Leitsatz (amtlich)
Im Prozesskostenhilfeverfahren ist hinsichtlich der Fahrtkosten § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2a der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII heranzuziehen, sodass 5,20 EUR für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, anzusetzen sind, jedoch für nicht mehr als 40 Kilometer.
Normenkette
ZPO § 115
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 27.10.2006; Aktenzeichen 2 F 570/06) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Es werden monatliche Raten von 60 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, wie vom AG angenommen, monatliche Raten von 155 EUR zu zahlen. Vielmehr sind lediglich Monatsraten von 60 EUR festzusetzen.
1. Entgegen der Auffassung des AG ist die Kreditrate i.H.v. 100,10 EUR monatlich abzugsfähig. Verbindlichkeiten, die schon begründet wurden, bevor der Rechtsstreit absehbar war, sind grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Verbindlichkeiten, die bereits in Kenntnis des bevorstehenden oder gar rechtshängigen Prozesses eingegangen sind, können abgesetzt werden, wenn sie unabwendbar notwendig waren (OLG Köln v. 8.2.1994 - 25 WF 10/94, OLGReport Köln 1994, 220 = MDR 1995, 314; OLG Koblenz v. 7.2.1991 - 14 W 45/91, MDR 1992, 80; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 115, Rz. 37; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 115, Rz. 14; Saenger/Rathmann/Pukall, ZPO-Handkommentar, § 115, Rz. 26; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 115 ZPO, Rz. 48; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, § 1, Rz. 237). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die von der Antragstellerin geleisteten Kreditraten von ihrem einzusetzenden Einkommen abzuziehen.
Die Antragstellerin hat entsprechend der gerichtlichen Auflage im Beschwerdeverfahren dargelegt und belegt, dass im November 2003, und damit noch vor der Trennung der Parteien, bei der B. Sparkasse ein Dispositionskredit i.H.v. 4.500 EUR offen war, der im April 2006 ausgeglichen worden ist. Im März 2006 ist die Antragstellerin, wie sie weiter belegt hat, mit Wirkung ab April 2006 eine Kreditverpflichtung bei der I. i.H.v. 5.000 EUR nebst Zinsen und Restschuldversicherung eingegangen und hat hiermit den Dispositionskredit, der aus der Zeit vor der Trennung der Parteien stammt, ausgeglichen. Hinsichtlich der überschießenden Kreditsumme von 500 EUR hat sie angegeben, dringend notwendige Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung durchgeführt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist die Kreditrate von 100,10 EUR monatlich in vollem Umfang abzugsfähig.
2. Berufsbedingte Aufwendungen sind in einer Höhe von 208 EUR vom Einkommen der Antragstellerin abzuziehen.
Obwohl die Antragstellerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse monatliche Fahrtkosten von ca. 310 EUR angegeben hat, hat das AG im angefochtenen Beschluss nur sonstige Werbungskosten in einem Umfang von 5 % des Nettoeinkommens und damit i.H.v. 66,18 EUR angenommen. Ein solcher pauschaler Abzug von 5 %, wie er im Unterhaltsverfahren üblich ist (vgl. Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, Stand 1.7.2005), findet, bezogen auf die Ermittlung des nach § 115 Abs. 1 ZPO einzusetzenden Einkom-mens im Gesetz keine Stütze (Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 258; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 115, Rz. 40; Schürmann, FuR 2006, 14, 15; a.A. OLG Bamberg, JurBüro 1988, 95, 96; JurBüro 1990, 1644, 1645; OLG Celle, JurBüro 2006, 262; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 115, Rz. 6; Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl., § 115, Rz. 15). Insoweit kommt nur eine Berücksichtigung der tatsächlichen mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben in Betracht, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII. Diese betragen hier 208 EUR.
Soweit es Fahrtkosten betrifft, die hier von der Antragstellerin allein geltend gemacht werden, ist die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII heranzuziehen (zur Frage der Bindung an diese Verordnung im Prozesskostenhilfeverfahren vgl. Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 115, Rz. 40; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe, 8. Aufl., § 115 ZPO, Rz. 158 einerseits und Schürmann, FuR 2006, 14, 15; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl., Rz. 112 andererseits), sodass nach § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2a dieser Verordnung 5,20 EUR für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, anzusetzen sind, jedoch für nicht mehr als 40 Kilometer (so auch OLG Zweibrücken v. 30.1.2006 - 6 WF 12/06, OLGReport Zweibrücken 2006, 397 = FamRZ 2006, 799; OLG Koblenz, FuR 2006, 323; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 23.1.2004 - 2 Ta 6/04, veröffentlicht bei Juris; Saenger/Rathmann/Puk...