Leitsatz (amtlich)
1. Der 1. Familiensenat des Brandenburgischen OLG schließt sich unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung der vom 2. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vertretenen Auffassung an, wonach in den Fällen des § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Zustellung an den früheren Prozessbevollmächtigten auch nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens zu erfolgen hat.
2. Der 1. Familiensenat des Brandenburgischen OLG hält nicht mehr daran fest, dass der Sanktionscharakter des § 124 Nr. 2 ZPO es gebietet, nachgereichte Erklärungen nur bei hinreichender Entschuldigung zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Entscheidung vom 03.09.2007; Aktenzeichen 32 F 132/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 3.9.2007 - Aktenzeichen 32 F 132/05 - aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragstellerin war mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 28.6.2005 ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Scheidungssache und die Folgesache Versorgungsausgleich bewilligt worden. Sie wurde im Hauptsacheverfahren und im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Rechtsanwalt L... vertreten, der ihr durch Beschluss vom 8.3.2007 beigeordnet wurde.
Mit Schreiben vom 16.4.2007 forderte das Amtsgericht die Antragstellerin auf, etwaige Veränderungen ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Ein Zugangsnachweis für dieses Schreiben fehlt. Mit Verfügung vom 24.7.2007 ließ der Rechtspfleger des Amtsgerichts Oranienburg der Antragstellerin das Formular "ZP 51" (Frist 2 Wochen) zustellen. Gemäß Zustellungsurkunde ist der Antragstellerin ein Schreiben des Gerichts vom 24.7.2007 am 27.7.2007 persönlich übergeben worden. Nachdem kein Eingang zu verzeichnen war, erließ der Rechtspfleger unter dem 3.9.2007 einen Beschluss, mit dem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin aufgehoben wurde, da diese trotz Erinnerung keine Erklärung über ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben habe. Der Beschluss wurde Rechtsanwalt L... zur Kenntnisnahme übersandt.
Mit am 21.9.2007 eingegangenem Schriftsatz legte die Antragstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt L..., sofortige Beschwerde ein und erklärte, dass sich an ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zwischenzeitlich keine Änderung erheben habe. Sie erhalte weiterhin Leistungen nach dem SGB II. Mit am 24.9.2007 eingegangenem Schriftsatz legte sie einen entsprechenden Bescheid des Landkreises O... vom 11.9.2007 vor.
Die Antragstellerin behauptet, eine gerichtliche Aufforderung zur Erklärung über ihre derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erhalten zu haben. Sie ist der Ansicht, diese hätte ihrem Verfahrensbevollmächtigten zugestellt werden müssen. Außerdem reiche die Nachholung der geforderten Erklärung im Beschwerdeverfahren aus.
Das Amtsgericht hat unter dem 2.11.2007 der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO. Insbesondere ist die Notfrist von einen Monat (§ 127 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingehalten worden. Es fehlt zwar ein Zustellungsnachweis für den angefochtenen Beschluss, die sofortige Beschwerde ist jedoch innerhalb eines Monats seit Datum des Beschlusses eingegangen und somit in jedem Fall rechtzeitig.
Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alternative ZPO aufgehoben werden, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO über die Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse nicht abgegeben hat. Dies setzt voraus, dass die begünstigte Partei zunächst zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung aufgefordert worden ist. Da die Erklärung nur "auf Verlangen des Gerichts" abgegeben werden muss, ist eine ausdrückliche Aufforderung unter Fristsetzung erforderlich (Baumbach/Hartmann, ZPO, 66. Auflage, § 120 Rn. 29; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 120 Rz. 28; jeweils mit weiteren Nachweisen). Da die Aufforderung eine Fristbestimmung beinhaltet, bedarf sie der förmlichen Zustellung, § 329 Abs. 2 ZPO. Hier ist der Antragstellerin das Aufforderungsschreiben vom 16.4.2007 nicht förmlich zugestellt worden. Auch der bestrittene Zugang kann damit nicht nachgewiesen werden. Zugestellt worden ist der Antragstellerin allerdings ein weiteres Schreiben vom 24.7.2007, wie die ordnungsgemäße Zustellungsurkunde beweist (§ 418 ZPO). Der Inhalt des Schreibens ergibt sich aus der Verfügung des Rechtspflegers vom 24.7.2007. Darin ist zwar nicht der Wortlaut aufgenommen worden, jedoch die Angabe "ZP 51". Dabei handelt es sich um ein Formular, welches die notwendigen Aufforderungen über die abzugebende Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO enthält. Von einer näheren Darstellung kann allerdings abgesehen werden, weil die Zustellung an die Antragstellerin persönlich nicht ausreicht. Der Senat schließt sich nunmehr unter Aufgabe seiner früheren Re...