Leitsatz (amtlich)
1. Eine nicht die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 1 BGB erfüllende kurzzeitige Ehe kann dann, wenn in der Ehe keine wechselseitigen Abhängigkeiten begründet worden sind, die Bedürftigkeit nicht ehebedingt ist und weitere, den Unterhaltsverpflichtenden besonders belastende Elemente hinzutreten, eine unbefristete Gewährung von nachehelichem Unterhalt als grob unbillig gem. § 1597 Nr. 7 BGB erscheinen lassen
2. Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO findet keine Anwendung, wenn das Urteil offensichtlich falsch und die Rechtsverteidigung daher schlechthin aussichtslos ist.
Verfahrensgang
AG Cottbus (Urteil vom 06.02.2003; Aktenzeichen 53 F 70/01) |
Tenor
1. Der Beklagten wird auf ihren Antrag vom 12.3.2003 hin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. G insoweit bewilligt, als sie die Abänderung des am 6.2.2003 verkündeten Urteils des AG C. (53 F 70/01) und die Abweisung der Klage für die Zeit vom 1.2.2001 bis einschl. 31.5.2001 begehrt.
Im Übrigen wird ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
2. Dem Kläger wird eine Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses zur Einreichung der für den gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen nach § 117 ZPO gesetzt. Dabei ist auch zu vorhandenen Vermögenswerten (insb. Bankguthaben) im Einzelnen Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Parteien haben am im Juni 1991 die Ehe geschlossen, die kinderlos geblieben ist. Die Trennung erfolgte im Januar 1993, mit Schriftsatz vom 21.7.1994 wurde die Scheidung der Ehe beantragt, der Scheidungsausspruch erfolgte durch rechtskräftiges Urteil des AG Lübben vom 23.6.1995 – Az.: 30 F 148/94.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Ehescheidung schlossen die Parteien unter dem 23.6.1995 vor dem AG Lübben einen gerichtlich protokollierten Vergleich zum Ehegattenunterhalt, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte monatlich 833,57 DM zu zahlen (Bl. 35 d.A.). Dem lag ein monatliches Nettoeinkommen des Klägers von 3.200 DM abzgl. 400 DM monatlicher Fahrtkosten abzgl. 555 DM monatlicher Kreditraten bei einem monatlichen Wohngeld der Beklagten von 300 DM zugrunde.
Am 17.9.1995 wurde der Sohn M S. des Klägers und seiner damaligen neuen Lebenspartnerin, mit der er seit August 1998 verheiratet ist, geboren. Wegen der Geburt seines Sohnes erwirkte der Kläger unter dem 21.2.1996 vor dem AG Lübben – Az.: 30 F 9/96 – ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte, mit dem ab Februar 1996 der im zuvor genannten Vergleich geregelte nachehelichen Unterhalt auf 681 DM herabgesetzt wurde (Bl. 39 d.A.). Mittlerweile wohnt der Kläger mit seiner neuen Familie in Bayern.
Im April 1997 ist die Beklagte zunächst zu dem Zeugen J.S. nach C. verzogen, im August 1997 bezog sie eine eigene Wohnung in der Z.-Strasse in C. Seit 1.6.2001 hat sie die ihr gekündigte eigene Wohnung aufgegeben und wohnt seither bei dem Zeugen S. in dessen Wohnung G-Straße in C.
Die Beklagte hat bis April 1998 Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe bezogen. Ab Ende März 1998 bis Ende März 1999 hat die Beklagte aus unselbstständiger Tätigkeit monatlich im Durchschnitt über 1.200 DM netto verdient (vgl. Bl. 93 f. d.A.), anschließend sodann Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe sowie Wohngeld.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Unterhaltsanspruch sei verwirkt. Zum einen sei die Ehe kurz i.S.d. § 1579 Nr. 1 BGB gewesen, zum anderen hat er behauptet, die Klägerin führe seit etwa Frühjahr 1997 mit dem Zeugen J.S. eine eheähnliches Verhältnis. Ferner verstoße die Beklagte gegen die sie treffenden Erwerbsobliegenheiten.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.9.2001 haben sich die Parteien u.a. dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass der Kläger den im vorgenannten Versäumnisurteil titulierten Unterhalt vom 7.11.2000 bis einschl. 24.2.2001 an die Beklagte zahlt (Bl. 74, 77 d.A.).
Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil des AG Lübben vom 21.2.1996 – Az. 30 F 9/96 – dahingehend abzuändern, dass die Unterhaltsverpflichtung ab Februar 2001 entfällt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ein eheähnliches Verhältnis zum Zeugen S. und insb. ein dauerhaftes Einwohnen in dessen Wohnung vor dem 1.6.2001 bestritten. Ferner sei sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die Zustellung der Klageschrift ist an der Anschrift G-Straße in C unter dem 24.2.2001 durch Niederlegung erfolgt (Bl. 4 d.A.).
Das AG hat den Zeugen J.P.S. vernommen, wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die mündliche Verhandlung vom 13.1.2003 verwiesen (Bl. 182 ff. d.A.).
Mit dem am 6.2.2003 verkündeten Urteil hat das AG C. der Klage stattgegeben und sich zur Begründung auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs, im Wesentlichen wegen der kurzen Ehedauer und die Aufnahme einer festen eheähnlichen Lebensgemeinschaft durch die Beklagte, berufen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, für deren Durchführung sie die Bewilligung von Prozesskos...