Leitsatz (amtlich)

1. Zielt der Nachprüfungsantrag darauf ab, eine weitere Durchführung des Vergabeverfahrens abzuwenden, ist das kein Rechtsschutzziel, welches mit dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren in zulässiger Weise verfolgt werden kann.

2. Hat der Antragsteller sich an der Ausschreibung nicht mit einem Angebot beteiligt und ist er nicht in der Lage und bereit, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben, fehlt ihm im Nachprüfungsverfahren die Antragsbefugnis.

 

Normenkette

GWB § 107 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Aktenzeichen VK 20/10)

 

Gründe

Nach Vorberatung der Sache erteilt der Senat den Beteiligten folgende Hinweise:

I. Die nach Erteilung des Zuschlags in zulässiger Weise in der Hauptsache auf Feststellung der Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten (§ 123 Satz 3 GWB) weiterverfolgte sofortige Beschwerde verspricht keine Aussicht auf Erfolg.

1) Dem Feststellungsantrag ist der Erfolg schon deshalb zu versagen, weil der ursprüngliche Nachprüfungsantrag wegen fehlender Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig war (§ 107 Abs. 2 GWB).

Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle und der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens an sich. Sein einziger Zweck ist es, einem am Auftrag interessierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, den Auftraggeber zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen, das notwendig ist, um einen wegen eines Fehlers des Auftraggebers dem Antragsteller entstandenen oder drohenden Schaden zu beseitigen bzw. zu verhindern (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 4.2.2009 - 1 Verg 4/08, VergabeR 2009, 682, so auch zutreffend Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.7.2010, L 21 SF 152/10, zitiert nach juris. de) Im Hinblick auf diesen Zweck ist ein Nachprüfungsantrag gem. § 107 Abs. 2 GWB dann zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend macht, und wenn es ferner darlegen kann, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der Antragsteller schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (vgl. BGHZ 159, 186).

a) Die Antragsbefugnis in diesem Sinne fehlt der Antragstellerin, soweit sie mit ihrem Nachprüfungsantrag in erster Line beantragt hat, die Auftraggeberin zu verpflichten, keine Zuschläge zu erteilen und das Vergabeverfahren aufzuheben.

Zwar hat die Antragstellerin erklärt, ein Interesse daran zu haben, die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen. Ihr Verlangen, die Zuschlagerteilung zu unterbinden und das Vergabeverfahren aufzuheben, hat dennoch darauf abgezielt, die (weitere) Durchführung des Vergabeverfahrens abzuwenden. Das ist kein Rechtsschutzziel, welches mit dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren in zulässiger Weise verfolgt werden kann. Ein vergaberechtlicher Anspruch, eine Auftragsvergabe durch Aufhebung der Ausschreibung endgültig zu verhindern, besteht nicht (vgl. BGHZ 183, 95; OLG Koblenz, Beschluss v. 4.2.2009, a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.10.2004 - Verg W 12/04, VergabeR 2005, 138; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.3.2001 - Verg 2/01, VergabeR 2001, 234; OLG Rostock, Beschl. v. 10.5.2000 - 17 W 4/00, NZBau 2001, 285). Nachprüfungsverfahren haben den Zweck, dass Aufträge - ordnungsgemäß - erteilt werden, nicht, dass die Auftragserteilung verhindert wird (vgl. Senat, Beschluss v. 10.5.2004, a.a.O.).

b) Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist auch hinsichtlich des im Nachprüfungsantrag hilfsweise gestellten Antrages zu verneinen.

Allerdings hat die Antragstellerin mit dem Antrag, die Auftraggeberin zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand der EU-Bekanntmachung zurückzuversetzen, ein zulässiges Rechtsschutzziel verfolgt. Die Antragsbefugnis fehlt aber deshalb, weil den Darlegungen der Antragstellerin nicht zu entnehmen ist, dass sie ohne die gerügten vergaberechtlichen Rechtsverletzungen eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte.

Die Antragstellerin hat sich an der Ausschreibung nicht mit einem Angebot beteiligt. Dieser Umstand für sich hindert die Antragsbefugnis nicht, denn die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften kann auch dann für einen drohenden Schaden ursächlich sein, wenn ein am Auftrag interessiertes Unternehmen gerade durch den gerügten Verstoß an der Abgabe eines Angebots mit Chancen auf den Zuschlag gehindert worden ist (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.5.2000 - 1 Verg 1/00, NZBau 2000, 445; BayObLG, Beschl. v. 20.8.2001 - Verg 11/01, VergabeR 2002, 77; OLG Rostock, Beschl. v. 24.9.2001 - 17 W 11...

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