehen müsse. Diese Unsicherheit führe zur Unzulässigkeit des Vergleichs. Denn im Rahmen dieses Rechtsstreits könne nicht festgestellt werden, ob und inwiefern der Vergleich der Verweildauer in der Klinik der Beklagten im Vergleich zur durchschnittlichen Verweildauer in allen deutschen Krankenhäusern überhaupt etwas über deren überlegene Leistungsfähigkeit aussage. Insoweit bestehe keine Vergleichbarkeit.
bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist die vergleichende Gegenüberstellung an sich wahrer Tatsachen im Rahmen eines Systemvergleichs unzulässig, wenn sie beim angesprochenen Verkehr einen unrichtigen oder irreführenden Gesamteindruck erweckt (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1986 – I ZR 7/84, GRUR 1986, 548, 549 = WRP 1986, 654 – Dachsteinwerbung; Urt. v. 3.2.1988 – I ZR 183/85, GRUR 1988, 764, 767 = WRP 1988, 525 – Krankenkassen-Fragebogen). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die miteinander verglichenen Tatsachen entgegen den Erwartungen des Verkehrs nicht miteinander vergleichbar sind, weil die Tatsachengrundlagen in für den Vergleich wesentlichen Punkten voneinander abweichen.
cc) Es ist demnach grundsätzlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht seine Annahme, die erforderliche Vergleichbarkeit könne im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht festgestellt werden bzw. der Vergleich der durchschnittlichen Verweildauer in der Klinik der Beklagten mit der durchschnittlichen Verweildauer in allen Krankenhäusern sei für die Leistungsfähigkeit der Beklagten wahrscheinlich nicht aussagekräftig, maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Klinik der Beklagten in einem deutlich geringeren Maße als Anstaltskrankenhäuser chronisch Kranke betreuen müsse, und daß in der Klinik der Beklagten keine Transplantationspatienten behandelt würden. Die Revision rügt aber mit Recht, daß das Berufungsgericht in verfahrenswidriger Weise unter Beweis gestellten Sachvortrag der insoweit beweisbelasteten (vgl. Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann aaO § 1 Rdn. A 147) Beklagten übergangen hat.
Die Beklagte hat vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, ihre Klinik entspreche einem Krankenhaus der III. bzw. IV. Versorgungsstufe gemäß Art. 4 Abs. 5 und 6 BayKHG. Sie behandele aufgrund ihres umfassenden Leistungsangebots gerade im neuro-chirurgischen, allgemein-chirurgischen und unfall-chirurgischen Bereich und auf dem Fachgebiet der inneren Medizin ständig schwerstkranke und chronischkranke Patienten. Jeder statistische Vergleich mit der Summe aller sonstigen Krankenhäuser, die in ihrer überwiegenden Anzahl den Versorgungsstufen I und II zuzuordnen seien, benachteilige die Beklagte statistisch, da sie im Verhältnis zu den Vergleichskrankenhäusern eine überproportionale Anzahl von Schwerst- und Chronischkranken stationär versorge. Dem Hinweis der Klägerin auf Transplantationspatienten ist die Beklagte damit entgegengetreten, daß sich die gesetzlich nur an Universitätskliniken mögliche Transplantationsmedizin statistisch wegen der geringen Anzahl der Fälle nur mit Zehntel Bruchteilen eines Prozents auswirke.
Es kann danach nicht ausgeschlossen werden, daß das Berufungsgericht die Vergleichbarkeit der durchschnittlichen Verweildauer in der Klinik der Beklagten und in anderen Krankenhäusern anders beurteilt hätte, wenn es den von ihm nicht geprüften und deshalb in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Sachvortrag der Beklagten berücksichtigt hätte.
3. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, für die Behandlung der im Tenor unter 2 a bis 2 d genannten Krankheiten zu werben.
a) Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG ist es verboten, außerhalb der Fachkreise für Verfahren oder Behandlungen zu werben, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung der in der Anlage zum Heilmittelwerbegesetz aufgeführten Krankheiten oder Leiden beziehen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Unterlassungstenor zu 2. genannten Krankheiten, für deren Behandlung die Beklagte in ihrer Werbebroschüre und den Informationsblättern werbe, würden von § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG i.V. mit der Anlage A umfaßt. Dies wird von der Revision hingenommen und läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Die unter Ziffer 2 a und 2 c aufgeführten Krankheiten zählen zu den organischen Krankheiten der Augen und Ohren (Anlage A Nr. 5 b), die unter Ziffer 2 b und 2 d genannten Krankheiten gehören zu den organischen Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane (Anlage A Nr. 5 e).
b) Das Berufungsgericht ist des weiteren zu Recht davon ausgegangen, daß das Heilmittelwerbegesetz auf die streitgegenständliche Werbung zur Anwendung komme, weil keine bloße Firmen- oder Imagewerbung vorliege, sondern konkrete Verfahren und Behandlungen beschrieben und beworben würden.
