Leitsatz (amtlich)
Zur Besorgnis der Befangenheit, wenn die Richterin in einem Parallelverfahren betreffend dieselben Beteiligten erfolgreich abgelehnt worden ist.
Normenkette
ZPO § 42
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 2.1 F 399/16) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin gegen die Richterin am Amtsgericht ... wird für begründet erklärt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Recht hat die Antragsgegnerin die erkennende Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektiv unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Entscheidend ist, ob ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BGH, NJW-RR 2003, 1220, 1221; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 42 Rn. 9). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Befangenheitsablehnung im vorliegenden Fall schon im Hinblick darauf Erfolg, dass im Parallelverfahren 2.1 F 222/16 dem Ablehnungsgesuch stattgegeben.
Inwieweit ein in einem Verfahren gegebener Ablehnungsgrund auch auf andere fortwirkt, ist Frage des Einzelfalls und hängt insbesondere vom konkreten Ablehnungsgrund ab (vgl. BerlVerfGH, NJW-RR 2002, 70, 71; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.1985 - 3 WF 262/85, BeckRS 2009, 29301; Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 42 Rn. 14; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 19). Jedenfalls dann, wenn die erfolgreiche Ablehnung auf Voreingenommenheit gegen die Person des Ablehnenden gestützt war, greift der Ablehnungsgrund auch in den anderen Verfahren durch (OLG Celle, Nds. Rechtspflege 1976, 215; OLG Karlsruhe, Justiz 1987, 144; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 19; bei starken persönlichen Spannungen zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten differenzierend OLG Nürnberg, OLGZ 1994, 209 f.). Zu beachten ist aber stets die Sichtweise eines verständigen Beteiligten. Ist ein Richter in einem anderen Verfahren wegen Benachteiligung eines Beteiligten erfolgreich abgelehnt worden, so wird aus der Sicht des betroffenen Beteiligten - jedenfalls bei engem zeitlichem Zusammenhang der Gerichtsverfahren - vielfach Grund zu der Annahme gegeben sein, dass sich die für ihn nachteilig in Erscheinung getretene Einstellung des abgelehnten Richters auch auf ein anderes Verfahren, an dem er beteiligt ist, auswirkt mit der Folge, dass die Ablehnung auch in dem letztgenannten Verfahren Erfolg hat (OLG Brandenburg, 1. Zivilsenat, Beschluss vom 15.9.1999 - 1 W 14/99, BeckRS 1999, 09064 Rn. 12). Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Verfahren gleichzeitig anhängig sind und in einem Verfahren ein Ablehnungsgesuch bereits Erfolg hatte (Senat, Beschluss vom 06.02.2014 - 10 WF 8/14, BeckRS 2014, 14891; vgl. auch OLG Nürnberg, MDR 1965, 667; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Gehrlein, a.a.O., § 42 Rn. 14). Eine solche Voreingenommenheit lässt sich - jedenfalls aus Sicht des Beteiligten- kaum auf ein einzelnes Verfahren beschränken. Für den Beteiligten wäre es nicht verständlich, wenn derselbe Richter ihm gegenüber in einem Verfahren als voreingenommen gilt, in einem gleichzeitig anhängigen Verfahren aber nicht (OLG Celle, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund greift hier der vormalige Ablehnungsgrund auf das hiesige Verfahren durch. In dem Parallelverfahren 2.1 F 222/16 hat der Senat dem Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin durch Beschluss vom heutigen Tag mit der Begründung stattgegeben, die Richterin habe gegen die Wartepflicht nach § 47 ZPO verstoßen (10 WF 34/17). Die insoweit bei objektiver Betrachtung berechtigte Besorgnis, die Richterin sei voreingenommen, wirkt sich auch auf das vorliegende anhängige Verfahren aus. Denn die Antragsgegnerin muss befürchten, dass diese Voreingenommenheit auch in den anhängigen Parallelverfahren gegeben ist.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 Rn. 8, 20).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen
FamRZ 2017, 1763 |
MDR 2017, 1323 |
NJ 2017, 471 |