Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe mehr ist, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein. Das bedeutet aber nicht, dass die Beteiligten auch bei einfacher Sach- und Rechtslage eine Beiordnung etwa dadurch erzwingen könnten, dass sie sich alle anwaltlicher Hilfe bedienen.
2. Die Schwierigkeit der Sachlage kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Umgangsverfahren gebieten, wenn die zwischen den Eltern bestehenden Kommunikationsprobleme über ein normales Maß deutlich hinausgehen und die Mutter den Vater bei der Polizei angezeigt hat, weil der Vater sie beleidigt und im Beisein der Kinder bedroht und ihr ins Gesicht gespuckt habe.
Normenkette
FamFG § 78
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 22.09.2014; Aktenzeichen 6 F 779/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 13.10.2014 (10 WF 121/14) wird der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 22.9.2014 teilweise abgeändert.
Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Rechtsanwalt ... in B. beigeordnet.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 25.10.2014 (10 WF 142/14) wird der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 29.9.2014 teilweise abgeändert.
Dem Antragsgegner werden für das erstinstanzliche Verfahren die Rechtsanwälte S ... GbR in B. beigeordnet.
Die Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässigen Rechtsmittel der beteiligten Eltern sind begründet. Ihnen ist jeweils der für das Verfahren bestellte Verfahrens bevollmächtigte beizuordnen.
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG ist, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt - wie hier - nicht vorgeschrieben ist, dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Zu Recht ist das AG in den angefochtenen Entscheidungen davon ausgegangen, dass eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, um festzustellen, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH FamRZ 2010, 1427 Rz. 23, 25).
Die gebotene Einzelfallprüfung hat das AG vorgenommen. Seine Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen und den Nichtabhilfeentscheidungen sind auch grundsätzlich nachvollziehbar. Dies betrifft insbesondere den Hinweis, dass nicht allein der Umstand, dass beide beteiligten Eltern anwaltlich vertreten sind, eine Beiordnung gebiete. Auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe mehr ist, kann der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein (BGH, a.a.O., Rz. 17). Das bedeutet aber nicht, dass die Beteiligten auch bei einfacher Sach- und Rechtslage eine Beiordnung etwa dadurch erzwingen könnten, dass sie sich alle anwaltlicher Hilfe bedienen.
Allerdings hat das AG insofern nicht alle Umstände des Einzelfalles vollständig erfasst, als es sich zu den eingeschränkten Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den Eltern geäußert hat. Insoweit hat das AG lediglich ausgeführt, die Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern begründeten keine besondere über das übliche Maß hinausgehende Schwierigkeit des Umgangsverfahrens, zumal die Eltern letztlich im ersten gerichtlichen Anhörungstermin eine Einigung getroffen und die Hoffnung geäußert hätten, für die Zukunft jedenfalls auch ohne gerichtliche Hilfe über eine Abänderung der vereinbarten Regelung miteinander direkt kommunizieren zu können. Bei diesen Ausführungen bleibt unberücksichtigt, dass das Jugendamt in seiner Stellungnahme vom 22.9.2014 davon berichtet hat, dass dort ein Gespräch der Eltern in äußerst angespannter Atmosphäre verlaufen sei, geprägt von Vorhaltungen und man sich häufig nicht habe ausreden lassen; eine sachliche Kommunikation sei nicht möglich gewesen. Ferner hat das Jugendamt darauf hingewiesen, dass die Mutter den Vater am 8.6.2014 bei der Polizei angezeigt habe, weil der Vater sie beleidigt und im Beisein der Kinder bedroht und ihr ins Gesicht gespuckt habe. Abschließend hat das Jugendamt eine Umgangsregelung für erforderlich gehalten, in deren Umsetzung die Eltern sich nicht begegnen. Dieser Bericht rechtfertigt die Annahme, dass die zwischen den Eltern bestehenden Kommunikationsprobleme über ein normales Maß deutlich hinausgehen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Strafanzeige der Mutter gegen den Vater. Bestät...