Nicht jede Werbung für Verfahren und Behandlungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG unterfällt den Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes. Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht hingegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Verfahren und Behandlungen für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.1992 – I ZR 221/90, GRUR 1992, 873 = WRP 1993, 473 – Pharma-Werbespot; Urt. v. 15.12.1994 – I ZR 154/92, GRUR 1995, 223 = WRP 1995, 310 – Pharma-Hörfunkwerbung; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 1 Rdn. 18). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Verfahren und Behandlungen im Vordergrund steht.
Da die Beklagte in den mit ihrer Werbebroschüre versandten Informationsblättern die verschiedenen in ihrer Klinik angewendeten Verfahren und Behandlungen in den Vordergrund stellt, beinhalten diese Werbematerialien mithin eine vom Heilmittelwerbegesetz erfaßte Absatzwerbung.
c) Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin beigetreten werden, daß der Beklagten als Betreiberin einer belegärztlichen Privatklinik die Werbung in dem genannten Umfang verboten ist.
aa) Im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ist es Ärzten, die Kliniken und Sanatorien betreiben, nicht verwehrt, unter Herausstellung der Arztnamen und Arztbezeichnung sowie unter Angabe der Indikationsgebiete und Behandlungsmethoden zu werben (vgl. BVerfGE 71, 183, 198 ff. – Sanatoriumswerbung). Dies gilt nicht nur für Kliniken, die stationäre Behandlungen durchführen oder angestellte Ärzte beschäftigen, sondern auch für Kliniken, die ambulante Eingriffe vornehmen oder in denen Belegärzte arbeiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.7.2000 – 1 BvR 547/99, NJW 2000, 2734, 2735 – Implantatbehandlungen). Diese Besserstellung der ärztlichen Betreiber von Kliniken und Sanatorien gegenüber den niedergelassenen Ärzten mit ambulanter Praxis wird durch die erheblichen betriebswirtschaftlichen Unterschiede zwischen stationärer und ambulanter Behandlung gerechtfertigt. Kliniken und Sanatorien bieten neben der ärztlichen Behandlung auch gewerbliche Leistungen wie Unterbringung und Verpflegung an, arbeiten meist mit größerem personellem und sachlichem Aufwand und sind zur Sicherung ihrer Existenz darauf angewiesen, auf ihr Leistungsangebot aufmerksam zu machen (BVerfGE 71, 183, 199 f. – Sanatoriumswerbung).
bb) Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte könne sich nicht auf das Werbeprivileg berufen, weil sie ärztliche Leistungen herausstelle, die aus der Sicht der Interessenten weit überwiegend in einer ambulanten Arztpraxis erbracht würden. Anders als in der Entscheidung „GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen” (BGH, Urt. v. 14.4.1994 – I ZR 12/92, GRUR 1996, 905 = WRP 1994, 859) kann jedoch – wie die Revision zu Recht rügt – im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte in den mit der Werbebroschüre versandten Informationsblättern ausschließlich oder auch nur im wesentlichen für eine ambulante Behandlung der vom Berufungsgericht im Verbotsausspruch unter 2. genannten Krankheiten durch die niedergelassenen bei ihr tätigen Ärzte wirbt. Vielmehr wird nicht nur in einem untergeordneten Umfang für eine stationäre Behandlung in ihrer Belegklinik geworben. Das ergibt sich zum einen daraus, daß das Konzept der Beklagten gerade darin besteht, ambulante und stationäre Leistungen unter einem Dach vorzuhalten, um dann im Einzelfall – je nach medizinischer Notwendigkeit – entweder eine ambulante oder eine stationäre Behandlung anbieten zu können. Zum anderen kann – worauf die Revision ebenfalls mit Recht hinweist – nicht ausgeschlossen werden, daß die betreffenden Krankheiten im Einzelfall eine stationäre Behandlung erfordern.
Dem Werbeprivileg der Beklagten als Klinik steht es nicht entgegen, daß die stationären Leistungen von Belegärzten erbracht werden, deren Tätigkeit standesrechtlich dem Berufsbild des niedergelassenen Arztes zuzurechnen wäre. Denn die Beklagte wirbt nicht allein für die ärztliche Tätigkeit der Belegärzte, sondern gerade auch für die Leistungen ihres Belegkrankenhauses. Ein Verbot nach § 27 BOÄ Bayern 1998 schränkte die Beklagte, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben Belegärzte benötigt, in ihrer Selbstdarstellung im Verhältnis zu Mitbewerbern empfindlich ein, ohne daß Gründe ersichtlich wären, die eine derartige Einschränkung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG NJW 2000, 2734, 2735 – Implantatbehandlungen).
III. Danach war auf die Revision die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte gemäß den Ziffern 1 a und 1 b sowie 2. des Verbotsausspruchs verurteilt worden ist. Im übrigen Umfang der Aufhebung war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Ullmann, Starck, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 892605 |
BGHR 2003, 442 |
NJW-RR 2003, 544 |
GRUR 2003, 353 |
Nachschlagewerk BGH |
ArztR 2003, 220 |
MDR 2003, 587 |
MedR 2003, 344 |
WRP 2003, 505 |