Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, ob dem Vaterschaftsanfechtungsantrag des Mannes, der unbestritten der biologische Vater des Kindes ist, stets der Erfolg versagt bleibt, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vatereine sozial-familiäre Beziehung besteht, auch wenn es im konkreten Einzelfall nicht völlig ausgeschlossen erscheint, dass der biologische Vater durch die Mutter und deren neuen Partner bewusst aus der rechtlichen Vaterrolle verdrängt worden ist.
Normenkette
BGB § 1600 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bernau (Aktenzeichen 6 F 1010/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 16./17. November 2015 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz werden den weiteren Beteiligten zu 1., 2. und 3. zu je einem Drittel auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller behauptet, der biologische Vater des am ....10.2013 geborenen Kindes I... R... zu sein und ficht dementsprechend die durch Anerkennung der Vaterschaft mit Urkunde vom 9.10.2014 (Bl. 12) zustande gekommene rechtliche Vaterschaft des weiteren Beteiligten zu 3. an.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Feststellung, dass nicht der weitere Beteiligte zu 3., sondern der Antragsteller der Vater des Kindes ist, abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen (Bl. 90 ff.).
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor:
Die Mutter und der weitere Beteiligte zu 3. (Scheinvater) hätten rechtsmissbräuchlich gehandelt, indem sie eine wissentlich unrichtige Vaterschaftsanerkennung abgegeben hätten. Denn beide hätten gewusst, dass der Scheinvater nicht der Vater des Kindes sei. Erst als die Mutter von seinem Vorhaben erfahren habe, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, sei es zur Vaterschaftsanerkennung gekommen. Schon der Umstand, dass man keine Sorgeerklärung abgegeben habe, deute darauf hin, dass zwischen dem Scheinvater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung bestehe.
Der Scheinvater habe sich um seine weiteren leiblichen Kinder mehr gekümmert als um I.... Er sei auch damit einverstanden gewesen, dass er, der Antragsteller, mit I... Umgang habe. Erst als der bereits eingeleitete Umgang durch die Mutter abgebrochen worden sei, habe er, der Antragsteller, einen Antrag auf Umgangsregelung gestellt (6 F 540/15). Im diesbezüglichen Verhandlungstermin habe sich die Mutter mit der Einleitung eines begleiteten Umgangs einverstanden erklärt. Bei der A... Erziehungs- und Familienberatungsstelle habe man dann nach Aufnahme der Elterngespräche eine Umgangsvereinbarung geschlossen.
Er, der Antragsteller, habe eine liebevolle Beziehung zu seinem Kind, welches ihn als Vater anerkenne. Das Bejahen einer dauerhaften sozial-familiären Beziehung zwischen Scheinvater und Kind durch das Amtsgericht sei nicht nachvollziehbar, zumal die Verfahrensbeiständin in ihrem Bericht ausgeführt habe, dass alle drei Parteien von einem eklatanten Mangel an Bindungstoleranz geprägt seien. Die bloße Anwesenheit des Scheinvaters beim Kind und dessen Beaufsichtigung bei Abwesenheit der Mutter reiche bei verfassungskonformer Auslegung der gesetzlichen Vorschriften nicht aus, um ihn, den Antragsteller, vom Anfechtungsrecht auszuschließen. Ein Zusammenleben in Bedarfsgemeinschaften für einen Zeitraum von nicht einmal einem Jahr stelle keine sozial-familiäre Beziehung i.S.d. § 1600 Abs. 4 BGB dar.
Im Übrigen begründe auch die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung für das Kind durch einen rechtlichen Vater noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung weiterhin angenommen und getragen werde und somit eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater Bestand haben werde. Eine Prognose, wie sich die Geschicke der sozialen Familie weiterentwickeln würden, sei in Zeiten "serieller Monogamie" nicht möglich. Für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung müsse man einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren verlangen. Denn erst dann sei die Anfechtungsfrist für den rechtlichen Vater abgelaufen. Würde dieser die Vaterschaft anfechten, stände das Kind letztlich ganz ohne Vater da. Ein weiteres Risiko ergebe sich allerdings daraus, dass die Mutter weiterhin ein Anfechtungsrecht habe, das sie etwa ausüben könne, wenn sich ihre Erwartung in die noch junge Partnerschaft nicht erfüllen werde.
Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei zu beachten. Im Adoptionsverfahren habe der leibliche Vater weitergehende Rechte als bei der Vaterschaftsanfechtung. Bei fehlenden Einflussmöglichkeiten auf die Vaterschaftszuordnung könne das Recht des leiblichen Vaters aus Art. 8 EMRK verletzt sein.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, da...