Gründe

I. Der Senat weist die Parteien nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage auf Folgendes hin:

Die Beklagte dürfte den Kläger zulässigerweise in seinen nunmehr ausgeübten Beruf verwiesen haben. Allerdings dürfte ihre Leistungspflicht erst ab Juni 2017 entfallen sein, so dass die Klage nur hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. 2 und 3 teilweise erfolgreich sein dürfte. Der Kläger dürfte lediglich einen Anspruch auf Zahlung von 1.033,91 EUR zuzüglich Zinsen sowie Beitragsfreistellung für den Monat Mai 2017 in Höhe von 80,71 EUR haben. Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten dürfte ebenfalls nur in entsprechender Höhe unter Annahme eines Streitwertes bis 1.500 EUR und mithin in Höhe von 201,71 EUR gerechtfertigt sein. Einen darüber hinausgehenden Anspruch dürfte der Kläger nicht haben.

1. Unstreitig hatte der Kläger zunächst einen Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente.

Die sich aus dem Anspruch des Klägers ergebende Leistungspflicht des Versicherers dürfte aber zwischenzeitlich entfallen sein, da die Beklagte erfolgreich ein Nachprüfungsverfahren im Sinne des § 174 VVG durchgeführt haben dürfte, wodurch die Wirkungen des zuvor im Schreiben vom 9. September 2015 erklärten Anerkenntnisses entfallen sein dürften (vgl. Lücke in Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, § 173 Rn. 3).

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens können auch nachträglich entstandene Verweisungsmöglichkeiten sein, beispielsweise aufgrund von verbesserten Einkommensverhältnissen im tatsächlich ausgeübten Beruf. Dies ergibt sich auch aus den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Nach § 17 Abs. 1 AVB ist der Versicherer berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nach dem zeitlich hier nicht begrenzten Anerkenntnis nachzuprüfen. Insbesondere, aber nicht nur, kann danach erneut geprüft werden, ob eine andere Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 4a der AVB vorliege.

Etwas anderes dürfte sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 9. September 2015 ergeben. Der Senat neigt dazu, die Auslegung des Landgerichts, dass sich die Beklagte mit diesem Schreiben nur vorbehalten habe, dass eine Nachprüfung nur in Betracht komme, wenn sich der Gesundheitszustand des Klägers verbessere, er eine Tätigkeit (neu) beginne oder sich die berufliche Tätigkeit demgemäß ändere, aus den folgenden Gründen nicht zu teilen. Unabhängig von dem Umstand, dass in dem Schreiben der Beklagten vom 9. September 2015 gerade der Klammerzusatz "(neu)" nicht beigefügt war, dürfte die Ansicht zutreffen, dass bei der Nachprüfung wegen Veränderungen der Verweisungsmöglichkeit nicht auf einen Vergleich mit dem Zustand im Zeitpunkt des Anerkenntnisses abzustellen ist, sondern auf einen Vergleich mit dem Zustand zum Eintritt der Berufsunfähigkeit. Sinn und Zweck der Nachprüfung für den Versicherer ist es gerade festzustellen, ob Umstände vorliegen, die nunmehr eine Verweisung in die ausgeübte Tätigkeit ermöglichen. Nur weil der Kläger die fragliche Tätigkeit auch schon im Zeitpunkt des Anerkenntnisses ausgeübt hat, dürfte eine spätere Verweisung grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 7. Mai 2006, Az. 20 U 31/06, zfs 2007, 582 f. - zitiert nach juris).

Eine Verweisung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der Versicherer im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses bestehende Möglichkeiten einer Verweisung auf Vergleichstätigkeiten nicht wahrgenommen hätte (BGH, Urteil vom 17. Februar 1993, Az. IV ZR 206/91, juris Rn. 37). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Unstreitig lag nämlich im Zeitpunkt des Anerkenntnisses, insbesondere aufgrund der zwischen der ursprünglich ausgeübten Tätigkeit als Müllwerker und der ausgeübten Tätigkeit als Lagerwart erheblichen Einkommenseinbuße, keine Vergleichstätigkeit vor.

2. Es dürfte sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nunmehr um eine vergleichsweise Tätigkeit handeln, auf die die Beklagte ihn verweisen darf.

Eine Vergleichstätigkeit liegt vor, wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Berufs absinkt (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996, Az. IV ZR 238/95, juris Rn. 29). Im Grunde geht es um einen Vergleich der Lebensverhältnisse, der die Wertschätzung des Berufs und die Einkommenslage beinhaltet.

Im Mittelpunkt des hiesigen Verfahrens steht die Frage der Spürbarkeit der Einkommenseinbuße. Diese ist nicht allein mit Prozentsätzen und Vergleichen der Einkommen, sondern lediglich unter Berücksichtigung des Einkommens zu ermitteln. Dabei ist das vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit konkret erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Eine Fortschreibung jenes Einkommens auf den Zeitpunkt der Verweisung hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Juni 2019 (Az. IV ZR 19/18, NJW 2019, 2774, 2776, zitiert nach beck-online) als unzulässig ang...

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