Leitsatz (amtlich)
Zur einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB und Rückführung eines Pflegekindes trotz strafrechtlicher Verurteilung des Pflegevaters wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften nach erfolgter Trennung der Pflegeeltern.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Pflegemutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 13. September 2019 - Az. 36 F 85/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Der Verbleib bzw. die Rückführung des am... Oktober 2014 geborenen E... N... in den Haushalt der bisherigen Pflegemutter K... D... wird angeordnet.
Die Pflegemutter K... D... wird beauflagt sicherzustellen, dass jegliche Kontaktaufnahme E... und dem Pflegevater A... D... ausschließlich nach Maßgabe der Anordnungen des Amtsvormunds stattfindet.
Der weitergehende Antrag der Pflegeeltern D... wird zurückgewiesen.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die dem Antragsteller aus der Wahrnehmung des Termins am 4. Juni 2020 entstandenen Auslagen hat dieser selbst zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Rückführung des Pflegekindes in den Haushalt der (früheren) Pflegemutter im Rahmen einer Verbleibensanordnung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind bzw. waren die Pflegeeltern des am... Oktober 2014 geborenen "E..." (Namensgebung noch offen) N... Das Kind lebt bereits seit ... Oktober 2014 bei den Antragstellern; es handelte sich seit jeher um eine auf Dauer angelegte, nämlich mit dem Ziel der Adoption des Kindes eingerichtete Pflege.
In dem gesondert anhängigen Adoptionsverfahren (Az. 37 F 16/16 des Amtsgerichts Oranienburg) wurde im September 2018 bekannt, dass der Antragsteller am 18. Mai 2017 vom Amtsgericht Oranienburg wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 7 Fällen, wegen des Unternehmens der Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in fünf Fällen und wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung bis zum 17. Mai 2020, verurteilt worden ist (Az. 14 Ds 1950 Js 28171/12 (252/16)). Den Pflegeeltern war das Ermittlungsverfahren jedenfalls seit einer bei ihnen durchgeführten Hausdurchsuchung am ... Januar 2013 bekannt; sie haben das - mindestens ahnend, dass das nachteilig für ihr Adoptionsvorhaben sein könnte - gegenüber der Adoptionsvermittlungsstelle zu keiner Zeit offenbart. Der Pflegevater hat "Neugier" für die Internetrecherchen angegeben; er habe ausprobieren wollen, was alles gehe; man wisse auch nicht wirklich, was man alles runterlade; eine Erklärung für die unterlassene Löschung der Dateien habe er nicht; er habe diese dann schlicht vergessen. Er hat seine Handlungen als "Fehltritt, der niemandem geschadet habe" eingeordnet. Beide Pflegeeltern haben in den Gesprächen mit dem Jugendamt letztlich kein Verständnis dafür entwickeln können, dass diese Strafbarkeit des Pflegevaters Sorge um das Wohlergehen E...s zu begründen geeignet ist, auch wenn im Zuge eines Clearingverfahrens - einschließlich von Untersuchungen des Kindes in der Kinderschutzambulanz der C... und dem Gesundheitsamt in O... - festgestellt worden ist, dass keinerlei belastbare Hinweise auf einen Missbrauch E...s durch den Pflegevater vorliegen. In (auch unangekündigt beobachteten) Interaktionen mit den Eltern zeigte der Junge keinerlei Unsicherheiten oder Angst; beide Pflegeeltern sind als Bindungspersonen fest verankert; E... erhält viel Förderung, positives Feedback, elterliche Wärme und Zuwendung. Einen Anlass für eine therapeutische Intervention bei dem Kind hat niemand erkennen können. Der Clearingbericht schließt mit der Einschätzung, dass die Herausnahme E...s aus dem elterlichen Haushalt die Gefahr der Traumatisierung berge und die weitere Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen könnte; die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern sei unter bindungsdynamischen Aspekten sehr genau abzuwägen.
Die Pflegeeltern haben - vor dem Hintergrund, dass seitens des Jugendamts eine Herausnahme des Kindes zu dessen Schutz in den Raum gestellt worden ist - im März 2019 den Erlass einer Verbleibensanordnung beantragt. Sie haben betont, dass der Vater nicht pädophil sei und sich mit seiner Straftat auseinandergesetzt habe; eine Trennung der Pflegeeltern nach 27 Jahren (davon neun Jahre Ehe) sei nicht beabsichtigt oder veranlasst; an ihrer Erziehungseignung im Übrigen bestünden - unstreitig - keine Zweifel. Sie sehen für E... keinerlei Kindeswohlgefährdung bei Verbleib (bzw. Rückkehr) in ihrer Familie.
Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt haben - anknüpfend an ihren Eindruck unzureichender Auseinandersetzung beider Pflegeeltern mit der Straftat des Antragstellers und unter Betonung der nicht sicher auszuschließenden Risiken für die weitere Entwicklung des Kindes - die Zurückweisung des An...