Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung vor Eintritt der Rechtskraft
Normenkette
ZPO §§ 5, 36, 254
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 12 O 209/01) |
AG Strausberg (Aktenzeichen 10 C 824/01) |
Tenor
zuständig ist das LG Frankfurt (Oder).
Tatbestand
Mit seiner am 11.7.2001 bei dem LG Frankfurt (Oder) eingereichten Klageschrift begehrt der Kläger von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über ihren Jahresüberschuss für das Jahr 2000 und nach Auskunfterteilung die Zahlung einer hiernach berechneten Provision von 4 % höchstens 10.000 DM, nebst Zinsen. Der Kläger erwartet, dass der Jahresüberschuss der Beklagten für 2000 zumindest bei 250.000 DM liegt und sich damit der vereinbarte Provisionshöchstbetrag von 10.000 DM ergibt.
Nach entsprechendem, auf §§ 23, 71 GVG, § 18 GKG gestützten, Hinweis des LG hat der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits an das AG Strausberg beantragt. Diesem Antrag hat das LG – ohne vorherige Zustellung der Klage und ohne Anhörung der Beklagten – mit Beschl. v. 30.7.2001 entsprochen. Mit Beschl. v. 28.9.2001 hat sich das AG Strausberg unter Hinweis auf § 5 ZPO seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und die Sache gem. § 36 ZPO dem Brandenburgischen OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
1. Der Zuständigkeitsstreit ist entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das beiden beteiligten Gerichten übergeordnete Brandenburgische OLG zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine direkte Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen hier zwar nicht vor. Die Zuständigkeitsbestimmung kann vorliegend jedoch analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgenommen werden.
a) Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfordert grundsätzlich, dass der zugrunde liegende Rechtsstreit bereits rechtshängig ist, da sich ein Gericht ansonsten nicht „rechtskräftig” für unzuständig erklären kann (s. etwa BGH v. 18.10.1995 – XII ARZ 18/95, NJW-RR 1996, 245; OLG Brandenburg v. 13.11.2000 – 1 AR 44/00, OLGR Brandenburg 2001, 21; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 36 Rz. 26; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, § 36 Rz. 3, 22; Musielak/Smid; ZPO, 2. Aufl. 2000, § 36 Rz. 26; Patzina in MünchKomm/ZPO 2. Aufl. 2000, § 36 Rz. 11, 34). Hieran fehlt es, da die Klage der Beklagten bislang nicht zugestellt worden ist (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO).
b) Gleichwohl kann in analoger Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO eine Zuständigkeitsbestimmung erfolgen, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, jeweils eindeutig und abschließend zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich nicht für zuständig halten und eine baldige Beilegung des Zuständigkeitsstreits nicht erwartet werden kann. In diesen Fällen ist es geboten, dass das gemeinsam übergeordnete Gericht den Zuständigkeitsstreit entscheidet, um den Parteien eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens zu ersparen (vgl. BGH v. 2.12.1982 – I ARZ 586/82, MDR 1983, 466 = NJW 1983, 1062; BayObLG v. 21.6.1991 – AR 1 Z 49/91, BayObLGZ 1991, 240 [242]; OLG Dresden v. 27.10.1998 – 10 ARf 34/98, OLGR Dresden 1999, 110 = NJW 1999, 797 [798]; OLG Brandenburg v. 13.11.2000 – 1 AR 44/00, OLGR Brandenburg 2001, 21; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 36 Rz. 26; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, § 36 Rz. 3; s.a. Baumbach/Hartmann, ZPO, 59 Aufl. 2001, § 36 Rz. 37). So liegt es auch hier.
2. Zuständig ist das LG Frankfurt (Oder).
a) Der Verweisungsbeschluss vom 30.7.2001 entfaltet mangels Rechtshängigkeit der Sache und mangels vorheriger Anhörung der Beklagten keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO.
b) Die Zuständigkeit des LG Frankfurt (Oder) folgt aus § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG, § 5 Hs. 1 ZPO.
Nach überwiegender, auch vom Senat geteilter Ansicht ergibt sich der Zuständigkeitsstreitwert einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gem. § 5 Hs. 1 ZPO aus der Addition der Gegenstandswerte der einzelnen Anträge (Ansprüche) (s. KG, JW 1934, 2633; OLG Düsseldorf v. 18.10.1995 – XII ARZ 18/95, OLGR Düsseldorf 1992, 294; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 3 Rz. 16 „Stufenklage” und § 5 Rz. 7; Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 5 Rz. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, § 3 Rz. 141 und § 5 Rz. 4; a.A – unter Hinweis auf den Rechtsgedanken in § 18 GKG – Musielak/Smid, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 5 Rz. 9; Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 5 Rz. 22). Hierfür sprechen folgende Erwägungen: Das Gesetz hat in § 18 GKG für die Berechnung des Gebührenstreitwerts der Stufenklage eine besondere Bestimmung getroffen. Dieser kostenschonenden Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn eine nämliche Regelung sich bereits aus § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO ergäbe. Damit deutet die gesetzliche Regelung darauf hin, dass der Zuständigkeitsstreitwert der Stufenklage (§ 5 ZPO) abweichend von dem Gebührenstreitwert (§ 18 GKG) zu ermitteln ist. Die Anwendung von § 5 Hs. 1 ZPO auf die Stufenklage rechtfertigt sich sachlich daraus, dass das Prozessgericht in verschiedenen Verfahrensstufen über mehrere (gestufte) Anträge...