Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung: Ordnungsgemäße Organisation einer Anwaltskanzlei

 

Normenkette

ZPO §§ 233-234

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 13.06.2007; Aktenzeichen 8 O 345/06)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.6.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Potsdam - Az.: 8 O 345/06 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

1. Die Berufung ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Sie ist erst mit dem bei Gericht am 3.9.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 31.8.2007 (Bl. 169 ff. d.A.) und damit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Monaten seit der am 28.6.2007 (Bl. 156 d.A.) erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Urteils begründet worden (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auch der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 29.8.2007 (Bl. 166 d.A.) ist nicht rechtzeitig innerhalb der am 28.8.2007 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist, sondern erst am Folgetage, dem 29.8.2007 und damit verspätet bei Gericht eingegangen, sodass die begehrte Fristverlängerung nicht gewährt werden kann (§ 520 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO). Dabei hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten in diesem Schriftsatz fälschlicherweise ausgeführt, dass die Berufungsbegründungsfrist am 30.8.2007 ablaufe. Hierauf ist die Beklagte mit gerichtlicher Verfügung vom 30.8.2007 hingewiesen worden, einschließlich der Folge, dass die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist, sofern sie nicht zurückgenommen wird.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann der Beklagten nicht gewährt werden. Der Antrag vom 31.8.2007 ist zwar zulässig und insb. innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO bei Gericht eingegangen. Er hat jedoch keinen Erfolg; der Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet.

2.1. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages hat die Beklagte vorgetragen, die seit mehreren Jahren korrekt arbeitende Angestellte, Frau V., habe die Berufungsbegründungsfrist fälschlicherweise für den 30.8.2007 notiert. Die Fristenorganisation laufe so ab, dass bei Posteingang die Fristen vollständig vorab im Fristenkalender, der dieser Angestellten im Sekretariat frei zugänglich sei, notiert würden und diese Fristen auf dem Aktendeckel zur jeweiligen Akte nochmals eingetragen würden. Die Post mit den notierten Fristen werde der Prozessbevollmächtigten zusammen mit der jeweiligen Akte vorgelegt. Hierbei habe sie ihrer Mitarbeiterin die Anweisung bei der Überprüfung der Frist erteilt, die Fristen für die Berufung auf den 30.7. und die Berufungsbegründungsfrist auf den 28.8. zu notieren. Nach § 233 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Dies ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht in mehrfacher Hinsicht auf dem Verschulden der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

2.2. Zwar braucht eine Rechtsanwältin grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Im Allgemeinen darf sie darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Anweisungen richtig befolgt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät und die Fristeneintragung unterbleibt. Das Fehlen jeder Sicherung und Kontrolle bedeutet einen entscheidenden Organisationsmangel (zur ständigen Rechtsprechung des BGH vgl. NJW-RR 2004,1361 f.; NJW 2004, 688 f.; 2003, 435 f.; 2002, 3782 f. m.w.N. sowie insgesamt zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung BVerwG NJW 1997, 3390, BFH NJW 2003, 2559 und BAGE 78, 184 [186] sowie Musielak/Grandel, ZPO, 5. Aufl., § 233 Rz. 18).

Ein solcher Organisationsfehler ist auch im vorliegenden Fall ursächlich dafür geworden, dass die Berufung nicht rechtzeitig beim Berufungsgericht begründet oder rechtzeitig ein entsprechender Fristverlängerungsantrag gestellt worden ist.

Ebenso wie die nur mündlich angeordnete Eintragung einer Rechtsmittelfrist schlichtweg vergessen werden kann und deswegen eine besondere Kontrolle erfordert, kann im Einzelfall durchaus die Gefahr bestehen, dass die nur mündlich angeordnete Änderung einer fälschlicherweise eingetragenen Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist in Vergessenheit gerät. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil die Prozessbevollmächtigte der Beklagten ihrer Büroangestellten die Anweisung zur Änderung der fälschlicherweise für d...

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